Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.64/2007
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2C_64/2007 / zga

Urteil vom 29. März 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Wurzburger, Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Merz.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt A. Brodbeck,

gegen

Regierungsrat des Kantons Glarus,
Rathaus, 8750 Glarus,
Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, II. Kammer, Spielhof 1, 8750 Glarus.

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung, Rechtsweggarantie

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus, II. Kammer, vom 6. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1986) reiste im Mai 2002 in die Schweiz ein und erhielt
eine Aufenthaltsbewilligung. Nachdem ihn das Bezirksgericht Horgen am 8. Juni
2005 zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt hatte,
verweigerte die Fremdenpolizei des Kantons Glarus am 14. Dezember 2005 die
Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Das hiergegen erhobene
Rechtsmittel wies der Regierungsrat des Kantons Glarus am 15. August 2006 ab.
Auf die anschliessende Beschwerde trat das Verwaltungsgericht des Kantons
Glarus mit Urteil vom 6. Februar 2007 nicht ein. Zur Begründung führte es an,
die Beschwerde sei gemäss Art. 106 Abs. 1 lit. k des Glarner Gesetzes über
die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 (VRG/GL) unzulässig, weil
X.________ nach Bundesrecht keinen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung
habe.

B.
X.________ beantragt dem Bundesgericht mit einer als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bezeichneten Eingabe vom 12. März
2007, sämtliche Entscheide der kantonalen Instanzen aufzuheben und die
kantonale Verwaltungspolizei (Fremdenpolizei) anzuweisen, die
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Eventualiter sei das Verwaltungsgericht
anzuhalten, auf die Beschwerde einzutreten und sie gutzuheissen.
Subeventualiter sei die Sache an die Verwaltungspolizei zur Neubeurteilung
zurückzuweisen.

Das Bundesgericht hat auf die Einholung von Vernehmlassungen und den Beizug
der kantonalen Akten verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes
vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR
173.110) ergangen. Damit richtet sich das Verfahren gemäss Art. 132 Abs. 1
BGG nach diesem Gesetz und nicht nach dem Bundesrechtspflegegesetz vom 16.
Dezember 1943 (OG; BS 3 531), soweit der Entscheid des Verwaltungsgerichts
angefochten wird.

2.
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, aufgrund von Art. 29a BV
und Art. 86 Abs. 2 BGG müsse er im Kanton eine richterliche Instanz anrufen
können. Nachdem das Verwaltungsgericht es abgelehnt habe, auf die Beschwerde
einzutreten, müsse das Bundesgericht an seiner Stelle die materielle Prüfung
vornehmen.

2.1 Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts
unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das
Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen. Vorliegend ist ein
Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts angefochten, den dieses
aufgrund einer zu Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG analogen kantonalen
Zugangsregelung (Art. 106 Abs. 1 lit. k VRG/GL) getroffen hat, weil es das
Bestehen eines Bewilligungsanspruchs verneint hat.

Nach der bisherigen Rechtsprechung zum entsprechenden Art. 100 Abs. 1 lit. b
Ziff. 3 OG waren solche Entscheide mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Bundesgericht anfechtbar, wenn der Beschwerdeführer geltend machte, die
kantonale Vorinstanz habe das Bestehen eines Rechtsanspruchs zu Unrecht
verneint. Das Bundesgericht prüfte diesen Punkt dann als
Eintretensvoraussetzung (vgl. BGE 127 II 161 E. 3a S. 167; 132 II 65 E. 1 S.
67). Diese Praxis ist unter der Herrschaft des Bundesgerichtsgesetzes
weiterzuführen. Damit ist gegen einen Nichteintretensentscheid die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn auch ein
Entscheid in der Sache mit diesem Rechtsmittel anfechtbar wäre, d.h. wenn
kein Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG zum Zug kommt.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der volljährige und
unverheiratete Beschwerdeführer keinen Rechtsanspruch auf Bewilligung des
Aufenthaltes hat. Somit ist nach der Rechtsprechung (vgl. BGE 132 II 65 E. 1
und 4.2.7 S. 67 und 80; 127 II 60 E. 1 S. 62 ff.) in der Sache selbst die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 83 lit. c
Ziff. 2 BGG unzulässig. Dies gilt demnach - wie erwähnt - auch für die
Anfechtung eines Nichteintretensentscheids. Auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher nicht einzutreten, soweit
sie sich gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts richtet.

2.2 Es ist indes zu prüfen, ob die Eingabe als subsidiäre
Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG entgegenzunehmen ist. Gemäss Art.
119 BGG kann dieses Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift eingereicht
werden wie die ordentliche Beschwerde, und es ist vom Bundesgericht im
gleichen Verfahren zu behandeln. Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels
schadet dem Beschwerdeführer nicht, sofern bezüglich des jeweils statthaften
Rechtsmittels sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. BGE 131
I 291 E. 1.3 S. 296).

2.3 Der Beschwerdeführer kann mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde eine
Verletzung der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) geltend machen (Art. 116 BGG).
Das zur Beschwerdeführung erforderliche rechtlich geschützte Interesse (Art.
115 lit. b BGG) ergibt sich direkt aus seinem Verfassungsanspruch auf
gerichtliche Beurteilung seiner Angelegenheit. Im Übrigen kann der
Rechtsuchende, dem im kantonalen Verfahren Parteistellung zukommt, unabhängig
von der Legitimation in der Sache selbst die Verletzung von
Verfahrensgarantien rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung
darstellt (BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.; 127 II 161 E. 3b S. 167 mit
Hinweisen). Diese für die staatsrechtliche Beschwerde entwickelte sog.
"Star-Praxis" gilt auch beim neuen Rechtsmittel der subsidiären
Verfassungsbeschwerde.

Da die Rechtsmittelvoraussetzungen nach Art. 113 ff. BGG erfüllt sind, ist
die Eingabe des Beschwerdeführers als subsidiäre Verfassungsbeschwerde
entgegenzunehmen.

3.
3.1 Gemäss Art. 29a BV hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf
Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Diese Bestimmung ist am 1.
Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1059 und 1243). Sie wird durch Art. 86
Abs. 2 und 3 BGG konkretisiert.

Nach Art. 86 Abs. 2 BGG setzen die Kantone in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten grundsätzlich obere Gerichte als unmittelbare Vorinstanzen
des Bundesgerichts ein. Das gilt nach Art. 114 BGG auch dort, wo - wie hier -
nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zulässig ist.

3.2 Allerdings haben die Kantone gemäss Art. 130 Abs. 3 BGG (in der Fassung
des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2006 über die Bereinigung und Aktualisierung
der Totalrevision der Bundesrechtspflege, AS 2006 4213) eine Anpassungsfrist
von zwei Jahren ab Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes am 1. Januar 2007
(AS 2006 1243), um ihre Verfahrensbestimmungen entsprechend zu ändern und den
Rechtsschutz nach Art. 29a BV zu gewährleisten. Kantonale Vorschriften,
welche - wie vorliegend Art. 106 Abs. 1 lit. k VRG/GL - eine gerichtliche
Überprüfung ausschliessen, sind bis zum Ablauf der Übergangsfrist von
Art. 130 Abs. 3 BGG als gesetzliche Ausnahmen von der Rechtsweggarantie zu
qualifizieren. Sowohl der Gesetzestext als auch die Materialien sind in
diesem Punkt eindeutig (vgl. BBl 2006 S. 3075 f. und 3078). Auch die
Literatur interpretiert Art. 130 Abs. 3 BGG in diesem Sinne (Christoph Auer,
Auswirkungen der Reorganisation der Bundesrechtspflege auf die Kantone, ZBl
2006 S. 136-140; Michel Daum, Neue Bundesrechtspflege - Fragen des
Übergangsrechts in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten aus Sicht der
Kantone, BVR 2007 S. 6 f.; Thomas Gächter, Rechtsweg-Garantie: Ein Grundrecht
auf Raten, plädoyer 3/2006 S. 32 f.; Ruth Herzog, Auswirkungen auf die
Staats- und Verwaltungsrechtspflege in den Kantonen, in: Pierre Tschannen
[Hrsg.], Neue Bundesrechtspflege, Bern 2007, S. 109; Peter Karlen, Das neue
Bundesgerichtsgesetz, Basel 2006, S. 75; Martin Knüsel, Grundzüge der
Rechtsweggarantie, in: Jusletter vom 18. Dezember 2006, Rz. 13 und 16;
Jean-Claude Lugon/Etienne Poltier/ Thierry Tanquerel, Les conséquences de la
réforme de la justice fédérale pour les cantons, in François
Bellanger/Thierry Tanquerel [Hrsg.], Les nouveaux recours fédéraux en droit
public, Genf 2006, S. 122; Thomas Pfisterer, Der kantonale Gesetzgeber vor
der Reform der Bundesrechtspflege, in: Bernhard Ehrenzeller/Rainer J.
Schweizer [Hrsg.], Reorganisation der Bundesrechtspflege, St. Gallen 2006, S.
328 f.; Hansjörg Seiler, in: Seiler/von Werdt/Güngerich,
Bundesgerichtsgesetz, Stämpflis Handkommentar, Bern 2007, Art. 86 N. 25 und
Art. 130 N. 8; Karl Spühler/Annette Dolge/Dominik Vock, Kurzkommentar zum
Bundesgerichtsgesetz, Zürich 2006, N. 1 zu Art. 130; Alain Wurzburger,
Présentation générale et système des recours, in: Urs Portmann [Hrsg.], La
nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Lausanne 2007, S. 15).

Vor Ablauf der Übergangsfrist ist somit der Vorwurf, das kantonale Recht
genüge den Anforderungen der Rechtsweggarantie nicht, unbegründet. Im Übrigen
würde sich das Bundesgericht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch
bei Bejahung der Verletzung dieser Garantie nicht an Stelle der kantonalen
Gerichtsinstanz materiell mit der Sache befassen, sondern die Angelegenheit
dieser überweisen (vgl. BGE 123 II 231 E. 7 S. 236 ff.).

4.
Der Beschwerdeführer ficht auch den - noch vor dem Inkrafttreten des
Bundesgerichtsgesetzes ergangenen - Entscheid des Regierungsrats an. In
dieser Hinsicht ist seine Eingabe noch nach den Vorschriften des
Bundesrechtspflegegesetzes (OG) zu beurteilen (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V
393 E. 1.2 S. 395). Eine Entgegennahme als Verwaltungsgerichtsbeschwerde oder
als staatsrechtliche Beschwerde scheidet jedoch schon deshalb aus, weil die
Frist für die Erhebung dieser Rechtsmittel längst abgelaufen ist (vgl. Art.
106 Abs. 1 bzw. Art. 89 Abs. 1 OG).

5.
Nach dem Gesagten ist auf die Eingabe als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. Als subsidiäre
Verfassungsbeschwerde ist sie abzuweisen. Mit dem Entscheid in der Hauptsache
wird der Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 65 und 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Eingabe wird als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
nicht eingetreten. Als subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird sie abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem
Verwaltungsgericht (II. Kammer) des Kantons Glarus sowie dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. März 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: