Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.662/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_662/2007

Urteil vom 23. Juli 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Müller,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Matter.

Parteien
X.________ GmbH in Liquidation,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Herrn Dr. Kamil Tanriöven,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung.

Gegenstand
Mehrwertsteuer; Saldosteuersatz, Abgabe von Ess- und Trinkwaren (1. Semester
1999 - 2. Semester 2000),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 23.
Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ GmbH führte an der R.________-Strasse in Zürich einen
Imbissladen (Take away). Sie wurde von der Eidgenössischen Steuerverwaltung
(ESTV) rückwirkend per 1. März 1999 in das Register der
Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen, wobei ihr die Möglichkeit eingeräumt
wurde, sich der Abrechnungsmethode Saldosteuersätze zu unterstellen. Sie
beantragte in der Folge mittels des entsprechenden Formulars als "Betrieb ohne
Sitzplatzgelegenheit" den für Take away-Betriebe geltenden Saldosteuersatz von
0.5 %. Die Abrechnung nach der Saldosteuersatzmethode wurde von der ESTV
bewilligt, jedoch mit dem für gastgewerbliche Betriebe geltenden höheren Satz
von 5,1 %.

B.
Mit Ergänzungsabrechnung Nr. 305'573 vom 25. Juni 2003 forderte die ESTV bei
der X.________ GmbH für die Zeit vom 1. März 1999 bis zum 31. Dezember 2000
gestützt auf eine Umsatzschätzung Fr. 38'725.-- Mehrwertsteuern zuzüglich Zins
nach. Mit Entscheid vom 4. Juli 2003 bestätigte die ESTV ihre
Steuernachforderung. Eine dagegen eingereichte Einsprache wies sie am 31.
Januar 2005 ab.
Die X.________ GmbH erhob gegen den Einspracheentscheid Beschwerde an die
Eidgenössische Steuerrekurskommission. Das Bundesverwaltungsgericht, welches
das Verfahren übernommen hatte, wies die Beschwerde mit Urteil vom 23. Oktober
2007 ab.

C.
Mit Beschwerde an das Bundesgericht beantragt die inzwischen in Liquidation
getretene X.________ GmbH die Aufhebung der Steuernachforderung.
Die ESTV beantragt die Abweisung der Beschwerde, während das
Bundesverwaltungsgericht auf Vernehmlassung verzichtet hat.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 2. Lemma der auf den vorliegenden Fall noch
anwendbaren Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994 (MWSTV, vgl.
Art. 93 Abs. 1 und Art. 94 MWSTG) ist für die Lieferung von Ess- und Trinkwaren
(ausgenommen alkoholische Getränke) ein reduzierter Steuersatz vorgesehen;
dieser gilt jedoch nicht für Ess- und Trinkwaren aller Art, die im Rahmen von
gastgewerblichen Leistungen abgegeben werden; als gastgewerbliche Leistung gilt
die Abgabe von Ess- und Trinkwaren namentlich dann, wenn der Steuerpflichtige
für deren Konsum an Ort und Stelle besondere Vorrichtungen bereithält. Im
vorliegenden Fall geht es nur um die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin
erbrachten Leistungen in diesem Sinne als gastgewerblich anzusehen sind und
deshalb dem ordentlichen Steuersatz unterliegen. Die Höhe des steuerbaren
Umsatzes und der gegebenenfalls anwendbare Saldosteuersatz sind dagegen nicht
streitig.

2.
2.1 Als besondere Vorrichtungen für den Konsum der abgegebenen Ess- und
Trinkwaren an Ort und Stelle gelten nach der Praxis der ESTV namentlich Tische,
Stühle, Bänke, Theken und dergleichen. Ob diese Einrichtungen dem
Leistungserbringer gehören oder von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden
und ob die Konsumationsmöglichkeit vom Kunden tatsächlich benutzt wird oder
nicht, spielt keine Rolle, ebensowenig, ob die besonderen Einrichtungen oder
Vorrichtungen ausreichen, um sämtlichen Kunden den Konsum an Ort und Stelle zu
ermöglichen (Rz 216 f. der hier noch massgeblichen Wegleitung 1997 für
Mehrwertsteuerpflichtige; vgl. dazu das Urteil 2A.68/2003 vom 31. August 2004,
publiziert in ASA 76 S. 212, betreffend die Besteuerung von Umsätzen im Rahmen
des Minibar-Service in Eisenbahnzügen).

2.2 Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid befand sich vor der
Ausgabestelle (d.h. im Freien) ein Holztisch mit Sitzgelegenheit. Die
Vorinstanz hielt die Behauptung der Beschwerdeführerin, diese Sitzgelegenheit
sei ausschliesslich für deren eigenes Personal bestimmt gewesen, für wenig
glaubwürdig, zumal ein Sitzverbot für die Kunden nicht geltend gemacht worden
sei. Unter den gegebenen Umständen habe sich die Sitzvorrichtung als
Konsumationsgelegenheit für diese geradezu angeboten. Der räumliche
Zusammenhang der Sitzvorrichtung zum Imbissstand der Beschwerdeführerin sei mit
seinem Standort direkt neben dem Eingang zweifellos hinreichend gegeben
gewesen. Dass der Tisch während der Wintermonate nicht dort gestanden haben
soll - was nicht nachgewiesen sei -, erlaube nicht den Schluss, dass der für
die Lieferung von Ess- und Trinkwaren reduzierte Steuersatz dennoch für das
ganze Jahr anzuwenden sei. Ob die im Kundenbereich fix montierte, offenbar aus
Marmor bestehende ca. 25 cm breite Fläche als Konsumationsgelegenheit gedient
habe, wie die ESTV angenommen hatte, hielt die Vorinstanz für naheliegend; sie
klärte diese Frage aber nicht abschliessend.

2.3 Stand den Kunden der Beschwerdeführerin aber unmittelbar neben dem Eingang
zu ihrem Imbissstand ein Tisch mit Sitzgelegenheit zur Verfügung, hat die
Vorinstanz den streitigen Umsatz zu Recht dem ordentlichen Saldosteuersatz
unterworfen. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag zu keinem
anderen Ergebnis zu führen. Soweit sie sich - in unzulässiger Weise (vgl. Art.
99 Abs. 1 BGG) - auf eine neu eingereichte Grundrissfotokopie beruft, übersieht
sie, dass die Vorinstanz nicht entscheidend auf die im Innern des Lokales
befindliche Abstellfläche abgestellt hat, sondern auf den im Freien
aufgestellten Tisch mit Sitzgelegenheit. Wenn die Beschwerdeführerin nach ihren
eigenen Angaben dort einen Aschenbecher und einen Mülleimer hinstellte, damit
leere Flaschen, Lebensmittelreste, Papiere, Zigarettenstummel usw. nicht
einfach fortgeworfen würden, anerkennt sie selber, dass die Vorrichtung dazu
diente, ihren Kunden den Konsum der bei ihr eingekauften Ess- und Trinkwaren zu
ermöglichen. Dass in Zürich "gewöhnlich ca. mehr als 8 Monate winterliche
Witterungsverhältnisse" herrschten, ist eine abwegige Behauptung, die nicht
geeignet ist, die Annahme, die Sitzgelegenheit werde (zumindest auch) von den
Kunden der Beschwerdeführerin benutzt, zu widerlegen. Ob dies während des
ganzen Jahres möglich war und ob sämtliche Kunden von der Sitzgelegenheit
Gebrauch machten, ist für die Beurteilung der Frage, ob eine gastgewerbliche
Leistung im Sinne von Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 2. Lemma MWSTV vorliegt,
nicht entscheidend. Unerheblich ist auch, ob der Tisch und die Stühle von der
Beschwerdeführerin oder von einem Dritten aufgestellt wurden. Schliesslich kann
die Beschwerdeführerin auch aus der bei den Akten liegenden Fotokopie eines
Schreibens der Stadtpolizei Zürich nichts ableiten. Abgesehen davon, dass
dieses Schreiben nicht direkt an sie adressiert ist, sondern offenbar
sämtlichen Inhabern von "Ausgabestellen/Take-away" zugehen sollte, lässt sich
ihm hinsichtlich der Konsumationsmöglichkeit im Freien, um die es hier vor
allem geht, nichts entnehmen. Im übrigen käme es auf die gewerbepolizeiliche
Qualifikation des Betriebs der Beschwerdeführerin ohnehin nicht an.

3.
Die Beschwerdeführerin wendet sich auch dagegen, dass sie zur Bezahlung von
Verzugszinsen verpflichtet wurde. Die Verzugszinspflicht ergibt sich aus Art.
38 Abs. 2 MWSTV. Dass sich die Beschwerdeführerin in Liquidation befindet und
angeblich keine gewinnbringende Tätigkeit mehr ausübt, ändert an dieser Pflicht
nichts.

4.
Die Beschwerde erweist sich somit als offensichtlich unbegründet und ist im
Verfahren gemäss Art. 109 BGG abzuweisen.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Kosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 65, 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Juli 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Hungerbühler Matter