Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.150/2007
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4A_150/2007 /len

Urteil vom 8. August 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiberin Sommer.

A. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Züst,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwältin Anne-Catherine
Koller-Dolivo.

Überspitzter Formalismus,

Beschwerde in Zivilsachen gegen den Zirkulationsbeschluss des
Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2007.

Sachverhalt:

A.
A. ________ (Beschwerdeführer) hatte in C.________ (Kroatien) ein Boot
stationiert, das am 10./11. August 1999 durch eine unbekannte Täterschaft
beschädigt wurde. Er beauftragte im Juni 2001 Rechtsanwalt B.________
(Beschwerdegegner) mit der Wahrung seiner Interessen gegenüber der
Versicherungsgesellschaft D.________ Versicherungen. In der Folge warf der
Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner vor, den Auftrag unsorgfältig erfüllt
zu haben. Da der Beschwerdegegner die Verjährungsfrist nach Art. 46 VVG nicht
beachtet habe, hätten sich die D.________ Versicherungen im Dezember 2001 auf
die Verjährung berufen und lediglich noch ein ungenügendes Angebot zur
Erledigung der Streitsache unterbreitet.

B.
Am 9. Oktober 2002 erhob der Beschwerdeführer gegen den Beschwerdegegner beim
Bezirksgericht Horgen Klage auf Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr.
33'440.60 nebst Zins. Mit Urteil vom 20. Juli 2004 wies das Bezirksgericht
Zürich, an das die Streitsache zuständigkeitshalber überwiesen worden war,
die Klage ab.
Dagegen gelangte der Beschwerdeführer an das Obergericht des Kantons Zürich,
das mit Urteil vom 12. Dezember 2005 die Klage ebenfalls abwies. Es erkannte,
dass es bereits an der gehörigen Substantiierung des Schadens und an dessen
Nachweis mangle.
Gegen das Urteil des Obergerichts hat der Beschwerdeführer sowohl
Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich als auch
eidgenössische Berufung an das Bundesgericht erhoben. Mit
Zirkulationsbeschluss vom 19. März 2007 wies das Kassationsgericht die
Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, den Entscheid
des Kassationsgerichts vom 19. März 2007 aufzuheben. Die Streitsache sei an
das Kassationsgericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde.
Das Kassationsgericht verzichtet auf eine Stellungnahme.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich
am 19. März 2007 ergangen ist, richtet sich das Verfahren nach dem BGG (Art.
132 Abs. 1 BGG).

2.
Wurde ein Entscheid unter Geltung des OG sowohl mit staatsrechtlicher
Beschwerde als auch mit Berufung angefochten, so wurde die Behandlung der
Letzteren in der Regel ausgesetzt, bis über die Erstere entschieden worden
war (Art. 57 Abs. 5 OG; BGE 122 I 81 E. 1 S. 82 f.). Analog ist vorliegend
zunächst die Beschwerde in Zivilsachen zu behandeln.

3.
Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1
BGG). Da die Beschwerde in Zivilsachen ein reformatorisches Rechtsmittel ist
(Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht
darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen,
sondern muss einen Antrag in der Sache stellen. Gleich wie nach der Praxis
zur Berufung gemäss OG muss der Beschwerdeführer demnach angeben, welche
Punkte des Entscheids angefochten und welche Abänderungen beantragt werden.
Grundsätzlich ist ein materieller Antrag erforderlich; Anträge auf
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung oder blosse
Aufhebungsanträge genügen nicht und machen die Beschwerde unzulässig. Ein
blosser Rückweisungsantrag reicht ausnahmsweise aus, wenn das Bundesgericht
im Falle der Gutheissung in der Sache nicht selbst entscheiden könnte, weil
die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fehlen (Urteil
4A_102/2007 vom 9. Juli 2007, E. 3.1, zur Publikation vorgesehen, mit
Hinweisen).
Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
und die Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz. Er begründet nicht,
weshalb die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen sei. Es erscheint
daher fraglich, ob er die Anforderungen an ein rechtsgenügliches Begehren
erfüllt und auf die Beschwerde eingetreten werden kann.
Allerdings ist offen, ob das Erfordernis eines materiellen Begehrens auch
gilt, wenn - wie vorliegend - der Beschluss einer Kassationsinstanz, die
nicht alle Rügen nach Art. 95-98 BGG prüfen konnte, angefochten und nicht
gleichzeitig das obergerichtliche Urteil mitangefochten wird (vgl. Art. 100
Abs. 6 BGG). Diese Frage braucht indes nicht entschieden zu werden, da die
Beschwerde ohnehin abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.

4.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz "überspitzten Formalismus und
mithin eine Verletzung von Art. 9 und 29 BV" vor.

4.1 Das aus Art. 29 Abs. 1 BV fliessende Verbot des überspitzten Formalismus
wendet sich gegen prozessuale Formstrenge, die als exzessiv erscheint, durch
kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck
wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise
erschwert oder gar verhindert (BGE 132 I 249 E. 5 S. 253; 128 II 139 E. 2a S.
142, je mit Hinweisen).

4.2 Der Beschwerdeführer machte vor der Vorinstanz eine Verletzung
wesentlicher Verfahrensgrundsätze geltend. Er vertrat den Standpunkt, dass
die Frage des Schadens gar nicht mehr Beweisthema gewesen sei, weil der
Beschwerdegegner in den zwei Schreiben vom 27. Juli 2001 und 14. Dezember
2001 an die D.________ Versicherungen den Schaden selbst mit ATS 352'456.--
beziffert habe. Es liege diesbezüglich ein aussergerichtliches Zugeständnis
des Beschwerdegegners vor. Eine Beweisabnahme sei nicht erforderlich, wenn
eine Tatsache von einer Partei aussergerichtlich zugestanden worden sei.
Weiter erblickte er eine Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze darin,
dass das Obergericht unberücksichtigt gelassen habe, dass er in der
Klageschrift und in der Replik Ausführungen zur Schadenshöhe gemacht und
Beweisanträge (z.B. eine Expertise) gestellt habe. Nach § 137 des Gesetzes
über den Zivilprozess des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976 (ZPO/ZH) müssten
die Beweise zwar im Einzelnen genannt werden. Wenn diese aber schon in den
Klageschriften angeboten worden seien, stelle es überspitzten Formalismus
dar, wenn das Obergericht davon ausgegangen sei, der Beschwerdeführer habe es
versäumt, die Beweismittel in einer gesonderten Beweismitteleingabe zu
erneuern.
Die Vorinstanz trat auf diese Rügen nicht ein, weil der Beschwerdeführer
entgegen § 288 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO/ZH den behaupteten Rügegrund nicht in der
Beschwerdeschrift selbst nachgewiesen, namentlich die einschlägigen
Aktenstellen nicht angeführt hatte. Die Rüge betreffend gesonderter
Beweismitteleingabe verwarf es im Übrigen als unbegründet. Beweismittel seien
in der Beweisantretungsschrift zu nennen und den einzelnen Beweissätzen
zuzuordnen, auch wenn sie schon im Hauptverfahren genannt worden seien. Im
Beweisauflagebeschluss vom 25. Februar 2004 habe die Erstinstanz denn auch
ausdrücklich auf das Erfordernis der erneuten Benennung der Beweismittel
hingewiesen.

4.3 Die Vorinstanz brachte damit - ständiger Praxis entsprechend -
Vorschriften des kantonalen Prozessrechts zur Anwendung (§ 288 Abs. 1 Ziff.
3, § 137 ZPO/ZH), von denen nicht ersichtlich ist und vom Beschwerdeführer
auch nicht aufgezeigt wird, dass sie durch kein schutzwürdiges Interesse
gerechtfertigt wären und die Verwirklichung des materiellen Rechts in
unhaltbarer Weise erschweren oder gar verhindern würden. Nicht jede
Formstrenge ist per se unhaltbar. Vielmehr dienen Formvorschriften einem
geordneten Ablauf des Verfahrens. Das gilt namentlich für die Anforderungen
an die Begründung eines Rechtsmittels, denen auch der anwaltlich vertretene
Beschwerdeführer zu genügen hatte. Zur Vorschrift von § 137 ZPO/ZH, wonach
die Parteien in der Beweisantretungsschrift sämtliche Beweismittel unter
genauer Bezugnahme auf den Beweisauflagebeschluss zu bezeichnen haben, führt
die Lehre aus, dass dies auch für die im Hauptverfahren bereits genannten
Beweise gelte, weil nur so klargestellt werden könne, mit welchen Mitteln
eine Partei welche Beweisthemen wirklich beweisen wolle
(Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3.
Aufl., Zürich 1997, N 1 zu § 137). Dies vermag die genannte Regel zu
rechtfertigen. Ein überspitzter Formalismus liegt nicht vor.

4.4 Der Willkürvorwurf (Art. 9 BV) wird in keiner Weise begründet. Demnach
kann darauf nicht eingetreten werden (BGE 133 I 1 E. 5.5 S. 5; 130 I 258
E. 1.3).

5.
Schliesslich macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 8 ZGB
geltend. Die Frage der Höhe des Schadens sei aufgrund des Schreibens des
Beschwerdegegners an die D.________ Versicherungen gar nicht mehr
beweisbedürftig gewesen. Indem die Vorinstanz die Auffassung vertreten habe,
die Schadenshöhe sei dennoch beweisbedürftig, habe sie Art. 8 ZGB verletzt.
Der Beschwerdeführer baut seine Argumentation auf seiner eigenen
Interpretation des erwähnten Schreibens des Beschwerdegegners auf, aus dem er
ein aussergerichtliches Zugeständnis ableiten will. Diese Würdigung wurde
indessen vom Obergericht nicht geteilt, weshalb es den Beweis für die
Schadenshöhe - in Übereinstimmung mit Art. 8 ZGB - dem Beschwerdeführer
auferlegte. Der Beschwerdeführer kritisierte dies vor der Vorinstanz, liess
allerdings eine Auseinandersetzung mit der obergerichtlichen Argumentation
vermissen. Die Vorinstanz schloss daher, die obergerichtlichen Darlegungen
seien in allen Punkten überzeugend, weshalb sie die Rüge des
Beschwerdeführers abwies, soweit sie überhaupt darauf eintreten konnte. In
diesem Vorgehen kann in keiner Hinsicht eine Verletzung von Art. 8 ZGB
erblickt werden.

6.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66
Abs. 1 BGG). Überdies hat er den Beschwerdegegner, der sich durch eine
Anwältin vertreten liess, für das bundesgerichtliche Verfahren zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. August 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: