Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.131/2007
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4A_131/2007 /len

Urteil vom 11. Januar 2008

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Leemann.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Burges,

gegen

Y.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ernst Inderbitzin.

Anfechtung eines Beschlusses der Generalversammlung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Glarus vom 14. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 26. August 2003 beschloss die Generalversammlung der in Glarus
domizilierten Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) eine Erhöhung des
Aktienkapitals von bis anhin Fr. 100'000.-- auf neu Fr. 250'000.--.
Unmittelbar anschliessend an die Generalversammlung nahm der Verwaltungsrat
der Beschwerdegegnerin die entsprechende Anpassung der Statuten vor.
A.________ vertrat das gesamte Aktienkapital. Zugleich fungierte er als
einziges Mitglied des Verwaltungsrates.

B.
Die X.________ AG (Beschwerdeführerin), erhob am 23. Januar 2004 Klage beim
Kantonsgericht Glarus gegen die Beschwerdegegnerin mit dem Begehren, den an
der Generalversammlung der Aktionäre der Beschwerdegegnerin vom 26. August
2003 gefassten Beschluss betreffend Kapitalerhöhung und Statutenänderung
aufzuheben und das Handelsregisteramt des Kantons Glarus anzuweisen, die
entsprechenden Eintragungen zu löschen. Sie begründete ihre Klage damit, dass
A.________ sich unrechtmässig als Alleinaktionär der Beschwerdegegnerin
ausgegeben habe, weshalb die von ihm initiierte Erhöhung des Aktienkapitals
nichtig sei. A.________ habe zu keinem Zeitpunkt Eigentum an Aktien der
Beschwerdegegnerin gehabt; dagegen sei sie, die Beschwerdeführerin,
Mehrheitsaktionärin der Beschwerdegegnerin. Am 26. Januar 2005 wies das
Kantonsgericht Glarus die Klage ab.
Dagegen gelangte die Beschwerdeführerin an das Obergericht des Kantons
Glarus, das die Berufung mit Urteil vom 14. März 2007 abwies und das
erstinstanzliche Urteil vollumfänglich bestätigte.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, es sei das
Urteil des Obergerichts vom 14. März 2007 vollumfänglich aufzuheben, es sei
gleichzeitig auch das vorinstanzliche Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben
und es sei der an der Generalversammlung der "Aktionäre" der
Beschwerdegegnerin vom 26. August 2003 gefasste Beschluss betreffend
Kapitalerhöhung und Statutenänderung aufzuheben und das Handelsregisteramt
des Kantons Glarus anzuweisen, die entsprechende Eintragung zu löschen.
Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung
des angefochtenen Urteils. Die Vorinstanz verzichtete auf eine
Vernehmlassung.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 3. Oktober 2007 wurde festgehalten, dass die
Eingabe der B.________ AG vom 7. September 2007, die geltend gemacht hatte,
die Aktien der Beschwerdegegnerin seien ihr mit Kaufvertrag vom 7. August
2007 verkauft worden, weshalb sie Klägerin geworden und die
Beschwerdeführerin nicht mehr aktivlegitimiert sei, mangels Parteistellung im
vorliegenden Verfahren unbeachtlich sei. Gleichzeitig wurde der Antrag der
Beschwerdegegnerin auf Erlass vorsorglicher Massnahmen abgewiesen.
Mit Präsidialverfügung vom 2. November 2007 wurde das Gesuch der
Beschwerdegegnerin um Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung
abgewiesen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen (Art. 75 Abs. 1 BGG). Soweit die Beschwerdeführerin
beantragt, es sei auch das erstinstanzliche Urteil des Kantonsgerichts
aufzuheben, kann daher auf ihre Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.
2.1 Die besagte Generalversammlung der Beschwerdegegnerin vom 26. August 2003
wurde als Universalversammlung im Sinne von Art. 701 OR abgehalten.
Nach Art. 701 Abs. 1 OR können die Eigentümer oder Vertreter sämtlicher
Aktien, falls kein Widerspruch erhoben wird, eine Generalversammlung ohne
Einhaltung der für die Einberufung vorgeschriebenen Formvorschriften
abhalten.
Beschlüsse einer Universalversammlung, an der eindeutig nicht sämtliche
Aktien vertreten waren, werden überwiegend als nichtig im Sinne von Art. 706b
OR angesehen (Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl.,
Zürich/Basel/Genf 2004, S. 1977 Rz. 174 mit weiteren Hinweisen;
Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 23 N.
6; Tanner, Zürcher Kommentar, N. 114 zu Art. 706b OR; in diesem Sinn auch
Urteil des Bundesgerichts 4P.331/2006 vom 5. Juni 2007, E. 4.2.3). Vereinzelt
wird blosse Anfechtbarkeit angenommen (Dubs/Truffer, Basler Kommentar, N. 18
zu Art. 706b OR). Im Gegensatz zur blossen Anfechtbarkeit kann die
Nichtigkeit durch jedermann geltend gemacht werden, der an der Feststellung
der Nichtigkeit ein rechtliches Interesse hat, also auch von Nichtaktionären
(BGE 115 II 468 E. 3b S. 473).

2.2 Für eine Anfechtung des Generalversammlungsbeschlusses vom 26. August
2003 wäre vorliegend bereits die zweimonatige Verwirkungsfrist nach Art. 706a
Abs. 1 OR nicht eingehalten. Die Beschwerdeführerin scheint denn auch
Nichtigkeit geltend zu machen, obwohl sie ihr Rechtsbegehren auf Aufhebung
des besagten Beschlusses nicht folgerichtig formuliert, würde doch ein
Feststellungsbegehren das zutreffende prozessuale Mittel zur Geltendmachung
von Nichtigkeit bilden (Tanner, a.a.O., N. 154 zu Art. 706b OR). Wie es sich
damit verhält, kann offen bleiben, da es der Beschwerdeführerin jedenfalls
nicht gelungen ist, einen Nichtigkeitsgrund darzutun:
2.3 Nach den für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen Feststellungen
der Vorinstanz (Art. 105 BGG) vertrat A.________ das gesamte Aktienkapital.
Damit war die gesetzliche Voraussetzung für die Abhaltung einer
Universalversammlung erfüllt. Die Behauptung der Beschwerdeführerin,
A.________ sei nie im Besitz gültiger Aktien der Beschwerdegegnerin gewesen,
hielt die Vorinstanz für nicht erwiesen. Vielmehr stellte sie auf den
Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 27. Oktober 2000 ab, wonach
die Namenaktien Nr. 1-99 der Beschwerdegegnerin gesetzeskonform auf
A.________ übertragen worden seien. Die weitere Behauptung der
Beschwerdeführerin, C.________ sei im Besitz einer Pflichtaktie (Namenaktie
Nr. 100) gewesen, hielt die Vorinstanz aufgrund der eigenen früheren Aussage
der Beschwerdeführerin, wonach die Namenaktie Nr. 100 auf den Namen von
A.________ laute, für widerlegt.

3.
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, verfängt nicht.

3.1 Zunächst rügt sie eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs, namentlich
der Begründungspflicht.
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt unter
anderem die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu
begründen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene den
Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Die Begründung muss kurz
die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten
lassen und auf die sich sein Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist
hingegen, dass sich der Entscheid mit allen Parteistandpunkten einlässlich
auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGE
133 III 439 E. 3.3; 130 II 530 E. 4.3; 129 I 232 E. 3.2; 126 I 97 E. 2b).
Diesen Anforderungen wurde die Vorinstanz vorliegend gerecht. Der Vorwurf der
Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe es schlicht unterlassen zu prüfen, ob
A.________ Aktionär der Beschwerdegegnerin geworden ist, trifft nicht zu. Die
Vorinstanz hat diese Frage geprüft und gelangte gestützt auf den Beschluss
des Obergerichts des Kantons Zürich vom 27. Oktober 2000 zur Bejahung dieser
Frage. Mit ihren diesbezüglichen Ausführungen kam sie ihrer
Begründungspflicht nach, wird doch nachvollziehbar dargelegt, auf welche
Überlegungen sie ihren Entscheid stützte. Es war nicht erforderlich, sich
darüber hinaus mit allen Parteivorbringen im Einzelnen auseinanderzusetzen.
Ohnehin legt die Beschwerdeführerin nicht dar, welche Argumente sie
vorgebracht habe, die aber von der Vorinstanz übergangen worden wären. Die
Vorbehalte, welche die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 27. Oktober 2000 hat, und der Umstand,
dass sie die Erwägungen des Zürcher Obergerichts, die sich die Vorinstanz zu
eigen gemacht hat, für falsch hält, vermögen keine Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör zu begründen.

3.2 Unter dem Titel "Verletzung von Bundesrecht" macht die Beschwerdeführerin
geltend, am 29. April 1999 sei A.________ ein Aktienzertifikat übergeben
worden, das gar nicht mehr verkehrsfähig gewesen sei. Am 26. März 1999 sei
der Nennwert pro Aktie der Beschwerdegegnerin von Fr. 500.-- auf Fr. 1'000.--
erhöht worden; dennoch habe C.________ noch am 29. April 1999 Namenaktien zu
einem Nennwert von Fr. 500.-- an A.________ übergeben. Da solche Aktien aber
nicht mehr existierten, sei das Zertifikat auch nicht mehr verkehrsfähig und
verwertbar gewesen. Da A.________ somit ein nichtiges Aktienzertifikat
übergeben worden sei, sei er zu keinem Zeitpunkt Aktionär der
Beschwerdegegnerin geworden.
Die Beschwerdeführerin unterbreitet dem Bundesgericht damit tatsächliche
Elemente, die im angefochtenen Entscheid keine Stütze finden, ohne dass sie
Sachverhaltsrügen im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG erheben würde. Auf diese
unzulässige Erweiterung des Sachverhalts kann das Bundesgericht, das sein
Urteil auf der Grundlage des Sachverhalts zu fällen hat, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), nicht eingehen. Dass A.________ keine
gültige Aktionärsstellung erlangt haben sollte, so dass an der
Universalversammlung vom 26. August 2003 eindeutig nicht sämtliche Aktien
vertreten gewesen und die von dieser gefassten Beschlüsse daher nichtig
wären, ist auf der Grundlage des vorinstanzlich festgestellten Sachverhalts
nicht offenkundig ersichtlich. Eine Verletzung von Bundesrecht wird in der
Beschwerde nicht aufgezeigt (Art. 42 Abs. 2 BGG).

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Januar 2008

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Leemann