Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.135/2007
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4A_135/2007 /len

Urteil vom 28. August 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Leemann.

Bank X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt J. Martin Pulver,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt André Weber.

Kontokorrent; Lombardkreditvertrag; Rahmenkreditvertrag,

Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons
Zürich vom 13. März 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a Die Bank X.________ (Beschwerdeführerin) ist eine Aktiengesellschaft mit
Sitz in Zürich. A.________ (Beschwerdegegner) ist Werbekaufmann mit Wohnsitz
in Berlin, Bundesrepublik Deutschland.
Im Mai 1998 eröffnete der Beschwerdegegner bei der Beschwerdeführerin zwei
Kontokorrentkonten mit zugehörigen Depots. Im März 2002 eröffnete er bei der
Beschwerdeführerin ein weiteres Kontokorrentkonto und Depot.

B. ________ besorgte während des vorliegend interessierenden Zeitraums als
Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin die Vermögensverwaltung des
Beschwerdegegners.

A.b Im November 2003 wurde B.________ unter dem Verdacht zahlreicher
Vermögensdelikte verhaftet. In der Folge dieser Ereignisse stornierte die
Beschwerdeführerin im Januar 2004 verschiedene Gutschriften auf den Konten
des Beschwerdegegners. Der Beschwerdegegner kündigte die Geschäftsbeziehung
mit der Beschwerdeführerin am 16. Januar 2004 mit sofortiger Wirkung und
verlangte die Überweisung der noch vorhandenen Vermögenswerte auf eine andere
Bank. Die Beschwerdeführerin weigerte sich, die Überweisung in der
gewünschten Höhe vorzunehmen.

B.
In der Folge reichte der Beschwerdegegner beim Handelsgericht des Kantons
Zürich Klage ein. Er beantragte (mit gemäss Replik geändertem Begehren)
insbesondere, die Beschwerdeführerin sei im Sinne einer Teilklage, unter dem
Vorbehalt des Nachklagerechts und der Klageänderung während des Verfahrens zu
verpflichten, dem Beschwerdegegner EUR 256'533.39 zuzüglich Zins zu 5 % seit
dem 16. Januar 2004 zu bezahlen. Die Beschwerdeführerin erhob Widerklage und
beantragte, der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, der Beschwerdeführerin
EUR 67'505.-- nebst Zins zu 5 % seit dem 12. Mai 2004 sowie CHF 1'150.--
nebst Zins zu 5 % seit dem 1. März 2004 zu bezahlen.
Mit Urteil vom 13. März 2007 verpflichtete das Handelsgericht die
Beschwerdeführerin zur Zahlung von EUR 47'420.-- nebst Zins zu 5 % seit 26.
Januar 2004. Im Mehrbetrag wies es die Hauptklage ab (Ziffer 1 des
Dispositivs). Die Widerklage wies es, soweit zu beurteilen, ab (Ziffer 2 des
Dispositivs). Ferner regelte es die Kosten (Ziffern 3 - 5 des Dispositivs).

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen verlangt die Beschwerdeführerin, Ziffer 1 des
Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 13. März 2007 sei
aufzuheben und es sei der Beschwerdegegner zu verpflichten, der
Beschwerdeführerin EUR 66'547.-- nebst Zins zu 5 % seit dem 12. Mai 2004 zu
bezahlen. Ferner seien nach Aufhebung der Ziffern 4 und 5 die Kosten des
vorinstanzlichen Verfahrens vollumfänglich dem Beschwerdegegner aufzuerlegen
und der Beschwerdeführerin eine unreduzierte Prozessentschädigung
zuzusprechen.
Der Beschwerdegegner schliesst in seiner Stellungnahme auf kostenfällige
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid am 13. März 2007 ergangen ist, richtet sich das
Verfahren nach dem BGG (Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1
BGG). Da die Beschwerde in Zivilsachen ein reformatorisches Rechtsmittel ist
(Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht
darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen,
sondern muss einen Antrag in der Sache stellen.
Vorliegend verlangt die Beschwerdeführerin die Aufhebung von Ziffer 1 des
angefochtenen Urteils. In dieser Ziffer hat das Handelsgericht die Klage des
Beschwerdegegners teilweise gutgeheissen und die Beschwerdeführerin zur
Zahlung von EUR 47'420.-- nebst Zins verpflichtet. Die Beschwerdeführerin
beantragt lediglich die Aufhebung dieser Ziffer 1, stellt aber diesbezüglich
keinen materiellen Antrag in dem Sinn, dass die Klage abzuweisen sei.
Umgekehrt verlangt sie die Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Zahlung
von EUR 66'547.-- nebst Zins, beantragt aber nirgends, dass Ziffer 2 des
angefochtenen Urteils, in der das Handelsgericht die Widerklage der
Beschwerdeführerin abgewiesen hat, aufzuheben sei. Es ist daher fraglich, ob
hinreichende Rechtsbegehren gestellt sind und überhaupt auf die Beschwerde
eingetreten werden kann. Die Frage kann offen bleiben, da sich die Rügen der
Beschwerdeführerin ohnehin als unbegründet erweisen.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin macht mit Beschwerde in Zivilsachen einzig geltend,
die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie ihr im Zusammenhang mit
einem von B.________ gefälschten Überweisungsauftrag zu Lasten des Bankkunden
Nr. 21 das Recht absprach, dem Konto des Beschwerdegegners mit Valuta 10.
Februar 2004 den Betrag von EUR 113'967.-- zu belasten. Es ist zwischen den
Parteien unbestritten, dass die C.________ AG, Berlin, aufgrund des von
B.________ gefälschten Zahlungsauftrags vom 7. August 2003 eine Gutschrift
über EUR 113'966.84 erhalten hat. Unbestritten ist auch, dass B.________ mit
der veranlassten Zahlung zu Lasten des Bankkunden Nr. 21 und zu Gunsten der
C.________ AG einen Teil seiner privaten Schuld gegenüber dem
Beschwerdegegner im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der D.________
getilgt hat. B.________ hatte sich dem Beschwerdegegner gegenüber
verpflichtet, eine fällige Rechnung für den Kauf eines Mercedes für ihn zu
begleichen. Die Vorinstanz hielt dafür, dass der Beschwerdeführerin aus der
Zahlung an die C.________ AG kein Anspruch aus ungerechtfertigter
Bereicherung gegenüber dem Beschwerdegegner zustand, weshalb die Belastung
von EUR 113'967.-- mit Valuta 10. Februar 2004 auf dem Konto des
Beschwerdegegners ungerechtfertigt erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin rügt
eine Verletzung der gesetzlichen Regeln über die ungerechtfertigte
Bereicherung.

3.2 Da sich aus den vorinstanzlichen Feststellungen keine Ermächtigung der
C.________ AG ergibt, die Zahlung von B.________ zu verlangen, kann mit der
Vorinstanz von der Vereinbarung einer Zahlstelle ausgegangen werden. Dieser
Sachverhalt ist bereicherungsrechtlich nicht anders als ein
Anweisungsverhältnis zu beurteilen (vgl. BGE 117 II 404 E. 3a S. 407).
Vorliegend sind allerdings die beiden folgenden Anweisungsverhältnisse bzw.
anweisungsähnlichen Verhältnisse auseinander zu halten, die sich überlagern:
Einerseits vereinbarte gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen B.________
mit dem Beschwerdegegner, einen Teil seiner privaten Schuld gegenüber dem
Beschwerdegegner im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der D.________
dadurch zu tilgen, dass B.________ die fällige Rechnung der C.________ AG für
den Kauf eines Mercedes für den Beschwerdegegner begleichen sollte.
Andererseits erteilte B.________ zu Lasten des Bankkunden Nr. 21 einen
gefälschten Zahlungsauftrag zur Überweisung von EUR 113'966.84 an die
C.________ AG.

3.3 Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, ist beim Anweisungsverhältnis
eine Rückabwicklung unter den jeweils an einem Leistungsverhältnis
Beteiligten vorzunehmen. Ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch des
Angewiesenen gegen den Leistungsempfänger ist damit grundsätzlich
ausgeschlossen (BGE 121 III 109 E. 4a S. 113; 117 II 404 E. 3a S. 407; 116 II
689 E. 3a/aa S. 691). Eine abweichende Betrachtungsweise rechtfertigt sich
dort, wo die Zuwendung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger als solche
fehlerhaft ist (BGE 132 III 609 E. 5.3.5 S. 619 f.; 121 III 109 E. 4a S. 113
f.; 117 II 404 E. 3b S. 408). Diese Ausnahme gilt unter anderem für den Fall,
dass die Anweisung gefälscht worden ist (Hermann Schulin, Basler Kommentar,
N. 33 zu Art. 62 OR; Thomas Koller, Basler Kommentar, N. 10 f. zu Art. 468
OR; Thomas Koller/Christa Kissling, Anweisung und Dokumentenakkreditiv im
Zahlungsverkehr, in: Wiegand [Hrsg.], Berner Bankrechtstag, Band 7, Bern
2000, S. 45).
Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin kann der Vorinstanz keine
Bundesrechtverletzung vorgeworfen werden, soweit sie zunächst davon ausging,
dass sich die Beschwerdeführerin grundsätzlich mittels Direktkondiktion an
die C.________ AG zu halten hat. Aufgrund der Fälschung des Zahlungsauftrags
war nämlich die vermeintlich vom Bankkunden Nr. 21 erteilte Anweisung als
solche fehlerhaft. Aus diesem Grund wäre - als Ausnahme vom Grundsatz, wonach
die Rückabwicklung entsprechend den Leistungsbeziehungen zu erfolgen hat -
ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch der angewiesenen Bank gegen die
Leistungsempfängerin C.________ AG zuzulassen.
Die Vorinstanz hielt im Weiteren allerdings dafür, dass mit der Zahlung von
EUR 113'966.84 durch die Beschwerdeführerin die Schuld des Beschwerdegegners
gegenüber der C.________ AG aus dem Autokauf getilgt wurde, was voraussetzt,
dass die Zuwendung von der Leistungsempfängerin als Leistung des
Beschwerdegegners entgegen genommen werden durfte. Dass die Schuld des
Beschwerdegegners durch die erwähnte Zahlung unterging, wird von der
Beschwerdeführerin nicht bestritten. Von den Parteien wurde auch nicht
dargetan, dass neben der Fälschung des Zahlungsauftrags weitere Mängel der
beiden Anweisungsverhältnisse bzw. anweisungsähnlichen Verhältnisse bestanden
hätten, insbesondere ein Mangel des Deckungsverhältnisses zwischen dem
Beschwerdegegner und B.________.
Ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch der Beschwerdeführerin gegenüber der
C.________ AG nach Art. 63 ff. OR würde somit bereits am Erfordernis der
Bereicherung scheitern. Die C.________ AG hat nämlich durch die Überweisung
von EUR 113'966.84 seitens der Beschwerdeführerin keinen Vermögenszuwachs
erfahren. Vielmehr wurde mit der Tilgung der Forderung gegenüber dem
Beschwerdegegner lediglich ein Aktivum der C.________ AG durch ein anderes
ersetzt.

3.4 Soweit die Vorinstanz in Bezug auf die Prüfung einer
Bereicherungsforderung gegenüber dem Beschwerdegegner annahm, dieser sei
durch die Tilgung seiner Schuld gegenüber der C.________ AG im Sinne einer
mittelbaren Zuwendung bereichert worden, kann ihr nicht gefolgt werden. Die
Vorinstanz übersieht, dass die Ausführung der Zahlung über EUR 113'966.84
nicht nur die Schuld des Beschwerdegegners gegenüber der C.________ AG
getilgt hat, sondern gleichzeitig - und in gleichem Umfang - seine Forderung
gegenüber B.________ im Zusammenhang mit dessen Beteiligung an der D.________
untergehen liess. Entsprechend wurde der Beschwerdegegner durch die Zuwendung
an die C.________ AG nicht bereichert, da diese Überweisung aufgrund des
anweisungsähnlichen Verhältnisses zwischen dem Beschwerdegegner, B.________
und der C.________ AG lediglich den gleichzeitigen Untergang einer Schuld
(gegenüber der C.________ AG) sowie einer Forderung (gegenüber B.________)
des Beschwerdegegners bewirkt hat. Bereichert wurde durch den erwähnten
Zahlungsvorgang demnach B.________, dessen Schuld gegenüber dem
Beschwerdegegner im Umfang von EUR 113'966.84 getilgt wurde. Ein
Bereicherungsanspruch gegenüber dem Beschwerdegegner fällt mangels
Bereicherung ausser Betracht.
Ausserdem sind weder die Überweisung an die C.________ AG noch die damit
bewirkte Bezahlung zu Gunsten des Beschwerdegegners rechtsgrundlos erfolgt.
Die Gutschrift an die C.________ AG hat ihren Rechtsgrund im Kaufvertrag des
Beschwerdegegners und es wurde damit der Kaufpreis bezahlt. Die Tilgung des
Kaufpreises anderseits hat ihren Rechtsgrund in der Zahlungsverpflichtung von
B.________ im Zusammenhang mit dessen Beteiligung an der D.________. Von
rechtsgrundlosen Leistungen kann demnach vorliegend nicht die Rede sein,
weshalb ein Bereicherungsanspruch gegenüber dem Beschwerdegegner auch aus
diesem Grund ausgeschlossen ist.
Im Ergebnis ist der Vorinstanz somit keine Bundesrechtsverletzung
vorzuwerfen, soweit sie im Zusammenhang mit dem gefälschten Zahlungsauftrag
zu Gunsten der C.________ AG einen Bereicherungsanspruch der
Beschwerdeführerin gegenüber dem Beschwerdegegner verneint, und die Belastung
von EUR 113'967.-- mit Valuta 10. Februar 2004 auf dem Konto des
Beschwerdegegners als ungerechtfertigt betrachtet hat. Ein anderweitiger
Rechtsgrund für eine derartige Belastung wurde von der Beschwerdeführerin
nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich.

3.5 Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet
und ist abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die
Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und
Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. August 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: