Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.699/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_699/2007

Urteil vom 30. April 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, Karlen,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Häberli.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Bruhin,

gegen

Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte
im Kanton Zug, Aabachstrasse 3, 6301 Zug.

Gegenstand
Disziplinaraufsicht über die Rechtsanwälte
(Art. 12 lit. c BGFA; Doppelvertretung),

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Beschluss der
Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zug vom 13. November
2007.

Sachverhalt:

A.
Am 25. September 2006 reichte Y.________, welcher im Herbst 2001 bei einem
Verkehrsunfall auf der Nationalstrasse A14 die Sicherheitsgurte nicht getragen
hatte und verletzt worden war, Schadenersatzklage beim Kantonsgericht Zug ein.
Zum einen fasste er den Lenker, mit dem er als Passagier mitgefahren war, und
die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft (als
Motorfahrzeughaftpflichtversicherung der Halterin des betreffenden Fahrzeugs)
ins Recht. Zum anderen belangte er Z.________, der als Lenker eines
Drittfahrzeugs den Unfall - in angetrunkenem Zustand am Steuer einschlafend -
ausgelöst hatte, und die Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft
(als dessen Motorfahrzeughaftpflichtversicherung). Anwaltlich vertreten war
Y.________ dabei durch Rechtsanwalt Dr. A.________, während Z.________ und die
Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft (heute: AXA Versicherungen
AG) Rechtsanwalt Prof. Dr. X.________ mit der Wahrung ihrer Interessen betraut
hatten.

B.
Am 23. Januar 2007 gelangte Rechtsanwalt A.________ an die Aufsichtskommission
über die Rechtsanwälte im Kanton Zug und erstattete Anzeige gegen Rechtsanwalt
X.________ wegen unzulässiger Doppelvertretung. Im daraufhin eröffneten
Disziplinarverfahren kam die Aufsichtskommission zum Schluss, Rechtsanwalt
X.________ habe gegen Art. 12 lit. c des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über
die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61)
verstossen, und erteilte ihm einen Verweis (Beschluss vom 13. November 2007).

C.
Am 6. Dezember 2007 hat Rechtsanwalt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht mit dem Antrag, den
Beschluss der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte aufzuheben und das
Disziplinarverfahren einzustellen; eventuell sei festzustellen, dass er nicht
gegen die Berufsregeln verstossen habe. Weil Rechtsanwalt X.________ gegen den
Beschluss der Aufsichtskommission gleichzeitig an das Obergericht des Kantons
Zug gelangt war, sistierte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen
Abteilung das bundesgerichtliche Verfahren bis zum Vorliegen des Entscheids des
Obergerichts (Verfügung vom 12. Dezember 2007). Nachdem Letzteres mit Beschluss
vom 18. Dezember 2007 auf die Beschwerde nicht eingetreten war, wurde das
bundesgerichtliche Verfahren wieder aufgenommen (Verfügung vom 8. Januar 2008).

D.
Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zug beantragt die
Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für Justiz auf Stellungnahme
verzichtet hat.

Erwägungen:

1.
Das eidgenössische Anwaltsgesetz, welches neben den Berufspflichten (Art. 12
BGFA) insbesondere auch das Disziplinarrecht (Art. 17 ff. BGFA) abschliessend
regelt, ist Teil des Bundesverwaltungsrechts. Damit unterliegt der angefochtene
Beschluss, bei dem es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid
handelt (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a BGG). Da keiner der
Ausschlussgründe von Art. 83 BGG Anwendung findet, ist dieses Rechtsmittel
zulässig. Zwar handelt es sich bei der Aufsichtskommission über die
Rechtsanwälte im Kanton Zug nicht um ein "oberes" kantonales Gericht und mithin
nicht um eine zulässige Vorinstanz des Bundesgerichts nach Art. 86 Abs. 2 BGG.
Der Bundesgesetzgeber hat den Kantonen jedoch für die Anpassung ihrer
Gerichtsorganisation an die neuen Bestimmungen der Bundesrechtspflege eine
zweijährige Übergangsfrist eingeräumt (vgl. Art. 130 Abs. 3 BGG). Während der
Dauer dieser Frist sind kantonale Regelungen, welche die Überprüfung eines
Verwaltungsakts durch die kantonalen Gerichte ausschliessen, noch nicht
bundesrechtswidrig. Dies gilt auch für den hier in Frage stehenden § 19 Abs. 1
lit. f des Zuger Einführungsgesetzes zum eidgenössischen Anwaltsgesetz (EG
BGFA), welcher die Anrufung des Obergerichts nur gegen Disziplinarentscheide
der Aufsichtskommission vorsieht, mit denen eine Busse verhängt oder ein
Berufsausübungsverbot ausgesprochen wird.

2.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung seines Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236; 129 II
497 E. 2.2 S. 504 f.), weil die Aufsichtskommission seinem Gesuch um
Durchführung einer öffentlichen Schlussverhandlung nicht entsprochen habe. Eine
solche hatte er für den Fall verlangt, dass er keine zweite schriftliche
Stellungnahme einreichen könne.

2.1 Die Aufsichtskommission führt im angefochtenen Beschluss aus, der verzeigte
Rechtsanwalt könne sich im kantonalen Disziplinarverfahren grundsätzlich nur
einmal zu den erhobenen Vorwürfen äussern. Eine weitere Stellungnahme werde nur
dann eingeholt, wenn ein Beweisverfahren durchgeführt worden oder auf anderem
Weg "neue Tatsachen in das Verfahren eingeflossen" seien. Diese Voraussetzung
sei vorliegend nicht erfüllt, weshalb sie ohne weitere Prozesshandlungen zum
Entscheid schreite. Gemäss § 16 Abs. 4 EG BGFA könne der verzeigte Rechtsanwalt
zwar eine öffentliche Schlussverhandlung verlangen; einen dahingehenden Antrag
müsse er jedoch "frühzeitig" stellen, "um den Verfahrenslauf nicht zu
beeinträchtigen". Grundsätzlich habe der Disziplinarbeklagte die öffentliche
Schlussverhandlung bereits in seiner (ersten) Stellungnahme zu verlangen,
ansonsten der Anspruch verwirke. Hier sei das entsprechende Gesuch vom 1.
Oktober 2007 verspätet gewesen, zumal die Untersuchung bereits mit Eingang der
Vernehmlassung des Beschwerdeführers vom 15. März 2007 abgeschlossen worden
sei.

2.2 Ob die erwähnte Verwirkungsregel mit Wortlaut und Sinn von § 16 Abs. 4 EG
BGFA vereinbar ist, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben, zumal der -
den Gehörsanspruch des Disziplinarbeklagten umschreibende - § 16 Abs. 4 EG BGFA
vorliegend so oder anders willkürlich gehandhabt worden ist: Die Vorinstanz hat
dem Beschwerdeführer in Kopie einen Brief zugestellt, mit dem sie die
Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte des Kantons Luzern am 27. September
2007 zur Vernehmlassung eingeladen hat. Aus dem betreffenden Schreiben war
ersichtlich, dass sie vom Vorliegen einer Berufspflichtverletzung ausging und
eine Disziplinarsanktion zu ergreifen gedachte. Dieser Umstand hat den
Beschwerdeführer veranlasst, am 1. Oktober 2007 - und damit unverzüglich - um
Gelegenheit für die Einreichung einer zweiten schriftlichen Stellungnahme zu
ersuchen bzw. eine öffentliche Schlussverhandlung zu beantragen. Weil die
Vorinstanz verpflichtet war, vor dem Ausfällen ihres Entscheids bei der
Aufsichtsbehörde des Domizilkantons des Beschwerdeführers eine Vernehmlassung
einzuholen (Art. 16 Abs. 2 BGFA), konnte die Untersuchung in diesem Zeitpunkt -
entgegen ihrer anderslautenden Darstellung im angefochtenen Beschluss - noch
nicht abgeschlossen sein. Für eine Äusserung des Beschwerdeführers anlässlich
einer mündlichen Verhandlung hätte daher durchaus noch Raum bestanden. Es ist
nicht einzusehen, inwiefern es dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gereichen
könnte, dass er von seinem Anspruch gemäss § 16 Abs. 4 EG BGFA erst Gebrauch
machen wollte, als er Kenntnis davon erhielt, dass die bisherigen schriftlichen
Vorbringen zu seiner Entlastung nicht ausreichten. Sein Gesuch um Durchführung
einer öffentlichen Schlussverhandlung war weder missbräuchlich noch verspätet,
weshalb die Verweigerung dieser zusätzlichen Äusserungsmöglichkeit auf einer
willkürlichen Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts beruht.

2.3 Dies müsste zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids und zur Rückweisung
der Sache an die Vorinstanz zwecks Gewährung des rechtlichen Gehörs und
anschliessender erneuter Beschlussfassung führen. Vorliegend beantragt der
Beschwerdeführer zwar die Aufhebung des Beschlusses der Aufsichtskommission,
verlangt aber nicht eine Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid, sondern
vielmehr eine unmittelbare (materielle) Beurteilung der Streitigkeit durch das
Bundesgericht. Da bei einer Rückweisung an die Vorinstanz zur Durchführung
einer öffentlichen Schlussverhandlung und anschliessender erneuter
Beschlussfassung einerseits kaum damit zu rechnen wäre, dass die
Aufsichtskommission das Verhalten des Beschwerdeführers anders beurteilen
würde, und andererseits ein Weiterzug der Streitigkeit ans Zuger Obergericht
noch bis Ende des Jahres ausgeschlossen bleibt (vgl. E. 1), rechtfertigt es
sich hier, dass das Bundesgericht aus Gründen der Prozessökonomie
(antragsgemäss) in der Sache entscheidet.

3.
In materieller Hinsicht geht es um die Frage, ob der Beschwerdeführer gegen die
Berufspflicht von Art. 12 lit. c BGFA verstossen hat. Gemäss dieser Bestimmung
haben die Rechtsanwälte "jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer
Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in
Beziehung stehen", zu vermeiden. Die entsprechende Treuepflicht gegenüber dem
Klienten ist umfassender Natur und erstreckt sich auf alle Aspekte des
Mandatsverhältnisses (vgl. Urteil 2P.318/2006 vom 27. Juli 2007, E. 11.1). Sie
steht im Zusammenhang mit der Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA, gemäss
welcher die Rechtsanwälte "ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben"
haben, wie auch mit Art. 12 lit. b BGFA, der sie zur Unabhängigkeit
verpflichtet (vgl. BGE 130 II 87 E. 4.2 S. 95). Aus dieser umfassenden Treue-
und Unabhängigkeitspflicht ergibt sich insbesondere auch ein Verbot von
Doppelvertretungen: Der Anwalt darf nicht in ein und derselben Streitsache
Parteien mit gegenläufigen Interessen vertreten, weil er sich diesfalls weder
für den einen noch für den anderen Klienten voll einsetzen könnte. Eine
unzulässige Doppelvertretung muss nicht zwingend das gleiche formelle Verfahren
oder allfällige mit diesem direkt zusammenhängende Nebenverfahren betreffen.
Besteht zwischen zwei Verfahren ein Sachzusammenhang, so verstösst der
Rechtsanwalt dann gegen Art. 12 lit. c BGFA, wenn er in diesen Klienten
vertritt, deren Interessen nicht gleichgerichtet sind. Dabei ist grundsätzlich
unerheblich, ob das erste, den gleichen Sachzusammenhang betreffende Verfahren
bereits beendet oder noch hängig ist, zumal die anwaltliche Treuepflicht in
zeitlicher Hinsicht unbeschränkt ist (vgl. Martin Sterchi, Kommentar zum
bernischen Fürsprechergesetz, Bern 1992, N 5b zu Art. 13; vgl. auch Andreas
Baumann, Interessenkonflikte des Rechtsanwaltes, in: Aargauischer
Anwaltsverband [Hrsg.], Festschrift 100 Jahre Aargauischer Anwaltsverband,
Zürich 2005, S. 442; Felix Wolffers, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Diss.
Bern 1986, S. 142). Gestützt auf Art. 12 lit. c BGFA ist es dem Anwalt weiter
grundsätzlich untersagt, gerichtlich gegen einen Klienten vorzugehen, für den
er zur gleichen Zeit ein anderes (hängiges) Mandat führt (vgl. Giovanni Andrea
Testa, Die zivil- und standesrechtlichen Pflichten des Rechtsanwaltes gegenüber
dem Klienten, Diss. Zürich 2000, S. 103 u. 107). In persönlicher Hinsicht ist
das Verbot von Doppelvertretungen nicht auf Verfahren begrenzt, zwischen denen
ein Sachzusammenhang besteht, sondern erfasst überhaupt jede Form von sich
widersprechenden Interessen (vgl. Walter Fellmann, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.],
Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich/Basel/Genf 2005, N 103 zu Art. 12).

4.
4.1 Gemäss dem angefochtenen Beschluss hat sich der Beschwerdeführer zunächst
insoweit eine disziplinwidrige Doppelvertretung zuschulden kommen lassen, als
er im Haftpflichtprozess vor dem Kantonsgericht Zug zugleich die Winterthur
Schweizerische Versicherungsgesellschaft wie auch deren Versicherten vertreten
hat. Obschon sich die Interessenlage des Motorfahrzeughaftpflichtversicherers
regelmässig gleich präsentiere wie jene von dessen Versicherten, seien
Interessenkollisionen möglich. Der Versicherer könne allenfalls den Schaden
gegen den Willen des Versicherten übernehmen wollen oder umgekehrt seine
Ersatzpflicht verneinen, obschon der Versicherte auf eine Befriedigung des
Geschädigten dränge. Weiter sei nicht auszuschliessen, dass der Versicherer zu
einem späteren Zeitpunkt Rückgriff auf den Versicherten nehmen wolle und dieser
alsdann das Gefühl habe, im Erstprozess nur ungenügend vertreten worden zu
sein. Ferner sei denkbar, dass der Versicherer durch den gemeinsamen
Rechtsanwalt zu Informationen über den Versicherten komme, welche er nicht
hätte erhalten können, wenn die Interessen des Versicherten von dessen eigenem
Rechtsanwalt wahrgenommen würden. Gestützt auf diese Überlegungen kam die
Aufsichtskommission zum Schluss, die gleichzeitige Vertretung von Z.________
und der Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft verstosse gegen
Art. 12 lit. c BGFA.

4.2 Die grundsätzlichen Bedenken, welche die Aufsichtskommission einer
gleichzeitigen Vertretung von Motorfahrzeughaftpflichtversicherer und
Fahrzeuglenker durch denselben Rechtsanwalt entgegenbringt, erscheinen zwar
nicht völlig unbegründet, vermögen jedoch keine Verletzung von Art. 12 lit. c
BGFA darzutun:
4.2.1 Unbestrittenermassen sind die Interessen von Versicherer und Versichertem
in der Regel deckungsgleich und lassen sich daher gewöhnlich gleichzeitig von
ein und demselben Rechtsanwalt wahrnehmen. Allerdings ist eine gleichzeitige
Vertretung von Versicherer und Versichertem durch einen einzigen Rechtsanwalt
mangels gleichgerichteter Interessen dann ausgeschlossen, wenn Differenzen
zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags bestehen - sei es, weil der
Deckungsumfang der Versicherung streitig ist, der Versicherer dem Versicherten
eine Verletzung seiner Anzeigepflicht vorwirft (vgl. Art. 4 ff. des
Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag [VVG; SR
221.229.1]), die Versicherungsprämien (trotz Mahnung) nicht bezahlt worden sind
(Art. 20 VVG), oder allenfalls das Vorliegen eines Kürzungsgrunds (etwa ein
Selbstverschulden) in Frage steht (vgl. zum Ganzen Hans Bättig/Christoph Graber
/Anton Schnyder, in: Münch/Geiser [Hrsg.], Schaden - Haftung - Versicherung,
Basel 1999, Rz. 8.43 ff.). Ist ein derartiger Konflikt bereits bei der ersten
Kontaktnahme mit dem Rechtsanwalt absehbar, so darf dieser nur entweder die
Versicherung oder den Versicherten als Klienten akzeptieren. Treten die
Differenzen erst nach der Mandatierung des Rechtsanwalts zutage, so hat dieser
beide Mandate niederzulegen (vgl. Verein Zürcherischer Rechtsanwälte [Hrsg.],
Handbuch über die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich, Zürich
1988, S. 133; Testa, a.a.O., S. 109 f.) und darf künftig in Fragen, welche mit
dem betreffenden Versicherungsfall in einem Sachzusammenhang stehen, weder die
Versicherung noch den Versicherten vertreten. Das entsprechende
Vertretungsverbot gilt ohne weiteres auch für allfällige Prozesse gegen Dritte,
selbst wenn Versicherer und Versicherter in diesen den gleichen
Rechtsstandpunkt einnehmen sollten.
4.2.2 An gleichgerichteten Interessen, welche die Vertretung beider
Vertragspartner erlauben, fehlt es beispielsweise auch dann, wenn Versicherer
und Versicherter unterschiedliche Ansichten über die Ersatzpflicht bzw. die
Befriedigung des Geschädigten haben; der Vorinstanz ist insoweit Recht zu
geben, als in solchen Fällen die gleichzeitige Vertretung von Versicherer und
Versichertem ausgeschlossen ist. Die Aufsichtskommission verkennt jedoch, dass
die blosse abstrakte Möglichkeit des Auftretens von Differenzen zwischen den
Vertragsparteien nicht ausreicht, um auf eine unzulässige Doppelvertretung zu
schliessen (so auch: Hans Nater, Interessenkonflikte: Theoretisches
Konfliktsrisiko genügt nicht, in: SJZ 104/2008 S. 172, mit Hinweis auf ein
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich). Ansonsten wäre es einem
Rechtsanwalt überhaupt nie möglich, zwei Personen zugleich zu vertreten, da
immer denkbar ist, dass es zwischen diesen auf die eine oder die andere Art zu
Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Streitgegenstands kommt.
4.2.3 Weiter übersieht die Aufsichtskommission, dass sich der Rechtsanwalt, der
in der gleichen Angelegenheit zwei Mandanten vertritt, stets bewusst sein muss,
dass deren Interessen zwar im Moment gleichgerichtet sein mögen, es zwischen
ihnen künftig aber jederzeit zu Unstimmigkeiten mit gegensätzlichen
Standpunkten kommen kann. Er hat deshalb alles zu unterlassen, was in einem
allfälligen späteren Konflikt die Stellung eines Mandanten zum Vorteil des
anderen schwächen könnte. Mit der Aufsichtskommission ist diesbezüglich
festzuhalten, dass der Rechtsanwalt sensible Informationen, die einer der
Klienten nur ihm anvertraut hat und die in der Folge nicht in den Prozess
eingebracht und damit allen Beteiligten bekannt wurden, nicht unnötig dem
anderen Klienten zur Kenntnis bringen darf. Eine entsprechende Verhaltensregel
ergibt sich ohne weiteres aus der allgemeinen Verpflichtung des Rechtsanwalts
zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung, so dass ihre Missachtung
disziplinarisch als Verstoss gegen Art. 12 lit. a BGFA geahndet werden kann.
Deshalb ist nicht angezeigt, allein wegen der theoretischen Möglichkeit solcher
Berufspflichtverletzungen die gleichzeitige Wahrung der Interessen von
Versicherer und Versichertem generell als unzulässige Doppelvertretung zu
qualifizieren. Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Interessen der Klienten
wegen der gleichzeitigen Vertretung mehrerer Personen erscheint im
Haftpflichtrecht jedenfalls geringer als etwa bei der Vertretung von mehreren
Mittätern im Strafprozess; in der Literatur wird einzig in diesem Bereich ein
generelles Verbot von Doppelvertretung erwogen (weil das Mass des Verschuldens
des einen Täters regelmässig von jenem des anderen abhängt; vgl. Wolffers,
a.a.O., S. 142; Baumann, a.a.O., S. 445; Testa, a.a.O., S. 111 ff.;
differenziert: Fellmann, a.a.O., N 107 zu Art. 12; offenbar gegen ein
generelles Verbot: Verein Zürcherischer Rechtsanwälte, a.a.O., S. 132 f.).
4.2.4 Gegen die von der Aufsichtskommission vertretene extensive Auslegung von
Art. 12 lit. c BGFA sprechen schliesslich Gründe der Prozessökonomie, der
Wirtschaftlichkeit und der Waffengleichheit: Der Rechtsanwalt wird für seine
Aufwendungen im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus dem Bereich der
Motorfahrzeughaftpflichtversicherung regelmässig von der
Versicherungsgesellschaft entschädigt. Der Versicherungsnehmer kommt so
kostenlos in den Genuss einer rechtskundigen Vertretung. Wird es den
Rechtsanwälten untersagt, in Haftpflichtprozessen gleichzeitig Versicherer und
Versicherte zu vertreten, so haben Letztere künftig entweder als Laien ohne
Rechtsbeistand selber zu prozessieren oder aber einen eigenen Anwalt zu
mandatieren, der alsdann allein ihre Interessen vertritt. Wird ein weiterer
Anwalt in den Prozess involviert, so führt dies zu Mehraufwand, ohne dass eine
bessere Interessenvertretung garantiert ist. Zudem können die Aufwendungen für
die Entschädigung des eigenen Vertreters des Versicherungsnehmers bei diesem zu
einer beträchtlichen finanziellen Belastung führen.

4.3 Die Aufsichtskommission hat in Bezug auf den Haftpflichtprozess vor dem
Kantonsgericht Zug keinen konkreten Interessenkonflikt zwischen der Winterthur
Schweizerische Versicherungsgesellschaft und Z.________ festgestellt. Sie wirft
dem Beschwerdeführer auch kein eigentliches Fehlverhalten bei der Vertretung
seiner Mandanten vor. Vielmehr erachtet sie die gleichzeitige Vertretung von
Versicherung und Versicherungsnehmer per se als unzulässig, was nach dem
Gesagten auf einer unrichtigen Auslegung von Art. 12 lit. c BGFA beruht. Der
Beschwerdeführer hat sich insoweit keine Verletzung der Berufspflichten
zuschulden kommen lassen.
Dass die Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft, falls der Klage
von Y.________ stattgegeben und sie (zumindest teilweise) ersatzpflichtig
erklärt würde, dannzumal allenfalls erwägen könnte, auf Z.________ wegen
grobfahrlässigen Verhaltens Regress zu nehmen, ändert nichts. Es versteht sich
von selbst, dass der Beschwerdeführer in einem allfälligen Regressverfahren
weder die Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft noch Z.________
vertreten dürfte. Mit Blick auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens, in
dem sich die beiden gegenwärtigen Mandanten des Beschwerdeführers als
Prozessgegner gegenüberstehen würden, reicht die Generalklausel von Art. 12
lit. a BGFA zur Wahrung der Interessen der Klientschaft aus; der
Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Verpflichtung zur sorgfältigen und
gewissenhaften Berufsausübung bereits heute gehalten, alles zu unterlassen, was
den Ausgang eines allfälligen späteren Regressverfahrens beeinflussen könnte
(vgl. E. 4.2.3).

5.
5.1 Den zweiten Fall einer disziplinwidrigen Doppelvertretung sieht die
Aufsichtskommission darin, dass der Beschwerdeführer, der im Haftpflichtprozess
vor dem Kantonsgericht Zug u.a. die Winterthur Schweizerische
Versicherungsgesellschaft vertritt, in einem anderen rechtshängigen
Gerichtsverfahren die Interessen der Schweizerischen Mobiliar
Versicherungsgesellschaft wahrnehme. Zwar würden die beiden von Y.________
belangten Motorfahrzeughaftpflichtversicherer ihre Haftung im fraglichen
Prozess je mit dem Hinweis auf das grobe Selbstverschulden von Y.________
bestreiten. Auch wenn sie insoweit keine gegensätzlichen Positionen verträten,
nähmen sie hinsichtlich einer allfälligen Verantwortlichkeit der Lenker der bei
ihnen versicherten Fahrzeuge letztlich doch rechtliche Standpunkte ein, die
sich nicht vereinbaren liessen. Unter diesen Voraussetzungen vermöge der
Beschwerdeführer, welcher hier für die Winterthur Schweizerische
Versicherungsgesellschaft tätig sei, aber ein anderes Gerichtsverfahren für die
Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft führe, objektiv keine Gewähr
dafür zu bieten, dass im interessierenden Haftpflichtprozess alle seine
Handlungen nur von den Interessen seiner Mandantin bestimmt seien.

5.2 Mit Blick auf das begründete Treueverhältnis ist schon das Prozessieren des
Rechtsanwalts gegen einen ehemaligen Klienten nicht unproblematisch; mit Art.
12 lit. c BGFA unvereinbar ist es - unabhängig von einem allfälligen
Sachzusammenhang zwischen den Verfahren - jedenfalls dann, wenn die Gefahr
besteht, dass gegen den ehemaligen Klienten Kenntnisse aus dem zuvor für diesen
geführten Mandat verwendet werden (Näheres bei Testa, a.a.O., S. 116 ff.), oder
wenn dem betroffenen Rechtsanwalt die Sonderstellung eines Vertrauensanwalts
zukam. Umso weniger vereinbar mit der Treuepflicht ist das gerichtliche
Vorgehen gegen einen gegenwärtigen Klienten. Für Versicherungsgesellschaften,
bei denen das Führen von Prozessen zum Tagesgeschäft gehört, dürften zwar im
konkreten Fall für die Auswahl des Rechtsvertreters dessen einschlägigen
Spezialkenntnisse im Vordergrund stehen; der Umstand, ob der am geeignetsten
erscheinende Anwalt allenfalls in einer anderen Angelegenheit für eine nun als
Prozessgegnerin auftretende andere Versicherungsgesellschaft tätig (gewesen)
ist, dürfte regelmässig zweitrangig sein. Wieweit es sich im Hinblick hierauf
rechtfertigen könnte, das Doppelvertretungsverbot im Verhältnis zwischen
Versicherungsunternehmen - die zudem häufig als Zweiggesellschaften mit
verschiedenen Tätigkeitsbereichen organisiert sind - weniger streng zu
handhaben als in jenem zwischen privaten Klienten, braucht hier jedoch aus
folgendem Grund nicht weiter untersucht zu werden:

5.3 Wie der Beschwerdeführer nämlich zu Recht geltend macht, geht er gar nicht
gerichtlich gegen die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft vor.
Vielmehr findet sich Letztere im Haftpflichtprozess vor dem Kantonsgericht Zug
- gleich wie die Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft, deren
Interessen er im fraglichen Verfahren vertritt - als Beklagte wieder; die
beiden Versicherungsgesellschaften stehen als einfache Streitgenossenschaft dem
Kläger Y.________ gegenüber und bestreiten ihre Haftung je mit dem Hinweis auf
dessen grobes Selbstverschulden. Allein der Umstand, dass sich die beiden
Gesellschaften dann, wenn der von ihnen gemeinsam vertretene Rechtsstandpunkt
das Gericht nicht überzeugen und die Klage von Y.________ ganz oder teilweise
Erfolg haben sollte, untereinander über eine Aufteilung des zu bezahlenden
Schadenersatzes verständigen müssten, vermag beim Beschwerdeführer keine
unzulässige Interessenkollision zu begründen. Unerheblich ist diesbezüglich, ob
die Versicherungen - was das Selbstverschulden der Lenker der bei ihnen
versicherten Fahrzeuge betrifft - tatsächlich schon im hängigen
Haftpflichtprozess unterschiedliche Standpunkte einnehmen. Der Einwand des
Beschwerdeführers, der Ausgang des von Y.________ angestrengten ersten
Verfahrens vermöge nach den einschlägigen Bestimmungen der Zuger
Zivilprozessordnung eine allfällige spätere gerichtliche Auseinandersetzung
zwischen den beteiligten Versicherungsgesellschaften nicht zu präjudizieren,
ist unbestritten geblieben. Damit ist nach dem Gesagten nicht ersichtlich,
inwiefern die Interessen der Winterthur Schweizerische
Versicherungsgesellschaft vorliegend beeinträchtig sein könnten. Von selbst
versteht sich im Übrigen, dass, sollte es in der Zukunft zu einem konkreten
Interessenkonflikt zwischen den beiden Versicherungsgesellschaften kommen, der
Beschwerdeführer im betreffenden Verfahren - gleich wie im Verhältnis zwischen
Motorhaftpflichtversicherer und Versicherungsnehmer (vgl. E. 4.2.1. i.f.) -
weder die eine noch die andere Partei vertreten dürfte.

6.
Mithin steht fest, dass der Beschwerdeführer nicht gegen Art. 12 lit. c BGFA
verstossen hat. Der angefochtene Beschluss der Aufsichtskommission über die
Rechtsanwälte des Kantons Zug ist in Gutheissung der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten aufzuheben.
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und
Abs. 4 BGG). Für die Aufwendungen, welche der - anwaltlich vertretene -
Beschwerdeführer im Hinblick auf das bundesgerichtliche Verfahren getätigt hat,
ist er vom Kanton Zug angemessen zu entschädigen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen und
der Beschluss der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zug
vom 13. November 2007 aufgehoben.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Zug hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Aufsichtskommission über die
Rechtsanwälte im Kanton Zug, dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement
und dem Obergericht des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. April 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Häberli