Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.97/2007
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2C_97/2007 /ble

Urteil vom 8. Juni 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Häberli.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mathias Völker,

gegen

Anwaltskommission des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau,
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
2. Kammer, Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau.

Disziplinaraufsicht über Rechtsanwälte,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 12. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Entscheid vom 7. Februar 2006 sprach die Anwaltskommission des Kantons
Aargau gegen Rechtsanwalt X.________ wegen Verletzung von Art. 12 lit. a des
Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und
Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) eine Verwarnung aus. Dem Betroffenen
wurde vorgeworfen, am 27. September 2005 in einem Telefongespräch im
Zusammenhang mit einem vom Bezirksamt F.________ erlassenen Strafbefehl die
Kanzleichefin dieses Amtes mit ungehörigen Ausdrücken (unter anderem als
"Schlampe") betitelt zu haben. Der verzeigte Anwalt bestritt diese Vorwürfe
und focht die Disziplinarsanktion beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
an. Dieses führte eine mündliche Verhandlung durch, an welcher die genannte
(ehemalige) Kanzleichefin als Zeugin einvernommen wurde, und wies die
Beschwerde mit Urteil vom 12. Januar 2007 ab. Für die Verfahrenskosten von
insgesamt Fr. 1'331.50 gewährte es dem Beschwerdeführer, unter dem Vorbehalt
der späteren Rückforderung, die unentgeltliche Rechtspflege; das Gesuch, den
Anwalt des Beschwerdeführers zum unentgeltlichen Rechtsvertreter zu
bestellen, lehnte es jedoch ab, weil es die Verbeiständung durch einen
Kollegen unter den gegebenen Umständen nicht als notwendig erachtete.

B.
X.________ führt gegen dieses Urteil mit Eingabe vom 28. März 2007 beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Begehren, den Entscheid der Anwaltskommission des Kantons Aargau vom 7.
Februar 2006 aufzuheben und festzustellen, dass keine disziplinarische
Verfehlung vorliege; eventualiter sei der Beschwerdeführer lediglich zu
ermahnen oder die Sache zur vollständigen Sachverhaltsfeststellung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem sei ihm für das Verfahren vor Bundesgericht
die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.

C.
Die Anwaltskommission des Kantons Aargau beantragt unter Hinweis auf die
Erwägungen ihres Entscheids Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht
äussert sich - ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen - im gleichen
Sinne. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat auf
Stellungnahme verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über sich auf das eidgenössische
Anwaltsgesetz stützende Disziplinarsanktionen ist, da kein Ausschlussgrund
gemäss Art. 83 BGG zum Zuge kommt, die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig. Anfechtungsobjekt kann dabei nur der Entscheid der
letzten kantonalen Instanz bilden (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Das
vorliegend vom Beschwerdeführer gestellte unrichtige Begehren (Aufhebung des
erstinstanzlichen Entscheids der Anwaltskommission) ist in diesem Sinne
umzudeuten.

2.
Was der Beschwerdeführer gegen die angefochtene Disziplinarsanktion
vorbringen lässt, ist offensichtlich unbehelflich:
2.1 Das Verwaltungsgericht hat die ehemalige Kanzleichefin im Rahmen der
durchgeführten mündlichen Verhandlung angehört und aufgrund ihrer Aussagen
das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten (Betitelung der Kanzleichefin
als "Schlampe") als erwiesen betrachtet. An diese tatsächliche Feststellung
der Vorinstanz ist das Bundesgericht gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), zumal
der Sachverhaltsermittlung keine Mängel im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG
anhaften. Auf die Einvernahme der beiden während des betreffenden
Telefongesprächs anwesenden Lehrlinge durfte das Gericht verzichten.

2.2 Dass sich ein Anwalt nicht nur gegenüber seinem eigenen Klienten, sondern
auch im Verkehr mit Behörden und Dritten korrekt zu verhalten hat und
ehrverletzende Ausdrücke als Verstoss gegen Art. 12 lit. a BGFA geahndet
werden können, entspricht der geltenden Rechtsprechung (BGE 130 II 270 E. 3.2
S. 276; Urteil 2A.151/2003 vom 31. Juli 2003, in: SJ 2003 I S. 572, E. 2.2;
Urteil 2A.168/2005 vom 6. September 2005, E. 2.2.3). Der vom Beschwerdeführer
gegenüber der Kanzleichefin verwendete Ausdruck "Schlampe" ist klarerweise
disziplinwidrig.

2.3 Die Aufsichtsbehörde kann eine festgestellte Disziplinwidrigkeit auch
unabhängig vom Vorliegen oder der Aufrechterhaltung einer Anzeige verfolgen.
Der Umstand, dass die betroffene Kanzleichefin selber keine Anzeige erstattet
hatte und der Bezirksamtmann-Stellvertreter seine Anzeige nach einem
"klärenden Gespräch" mit dem Beschwerdeführer zurückzog, schliesst die
aufsichtsrechtliche Weiterverfolgung des Vorfalls nicht aus. Ebensowenig kann
von einer Verletzung des Verhältnismässigkeitsgebots gesprochen werden, wenn
die Aufsichtsbehörde den verwendeten, grob ungehörigen Ausdruck durch eine
Verwarnung des Beschwerdeführers geahndet hat. Es handelt sich dabei um die
mildeste im Gesetz vorgesehene Disziplinarsanktion (vgl. Art. 17 Abs. 1
BGFA), weshalb von einer Ermessensüberschreitung keine Rede sein kann.

3.
Als unbegründet erweist sich schliesslich auch die Rüge, das
Verwaltungsgericht habe durch die Verweigerung der Bestellung eines
unentgeltlichen Rechtsbeistands Art. 29 Abs. 3 BV verletzt: Wohl mag
zutreffen, dass ein Rechtsanwalt sich in eigener Sache zweckmässigerweise
durch einen Berufskollegen vertreten lässt, um eine unbefangene Wahrnehmung
seiner Interessen sicherzustellen. Anspruch auf Bestellung eines
unentgeltlichen Rechtsvertreters auf Kosten des Staates besteht jedoch nur,
wenn die Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Wahrung der Rechte des
Betroffenen notwendig ist (vgl. BGE 130 I 180 E. 2.2 S. 182). Im vorliegenden
Fall, wo es um eine geringfügige Disziplinarsanktion (Verwarnung) und um eine
einfach gelagerte Beweisfrage ging, durfte das Verwaltungsgericht
zulässigerweise davon ausgehen, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist.

4.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich damit
als unbegründet. Da das Rechtsmittel nach dem Gesagten der erforderlichen
Erfolgsaussicht entbehrte, ist dem gestellten Begehren um unentgeltliche
Prozessführung und Verbeiständung nicht zu entsprechen (Art. 64 BGG). Der
wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers wird bei der Bemessung der
Gerichtsgebühr Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Anwaltskommission und dem
Verwaltungsgericht (2. Kammer) des Kantons Aargau sowie dem Eidgenössischen
Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Juni 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: