Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.243/2007
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4A_243/2007 /fco

Urteil vom 20. Juli 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiber Hatzinger.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Philipp Studer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner.

Mietausweisung,

Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid
des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,

4. Kammer, vom 8. Juni 2007.

Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:

1.
X. ________ (Beklagte, Beschwerdeführerin) war seit Oktober 1994 Mieterin
einer 4-Zimmerwohnung im 2. Obergeschoss an der Strasse Z.________ und
mietete dazu in derselben Liegenschaft ab Juli 1996 eine 2 1/2-Zimmerwohnung
im 3. Obergeschoss und ab Juli 1999 einen Laden- bzw. Gewerberaum im
Erdgeschoss.

1.1 Y.________ (Kläger und Beschwerdegegner) erwarb die Liegenschaft an der
Strasse Z.________ mit öffentlichem Kaufvertrag vom 22. Oktober 2003, wobei
Nutzen und Schaden sowie Rechte und Pflichten rückwirkend per 1. Januar 2003
auf den Kläger übergingen.

1.2 Mit Schreiben vom 22. November 2006 forderte der Kläger von der
Beschwerdeführerin den Betrag von Fr. 110'450.-- innert 30 Tagen als
ausstehende Mietzinse für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 1. November 2006
und drohte ihr andernfalls die Kündigung der Mietverträge gestützt auf Art.
257d Abs. 2 OR an. Er erwähnte, er habe bisher auf der Bezahlung von
Mietzinsen nicht bestanden, da die drei Mietverträge mündlich und in
gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst worden seien, nachdem die
Beschwerdeführerin durch einen Autounfall arbeitsunfähig geworden sei und
seit drei Jahren in einer vom Sozialamt Bern bezahlten und zur Verfügung
gestellten Wohnung in Bern lebe. Da sich die Beschwerdeführerin aber nun auf
die Mietverträge berufe, sehe er sich zum entsprechenden Vorgehen gezwungen.

1.3 Am 29. Januar 2007 kündigte der Kläger die drei Mietverhältnisse der
Liegenschaft an der Strasse Z.________ mit je separaten amtlichen Formularen
auf den 28. Februar 2007 gestützt auf Art. 257d OR. Mit Eingabe vom 5. März
2007 beantragte er dem Präsidenten des Bezirksgerichts Zofingen, es sei
richterlich festzustellen, dass die betreffenden Mietverträge rechtmässig
beendet und aufgelöst worden seien und dementsprechend die Ausweisung
zulässig sei (Ziffer 1), die Beschwerdeführerin sei zu verpflichten, die
Mietobjekte innert kürzester Frist zu verlassen unter Androhung polizeilicher
Räumung (Ziffer 2) und Bestrafung wegen Ungehorsams (Ziffer 3).

1.4 Am 28. März 2007 stellte der Präsident des Bezirksgerichts Zofingen fest,
dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien über eine 4-Zimmerwohnung im 2.
OG, eine 2 1/2-Zimmerwohnung im 3. OG und ein Ladenlokal/Gewerberaum im EG an
der Strasse Z.________ seit Ende Februar 2007 aufgelöst ist
(Dispositiv-Ziffer 1). Die Beschwerdeführerin wurde verpflichtet, das
Mietobjekt bis spätestens am 14. April 2007 zu verlassen und zu räumen, unter
der Androhung, dass sie im Unterlassungsfalle polizeilich ausgewiesen werden
könne (Ziffer 2). Es wurde festgehalten, dass die Gerichtsferien für dieses
Verfahren nicht gelten (Ziffer 3).

1.5 Mit Entscheid vom 8. Juni 2007 wies das Obergericht des Kantons Aargau
die Beschwerde der Beklagten ab (Ziffer 1) und ersetzte von Amtes wegen die
Ziffern 1 und 2 des erstinstanzlichen Entscheides durch folgende Bestimmung:
"Die Beklagte wird verpflichtet, die 4-Zimmerwohnung im 2. Obergeschoss, die
2 1/2-Zimmerwohnung im 3. Obergeschoss und das Ladenlokal bzw. den
Gewerberaum im Erdgeschoss an der Strasse Z.________ innert 10 Tagen seit
Zustellung des Entscheids zu räumen, unter Androhnung der polizeilichen
Vollstreckung im Widerhandlungsfall".
Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, beide Parteien gingen
zwar übereinstimmend davon aus, dass das ursprüngliche Mietverhältnis im
Jahre 2003 in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst worden sei, weshalb eine
Kündigung insofern nicht mehr habe ausgesprochen werden können. Die
Ausweisung erkannte das Gericht aber jedenfalls als rechtmässig, da die
Beschwerdeführerin ab 1. März 2007 kein Recht auf Verbleib in den Wohnungen
mehr habe, unbesehen darum, ob ihr der weitere Gebrauch ohne vertraglichen
Bindungswillen auf Zusehen hin erlaubt oder eine Gebrauchsleihe per Ende
Februar 2007 gekündigt worden sei.

1.6 Mit Beschwerde vom 28. Juni 2007 stellt die Beschwerdeführerin die
Rechtsbegehren:
"1. Der Entscheid SZU.2007.187/rl des Obergerichts des Kantons Aargau
 vom 8. Juni 2007 sei aufzuheben.

2.  Die Klage des Beschwerdegegners vom 5. März 2007 sei abzuweisen.

3.  Der vorliegenden Beschwerde sei durch den Instruktionsrichter die
auf- schiebende Wirkung zu erteilen."
Zur Begründung bringt sie vor, die Abmachung zwischen den Parteien könne
nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Rückgabe der zum Gebrauch
überlassenen Wohnungen und Räume jederzeit verlangt werden könne. Aus dem
Schreiben eines Herrn W.________ vom 13. April 2007, das der Beschwerde an
die Vorinstanz beigelegt worden sei, gehe vielmehr hervor, dass sie bis zur
Übertragung des Eigentums am streitgegenständlichen Objekt an sie selbst
unentgeltlich im Haus an der Strasse Z.________ wohnen könne. Dies leitet sie
aus den im erwähnten Schreiben enthaltenen Erklärungen ab, dass sie
unentgeltlich in diesem Haus wohnen könne und dass das Haus an sie zu
Alleineigentum übergehe, sobald sie schuldenfrei sei.

1.7 Der Beschwerde wurde mit Verfügung vom 29. Juni 2007 superprovisorisch
die aufschiebende Wirkung erteilt.

1.8 Der Kläger beantragt in der Vernehmlassung vom 4. Juli 2007, es sei auf
die Beschwerde nicht einzutreten (Ziffer 1), die aufschiebende Wirkung sei
aufzuheben (Ziffer 2) und das Urteil der Vorinstanz sei zu bestätigen
(Ziffern 3 - 5).

2.
Mit dem Entscheid über die Beschwerde wird das Begehren um aufschiebende
Wirkung gegenstandslos.

3.
Die Beschwerde in Zivilsachen ist in der vorliegenden Zivilrechtsstreitigkeit
grundsätzlich zulässig (Art. 72 BGG). Der Streitwert ist entgegen der Ansicht
des Klägers grundsätzlich erreicht, denn die umstrittene Berechtigung zur
Nutzung der Liegenschaft hat einen Vermögenswert, der nach Art. 51 Abs. 2 BGG
anhand der vom Kläger selbst seiner Kündigung zugrundegelegten früheren
Mietzinsen auf mindestens Fr. 30'000.-- zu schätzen ist. Die Vorinstanz hat
als letzte kantonale Instanz im Sinne von Art. 75 BGG entschieden, die
Beschwerdeführerin ist legitimiert (Art. 76 BGG) und die Beschwerde ist
fristgerecht eingereicht worden (Art. 100 BGG) .

4.
Nach Art. 105 Abs. 1 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG von Amtes wegen nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Verletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht. Die Behebung des Mangels
muss ausserdem für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97
BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden,
als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

Ob die Beschwerdeführerin schon vor der Vorinstanz eine Vereinbarung in dem
Sinne behauptet hat, dass sie die Liegenschaft des Klägers kaufen werde und
bis zu diesem Zeitpunkt unentgeltlich benützen dürfe, kann dahingestellt
bleiben. Auch wenn die nun behauptete Sachdarstellung schon vor der
Vorinstanz prozesskonform behauptet worden wäre, ist eine offensichtlich
unrichtige Sachverhaltsfeststellung jedenfalls weder ersichtlich noch
dargetan. Denn der Beweis dieser Behauptung wird entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin durch das von ihr vorgelegte Schreiben eines Dritten nicht
erbracht. Abgesehen davon, dass es sich bei der in diesem Schreiben
aufgeführten Darstellung der Ereignisse um blosse Behauptungen handelt,
ergibt sich der Schluss, den die Beschwerdeführerin aus zwei dort erwähnten
Bemerkungen ziehen will, daraus in keiner Weise. Es besteht kein Raum für die
Ergänzung der Feststellungen der Vorinstanz in dem Sinne, dass die Zeit der
Gebrauchsüberlassung durch Parteivereinbarung klar definiert worden wäre.

5.
Die Beschwerdeführerin behauptet im Übrigen selbst nicht, dass die rechtliche
Beurteilung der Sachlage auf der Grundlage der im angefochtenen Entscheid
festgestellten Tatsachen unzutreffend ist (Art. 42 BGG). Die Beschwerde ist
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann und die Gerichtsgebühr ist
der Beschwerdeführerin zu auferlegen (Art. 65 BGG). Da der Kläger nicht
anwaltlich vertreten ist, sind ihm keine zu ersetzenden Parteikosten
erwachsen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Juli 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: