Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.72/2007
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2C_72/2007 /zga

Urteil vom 23. August 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Ersatzrichter Locher,
Gerichtsschreiber Schaub.

Kantonales Steueramt Zürich,
Beschwerdeführer,

gegen

V. und W.X.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Steiner,
Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich.

Direkte Bundessteuer 2000,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid der
Steuerrekurskommission II
des Kantons Zürich vom 7. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
V. X.________ war einziger Aktionär der X.________ AG, welche sich mit dem
Handel mit Pharmazeutika befasste. Diese Gesellschaft gewährte dem Aktionär
am 26. April 2000 ein Darlehen von Fr. 250'000.--, womit sich dieser an der
Kapitalerhöhung der A.________ AG beteiligte. Im Jahr 2002 wurde diese
Beteiligung an die X.________ AG übertragen, und im Juli 2004 wurde die
A.________ AG vom Amtes wegen gelöscht.
Am 14. August 2000 gewährte die X.________ AG V.X.________ ein weiteres
Darlehen in der Höhe von Fr. 500'000.--. Diese Mittel wurden für den Kauf der
Aktien der B.________ AG  verwendet. Über diese Gesellschaft wurde am 17.
Dezember 2003 der Konkurs eröffnet. Das Verfahren ist soweit ersichtlich noch
nicht abgeschlossen.
Ebenfalls am 17. Dezember 2003 wurde über die X.________ AG der Konkurs
eröffnet, welcher inzwischen abgeschlossen ist. In diesem Konkursverfahren
wurden Gläubigern Ansprüche der Gesellschaft nach Art. 260 SchKG abgetreten,
darunter eine Forderung von Fr. 500'000.--.

B.
Am 30. Juli 2004 veranlagte der Steuerkommissär V. und W.X.________ in
Abweichung von ihrer Selbstdeklaration für die Staats- und Gemeindesteuern
2000 auf ein steuerbares Einkommen von Fr. 957'700.-- (Vermögen
Fr. 977'000.--). Dabei rechnete er unter anderem verdeckte
Gewinnausschüttungen der X.________ AG von insgesamt Fr. 700'000.-- auf (Fr.
500'000.-- für den Kauf der Aktien der B.________ AG und Fr. 250'000.-- für
die Liberierung der Aktien der A.________ AG abzüglich Einbringungswert der
Beteiligung von Fr. 50'000.--). Daran hielt er auch im Einspracheentscheid
vom 29. Oktober 2004 fest.
Auf Rekurs hin nahm die Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich am 13.
Dezember 2005 eine reformatio in peius vor, indem sie auch das erste Darlehen
in vollem Umfang von Fr. 250'000.-- als simuliert betrachtete. Eine dagegen
erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 10.
Mai 2006 teilweise gut und wies die Angelegenheit zur weiteren Untersuchung
an die Steuerrekurskommission II, weil ihrer Ansicht nach eine Simulation
davon abhänge, wie die Bonität des Darlehensnehmers im Zeitpunkt der
Darlehensvergabe war.

C.
Am 23. September 2004 veranlagte die Dienstabteilung Bundessteuern des
kantonalen Steueramtes Zürich V. und W.X.________ für die direkte
Bundessteuer 2000. Dabei wurde - wie in der Einschätzung für die Staats- und
Gemeindesteuer - die verdeckte Gewinnausschüttung von Fr. 700'000.--
(zuzüglich eines nicht anerkannten Schuldzinsenabzuges auf dem simulierten
Darlehen von Fr. 10'700.--) einbezogen. Das kantonale Steueramt wies die
Einsprache gegen diese Veranlagung am 16. August 2006 ab.
Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess die Steuerrekurskommission II am 7.
Februar 2007 gut. Sie sah von der Aufrechnung der verdeckten
Gewinnausschüttung (inkl. Schuldzinsen) ab und setzte das bei der direkten
Bundessteuer steuerbare Einkommen für die Steuerperiode 2000 auf Fr.
249'200.-- fest mit der Begründung, die Beschwerde sei an sich abzuweisen,
aber angesichts des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 10. Mai 2006
erscheine es "im Interesse der Vermeidung widersprüchlicher Urteile und damit
der Stärkung der Gerichtsinstanzen [...] ausnahmsweise vertretbar, der
Argumentation des Verwaltungsgerichts zu folgen".

D.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 16. März 2007
beantragt das kantonale Steueramt Zürich dem Bundesgericht, das Urteil der
Steuerrekurskommission II vom 7. Februar 2007 (versandt am 20. Februar 2007)
sei aufzuheben und die Eheleute V. und W.X.________ seien für die direkte
Bundessteuer der Steuerperiode 2000 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr.
999'200.-- zu veranlagen (Tarif gemäss Art. 214 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom
14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]).

V.  und W.X.________ beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Die
Steuerrekurskommission II verzichtet auf eine Vernehmlassung, während die
Eidgenössische Steuerverwaltung Antrag auf Gutheissung der Beschwerde stellt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft
getreten (AS 2006 1205 ff., S. 1242). Der angefochtene Entscheid ist nach
diesem Zeitpunkt ergangen. Damit richtet sich das vorliegende Verfahren
gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG nach diesem Gesetz.

1.2 Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid der
Steuerrekurskommission ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1
lit. d BGG und Art. 146 DBG). Die Frage der Parallelität der Verfahren für
die kantonalen und eidgenössischen Steuern stellt sich hier ratione temporis
nicht (vgl. BGE 130 II 65 ff.). Das Kantonale Steueramt Zürich ist gestützt
auf Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG in Verbindung mit Art. 146 Satz 2 DBG zur
Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids legitimiert. Auf die frist- und
formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (vgl. Art. 100 und Art.
42 BGG).

1.3 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht im Sinn von Art. 95 BGG gerügt werden, hier von
Vorschriften des DBG bzw. der Bundesverfassung. Das Bundesgericht legt seinem
Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105
Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder in
Verletzung eines Beschwerdegrunds im Sinn von Art. 95 BGG ermittelt worden
(Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Das ist vorliegend weder geltend
gemacht noch ersichtlich.

2.
2.1 Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG sind als Ertrag aus beweglichem Vermögen
steuerbar insbesondere Dividenden, Gewinnanteile, Liquidationsüberschüsse und
geldwerte Vorteile aus Beteiligungen aller Art. Zu den geldwerten Vorteilen
zählen unter anderen auch die so genannten "verdeckten Gewinnausschüttungen".
Es handelt sich dabei um Leistungen der Gesellschaft an den Inhaber von
Beteiligungsrechten, denen keine oder keine genügenden Gegenleistungen
gegenüberstehen und die einem an der Gesellschaft nicht beteiligten Dritten
nicht oder in wesentlich geringerem Umfang erbracht worden wären. Anzustellen
ist dazu ein Drittvergleich. Bei diesem Drittvergleich sind in jedem
Einzelfall alle konkreten Umstände des zwischen der Gesellschaft und dem
Anteilseigner abgeschlossenen Geschäfts zu berücksichtigen, und es muss davon
ausgehend bestimmt werden, ob das Geschäft in gleicher Weise mit einem mit
der Gesellschaft nicht Verbundenen auch abgeschlossen worden wäre (Urteil
2P.129/2003 vom 13. August 2003, publ. in: StR 60/2006 S. 24, E. 3.1, mit
Hinweisen). Als Kriterien, die dafür sprechen, dass ein Dritter das Darlehen
nicht gewährt hätte, fallen unter anderen in Betracht: die Höhe der
Darlehenssumme im Verhältnis zu den eigenen Mitteln der Darlehensnehmerin,
die Darlehenszinsen werden nicht bezahlt bzw. zum Kapital geschlagen, die
Gewährung des Darlehens steht mit dem statutarischen Zweck der
darlehensgebenden Gesellschaft in keinerlei Zusammenhang, die fehlende
Bonität der Schuldnerin, das Fehlen von Sicherheiten und von Bestimmungen
über die Rückzahlung des Darlehens, die tatsächlich fehlende Rückzahlung, das
Fehlen eines schriftlichen Darlehensvertrages und ein Klumpenrisiko bei der
darlehensgebenden Gesellschaft (Urteile 2P.280/2001 vom 30. April 2002, publ.
in: StE 2002 B 24.4 Nr. 67, E. 3.2.1; 2A.79/2002 vom 27. Januar 2003, publ.
in: ASA 72 S. 736, E. 2.2; Peter Locher, Kommentar zum DBG, II. Teil, Art.
49-101 DBG, Therwil/Basel 2004, Rz. 114 zu Art. 58 DBG, je mit Hinweisen).

2.2 Die Vorinstanz hat hinsichtlich der hier zu beurteilenden Kreditvergabe
das Folgende festgestellt:
Das Eigenkapital der X.________ AG betrug anfangs 2000 höchstens
Fr. 260'000.--, womit die gewährten Darlehen rund das Dreifache des
Eigenkapitals ausmachten; zudem war die X.________ AG damals eine
ertragsschwache Gesellschaft.
Die X.________ AG verfügte über beträchtliche liquide Mittel, die sie aber
auch laufend benötigte; entsprechend konnte für sie nur eine kurzfristige und
sichere Kapitalanlage in Frage kommen.
Die Darlehen wurden dem Beschwerdegegner zum Erwerb von nicht börsengängigen
Beteiligungen gewährt, womit diese Gelder mittel- bis langfristig gebunden
waren.
Es wurden keine schriftlichen Darlehensverträge abgeschlossen.
Für die Darlehen wurden keine Sicherheiten bestellt.
Der Darlehenszins wurde nicht bezahlt, sondern kapitalisiert.
Die Darlehen stehen in keinem Zusammenhang mit dem statutarischen Zweck der
darlehensgebenden Gesellschaft.
Die kurzfristige Kreditwürdigkeit des Beschwerdegegners war für die Gewährung
eines ungesicherten Kredits durch die X.________ AG nicht ausreichend.

2.3 Mit dem Beschwerdeführer ist davon auszugehen, dass die X.________ AG
unter diesen Umständen keinem Dritten Darlehen in diesem Umfang gewährt
hätte, selbst wenn dieser Dritte kreditwürdig gewesen wäre. Die Darlehen
waren mithin simuliert und als verdeckte Gewinnausschüttung im Sinn von Art.
20 Abs. 1 lit. c DBG zu qualifizieren. Im Übrigen ist eine Gesamtbewertung
sämtlicher konkreter Umstände vorzunehmen, und es darf nicht ein Aspekt zum
alles entscheidenden Kriterium erhoben werden, wie es im
verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 10. Mai 2006 betreffend die Staats- und
Gemeindesteuern mit der Bonität des Schuldners geschehen ist.

3.
Weiter zu prüfen sind die Einwände der Beschwerdegegner, die gegen simulierte
Darlehen sprechen sollen.

3.1 Zunächst bestreiten die Beschwerdegegner einen Zufluss, weil die Darlehen
bei der X.________ AG aktiviert und nie abgeschrieben wurden, im Konkurs der
X.________ AG inventarisiert und hernach an fünf Gläubiger im Sinn von Art.
260 SchKG abgetreten wurden.
Dazu ist festzuhalten, dass - unzulässigerweise - vielfach auch Nonvaleurs
unter den Aktiven aufgeführt werden. Bezeichnenderweise betrachtete die
Gesamtheit der Gläubiger die Geltendmachung dieser "Forderungen" als
illusorisch, weshalb sie einer Abtretung im Sinn von Art. 260 SchKG
zustimmte. Dabei steht erst noch nicht fest, ob es sich um die ursprüngliche
"Darlehensforderung" oder um den Rückerstattungsanspruch nach Art. 678 Abs. 2
OR handelte. Jedenfalls haben die Beschwerdegegner die Beträge von Fr.
250'000.-- bzw. Fr. 500'000.-- vor inzwischen mehr als sieben Jahren bezogen,
weshalb keine Rede von einem fehlenden Einkommenszufluss sein kann.

3.2 Weiter halten die Beschwerdegegner dafür, die beiden Darlehensgewährungen
seien (auch) im Interesse der X.________ AG gelegen. Das erste der beiden
Darlehen über Fr. 250'000.-- habe dazu gedient, neben anderen Investoren
Aktien bei der A.________ AG zu zeichnen. Man habe damit die X.________ AG im
Gesundheitsmarkt besser abstützen wollen. Auch die zweite Darlehensvergabe
über Fr. 500'000.-- zwecks Finanzierung des Kaufs der B.________ AG habe der
X.________ AG, welche sich mit dem Handel mit Pharmazeutika befasste,
gedient.
Bei einer solchen Betrachtung werden aber die Interessen der Beschwerdegegner
und diejenigen der X.________ AG allzu sehr vermengt. Entscheidend ist die
Beurteilung vom Standpunkt der jeweiligen steuerpflichtigen Gesellschaft aus
(Urteil 2A.263/2003 vom 19. November 2003, publ. in: ASA 74 660, E. 2.3).
Dabei blieb der Liquiditätsbedarf der X.________ AG unberücksichtigt. Auch
wurden ihr die Aktien der A.________ AG erst übertragen, als sich deren
Fiasko bereits abzuzeichnen begann, und die Aktien der B.________ AG
verblieben bis zu deren Konkurs im Eigentum der Beschwerdegegner. Wesentlich
ist hier, dass die X.________ AG zwei Darlehen gewährte, obwohl solche
Kreditgewährungen offensichtlich nicht zu ihrem Gesellschaftszweck gehörten.
Die Einwände der Beschwerdegegner vermögen deshalb nicht zu überzeugen.

4.
Damit ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
grundsätzlich begründet. Zu prüfen bleibt die Bemessung der geldwerten
Leistung.
Die Steuerrekurskommission hat erwogen, nicht nur Fr. 700'000.--, sondern die
vollen Kreditvergaben von zusammen Fr. 750'000.-- seien als verdeckte
Gewinnausschüttungen aufzurechnen. Dem ist zuzustimmen. Damit müsste die
angefochtene Veranlagung von Fr. 249'200.-- an sich um Fr. 760'700.-- (inkl.
Zinsen von Fr. 10'700.--) auf Fr. 1'009'900.-- angehoben werden. Weil aber
der Beschwerdeführer nur eine Erhöhung auf Fr. 999'200.-- beantragt, bleibt
es bei diesem Betrag (vgl. Art. 107 Abs. 1 BGG).

5.
5.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist demnach
gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Das steuerbare Einkommen
der Beschwerdegegner für die direkte Bundessteuer der Steuerperiode 2000 ist
auf Fr. 999'200.-- (Tarif gemäss Art. 214 Abs. 2 DBG) festzusetzen.

5.2 Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens den Beschwerdegegnern unter Solidarhaft aufzuerlegen (Art. 66 Abs.
1 und 5 in Verbindung mit Art. 65 BGG). Parteientschädigungen sind keine
zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). Die Steuerrekurskommission II des Kantons
Zürich wird über die Kostenverteilung ihres Verfahrens neu zu befinden haben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen
und das angefochtene Urteil aufgehoben. Das steuerbare Einkommen der
Beschwerdegegner für die direkte Bundessteuer der Steuerperiode 2000 wird auf
Fr. 999'200.-- (Tarif gemäss Art. 214 Abs. 2 DBG) festgesetzt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'500.-- wird den Beschwerdegegnern unter
Solidarhaft auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Steuerrekurskommission II des Kantons
Zürich sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: