Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.661/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


2C_661/2007/leb

Urteil vom 17. Dezember 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Fürsprecher Thomas Wenger,

gegen

Migrationsdienst des Kantons Bern,
Eigerstrasse 73, 3011 Bern,
Haftgericht III Bern-Mittelland,
Amthaus, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.

Haftentlassung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 20.
November 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1971) stammt aus Algerien. Er durchlief im Jahre 1996 in
der Schweiz erfolglos ein Asylverfahren, bevor er am 5. März 1999 eine
Schweizer Bürgerin heiratete, worauf ihm eine Aufenthaltsbewilligung zum
Verbleib bei dieser erteilt wurde. Nachdem die Ehe am 20. September 2005
rechtskräftig geschieden und X.________ wiederholt straffällig geworden war,
lehnten es der Migrationsdienst sowie die Polizei- und Militärdirektion des
Kantons Bern ab, seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. X.________ wurde
aufgefordert, das Land bis zum 30. März 2006 zu verlassen.

B.
Vom 24. Mai bis zum 14. Juni 2006 sowie vom 11. Dezember 2006 bis zum 4.
Januar 2007 befand sich X.________ in Ausschaffungshaft, welche jeweils
aufgehoben wurde, da trotz Zusicherungen der algerischen Behörden kein
Laissez-passer erhältlich gemacht werden konnte. Vom 5. März bis zum 4. Juni
2007 war X.____________ im Kanton Solothurn im Strafvollzug. Auf die
Entlassung aus diesem hin nahm der Migrationsdienst des Kantons Bern ihn
erneut in Ausschaffungshaft, welche das Haftgericht III Bern-Mittelland am
30. August 2007 bis zum 5. Januar 2008 verlängerte.

C.
Am. 8. Oktober 2007 wurde X.________ von Witzwil in das Regionalgefängnis
Bern verlegt, wo er sich vom 19. Oktober 2007 bis zum 3. November 2007 im
Strafvollzug befand. Am 9. November 2007 ersuchte X.________ darum, aus der
Haft entlassen zu werden, da der Strafvollzug abgeschlossen sei, die
Haftbedingungen nicht den erleichterten Anforderungen der
ausländerrechtlichen Festhaltung entsprächen und keine erneute Haftprüfung
stattgefunden habe.

D.
Der Haftrichter 8 am Haftgericht III Bern-Mittelland wies dieses Gesuch am
20. November 2007 ab, hielt den Migrationsdienst des Kantons Bern jedoch an,
X.________ bis spätestens 30. November 2007 wieder in die Anstalt Witzwil
zurückzuversetzen, andernfalls er aus der Haft zu entlassen sei. X.________
beantragt vor Bundesgericht, den haftrichterlichen Entscheid aufzuheben; er
sei "sofort" aus der Ausschaffungshaft zu entlassen. Das Haftgericht III
Bern-Mittelland und das Bundesamt für Migration haben davon abgesehen, eine
Vernehmlassung einzureichen. Der Migrationsdienst des Kantons Bern beantragt,
die Beschwerde abzuweisen. X.________ hat an seinen Anträgen und Ausführungen
festgehalten.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer stellt zu Recht die Zulässigkeit seiner
Ausschaffungshaft nicht grundsätzlich in Frage: Seine Aufenthaltsbewilligung
ist rechtskräftig nicht verlängert und er angehalten worden, das Land bis zum
30. März 2006 zu verlassen, was er nicht getan hat. Gemäss den unbestrittenen
Aktennotizen hat er es immer wieder verstanden, die algerischen Behörden
telefonisch dazu zu bewegen, keinen Laissez-Passer auszustellen, obwohl seine
Identität bekannt ist und eine Kopie seines Reisepasses vorliegt. Der
Beschwerdeführer wurde zudem straffällig, wobei seine Verurteilungen nicht
nur untergeordneter Art waren (Raub, Sachbeschädigung, Diebstähle,
Hausfriedensbrüche, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte,
Exhibitionismus, wiederholte Vergehen gegen das Bundesgesetz über die
Betäubungsmittel usw.). Er erfüllt damit den Haftgrund der
Untertauchensgefahr (vgl. Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG [SR 142.20]; BGE 130 II
56 E. 3.1 mit Hinweisen). Aufgrund der Akten bestehen keine Anhaltspunkte
dafür, dass sich die Ausschaffung - trotz seiner Renitenz - nicht in
absehbarer Zeit organisieren liesse (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; BGE 130 II
56 E. 4.1.3) oder sich die Behörden nicht weiterhin mit dem nötigen Nachdruck
hierum bemühen würden (vgl. Art. 13b Abs. 3 ANAG; BGE 124 II 49 ff.; 130 II
488 E. 4). Der Umstand, dass sich der Vollzug seiner Wegweisung schwierig
gestaltet, macht die Ausschaffung nicht bereits undurchführbar (Art. 13c Abs.
5 lit. a ANAG; BGE 130 II 56 E. 4.1.2 und 4.1.3 mit Hinweisen). Gerade wegen
solcher Probleme hat der Gesetzgeber die Haftdauer erhöht und die Möglichkeit
der Haftverlängerung - inzwischen bis zu maximal achtzehn Monaten -
geschaffen (BGE 133 II 1 E. 4.3.1).

2.
Der Beschwerdeführer beanstandet die Haftbedingungen ab dem 8. Oktober 2007
im Regionalgefängnis Bern als bundesrechtswidrig und macht geltend, seine
Ausschaffungshaft sei nach dem Strafvollzug zu Unrecht nicht erneuert und
richterlich geprüft worden. Seine Einwendungen erweisen sich als teilweise
berechtigt:

2.1 Die ausländerrechtlich begründete Administrativhaft muss in geeigneten
Räumen vollzogen werden; die Zusammenlegung mit Personen in Untersuchungshaft
oder im Strafvollzug ist zu vermeiden; soweit möglich haben die Inhaftierten
Anspruch auf geeignete Beschäftigung (Art. 13d Abs. 2 ANAG). Der besonderen
Situation der ausländerrechtlich Inhaftierten kann am besten in
Gebäulichkeiten Rechnung getragen werden, welche auf deren spezifischen
Bedürfnisse ausgerichtet sind; der Vollzug von Vorbereitungs- und
Ausschaffungshaft in anderen Anstalten ist bei Einhaltung des Trennungsgebots
jedoch nicht zum Vornherein ausgeschlossen (BGE 123 I 221 E. II1.b S. 231;
122 II 49 E. 5a S. 53). Dabei muss der Anspruch der Häftlinge auf soziale
Kontakte jedoch gewahrt bleiben: Es müssen nicht nur hinreichende Besuche
durch auswärtige Personen erlaubt sein, sondern auch soziale Kontakte mit
anderen ausländerrechtlich Inhaftierten ermöglicht werden, was die
regelmässige - aber nicht unbedingt dauernde - Benützung eines
Gemeinschaftsraums oder gemeinschaftliche Aktivitäten (Sport im Gefängnishof,
weitere Tätigkeiten in anderen Räumen usw.) über den obligatorischen
einstündigen Spaziergang hinaus erforderlich macht (BGE 122 II 299 E. 5a S.
308). Diese Rechte dürfen soweit beschränkt werden, als dies zur
Gewährleistung des Haftzwecks und zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemässen
Anstaltsbetriebs nötig ist (BGE 122 II 299 E. 3b; zum Regionalgefängnis Bern:
Urteil 2A.545/2001 vom 4. Januar 2002, E. 3).

2.2
2.2.1 Die Ausschaffungshaft des Beschwerdeführers wurde ursprünglich im
Ausschaffungsgefängnis Witzwil vollzogen, dessen Haftregime nicht beanstandet
ist. Der Beschwerdeführer ist in das Regionalgefängnis Bern verlegt worden,
nachdem es in Witzwil zwischen ihm und einem anderen Häftling zu einer
tätlichen Auseinandersetzung gekommen und aufgrund eines Faxes des URA I Biel
vom 5. Oktober 2007 absehbar war, dass eine Haftstrafe zu vollziehen sein
würde. Unter diesen Umständen war die kurze Festhaltung unter den strengeren
Haftbedingungen im Regionalgefängnis Bern bis zum 19. Oktober 2007 nicht
bundesrechtswidrig. Ab diesem Datum bis zum 2. November 2007 befand sich der
Beschwerdeführer im Straffvollzug und nicht mehr in Ausschaffungshaft, was
ihm offenbar nicht hinreichend kommuniziert worden ist.

2.2.2 Als problematisch erweist sich seine Festhaltung danach: Die kantonalen
Behörden gingen davon aus, dass ab dem 3. November 2007 die Ausschaffungshaft
automatisch wieder auflebte; dem war indessen nicht so: Nach dem klaren
Wortlaut von Art. 13c Abs. 5 lit. c ANAG wird die Ausschaffungshaft "beendet"
("la détention est levée" bzw. "la carcerazione ha termine"), wenn die
inhaftierte Person eine freiheitsentziehende Strafe oder Massnahme antritt.
Dies gilt auch in Fällen wie dem vorliegenden, wenn eine Geld- in eine
Haftstrafe umgewandelt wird (Urteil 2A.200/1997 vom 29. Mai 1997, E. 2). Der
Straf- oder Massnahmenvollzug unterbricht die Ausschaffungshaft nicht,
sondern setzt ihr ein Ende, weshalb sie - kurze Strafvollzüge von einigen
wenigen Tagen allenfalls vorbehalten (Urteil 2A.348/2002 vom 18. Juli 2002,
E. 2.3) - hernach erneut verfügt und überprüft werden muss. Ab dem 3. Oktober
2007 fehlte es beim Beschwerdeführer an einer durch den zuständigen
Migrationsdienst korrekt angeordneten und hernach zu den entsprechenden
Haftbedingungen vollzogenen Ausschaffungshaft. Soweit der Migrationsdienst
behauptet, der Beschwerdeführer habe sich vom 8. bis zum 19. Oktober 2007 und
vom 3. bis zum 28. November 2007 wegen seines tätlichen Angriffs in Witzwil
disziplinarisch im Regionalgefängnis Bern befunden, ergibt sich nichts
dergleichen aus den Akten; die entsprechende Massnahme wäre - wie der
Beschwerdeführer zu Recht einwendet - korrekt zu verfügen, zu begründen und
mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen gewesen; im Übrigen soll der
Beschwerdeführer noch in Witzwil selber mittels Einzelhaft ("cachot") für den
entsprechenden Zwischenfall sanktioniert worden sein.

2.3 Nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften hat eine Haftentlassung
zur Folge. Es kommt dabei darauf an, welche Bedeutung den verletzten
Vorschriften für die Wahrung der Rechte des Betroffenen einerseits und dem
Interesse an einer reibungslosen Durchsetzung der Ausschaffung andererseits
zukommt (BGE 122 II 154 E. 3a S. 158; 125 II 369 E. 2e S. 374). Vor diesem
Hintergrund rechtfertigt sich die beantragte Haftentlassung nicht: Der
Beschwerdeführer hält sich illegal im Land auf und versucht, die Verbringung
in seine Heimat zu vereiteln. Er ist hier wiederholt straffällig geworden,
wobei er die öffentliche Sicherheit und Ordnung (auch mit Blick auf die
Häufigkeit seiner Verfehlungen) gefährdet hat. Verschiedene Verurteilungen
datieren aus den Jahren 2006 und 2007; solche erfolgten zudem nicht nur in
Bern, sondern auch in anderen Kantonen. Bei einer Haftentlassung dürfte er
deshalb mit grosser Wahrscheinlichkeit versuchen, erneut im In- oder Ausland
unterzutauchen. Unter diesen Umständen überwiegt das Interesse an der
reibungslosen Durchsetzung seiner Ausschaffung jenes an einer strikten
Einhaltung der Verfahrens- und Haftvorschriften: Seine Festhaltung ist am 20.
November 2007 und damit einige Tage nach dem Strafvollzug tatsächlich
richterlich geprüft worden; seit dem 28. November 2007 befindet er sich zudem
wieder im Ausschaffungsgefängnis Witzwil. Bereits kurz nach Ablauf des
Strafvollzugs wurde versucht, ihn dorthin zu verlegen, doch ist dies von der
Anstaltsleitung offenbar vorerst abgelehnt worden, da seine Anwesenheit als
nicht mehr tragbar eingeschätzt wurde. Das Gesuch um Haftentlassung ist
deshalb abzuweisen, obwohl der Kanton Bern in formeller Hinsicht Bundesrecht
verletzt hat.

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs.
4 BGG). Da Verfahrensrechte des Beschwerdeführers missachtet wurden und der
Beschwerdeführer hinsichtlich der diesbezüglichen Rügen als obsiegend zu
betrachten ist, rechtfertigt es sich, den Kanton Bern zu verpflichten, dessen
Anwalt für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art.
68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung wird damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Bern hat Fürsprecher Thomas Wenger, für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'200.-- zu entschädigen.

4.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als
gegenstandslos abgeschrieben.

5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsdienst des Kantons
Bern, dem Haftgericht III Bern-Mittelland und dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Dezember 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Hugi Yar