Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.8/2007
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2C_8/2007
2C_285/2007 /zga

Urteil vom 27. September 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Uebersax.

X. ________,
Beschwerdeführerin,

gegen

2C_8/2007
Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt, vertreten durch das Büro des Grossen
Rates des Kantons Basel-Stadt, Rathaus, Marktplatz 9, 4001 Basel,

und

2C_285/2007
Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt, 4001 Basel, vertreten durch das Büro des
Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt, Rathaus, Marktplatz 9, 4001 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verfassungsgericht,
Bäumleingasse 1, 4051 Basel,

Ablehnungsbegehren, Art. 29 BV, § 69 KV-BS (überspitzter Formalismus,
Grundsatz der Unparteilichkeit, Gewaltenteilung)

Beschwerden gegen die Verfügungen des Präsidenten des Grossen Rats des
Kantons Basel-Stadt vom 3. Januar 2007 und des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt als Verfassungsgericht vom 4. April 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ vertrat als Rechtsanwältin A.________ im Strafprozess vor dem
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, das ihn am 24. Oktober 2005 in
teilweiser Bestätigung und teilweiser Korrektur des erstinstanzlichen
Strafurteils wegen Veruntreuung zu 16 Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar
bei einer Probezeit von zwei Jahren, verurteilte. Am 19. März 2007 wies das
Bundesgericht je eine staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde gegen dieses Urteil ab, soweit es auf die Beschwerden
eintrat (Verfahren 6P.183/2006 und 6S.415/2006).

B.
Am 17. Oktober 2006 zeigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
bzw. der Präsident der im Strafprozess urteilenden Kammer im Auftrag
derselben X.________ bei der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und
Anwälte des Kantons Basel-Stadt an; zur Anzeige gebracht wurde der Umstand,
die Verteidigerin habe vor der mündlichen Verhandlung im
Appellationsverfahren gegen A.________ zu einer Zeugin Kontakt gehabt, womit
sie möglicherweise gegen die Berufsregeln gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes
vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte
(Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) verstossen habe.

Mit Eingabe vom 20./21. Dezember 2006 gelangte X.________ an den Grossen Rat
des Kantons Basel-Stadt. Darin beantragte sie, "es seien je einzeln alle
Mitglieder der Aufsichtskommission ... bezüglich der Anzeige der Kammer des
Appellationsgerichts ... in Ausstand zu versetzen" und es "sei eine
ausserordentliche und ausserkantonale Aufsichtskommission für die Prüfung der
Eröffnung und allfällige Durchführung eines Disziplinarverfahrens ... zu
bezeichnen".

Mit Schreiben vom 3. Januar 2007 teilte der Präsident des Grossen Rats
X.________ mit, das baselstädtische Recht übertrage dem Grossen Rat keine
Kompetenzen, Ausstandsfragen bei richterlichen und aufsichtsrechtlichen
Behörden zu prüfen und zu entscheiden. Die baselstädtische Interpretation der
Gewaltentrennung lasse ein derartiges Verfahren nicht zu. Der Grosse Rat sei
daher für die Beurteilung des Ausstandsbegehrens nicht zuständig und leite
dieses direkt an die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte
weiter. Bei Bedarf sei es Sache der Wahlbehörden dieser Kommission, des
Appellationsgerichts und der Advokatenkammer, im Falle des Austritts der
ordentlichen Mitglieder zusätzliche Mitglieder zu bestimmen oder gar eine
ausserordentliche Kommission zu bestellen.

C.
Mit Eingabe vom 5. Februar 2007 an das Bundesgericht erhebt X.________
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Schreiben des
Präsidenten des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt (Verfahren 2C_8/2007).
Darin bezeichnet sie das Schreiben als Verfügung und beantragt die Aufhebung
derselben. Das Büro des Grossen Rates und die Aufsichtskommission über die
Anwältinnen und Anwälte des Kantons Basel-Stadt haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

D.
Parallel zur direkt beim Bundesgericht erhobenen Beschwerde führte X.________
am 15./17. Januar 2007 gestützt auf § 116 Abs. 1 lit. a der Verfassung des
Kantons Basel-Stadt vom 23. März 2005 (KV) Verfassungsbeschwerde beim
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verfassungsgericht. Darin
beantragte sie ebenfalls die Aufhebung des als Verfügung bezeichneten
Schreibens des Präsidenten des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt und
stellte zugleich ein Ausstandsbegehren "je einzeln gegen die Mitglieder des
Appellationsgerichts in ihrer Funktion als Verfassungsrichter des Kantons
Basel-Stadt". Mit Urteil vom 4. April 2007 trat das Appellationsgericht als
Verfassungsgericht auf das Ausstandsbegehren nicht ein und wies die
Verfassungsbeschwerde ab.

Gegen diesen Entscheid erhob X.________ am 11. Juni 2007 ebenfalls Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht (Verfahren
2C_285/2007). Sie beantragt, den zweiten Absatz des Urteilsdispositivs, worin
das Verfassungsgericht ihre Verfassungsbeschwerde abgewiesen hat, aufzuheben
und die Sache zur Neubeurteilung an das Büro des Grossen Rates des Kantons
Basel-Stadt zurückzuweisen. Das Büro des Grossen Rates und das
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die beiden angefochtenen behördlichen Akte sind nach dem 31. Dezember
2006 ergangen. Das Verfahren untersteht daher dem Bundesgesetz über das
Bundesgericht (BGG) und nicht dem altrechtlichen Bundesrechtspflegegesetz
(OG; vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 In beiden Verfahren führt die gleiche Person Beschwerde, und die beiden
Beschwerden richten sich gegen behördliche Akte von zwei verschiedenen
Instanzen in derselben Sache. Zwischen den beiden Verfahren besteht ein enger
Zusammenhang. Es rechtfertigt sich daher, die bundesgerichtlichen Verfahren
2C_8/2007 und 2C_285/2007 zu vereinigen (vgl. Art. 24 BZP in Verbindung mit
Art. 71 BGG).

1.3 Das Schreiben des Präsidenten des Grossen Rates ist nicht als Verfügung
gekennzeichnet. In der Sache bedeutet es aber, dass auf den Antrag der
Beschwerdeführerin, über den Ausstand der Mitglieder der Aufsichtskommission
über die Anwälte zu entscheiden bzw. eine ausserordentliche
Aufsichtskommission zu berufen, nicht eingetreten wird. Das Schreiben
entfaltet damit Rechtswirkungen, weshalb es sich mit Blick auf die
öffentlich-rechtliche Materie der Anwaltsaufsicht um einen Entscheid in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 lit. a BGG handelt. Im
Übrigen hat die rechtskundige Beschwerdeführerin auch nicht eine selbständige
und ausdrücklich als solche bezeichnete anfechtbare Verfügung verlangt. Nach
Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG ist die Beschwerde an das Bundesgericht indessen
nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig. Davon dispensiert
das Gesetz auch nicht bei Zuständigkeits- oder Ausstandsfragen. Nachdem das
Appellationsgericht als Verfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde
gegen das Schreiben des Präsidenten des Grossen Rates eingetreten ist und
diese behandelt hat, ist der mit dem Schreiben eröffnete Entscheid nicht
letztinstanzlich. Auf die Beschwerde im Verfahren 2C_8/2007 kann daher nicht
eingetreten werden.

1.4 Auch beim angefochtenen Urteil des Appellationsgerichts als
Verfassungsgericht handelt es sich um einen Entscheid in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Zwar liegt entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin kein Endentscheid gemäss Art. 90 BGG vor, da mit dem
Urteil des Verfassungsgerichts das durch die Anzeige des Appellationsgerichts
eingeleitete Disziplinarverfahren nicht abgeschlossen wird. Nach Art. 92 Abs.
1 BGG ist aber gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über
die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren die Beschwerde zulässig.
Vorliegend geht es um die Zuständigkeit zur Behandlung eines
Ausstandsbegehrens, weshalb Art. 92 Abs. 1 BGG anwendbar ist. Das unmittelbar
gestützt auf § 116 Abs. 1 lit. a KV ergangene Urteil des Verfassungsgerichts
ist kantonal letztinstanzlich und erfüllt damit die Voraussetzungen von Art.
86 Abs. 1 lit. d BGG.

Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist
als direkte Adressatin vom angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Sie ist
mithin nach Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG zur Beschwerde legitimiert. Auf die im
Übrigen frist- und formgerechte Beschwerde im Verfahren 2C_285/2007 ist daher
einzutreten.

1.5 Nach Art. 107 Abs. 1 BGG darf das Bundesgericht nicht über die Begehren
der Parteien hinausgehen. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 BGG
geltend gemacht werden. Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde jedoch
hinreichend zu begründen. Andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108
Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen und ist nicht wie eine erstinstanzliche Behörde gehalten,
darüber hinausgehenden rechtlichen Fragen nachzugehen. Insbesondere kann es
die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht
nur insoweit prüfen, als eine entsprechende Rüge in der Beschwerde präzise
vorgebracht und begründet wird (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.6 Massgebend sind hier nur noch die Anträge und Rügen, welche die
Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift gegen das Urteil des
Appellationsgerichts als Verfassungsgericht (im Verfahren 2C_285/2007)
vorträgt.

1.6.1 Auf das gegenüber den Mitgliedern des Appellationsgerichts als
Verfassungsgericht erhobene Ausstandsgesuch kommt die Beschwerdeführerin
nicht mehr zurück. Das ergibt sich bereits aus dem Rechtsbegehren in der
Beschwerdeschrift, ergänzend aber auch aus der Beschwerdebegründung.
Streitobjekt bildet somit einzig die Frage, ob sich der Grosse Rat des
Kantons Basel-Stadt als für das gestellte Ausstandsbegehren unzuständig
erachten bzw. ob das Verfassungsgericht dies als verfassungskonform
beurteilen durfte.

1.6.2 Sodann ist auf diejenigen Kritikpunkte, welche die Beschwerdeführerin
zusätzlich in ihrer ersten Beschwerdeschrift gegen den Entscheid des
Präsidenten des Grossen Rates (im Verfahren 2C_8/2007) vorgebracht hatte,
aber nun bei der Anfechtung des Urteils des Verfassungsgerichts nicht mehr
geltend macht, nicht einzugehen. Das trifft insbesondere zu für die früher
erhobene, inzwischen aber nicht mehr aufrechterhaltene Rüge, es sei
verfassungswidrig, dass der Präsident des Grossen Rates und nicht dieser als
ganzes oder allenfalls das Büro des Grossen Rates das ursprüngliche
Ablehnungsgesuch an die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte
überwiesen habe und damit sinngemäss darauf nicht eingetreten sei.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV, weil
der angefochtene Entscheid überspitzt formalistisch sei und gegen das Gebot
der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nichtrichterlicher Behörden
verstosse. Überdies werde dadurch der Grundsatz der Gewaltenteilung gemäss §
69 KV verletzt.

2.2 Die Zuständigkeitsfrage steht in engem Zusammenhang mit der Frage der
anwendbaren Ausstandsregelung. Wegen dieses Sachzusammenhanges rechtfertigt
es sich, darauf vorweg einzugehen. Dabei kann allerdings offen bleiben, ob im
vorliegenden Fall zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zu beurteilen sind und ob es sich bei der basel-städtischen
Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte um eine gerichtliche
Behörde handelt (dazu etwa BGE 126 I 228 E. 2 S. 230 ff.).
2.3 Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, die in dieser Hinsicht
dieselbe Tragweite besitzen, hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine
Sache von einem durch Gesetz geschaffenen, zuständigen, unabhängigen und
unparteiischen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird
(BGE 133 I 1 E. 5.2 S. 3, mit Hinweisen). Der von der Beschwerdeführerin
ebenfalls angerufene Art. 12 lit. a KV geht nicht über diese Garantie hinaus
(vgl. den entsprechenden Wortlaut der Bestimmung), weshalb ihm keine
eigenständige rechtliche Bedeutung zukommt. Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6
Ziff. 1 EMRK sind verletzt, wenn bei einem Richter - objektiv betrachtet -
Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der
Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE 133 I 1 E. 6.2 S. 6; 131 I 113
E. 3.4 S. 116, mit Hinweisen). Solche Umstände können entweder in einem
bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren
Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Für
den Ausstand wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist.
Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den
Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken (BGE 133 I 1 E. 6.2
S. 6; 131 I 24 E. 1.1 S. 25, mit Hinweisen).

Für nichtgerichtliche Behörden enthält Art. 29 Abs. 1 BV eine analoge
Garantie. Die Rechtsprechung zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von
Gerichtsbehörden kann jedoch nicht ohne Weiteres auf erstinstanzliche
Verwaltungsverfahren übertragen werden. Vielmehr müssen die Anforderungen an
die Unparteilichkeit von Verwaltungs- und Exekutivbehörden unter
Berücksichtigung ihrer gesetzlich vorgegebenen Funktion und Organisation
ermittelt werden (BGE 125 I 119 E. 3f S. 124 f., 209 E. 8a S. 217 f.).
2.4 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann eine Behörde selbst über
ihren eigenen Ausstand bzw. über derjenigen ihrer Mitglieder bestimmen, wenn
die gestellten Ablehnungsbegehren unzulässig sind. Dies trifft insbesondere
zu, wenn ein Behördenmitglied einzig wegen seiner früheren Mitwirkung an
einem anderen Verfahren in der Sache des Gesuchstellers als befangen
abgelehnt wird oder wenn ihm die erforderliche Unabhängigkeit lediglich
deshalb abgesprochen wird, weil es der gleichen Behörde angehört, die schon
früher in der Sache des Gesuchstellers entschieden hat (vgl. BGE 114 Ia 278
E. 1 S. 278 f.; 105 Ib 301). Insbesondere rechtfertigen gewöhnliche
Verbindungen der Kollegialität unter den Mitgliedern eines Gerichts keine
Ablehnung (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1P.267/2006 vom 17. Juli 2006,
E. 2.1.2).

3.
3.1 Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt
vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden,
ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle
Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften
überspannte Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in
unzulässiger Weise versperrt (BGE 130 V 177 E. 5.4.1 S. 183, mit Hinweisen).
Ob eine solche Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht frei (BGE
128 II 139 E. 2a S. 142, mit Hinweisen). Die Auslegung und Anwendung des
einschlägigen kantonalen Rechts untersucht es indessen nur unter dem
Gesichtswinkel der Willkür (BGE 131 I 217 E. 2.1 S. 219, 467 E. 3.1 S. 473
f., je mit Hinweisen).

3.2 Die basel-städtische Aufsichtskommission über die Anwälte findet ihre
gesetzliche Grundlage in den §§ 18 ff. des Advokaturgesetzes des Kantons
Basel-Stadt vom 15. Mai 2002. Insbesondere besteht die Aufsichtskommission
aus fünf Mitgliedern; drei, darunter das aus dem Kreis der Präsidenten des
Appellationsgerichts zu bestimmende vorsitzende Mitglied, werden vom
Appellationsgericht gewählt, zwei weitere durch die Advokatenkammer ernannt;
hinzu kommen je zwei gleichermassen bestimmte Ersatzleute (§ 18 Abs. 3
Advokaturgesetz). Die Aufsichtskommission ist beschlussfähig, wenn vier
Mitglieder oder Ersatzmitglieder anwesend sind (§ 19 Abs. 1 Advokaturgesetz).
Der Appellationsgerichtsschreiber führt das Protokoll und hat bei den
Sitzungen beratende Stimme (§ 19 Abs. 2 Advokaturgesetz). Ausstandsregeln
enthält das Advokaturgesetz nicht. Hingegen finden sich in § 74 KV und im
basel-städtischen Gesetz vom 4. März 1872 betreffend den Austritt in
Behörden, die Beschränkung der Stimmgebung bei Wahlen und die Ausschliessung
der Wählbarkeit von Verwandten zu Mitgliedern von Behörden Vorschriften über
den Ausstand von Behördenmitgliedern. Für die Zuständigkeit über den
Ausstandsentscheid lässt sich daraus aber nichts entnehmen. Gemäss § 42 Abs.
7 des Gesetzes vom 27. Juni 1895 betreffend Wahl und Organisation der
Gerichte sowie der Arbeitsverhältnisse des Gerichtspersonals und der
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Gerichtsorganisationsgesetz, GOG)
kann ein Gerichtsmitglied abgelehnt werden, wenn Gründe gegen dessen
Unbefangenheit vorhanden sind. Die Kammern des Gerichts als solche können
jedoch nicht abgelehnt werden (§ 42 Abs. 7 GOG). Über streitige
Austrittsfragen und über Ablehnungen entscheidet, in Abwesenheit des
Betreffenden, die Gerichtskammer, wobei die Anwesenheit von drei Mitgliedern
genügt (§ 43 GOG). Nicht besonders geregelt ist das Verfahren, wenn alle
Mitglieder eines Gerichts abgelehnt werden. Überdies ist unklar, wieweit das
Gerichtsorganisationsgesetz auf die Aufsichtskommission über die Anwälte
anwendbar ist; jedenfalls ergibt sich eine solche Anwendbarkeit nicht
ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut.

3.3 Das Verfassungsgericht hat aus dieser gesetzlichen Ordnung zumindest
analog geschlossen, dass nicht der Grosse Rat, sondern die
Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte zur Beurteilung
allfälliger Ausstandsbegehren gegen ihre Mitglieder zuständig sei. Sie sei
dazu auch berufen, wenn sich ein Ausstandsbegehren gegen sie selbst bzw.
gegen alle ihre Mitglieder als offensichtlich unzulässig erweise. Die
Beschwerdeführerin wendet dagegen sinngemäss ein, die Vorinstanz unterstelle,
dass ihr Ablehnungsbegehren offensichtlich unzulässig sei, weshalb es sich
als überspitzt formalistisch erweise und gegen die Regeln der
Unparteilichkeit verstosse, den Entscheid über den Ausstand der
Aufsichtskommission zu überweisen. In Frage käme dafür lediglich der Grosse
Rat als Oberaufsichtsinstanz über alle kantonalen Behörden.

3.4 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin wird ihr der Rechtsweg nicht
in unzulässiger Weise versperrt, wenn nach der allgemeinen Regel vorerst die
Aufsichtskommission über das Ausstandsbegehren befindet.

3.4.1 Über die hauptsächlich geltend gemachten Ausstandsgründe darf die
Aufsichtskommission selbst entscheiden. Insbesondere reicht die blosse
Befürchtung, die Kommissionsmitglieder würden es nicht wagen, sich mit ihren
für das Strafurteil verantwortlichen Kollegen in Widerspruch zu setzen, für
ein Ausstandsbegehren offensichtlich nicht aus. Genauso wenig rechtfertigt
das Argument, die als Anwälte tätigen Kommissionsmitglieder seien wegen
allfälliger Animositäten der Strafrichter in anderen Fällen nicht unbefangen,
ein Ablehnungsgesuch. Im Übrigen ergäbe sich nicht einmal zwingend ein
massgeblicher Widerspruch zum Strafurteil, wenn die Aufsichtskommission eine
unzulässige Beeinflussung der Zeugin durch die Beschwerdeführerin verneinen
würde. Im Aufsichtsverfahren geht es offenbar einzig darum, ob die
Beschwerdeführerin mit ihr allenfalls berufspflichtwidrig in Kontakt getreten
ist; die Unglaubwürdigkeit der Zeugin wurde im Strafurteil aber auch aus
anderen Umständen abgeleitet (vgl. das Urteil 6P.183/2006 und 6S.415/2006 vom
19. März 2007, E. 6.2.3 und 7.1.3). Gegenläufige Entscheide erscheinen daher
denkbar, ohne dass die Aufsichtskommission dadurch die anzeigende Kammer des
Appellationsgerichts zwangsläufig zu desavouieren bräuchte, wie die
Beschwerdeführerin offenbar annimmt.

3.4.2 Sodann steht mit Blick auf allenfalls zulässige Ablehnungsgründe
keineswegs von vornherein fest, dass sich bei der Aufsichtskommission nicht
mindestens drei (vgl. § 43 GOG) oder vier (vgl. § 19 Advokaturgesetz)
ordentliche Mitglieder oder Ersatzleute und ein Gerichtsschreiber oder eine
Gerichtsschreiberin finden lassen, gegen die keine tauglichen Ausstandsgründe
vorliegen. Im Übrigen ging der Präsident des Grossen Rates davon aus, es sei
Sache der Wahlbehörde, die Kommission gegebenenfalls bei Bedarf durch die
nötige Zahl von unbefangenen Mitgliedern zu ergänzen. Diese Auffassung wurde
vom Verfassungsgericht zumindest sinngemäss geschützt, was auf einer sachlich
haltbaren und damit nicht willkürlichen Auslegung der einschlägigen
kantonalen Gesetzesbestimmungen beruht.

3.5 Insgesamt ist nicht ersichtlich, weshalb es dem Verfassungsrecht
widersprechen sollte, den Entscheid über das Ablehnungsbegehren der
angegangenen Behörde, d.h. der Aufsichtskommission selbst, zu überlassen.
Dass diese eine verfassungskonforme Lösung finden wird, erscheint nicht
ausgeschlossen. Im Übrigen unterliegen die Entscheide der Aufsichtskommission
in Disziplinarsachen dem Rekurs an das Verwaltungsgericht (§ 21 Abs. 3
Advokaturgesetz); der Ausstandsentscheid wird also bei einer kantonalen
Behörde anfechtbar sein. Zwar amtet als Verwaltungsgericht erneut das
Appellationsgericht (§ 1 des basel-städtischen Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 14. Juni 1928, VRPG), doch ist auch hier eine
verfassungskonforme Besetzung nicht von vornherein auszuschliessen. Dieser
ordentlichen Zuständigkeit den Vorrang vor der Kompetenz des Grossen Rates
als Oberaufsichtsbehörde (vgl. § 90 KV) zu geben, ist weder überspitzt
formalistisch noch verstösst es gegen die Regeln der Unparteilichkeit. Es
verletzt auch nicht den in § 69 KV für die Behördenorganisation des Kantons
Basel-Stadt festgeschriebenen Grundsatz der Gewaltenteilung.

4.

Demnach kann auf die Beschwerde gegen den Entscheid des Präsidenten des
Grossen Rates vom 3. Januar 2007 nicht eingetreten werden (Verfahren
2C_8/2007), und die Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt als Verfassungsgericht vom 4. April 2007 ist abzuweisen
(Verfahren 2C_285/2007).

Bei diesem Verfahrensausgang wird die unterliegende Beschwerdeführerin
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die bundesgerichtlichen Verfahren 2C_8/2007 und 2C_285/2007 werden vereinigt.

2.
Auf die Beschwerde gegen den Entscheid des Präsidenten des Grossen Rates des
Kantons Basel-Stadt vom 3. Januar 2007 wird nicht eingetreten.

3.
Die Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons
Basel-Stadt als Verfassungsgericht vom 4. April 2007 wird abgewiesen.

4.
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 4'000.-- wird der Beschwerdeführerin
auferlegt.

5.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Grossen Rat des Kantons
Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als
Verfassungsgericht sowie der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und
Anwälte des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. September 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: