Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.112/2007
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4A_112/2007 /len

Urteil vom 13. August 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

1. A.________,
2.B.________,
3.C.________,
beide handelnd durch A.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Sidler,

gegen

X.________ Versicherungs-Gesellschaft,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc-Antoine Kämpfen.

Ablehnung von Richtern,

Beschwerde in Zivilsachen gegen das Teilurteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 9. März 2007.

Sachverhalt:

A.
D. ________ erlitt Ende Oktober 1998 einen Verkehrsunfall. Am 6. September
2004 reichte sie beim Handelsgericht Zürich gegen die X.________
Versicherunsgesellschaft (Beschwerdegegnerin), bei welcher der
Unfallverursacher obligatorisch haftpflichtversichert war, Klage ein und
verlangte Schadenersatz und Genugtuung. Zusammen mit der Verunfallten klagten
auch ihr Ehemann, A.________ und ihre beiden Kinder, B.________ und
C.________ (alle drei Beschwerdegegner). Die Beschwerdegegner machen
Genugtuungsansprüche geltend, der Ehemann von Fr. 80'000.--, die beiden
Kinder von je Fr. 40'000.--.

B.
Mit Teilurteil vom 9. März 2007 wies das Handelsgericht die Klagen der
Beschwerdeführer ab. Ob und wenn ja in welchem Unfang die behauptete
Beeinträchtigung tatsächlich bestand, liess das Handelsgericht im Teilurteil
offen, da es davon ausging, die behauptete Beeinträchtigung rechtfertige
jedenfalls keine Genugtuung.

C.
Gegen dieses Urteil führen die Beschwerdeführer beim Bundesgericht Beschwerde
in Zivilsachen und beantragen im Wesentlichen, das angefochtene Urteil sei
aufzuheben und festzustellen, dass gegenüber drei der beteiligten
Handelsrichter ein Ausstandsgrund bestehe. Die Beschwerdegegnerin schliesst
auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Da der angefochtene Entscheid nach dem 1. Januar 2007 erging, richtet sich
das Verfahren nach dem Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005
(SR 173.110; Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der angefochtene Entscheid das
Verfahren gegenüber den Beschwerdeführern abschliesst, nicht aber gegenüber
der Verunfallten, handelt es sich um einen gemäss Art. 91 lit. b BGG
anfechtbaren Teilentscheid. Der für die Beschwerde in Zivilsachen
erforderliche Streitwert ist offensichtlich erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit b
BGG).

2.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 29
Abs. 1 beziehungsweise 30 Abs. 1 BV, indem sie gegenüber drei Handelsrichtern
den Vorwurf der Befangenheit erheben.

2.1 Nach Art. 75 BGG ist die Beschwerde in Zivilsachen nur gegen Entscheide
letzter kantonaler Instanzen zulässig. Daraus folgt, dass das Bundesgericht
auf Rügen, die vor einer weiteren kantonalen Instanz hätten vorgebracht
werden können, mangels materieller Ausschöpfung des Instanzenzuges nicht
eintritt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], N. 2 zu
Art. 75 BGG). Daher kann der Beschwerdeführer mit der Beschwerde in
Zivilsachen gegen ein Urteil des Handelsgerichts nur Rügen vorbringen, die
von der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde ausgeschlossen sind (Peter Reetz,
Das neue Bundesgerichtsgesetz unter besonderer Berücksichtigung der
Beschwerde in Zivilsachen, Auswirkungen auf die Anfechtung von Entscheiden
des Zürcher Obergerichts und des Handelsgerichts, in SJZ 103 [2007] S. 29
ff., S. 37).

2.2 Ablehnungs- oder Ausstandsgründe sind nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung so früh wie möglich geltend zu machen. Ein verspätetes
Vorbringen kann gegen Treu und Glauben verstossen und die Verwirkung mit sich
bringen (BGE 118 Ia 209 E. 2d S. 215, 282 E. 3a S. 284, je mit Hinweisen).
Daher sind die Beschwerdeführer mit ihrer Rüge nur zu hören, sofern sie sich
vor Eröffnung des angefochtenen Entscheides nicht auf die Befangenheit
berufen konnten.

2.3 Wird der Ablehnungsgrund erst nach Eröffnung des Entscheides entdeckt,
kann nach zürcherischem Prozessrecht im Rechtsmittelverfahren die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides verlangt werden (Art. 102 des
Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 [LS 211.1, GVG/ZH]; ZR 101/2002
S. 312 mit Hinweisen; Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl.,
S. 15 Fn. 92; Hauser/ Schweri, Kommentar zum zürcherischen
Gerichtsverfassungsgesetz, N. 6 f. zu § 102 GVG/ZH). Nach § 281 des Gesetzes
über die Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976 (Zivilprozessordnung; LS 271;
ZPO/ZH) ist gegen Teilentscheide die Nichtigkeitsbeschwerde namentlich
zulässig, wenn geltend gemacht wird, der angefochtene Entscheid leide an
einem wesentlichen Verfahrensmangel. Dazu gehört auch die ungehörige
Besetzung des Gerichtes, beziehungsweise die Befangenheit eines Richters
(Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3.
Aufl., N. 22 zu § 281 Ziff. 1 ZPO/ZH; von Rechenberg, Die
Nichtigkeitsbeschwerde in Zivil- und Strafsachen nach zürcherischem Recht, 2.
Aufl., S. 26; Guldener, Die Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen nach
Zürcherischem Recht, Habil. Zürich 1942, S. 96 ff.; vgl. auch Hauser/Schweri,
a.a.O., N. 6 f. zu § 102 GVG/ZH). § 285 Abs. 2 ZPO/ZH stellt zudem klar, dass
mit Bezug auf Rügen einer Verletzung von Art. 29 und Art. 30 BV oder Art. 6
EMRK die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde unabhängig von der
Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht gegeben ist (vgl. hierzu auch ZR
78/1979 S. 33; Urteil des Bundesgerichts 6S.9/2006 vom 9. Februar 2006, E. 2,
publ. in Pra 95/2006 Nr. 140 S. 966 ff.). Soweit die Beschwerdeführer eine
Verletzung dieser Bestimmungen zufolge Befangenheit gewisser Richter hätten
geltend machen wollen, hätten sie kantonale Nichtigkeitsbeschwerde erheben
können (vgl. ZR 88/1989 S. 202, 78/1979 S. 33) und müssen (vgl. Peter Reetz,
a.a.O., S. 37; Seiler/von Werdt/Güngerich, a.a.O., N. 2 zu Art. 75 BGG). Auf
die Möglichkeit, kantonale Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben, wurden sie im
Übrigen in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen.

2.4 Dass eine von den Beschwerdeführern in ihrer Beschwerde in Zivilsachen
erhobene Rüge nicht mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde einer weiteren
Instanz hätte unterbreitet werden können, zeigen die Beschwerdeführer nicht
auf und ist auch nicht ersichtlich (vgl. ZR 88/1989 S. 202, 78/1979 S. 33).
Daher ist auf die Beschwerde mangels Erschöpfung des kantonalen
Instanzenzuges insgesamt nicht einzutreten (vgl. Urteil des Bundesgerichts
1P.150/1993 vom 2. Juni 1993, E. 1). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend
werden die Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs.
1 und 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit insgesamt Fr. 2'500.-- zu
entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. August 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: