Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.85/2007
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2C_85/2007 /ble

Urteil vom 1. Oktober 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Wurzburger, Karlen,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Alfred Müller,

gegen

Rhätische Bahn AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Remo Cavegn,
Y.________ AG (D),
Beschwerdegegnerin,
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 2. Kammer, Obere Plessurstrasse 1,
7000 Chur.

Submission,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten / subsidiäre
Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 8. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 26. März 2006 schrieb die Rhätische Bahn AG (im Folgenden auch: RhB) die
Lieferung und Installation von Billettautomaten (inkl. Softwarelösung für die
Abrechnung sowie Demontage und Entsorgung der alten Geräte) im "offenen
Verfahren gemäss GATT/WTO" zur Bewerbung aus. Gemäss den
Ausschreibungsunterlagen sollte der Zuschlag an das wirtschaftlich günstigste
Angebot erfolgen, welches nach folgenden Zuschlagskriterien zu ermitteln war:
Kriterien       Kriteriengewicht

Zweckmässigkeit, Qualität, Erprobtheit und    40 %
Funktionalität der offerierten Billettautomaten
und Softwarelösung (Billettautomaten 60%,
Softwarelösung 40%)

Investitionskosten       40 %

Unterhalt und Service après vente     20 %

Die Punktebewertung der insgesamt sechs eingegangenen Offerten ergab - soweit
hier interessierend - folgendes Bild:
Firma
Funktionale Anforderung
Anforderung Software
Investitionskosten
Wartung und Service
Total
Punkte
Y.________ AG

21,4

16,0

35,5
(3'537'307.--)

19,1

92
X.________ AG

19,9

13,1

36,4
(3'487'000.--)

13,6

83
Z.________ AG

20,9

16,8

30,5
(3'825'565.--)

10,9

78,3
(...).
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2006 vergab die RhB den Auftrag 3'537'307.-- an
die erstplatzierte Y.________ AG (D).
Hiegegen erhob u.a. die zweitplatzierte X.________ AG Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Sie verlangte eine Neubeurteilung
ihrer angebotenen Software-Lösungen und Dienstleistungen anhand eindeutiger,
vergleichbarer und transparenter Kriterien. Überdies seien bei der
funktionalen Bewertung der angebotenen Automaten verschiedene Fehler gemacht
worden - namentlich auch bei der Position Wartung und Service -, welche
korrigiert werden müssten.
Aufgrund dieser Vorbringen nahm die RhB verschiedene Anpassungen bei der
Punktebewertung vor. Sie gestand zu, dass das für die kostenwirksamen Aspekte
(Service- und Wartungskosten) gewählte Bewertungssystem nicht vollends zu
überzeugen vermöge, weshalb  dieses Kriterium nochmals beurteilt worden sei.
Diese Neubewertung legte die RhB im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem
Verwaltungsgericht ins Recht und begründete ihr Vorgehen im Einzelnen. Neu
erhielt das Angebot der Beschwerdeführerin unter dem Titel "Wartung und
Service" 9,3 Punkte, dasjenige der berücksichtigten Bewerberin 17,7 Punkte.
Die Gesamtbewertung der Angebote beider Konkurrentinnen ergab nun folgendes
Bild:
X.________ AG Y.________ AG
Funktionale Anforderungen       20,6   21,4
Softwarelösung     13,1   16,0
Investitionskosten    36,4   35,5
Wartung und Service      9,3   17,7

Gesamtpunktzahl    79,4   90,6
Nach Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels wies das Verwaltungsgericht
die Beschwerde am 8. Februar 2007 ab. Das begründete Urteil ging dem
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 21. Februar 2007 zu.

B.
Mit Eingabe vom 21. März 2007 führt die X.________ AG beim Bundesgericht
"Beschwerde und subsidiäre Verfassungsbeschwerde" mit den Anträgen, den
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 8. Februar 2007
aufzuheben und den Auftrag (Installation von Billettautomaten) neu
auszuschreiben. Eventuell sei die Sache an die Rhätische Bahn zur erneuten
Auswertung zurückzuweisen, subeventuell der Zuschlag der Beschwerdeführerin
zu erteilen.
Die Y.________ AG hat sich zur Beschwerde nicht vernehmen lassen, sondern
lediglich ein Zustellungsdomizil in der Schweiz bezeichnet.
Die Rhätische Bahn AG beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden stellt
denselben Antrag.
Mit Verfügung vom 22. Mai 2007 wies der Abteilungspräsident das gleichzeitig
mit der Beschwerdeeinreichung gestellte Gesuch um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung ab.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das angefochtene Urteil ist am 8. Februar 2007, d.h. nach Inkrafttreten des
Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) ergangen, weshalb für das vorliegende
Verfahren die Vorschriften des neuen Gesetzes massgebend sind (vgl. Art. 132
Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Art. 83 lit. f BGG schliesst die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten gegen Entscheide auf dem Gebiet der öffentlichen
Beschaffungen aus, wenn der geschätzte Wert des zu vergebenden Auftrages den
massgebenden Schwellenwert des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das
öffentliche Beschaffungswesen (BoeB, SR 172.056.1) oder des Abkommens vom 21.
Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen
Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (SR
0.172.052.68) nicht erreicht (Ziff. 1) sowie wenn sich keine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt (Ziff. 2). Die Beschwerde ist - entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin - nur zulässig, wenn beide in Art. 83 lit.
f BGG erwähnten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, wobei das Vorliegen
der zweiten Voraussetzung (Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung) in der
Beschwerdeschrift dargetan und begründet werden muss (Art. 42 Abs. 2 Satz 2
BGG, vgl. zur Publikation vorgesehener BGE 2C_224/2007 vom 10. September
2007, E. 2.1 und 2.2 mit Hinweisen).

2.2 Die Beschwerdeführerin behauptet die Erfüllung beider Voraussetzungen.
Der erforderliche Auftragswert (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. b BoeB in Verbindung
mit Art. 1 lit. b der Verordnung des EVD vom 30. November 2006 über die
Anpassung der Schwellenwerte im öffentlichen Beschaffungswesen für das Jahr
2007, SR 172.056.12) ist vorliegend mit über Fr. 3,5 Mio. ohne weiteres
erreicht. Die Beschwerdeführerin tut aber nicht hinreichend dar, worin die
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegen soll (vgl. die nachfolgenden
Ausführungen in E. 3.4 und 3.5).
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist damit nicht
einzutreten.

3.
3.1 Zulässig bleibt das vorsorglich miterhobene Rechtsmittel der subsidiären
Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG). Damit kann einzig die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Die
Beschwerdeführerin ist als am Submissionsverfahren beteiligte Bewerberin
legitimiert, den letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid des
Verwaltungsgerichts wegen Verletzung des Willkürverbotes bzw. des Grundsatzes
von Treu und Glauben (Art. 9 BV, vgl. etwa S. 10, 12 und 13 der
Beschwerdeschrift), des Gleichbehandlungsgebotes (Art. 8 BV, vgl. S. 13 und
21 der Beschwerde) oder wegen formeller Rechtsverweigerung (Art. 29 BV, vgl.
S. 8 ff, 17 der Beschwerde) anzufechten. Unzulässig sind die Rügen der
Verletzung der Interkantonalen Vereinbarung vom 25. November 1994/15. März
2001 über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB [AS 2003 196 ff.]) bzw. des
Transparenzgebotes, welches zwar den submissionsrechtlichen Erlassen sowie
dem Konkordat zugrunde liegt, aber kein verfassungsmässiges Recht im Sinne
von Art. 116 BGG darstellt. Dasselbe gilt für die behauptete Verletzung des
beschaffungsrechtlichen Diskriminierungsverbotes (S. 10 der Beschwerde). Auf
die erwähnten Rügen ist zum Vornherein nicht einzutreten.

3.2  Ist der Zuschlagsentscheid schon in Vollzug gesetzt und mit dem
ausgewählten Konkurrenten - wie vorliegend - bereits ein Vertrag
abgeschlossen worden, kann nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der
"angefochtenen Verfügung" verlangt werden (vgl. Art. 9 Abs. 3 des
Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt [Binnenmarktgesetz,
BGBM; SR 943.02], BGE 125 II 86 E. 5b S. 97 f.). Der Antrag in der Beschwerde
kann insoweit nur noch auf Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Rechtsmittelentscheides sowie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der
ergangenen Zuschlagsverfügung lauten. Das vorliegend gestellte
Beschwerdebegehren ist in diesem Sinne zu verstehen bzw. umzudeuten. Die
weitergehenden Anträge der Beschwerdeführerin (Ziff. 2 - 4 der
Rechtsbegehren) sind hinfällig.

3.3 Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten - worum es im
Rahmen einer subsidiären Verfassungsbeschwerde einzig gehen kann (vgl. E.
3.1) - nur, soweit eine entsprechende Rüge vorgebracht und begründet worden
ist. Es gilt das so genannte Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG, vgl. BBl 2001
4344). Dieses verlangt, dass der Beschwerdeführer in seiner Eingabe dartut,
welche verfassungsmässigen Rechte inwiefern durch den angefochtenen Entscheid
verletzt worden sind. Eine Rechtsanwendung von Amtes wegen, wie sie dem
Bundesgericht hinsichtlich des Gesetzes- und Verordnungsrechts des Bundes
zusteht (vgl. Art. 106 Abs. 1 BGG), findet nicht statt. Das Bundesgericht
untersucht deshalb nicht von sich aus, ob der angefochtene kantonale
Entscheid verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend
vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (vgl.
die Rechtsprechung zur staatsrechtlichen Beschwerde, statt vieler BGE 110 Ia
1 E. 2 S. 3 f.; 119 Ia 197 E. 1d S. 201). Ruft der Beschwerdeführer das
Willkürverbot an, muss er, wie schon im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde, dartun, dass und inwiefern der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 133 III 393 E. 6 S. 397).

3.4 Die Beschwerdeführerin rügt als formelle Rechtsverweigerung, dass die
Vergabestelle ihre dem Zuschlagsentscheid zugrunde liegende Bewertungsmatrix
im kantonalen Rechtsmittelverfahren unzulässigerweise geändert und das
Verwaltungsgericht dieses Vorgehen ohne Begründung geschützt habe. Das
Bundesgericht habe sich zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens noch nie
geäussert; es gehe um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl.
vorne E. 2).
Diese Ausführungen sind abwegig. Die Vergabestelle hat im Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht nicht die Beurteilungsmatrix nachträglich geändert,
sondern mit den zugestandenen Anpassungen der Punktebewertung lediglich
darzutun versucht, dass sich im Ergebnis am Zuschlagsentscheid, der formell
einzig Anfechtungsobjekt bildete, auch bei korrigierter Bewertung der
betreffenden Positionen nichts ändern würde. Wieso der Vergabestelle eine
solche Argumentation nicht gestattet sein sollte, ist - zumal die
Beschwerdeführerin im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels vor dem
Verwaltungsgericht dazu Stellung nehmen konnte - nicht einzusehen, und die
Zulässigkeit einer derartigen "Abänderung der Beurteilungsmatrix im
Rechtsmittelverfahren" brauchte vom Verwaltungsgericht auch nicht besonders
begründet zu werden.

3.5 Bei den übrigen Einwendungen, welche die Beschwerdeführerin gegen die
vorgenommene Evaluation und den ihr zugrunde liegenden Bericht erhebt,
handelt es sich um appellatorische Vorbringen, welche allenfalls im Rahmen
einer freien Überprüfung des Vergabeentscheides eine nähere Untersuchung
verdienen würden, aber nicht geeignet sind, den Vorwurf der Willkür oder die
Verletzung anderer verfassungsmässiger Individualrechte zu begründen. Das
gilt insbesondere auch in Bezug auf die Bewertung der Wartungskosten. Die
Beschwerdeführerin beanstandet die seitens der Vergabestelle diesbezüglich
vorgenommene Würdigung, tut aber nicht oder jedenfalls nicht hinreichend dar,
dass und inwiefern die für den Zuschlagsentscheid letztlich entscheidende
erhebliche Punktedifferenz bei den Wartungskosten aufgrund der vorliegenden
Angaben offensichtlich ungerechtfertigt sein soll. Auch die übrigen
Einwendungen ("Untauglichkeit" des Evaluationsberichts, Ungleichbehandlung
bezüglich der vorgenommenen Besichtigungen, Ausgestaltung der Unterkriterien,
Bewertung der Behindertenfreundlichkeit usw.) sind von ihrem Inhalt her
appellatorischer Natur. Das Verwaltungsgericht hat sich mit diesen Vorbringen
in vertretbarer Weise auseinandergesetzt; dass und inwiefern der
Zuschlagsentscheid auch im Ergebnis offensichtlich unhaltbar sein soll (dazu
BGE 125 II 129 E. 5b S. 134), ist weder dargetan noch erkennbar. Die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde erweist sich nach dem Gesagten, soweit
darauf einzutreten ist, als unbegründet.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat die
obsiegende, anwaltlich vertretene Rhätische Bahn AG für das
bundesgerichtliche Verfahren ausserdem angemessen zu entschädigen (Art. 68
Abs. 2 und 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht
eingetreten.

2.
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführerin hat die Rhätische Bahn AG für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2007

Im Namen der II. Öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:   Der Gerichtsschreiber: