Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.207/2007
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4A_207/2007 /len

Urteil vom 21. August 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Mazan.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Daniel Levy,

gegen

Y.________-Club,
Beschwerdegegner.

Mietvertrag,

Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Zivil-
und Strafrecht, vom 27. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Der Z.________-Club war jahrelang Mieter eines Vereinslokals in Liestal. Im
Jahr 2003 war vorgesehen, dass der Z.________-Club das Vereinslokal zusammen
mit dem Y.________-Club (Beschwerdegegner) mieten sollte. Im Hinblick darauf
bereitete die Vermieterin, die X.________ AG (Beschwerdeführerin), ein
Mietvertragsformular vor, in dem zum einen sie selber als Vermieterin und zum
anderen der Z.________-Club und der Beschwerdegegner als Mieter aufgeführt
waren. Am 24. Oktober 2003 wurde der Mietvertrag von der Beschwerdeführerin
als Vermieterin und vom Beschwerdegegner als Mieter unterschrieben.
Demgegenüber unterblieb die Unterzeichnung des Vertrages durch den
Z.________-Club. Seither benutzt der Beschwerdegegner das Clublokal.
Umstritten ist, ob der Mietvertrag vom 24. Oktober 2003 zwischen den Parteien
rechtsgültig zustande gekommen ist.

B.
Nach erfolglosem Schlichtungsversuch gelangte der Beschwerdegegner mit Klage
vom 11. Juli 2005 und ergänzender Klage vom 8. August 2005 ans Bezirksgericht
Liestal und beantragte im Wesentlichen, es sei festzustellen, dass das mit
Vertrag vom 24. Oktober 2003 geschlossene Mietverhältnis fortdaure; weiter
sei die Beschwerdeführerin zu verpflichten, ihm den Zugang zum Mietobjekt zu
ermöglichen; schliesslich sei die Beschwerdeführerin zur Bezahlung
verschiedener Beträge zu verpflichten. Mit Urteil vom 11. Juli 2006 wies der
Gerichtspräsident des Bezirksgerichts Liestal die Klage vollumfänglich ab.
In teilweiser Gutheissung einer vom Beschwerdegegner erhobenen Appellation
hob das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Urteil 27. März 2007 das
erstinstanzliche Urteil auf und verpflichtete die Beschwerdeführerin, dem
Beschwerdegegner umgehend Zugang zu den von ihm gemieteten Räumlichkeiten zu
gewähren.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 4. Juni 2007 beantragt die
Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 27. März 2007 sei aufzuheben und in Abweisung der Klage
vom 11. Juli bzw. 8. August 2005 sei das Urteil des Bezirksgerichtspräsidiums
vom 11. Juli 2006 vollumfänglich zu bestätigen.
Der Beschwerdegegner beantragt im Wesentlichen, die Beschwerde sei
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

D.
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist
mit Verfügung vom 28. Juni 2007 entsprochen worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Weil die angefochtene Entscheidung nach dem Datum des Inkrafttretens des
Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007
(AS 2006, 1242), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht
(Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Soweit der Beschwerdegegner in seiner Beschwerdeantwort mehr als die
Abweisung der gegnerischen Beschwerde verlangt - insbesondere die Zahlung von
Fr. 20'000.-- als Schadenersatz bzw. Genugtuung und Fr. 27'705.-- für bisher
angefallene Parteikosten - kann er mit seinen Anträgen nicht gehört werden.
Da das BGG keine Möglichkeit einer Anschlussbeschwerde vorsieht, hätte der
Beschwerdegegner bezüglich der genannten Anträge selbständige Beschwerde
erheben müssen, was er innert Frist nicht getan hat.

3.
Das Kantonsgericht hat im angefochtenen Urteil zunächst festgehalten, dass
ein Mietvertrag zwischen der Beschwerdeführerin einerseits sowie dem
Beschwerdegegner und Z.________-Club andrerseits mangels Unterzeichnung des
Vertragsformulars durch den Z.________-Club nicht zustande gekommen sei.
Aufgrund der gesamten Umstände gelangte die Vorinstanz jedoch zum Schluss,
dass von einem Vertragsverhältnis im Sinn eines faktischen Mietvertrages
zwischen der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegegner auszugehen sei.
Darüber hinaus hielt das Kantonsgericht fest, der Umstand, dass der
Z.________-Club den Mietvertrag nicht unterzeichnet habe, spreche keineswegs
gegen das Bestehen eines Mietvertrages zwischen den Parteien. Die
Beschwerdeführerin habe der Unterzeichnung des Vertrages auch durch den
Z.________-Club keine Bedeutung beigemessen. Nur so lasse sich die
unterbliebene Einholung der Unterschrift durch die Beschwerdeführerin und das
nachträglich tatsächlich gelebte Verhältnis zwischen den Parteien erklären.

4.
Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde in erster Linie geltend,
dass das Kantonsgericht in Bezug auf die "gesamten Umstände", die auf das
Vorliegen eines faktischen Mietvertrages schliessen liessen, falsche Annahmen
getroffen habe. Diesbezüglich ist vorweg festzuhalten, dass die
Feststellungen der letzten kantonalen Instanz hinsichtlich der äusseren
Tatsachen und des inneren Willens der Parteien tatsächlicher Natur sind
(anstatt vieler: BGE 121 III 414 E. 2a S. 418, 110 II 411 E. 3b S. 419, 107
II 226 E. 4 S. 229). Dabei ist das Bundesgericht an die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz grundsätzlich gebunden (Art. 105
Abs. 1 BGG). Die tatsächlichen Feststellungen können nur berichtigt oder
ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Der
Beschwerdeführer, welcher die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
anfechten will, muss substantiiert darlegen, inwieweit die Voraussetzungen
einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind; andernfalls kann ein
vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweichender Sachverhalt nicht
berücksichtigt werden (vgl. BGE 130 III 138 E. 1.4 S. 140).

4.1 Zunächst kritisiert die Beschwerdeführerin die Feststellung des
Kantonsgerichtes, ihr sei offenbar gleichgültig gewesen, wer als Mietpartei
fungiere, da sie ja gewusst habe, wer das Mietobjekt hauptsächlich nutze.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, ihr sei nicht egal gewesen, wer
Mieter sei, und ihr sei auch nicht bekannt gewesen, wer das Mietobjekt
"hauptsächlich" nutze, kritisiert sie die Feststellungen der Vorinstanz über
das Wissen einer Vertragspartei und wendet sich somit gegen die
Sachverhaltsfeststellungen. Diesbezüglich wird in der Beschwerde weder
behauptet noch dargetan, dass die beanstandeten Tatsachenfeststellungen im
Sinn von Art. 105 Abs. 2 BBG "offensichtlich unrichtig" seien bzw. "auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95" beruhten (insbes. willkürliche
Sachverhaltsfeststellung), weshalb diesbezüglich auf die Beschwerde nicht
eingetreten werden kann.

4.2 Gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz wendet sich die
Beschwerdeführerin auch insoweit, als sie geltend macht, entgegen der
Darstellung des Kantonsgerichts sei nicht über einen Umbau des Mietobjektes
in ein Tanzlokal gesprochen worden. Auch hier beanstandet die
Beschwerdeführerin die grundsätzlich verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen
(Art. 105 Abs. 1 BGG), ohne darzutun, inwieweit diese Feststellungen
ausnahmsweise zu berichtigen seien (Art. 105 Abs. 2 BGG).

4.3 Soweit die Beschwerdeführerin die Feststellung des Kantonsgerichts
kritisiert, sie habe sich nicht um die Klarstellung der Vertragsbeziehungen
gekümmert und sich insbesondere nicht um die Unterzeichnung des Vertrages vom
24. Oktober 2003 durch den Z.________-Club bemüht, wendet sie sich ebenfalls
gegen verbindliche Sachverhaltsfeststellungen. Insbesondere ist ihr Hinweis
unzulässig, sie habe sich schlicht und einfach nicht mit dem Beschwerdegegner
ohne Beteiligung des Z.________-Club vertraglich binden wollen und für sie
sei immer klar gewesen, dass die vertraglichen Beziehungen zum Mieter
schriftlich geregelt sein müssten. Mit dem Hinweis auf ihren Willen versucht
sie, in unzulässiger Weise (Art. 105 BGG) den Sachverhalt zu ergänzen. Das
Gleiche ist insoweit der Fall, als sich die Beschwerdeführerin zur Würdigung
der Aussage des Zeugen C.________ äussert. Insbesondere sind auch die
"ergänzenden Bemerkungen zu den zweitinstanzlichen Aussagen des Zeugen
C.________" unzulässig, weil nicht dargetan wird, inwieweit die
Beweiswürdigung der Vorinstanz willkürlich sein soll.

5.
In rechtlicher Hinsicht wendet die Beschwerdeführerin ein, die Vorinstanz
habe aufgrund der Umstände zu Unrecht auf ein faktisches Vertragsverhältnis
geschlossen und dadurch Art. 1 Abs. 1 OR und Art. 16 Abs. 1 OR verletzt.

5.1 Nach der Rechtsprechung ist von einem faktischen Mietvertrag auszugehen,
wenn zwar kein gültiger Vertrag zustande gekommen ist, die Parteien den
Vertrag aber in Unkenntnis des Mangels dennoch erfüllen (BGE 119 II 437 E.
3b/bb S. 441).

5.2 Der Mietvertrag, wie er von der Beschwerdeführerin als Vermieterin sowie
dem Beschwerdegegner und dem Z.________-Club als Mieter beabsichtigt war, ist
nicht zustande gekommen, weil der Z.________-Club den Vertrag nicht
unterzeichnet und sich auch nicht daran interessiert gezeigt hat. Nur in
Bezug auf das Rechtsverhältnis zwischen diesen drei Beteiligten könnte sich
die Frage stellen, ob anstelle des zufolge Nichteinhaltens der vorbehaltenen
Form ungültigen Vertrages ein faktisches Mietverhältnis besteht. Im
vorliegenden Fall interessiert jedoch ausschliesslich die Frage, ob zwischen
der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegegner ein Mietverhältnis besteht.
Im Verhältnis dieser zwei Vertragsparteien wurde nie die Einhaltung der
Schriftform vorbehalten, so dass auch nicht von einem ungültigen
Vertragsverhältnis, das in Unkenntnis der Rechtslage auf Dauer erfüllt worden
ist, ausgegangen werden kann (faktisches Vertragsverhältnis). Vielmehr stellt
sich einzig die Frage, ob aufgrund aller Umstände auf das Vorliegen eines
(gültigen) Mietverhältnisses geschlossen werden konnte. Die Vorinstanz hat
dies insbesondere aufgrund des Verhaltens der Parteien nach dem
Vertragsabschluss bejaht. Dabei gibt das nachträgliche Parteiverhalten
Aufschluss über den wirklichen Parteiwillen, welche Feststellungen für das
Bundesgericht verbindlich sind (BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 680, 107 II 417 E.
6 S. 418). Von einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 OR kann keine Rede sein.

5.3 Ebenso unbegründet ist die Beanstandung, die Vorinstanz habe gegen Art.
16 Abs. 1 OR verstossen, weil im Mietvertragsformular die Einhaltung der
Schriftform vorbehalten worden sei. Wie erwähnt betrifft der
Schriftformvorbehalt nur das ursprünglich beabsichtigte Vertragsverhältnis
zwischen der Beschwerdeführerin einerseits sowie dem Beschwerdegegner und dem
Z.________-Club andrerseits, welches mangels Unterschrift des Z.________-Club
nicht zustande gekommen ist. Vom Schriftformvorbehalt nicht betroffen ist das
zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis. Abgesehen davon hat die
Vorinstanz aus dem nachträglichen Verhalten der Beschwerdeführerin und des
Z.________-Club - mithin für das Bundesgericht verbindlich (vgl. E. 5.2) -
geschlossen, dass nachträglich auf die ursprünglich vorgesehene allseitige
Unterzeichnung verzichtet wurde. Auch die Rüge der Verletzung von Art. 16
Abs. 1 OR geht daher fehl.

6.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten-
und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. August 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: