Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.83/2007
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{T 0/2}
2C_83/2007 /leb

Urteil vom 24. April 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

A. ________ und B.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,
Hallwilerweg 7, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.

Verlängerung der Durchsetzungshaft,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 2. März 2007.

Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:

1.
1.1 A.________ (geb. angeblich 1963) stammt nach eigenen Angaben aus dem
Kosovo. Er will mit seinem Vater durch ganz Westeuropa gezogen sein und sich
dabei während 21 Jahren in Deutschland aufgehalten haben. Seit Mai 2000 soll
er mit seiner Partnerin B.________ (geb. angeblich 1974) zusammenleben.

1.2 Das Bundesamt für Flüchtlinge trat am 28. August 2003 auf das Asylgesuch
von A.________ und B.________ nicht ein und hielt sie an, die Schweiz sofort
zu verlassen, wogegen die beiden erfolglos an die Schweizerische
Asylrekurskommission gelangten (Nichteintretensentscheid vom 22. Oktober
2003). Am 4. März 2004 kam in Luzern ihre gemeinsame Tochter C.________ zur
Welt.

1.3 Das Amt für Migration des Kantons Luzern nahm A.________ am 30. Januar
2007 in Durchsetzungshaft, welche der Haftrichter am Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern am 2. Februar 2007 prüfte und bis zum 28. Februar 2007
bestätigte. Mit Entscheid vom 2. März 2007 verlängerte er diese bis zum 28.
April 2007.

1.4 Hiergegen sind A.________ und B.________ mit dem sinngemässen Antrag an
das Bundesgericht gelangt, A.________ aus der Haft zu entlassen. Der
Haftrichter, das Amt für Migration und das Bundesamt für Migration
beantragen, die Beschwerde abzuweisen. A.________ und B.________ haben sich
innert Frist hierzu nicht vernehmen lassen.

2.
2.1
Der angefochtene haftrichterliche Entscheid erging nach dem Inkrafttreten des
Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110, AS 2006 1205 ff.); die Eingabe ist
somit als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
entgegenzunehmen und zu erledigen; dies kann im vereinfachten Verfahren nach
Art. 109 BGG geschehen, da sie sich als offensichtlich unbegründet erweist:
2.2
2.2.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb
der ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder
Ausweisung auf Grund seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden,
so darf er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in
Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft
nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme zum Ziel führt (Art.
13g Abs. 1 ANAG in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung gemäss der
Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 4745 ff., dort
S. 4767 und S. 4771]). Die Haft ist erstmals für einen Monat zulässig und
kann hernach mit der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen
Behörde (vgl. Art. 13g Abs. 3 ANAG) jeweils um zwei Monate verlängert werden,
sofern der Ausländer weiterhin nicht bereit ist, sein Verhalten zu ändern und
auszureisen. Die maximale Haftdauer beträgt grundsätzlich 18 Monate (Art. 13g
Abs. 2 ANAG). Die Haft wird beendet, falls eine selbständige pflichtgemässe
Ausreise nicht möglich ist, obwohl der Ausländer den behördlich vorgegebenen
Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 13g Abs. 6 lit. a ANAG), oder die
Schweiz weisungsgemäss verlassen (lit. b), die Ausschaffungshaft angeordnet
(lit. c) oder einem Haftentlassungsgesuch entsprochen wird (lit. d). Die
Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen die
maximale Haftdauer von 24 Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18
Jahren von 12 Monaten) nicht überschreiten (Art. 13h ANAG in der Fassung vom
16. Dezember 2005).

2.2.2 Die Durchsetzungshaft findet ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung
vorab in Art. 5 Ziff. 1 lit. b (Haft zur Erzwingung einer durch das Gesetz
vorgeschriebenen Verpflichtung) und nicht wie die Vorbereitungs- und
Ausschaffungshaft ausschliesslich in Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (Haft zur
Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens; vgl. BGE 130 II 56 E.
4.2.3, 377 E. 3.1). Sie bezweckt, die ausreisepflichtige Person in jenen
Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der
Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder
Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht
möglich ist. Die Durchsetzungshaft soll das letzte Mittel darstellen, wenn
und soweit keine andere Zwangsmassnahme zum Ziel führt, den illegal
anwesenden Ausländer - auch gegen seinen Willen - in seine Heimat verbringen
zu können (Urteil 2C_22/2007 vom 22. Februar 2007, E. 2.2.2). Wie alle
staatlichen Massnahmen hat sie dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu
entsprechen; es ist jeweils im Einzelfall auf Grund der konkreten Umstände zu
prüfen, ob sie geeignet bzw. erforderlich ist und nicht gegen das
Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und zumutbare Verhältnis von Mittel
(Haft) und Zweck (Verhaltensänderung, damit die Ausschaffung vollzogen werden
kann), verstösst. Dabei ist im Rahmen von Art. 190 BV (gemäss Justizreform;
früher Art. 191 BV) den Prämissen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, dass
die Massnahme je nach den Umständen bis zu einer maximalen Haftdauer von 18
Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren von neun Monaten)
als verhältnismässig gelten kann und der Betroffene es im Übrigen in der Hand
hat, die Haft jederzeit zu beenden, indem er seiner Ausreisepflicht
nachkommt. Art. 13g ANAG ist im Rahmen dieser Vorgaben verfassungs- und
konventionskonform auszulegen (vgl. zum Ganzen: BGE 2C_19/45/2007 vom 2.
April 2007, E. 2 und 3).

2.3
2.3.1 Der Beschwerdeführer und seine Partnerin sind im Asylverfahren
rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen worden. Die Schweizer Behörden
haben während Jahren versucht, ihre Identitäten zu ermitteln, um sie in ihre
Heimat zurückschaffen zu können. Sämtliche Aufforderungen, hierbei
mitzuwirken, wurden von den Beschwerdeführern ignoriert; mit
widersprüchlichen Angaben versuchten sie zudem, die entsprechenden Bemühungen
zu hintertreiben. Die Fingerabdruckvergleiche mit anderen europäischen
Staaten haben ergeben, dass A.________ in Italien, Holland, Frankreich und
Deutschland insgesamt unter 14 Identitäten aufgetreten ist, wobei seine
wirkliche Herkunft nicht definitiv erstellt werden konnte. Anlässlich der
Befragung durch die Schweizer Behörden erklärte er am 7. Oktober 2004, dass
er sich zwischen 2000 und 2003 wieder in seinem angeblichen Heimatort
Brezovica (Kosovo) aufgehalten habe, was er heute bestreitet. Die serbischen
Behörden sind nicht bereit, ihm ein Rückreisepapier auszustellen, da seine
Identität und Herkunft nicht erwiesen sind; er wendet deshalb vergeblich ein,
wiederholt auf der Botschaft vorgesprochen und insofern mit den Behörden
kooperiert zu haben. In den Kosovo können er und seine Familie aufgrund des
Memorandums of Understanding mit der UNMIK-Verwaltung nur zurückgeführt
werden, wenn er hierzu freiwillig bereit ist, was er wie seine Frau bisher
abgelehnt hat. Mangels eines schwebenden Ausweisungsverfahrens im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK ist deshalb nur die Durchsetzungshaft gegen ihn
möglich.

2.3.2 Diese bzw. deren angefochtene Verlängerung erweist sich nicht als
unverhältnismässig: Zwar befinden sich die Partnerin des Beschwerdeführers
und sein Kind in der Schweiz, doch ist deren Notversorgung hier auch ohne ihn
gesichert; es werden diesen zudem regelmässige Besuch im
Ausschaffungsgefängnis ermöglicht. Soweit die Beschwerdeführer darauf
hinweisen, sich mit ihrem Kind in der Schweiz niederlassen zu wollen,
verkennen sie, dass die Bewilligungsfrage nicht Gegenstand des
Haftprüfungsverfahrens bildet. Auch wenn ihr Kind in der Schweiz zur Welt
gekommen ist, verfügen sie hier über keinen Anspruch auf Aufenthalt. Sie
haben das Land zu verlassen und in ihre Heimat zurückzukehren. Anhaltspunkte
dafür, dass ihre Wegweisung offensichtlich unzulässig wäre, bestehen nicht
(vgl. BGE 128 II 193 E. 2.2; 125 II 217 E. 2 S. 220). Sämtliche gegen die
Beschwerdeführer bisher getroffenen milderen Massnahmen (Meldepflicht,
Rückkehrhilfen usw.) blieben ohne Erfolg, weshalb letztlich nur die
Durchsetzungshaft bleibt, um sie dazu zu bringen, ihre Identität offenzulegen
und weisungsgemäss aus der Schweiz auszureisen. Die administrative
Festhaltung des Familienoberhaupts (und nicht der ganzen Familie; vgl. den
Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats vom 7. November 2006
"Kinderschutz im Rahmen der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht" und die
Stellungnahme des Bundesrats vom 16. März 2007 in: BBl 2007 2521 ff.) ist
hierzu geeignet und im Hinblick auf das bisherige Verhalten der
Beschwerdeführer erforderlich und zurzeit auch noch verhältnismässig.

3.
3.1 Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten
wird. Für alles Weitere wird auf die sorgfältigen und zutreffenden
Ausführungen in den Entscheiden des Haftrichters vom 2. Februar und vom 2.
März 2007 verwiesen.

3.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der unterliegende
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es rechtfertigt sich
jedoch, von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz
2 BGG).

3.3 Das Amt für Migration des Kantons Luzern wird ersucht, dafür besorgt zu
sein, dass der vorliegende Entscheid dem Beschwerdeführer und seiner
Partnerin korrekt eröffnet und nötigenfalls verständlich gemacht wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Amt für Migration und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. April 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: