Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.69/2007
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2C_69/2007 /aka

Urteil vom 17. August 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichterin Yersin,
Ersatzrichter Camenzind,
Gerichtsschreiber Fux.

X. ________ Sarl in Liquidation, CH,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch das Konkursamt des Kantons Zug, Aabachstrasse 5, Postfach
857, 6301 Zug,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, Postfach, 3000 Bern 14.

Mehrwertsteuer 2. Quartal bis 4. Quartal 2004,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die
Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom
8. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ Sarl (vormals mit Sitz in Zug) war bis zum 30. Juni 2005 im
Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung verlangte für die Abrechnungsperioden 2. bis 4. Quartal 2004
von der Gesellschaft Mehrwertsteuern im Betrag von Fr. 294'000.--  und setzte
diese in Betreibung (Ergänzungsabrechnung vom 11. März 2005; Zahlungsbefehl
des Betreibungsamtes Zug vom 28. April 2005). Mit Entscheid vom 31. Oktober
2005 hob die Eidgenössische Steuerverwaltung den Rechtsvorschlag der
Schuldnerin auf und bestätigte die Steuerforderung. Dagegen erhob die
X.________ Sarl in Liquidation am 30. November 2005 Einsprache.

Am 18. August 2006 wurde über die X.________ Sarl in Liquidation der Konkurs
eröffnet und das Konkursamt Zug mit dem Vollzug beauftragt.

Am 23. Oktober 2006 wies die Eidgenössische Steuerverwaltung die Einsprache
vom 30. November 2005 ab und bestätigte die für den Zeitraum vom 1. April
2004 bis zum 31. Dezember 2004 geschuldeten Mehrwertsteuern.

B.
Das Konkursamt Zug in Vertretung der X.________ Sarl in Liquidation erhob am
2. November 2006 Beschwerde bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission.
Es beantragte, der Einspracheentscheid vom 23. Oktober 2006 sei aufzuheben
und das Beschwerdeverfahren sei gestützt auf Art. 207 SchKG einzustellen,
"bis die Gläubiger im Rahmen des Zirkulars zum Beschwerdeverfahren Stellung
nehmen und sich das Verfahren allfällig abtreten lassen können". Innert
angesetzter Frist reichte das Konkursamt am 23. November 2006 eine
verbesserte Beschwerde ein. Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragte in
ihrer Vernehmlassung (vom 30. Januar 2007) unter anderem, das Verfahren sei
"infolge Konkurseröffnung der Beschwerdeführerin zu sistieren".

In der Folge verfügte das (am 1. Januar 2007 an die Stelle der
Eidgenössischen Steuerrekurskommission getretene) Bundesverwaltungsgericht am
8. Februar 2007, dass die Beschwerdeführerin in Anwendung von Art. 63 Abs. 4
VwVG bis zum 1. März 2007 einen Kostenvorschuss von Fr. 1'500.-- zu bezahlen
habe; die Frist wurde dann antragsgemäss bis zum 12. März 2007 erstreckt
(Verfügung vom 5. März 2007).

C.
Das Konkursamt Zug hat am 9. März 2007 Beschwerde beim Schweizerischen
Bundesgericht in Lausanne eingereicht. Es beantragt unter anderem, die
Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Februar 2007 sei
aufzuheben. Ferner sei das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache in Anwendung
von Art. 207 SchKG einzustellen, bis die Gläubiger im Rahmen des
Konkursverfahrens dazu Stellung genommen und über eine allfällige Abtretung
des Verfahrens entschieden hätten; bis dahin sei auf die Erhebung eines
Kostenvorschusses zu verzichten. Eventualiter sei eine neue Frist zur
Leistung des Kostenvorschusses anzusetzen und das Bundesverwaltungsgericht
anzuweisen, vor einer allfälligen Sistierung des Verfahrens einen
Kostenentscheid zu erlassen; subeventualiter sei eine neue Frist zur Leistung
eines Kostenvorschusses anzusetzen. Gerügt wird eine Verletzung von
Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG).

Das Bundesverwaltungsgericht und die Eidgenössische Steuerverwaltung haben
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

D.
Das Konkursamt Zug hat dem Bundesgericht am 29. März 2007 unaufgefordert
einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einem andern Verfahren "mit
analoger Ausgangslage" zugestellt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf den 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht in Kraft getreten (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110). Der
angefochtene Entscheid ist nach diesem Datum ergangen, nämlich am 8. Februar
/ 5. März 2007; die Beschwerde des Konkursamtes wurde am 9. März 2007
eingereicht. Auf das vorliegende Verfahren sind deshalb die Bestimmungen des
BGG anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit eines
Rechtsmittels von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG;
BGE 133 I 185 E. 2 S. 188, mit Hinweisen).

2.1 Angefochten ist eine Kostenvorschuss-Verfügung des
Bundesverwaltungsgerichts in einem Mehrwertsteuerstreit, somit ein Entscheid
in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Bei dem vom Konkursamt Zug
eingelegten Rechtsmittel handelt es sich also um eine Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinn der Art. 82 ff. BGG.

2.2 Die angefochtene Kostenvorschuss-Verfügung ist ein selbständig eröffneter
Zwischenentscheid im Sinn des Art. 93 BGG. Gegen einen solchen Entscheid ist
die Beschwerde nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig, nämlich,
wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann
oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid
herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 BGG).

Vorliegend enthält die angefochtene Verfügung die Androhung, dass auf die
Beschwerde nicht eingetreten werde, falls der Kostenvorschuss nicht
fristgerecht bezahlt werden sollte. Damit kann der Zwischenentscheid für die
Beschwerdeführerin einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge
haben; die Beschwerde ist insofern zulässig.

2.3 Die übrigen Voraussetzungen sind ebenfalls erfüllt: Ausschlussgründe
gemäss Art. 83 BGG liegen keine vor. Die Rechtsschrift genügt den
gesetzlichen Anforderungen (vgl. Art. 42 BGG) und wurde rechtzeitig
eingereicht (vgl. Art. 100 BGG). Die Beschwerdelegitimation im Sinn von Art.
89 BGG ist gegeben. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.4 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze
Bundesrecht (einschliesslich Bundesverfassungsrecht), Völkerrecht sowie
kantonale verfassungsmässige Rechte (Art. 95 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG).

3.
Vorliegend ist einzig die von der Vorinstanz verfügte Bezahlung des
Kostenvorschusses von Fr. 1'500.-- für ein hängiges Beschwerdeverfahren in
einer Mehrwertsteuersache strittig.

3.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat den umstrittenen Kostenvorschuss in
Anwendung von Art. 63 Abs. 4 VwVG (SR 172.021) verfügt. Nach dieser
Bestimmung erhebt die Beschwerdeinstanz von der Beschwerdeführerin einen
Kostenvorschuss in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten; wenn
besondere Gründe vorliegen, kann auf die Erhebung des Vorschusses ganz oder
teilweise verzichtet werden.

Die im Gesetz erwähnten "besonderen Gründe" müssen im Zusammenhang mit der
Leistung des Kostenvorschusses stehen und von der Beschwerdeführerin dargetan
werden; allfällige Besonderheiten des Rechtsstreits oder des diesem zugrunde
liegenden Sachverhalts sind dagegen nicht massgebend. Keinen "besonderen
Grund" im Sinn von Art. 63 Abs. 4 VwVG stellt nach der Rechtsprechung die
Prozessarmut von natürlichen oder die Zahlungsunfähigkeit von juristischen
Personen dar. Ein Verzicht auf den Kostenvorschuss wird unter Umständen dann
als angezeigt erachtet, wenn die Beschwerdeführerin aus irgendeinem Grund die
Verfahrenskosten selbst dann nicht zu tragen hätte, wenn sie unterliegen
sollte, oder wenn es an der erforderlichen Liquidität fehlt (vgl. Urteil
2A.488/2006 vom 1. September 2006, E. 3.1, mit Hinweisen; vgl. zum Anspruch
von juristischen Personen auf unentgeltliche Prozessführung eingehend BGE 131
II 306 E. 5.2 S. 326 f., mit Hinweisen; vgl. auch unten E.4.2).

3.2 Das beschwerdeführende Konkursamt Zug bestreitet die Zulässigkeit der
Kostenvorschusserhebung nicht grundsätzlich; es beantragt vielmehr, auf einen
Kostenvorschuss sei aufgrund der besonderen Umstände des Falles einstweilen
zu verzichten. Ein einstweiliger Verzicht auf den Kostenvorschuss ist aber
weder im Gesetz vorgesehen, noch erscheint er vorliegend aufgrund der geltend
gemachten speziellen Umstände als angezeigt. Das Konkursamt nennt als
besondere Gründe ausschliesslich solche, die sich auf das (Haupt-)Verfahren
beziehen: es habe kein Sistierungsbegehren gestellt werden können; zur
Wahrung der Gläubigerinteressen habe ein Rechtsmittel ergriffen werden
müssen, das allerdings nur summarisch habe begründet werden können. Solche
Gründe, die nicht im Zusammenhang mit der Leistung des Kostenvorschusses als
solchem stehen, vermögen nach der dargestellten Rechtsprechung einen Verzicht
auf einen Kostenvorschuss nicht zu rechtfertigen.

4.
Das beschwerdeführende Konkursamt rügt im Weiteren eine "de facto"-Verletzung
der Rechtsweggarantie von Art. 29a BV.

4.1 Soweit das Konkursamt die behauptete Bundesrechtsverletzung darin
erblickt und damit begründet, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung das
Einspracheverfahren in Anwendung von Art. 207 SchKG hätte einstellen müssen,
argumentiert es an der Streitfrage vorbei: Zu prüfen ist hier nicht, ob die
Eidgenössische Steuerverwaltung in konstanter Praxis ihr Ermessen im
Zusammenhang mit der Konkurseinstellung wahrnimmt oder nicht, sondern es ist
lediglich zu klären, ob ein besonderer Grund für die Nichterhebung des
Kostenvorschusses durch das Bundesverwaltungsgericht gegeben ist. Ein
Zusammenhang zwischen der Nichteinstellung des Verfahrens im Sinn von Art.
207 SchKG und dem umstrittenen Kostenvorschuss ist weder ersichtlich noch
dargetan. Im Übrigen wäre die angeblich bundesrechtswidrige Praxis
nachzuweisen und nicht bloss zu behaupten. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass
Art. 207 SchKG mit Bezug auf die Einstellung von Verwaltungsverfahren eine
blosse "Kann-Vorschrift" ist (vgl. Abs. 2); dies im Gegensatz zur Einstellung
von Zivilprozessen (vgl. Abs. 1).

4.2 Art. 29a BV gewährleistet im Sinn einer Institutsgarantie den Anspruch
auf Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten durch eine richterliche Behörde
(Rechtsweggarantie). Sie ist von dem in Art. 29 Abs. 3 BV umschriebenen
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege abzugrenzen. Eine selbständige
Bedeutung käme Art. 29a BV im vorliegenden Zusammenhang nur dann zu, wenn der
Kostenvorschuss derart hoch angesetzt wäre, dass der faktische Zugang zum
Gericht übermässig erschwert würde.

Juristische Personen können grundsätzlich weder die unentgeltliche
Prozessführung noch eine Verbeiständung beanspruchen. Ausnahmsweise kann
ihnen ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege zustehen, wenn ihr
einziges Aktivum im Streit liegt und ausser der juristischen Person auch die
wirtschaftlich Beteiligten mittellos sind; dazu zählen neben den
Gesellschaftern auch die Organe der juristischen Person und gegebenenfalls
interessierte Gläubiger (BGE 131 II 306 E. 5.2.2 S. 327, mit Hinweisen).

4.3 Vorliegend macht das beschwerdeführende Konkursamt zu Recht nicht
geltend, dass die umschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege erfüllt seien, noch behauptet es, dass ihm wegen
des verlangten Kostenvorschusses der Zugang zum Gericht übermässig erschwert
werde. Die Rüge, dass durch die Erhebung eines Kostenvorschusses die
Rechtsweggarantie verletzt werde, erweist sich somit als nicht stichhaltig.
In der Beschwerde wird denn auch kein Grund genannt, weshalb der - im
Hinblick auf den nicht unbedeutenden Streitwert von Fr. 294'000.-- massvoll
festgesetzte - Kostenvorschuss von Fr. 1'500.-- nicht durch das Konkursamt
vorgeschossen oder durch die allenfalls interessierten Gläubiger bezahlt
werden könnte.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens
entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 65 BGG); ihrer
finanziellen Lage wird bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung
getragen (vgl. Art. 65 Abs. 2 BGG). Es ist keine Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin eine angemessene neue Frist zur
Bezahlung des Kostenvorschusses anzusetzen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird der Beschwerdeführerin aufer legt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen
Steuerverwaltung und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 17. August 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des
Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: