Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.639/2007
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_639/2007 /ber

Urteil vom 24. Juni 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichterin Yersin,
nebenamtlicher Bundesrichter Camenzind,
Gerichtsschreiber Matter.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Diego Clavadetscher,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung,
Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern.

Gegenstand
Mehrwertsteuer (1. Quartal 1999 - 4. Quartal 2000; 1. Quartal 2001);
entgeltliche Leistung; Kreditgeschäft; Beherbergungsleistung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 27. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG bezweckt den Erwerb, den Bau, die Miete oder Pacht von Hotel-
und Appartement- oder ähnlichen Anlagen sowie die Beteiligung an und die
Gründung von entsprechenden Hotel- und Ferienbetriebsgesellschaften. Sie will
diese Ferienanlagen den Mitgliedern des von ihr betriebenen Ferienclubs in
gemeinsamer Selbsthilfe und zu Selbstkosten bzw. zu möglichst vorteilhaften
Bedingungen zur Verfügung stellen. Die Finanzierung erfolgt durch die Ausgabe
von als Darlehen bezeichneten Ferienzertifikaten.

Wegen der Nichtdeklaration von Einnahmen durch Ausgabe von Ferienzertifikaten,
geldwerte Leistungen und Vorsteuerdifferenzen vom 1. Quartal 1999 bis und mit
dem 1. Quartal 2001 forderte die Eidgenössische Steuerverwaltung von der
X.________ AG Mehrwertsteuern von insgesamt Fr. 99'758.-- (plus Verzugszinsen)
nach. Dagegen erhob die Gesellschaft erfolglos Einsprache und danach Beschwerde
an das Bundesverwaltungsgericht.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 12. November 2007
beantragt die X.________ AG dem Bundesgericht, das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 27. September 2007 aufzuheben und ihr den
allenfalls zuviel bezahlten Mehrwertsteuerbetrag mit Zinsen zurückzuerstatten.
Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesverwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss
Art. 83 BGG fällt und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG). Als Steuerpflichtige ist die
Beschwerdeführerin zur Ergreifung dieses Rechtsmittels legitimiert (Art. 89
Abs. 1 BGG).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG).

1.3 Streitig sind hier einerseits Leistungen, die den Zeitraum vom 1. Quartal
1999 bis zum 4. Quartal 2000 betreffen und für welche somit die Bestimmungen
der Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV) von 1994 (AS 1994 1464) anwendbar sind.
Andererseits bezieht sich der umstrittene Sachverhalt auf das 1. Quartal 2001
und untersteht insoweit dem auf den 1. Januar 2001 in Kraft getretenen
Mehrwertsteuergesetz (MWSTG; vgl. dazu Art. 93 und 94 MWSTG).

2.
2.1 Der Steuer im Inland unterliegen die entgeltliche Lieferung von
Gegenständen, die entgeltlich erbrachten Dienstleistungen, der Eigenverbrauch
sowie der entgeltliche Bezug von Dienstleistungen aus dem Ausland, sofern sie
nicht ausdrücklich von der Besteuerung ausgenommen oder befreit sind (Art. 4
MWSTV; Art. 5 MWSTG). Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine
Lieferung eines Gegenstandes darstellt (Art. 6 Abs. 1 MWSTV; Art. 7 Abs. 1
MWSTG). Damit von einer steuerbaren Leistung gesprochen werden kann, verlangt
das Gesetz Entgeltlichkeit (Art. 4 und 5 MWSTV bzw. Art. 5 und 6 MWSTG). Das
bedingt einen Austausch von Leistungen bzw. eine innere wirtschaftliche
Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl. u.a. BGE 126 II 443 E. 6a
S. 451 f.).

2.2 Miteinander verbundene Leistungen sind als einheitlicher wirtschaftlicher
Vorgang anzusehen, wenn sie wirtschaftlich derart eng zusammengehören und
ineinander greifen, dass sie ein unteilbares Ganzes bilden. Das
Mehrwertsteuergesetz enthält im Unterschied zur Mehrwertsteuerverordnung vom
22. Juni 1994 nunmehr eine ausdrückliche entsprechende Regelung (vgl. Art. 36
Abs. 4 MWSTG). Demnach werden zusammenhängende Leistungen seit jeher dann
einheitlich behandelt, wenn es sich um eine eigentliche Gesamtleistung handelt
oder wenn eine oder mehrere zur Hauptleistung akzessorische Nebenleistungen
vorliegen. Die mehrwertsteuerrechtliche Behandlung erfolgt dabei im ersten Fall
nach der für die Gesamtleistung wesentlichen Eigenschaft, mithin nach der
Leistung, welche wirtschaftlich betrachtet im Vordergrund steht. Im zweiten
Fall werden die Nebenleistungen entsprechend der Hauptleistung behandelt, weil
diese den wirtschaftlichen Kern des Geschäfts darstellt. Liegt weder eine
untrennbare Gesamtleistung noch eine Hauptleistung mit abhängigen
Nebenleistungen vor, so handelt es sich um mehrere selbständige Leistungen, die
mehrwertsteuerrechtlich getrennt zu behandeln sind. Entsprechendes kann sich
nicht nur aus dem Fehlen des erforderlichen inneren Zusammenhangs ergeben,
sondern auch auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung beruhen (vgl.
beispielsweise die Abtrennung von gastgewerblichen Leistungen im Rahmen von
Umsätzen im Bereich von Bildung und Erziehung; Art. 14 Ziff. 9 MWSTV bzw. Art.
18 Ziff. 11 MWSTG). Dabei werden zivilrechtlich selbständige Leistungen
grundsätzlich auch mehrwertsteuerrechtlich als selbständige Leistungen
behandelt (vgl. zum Ganzen ASA 75 401 E. 3.1; Pra 2005 Nr. 26 S. 187 E. 10.1;
je mit Hinweisen).

3.
3.1 In Anwendung dieser Regeln sowie aufgrund der Vereinbarungen zwischen der
Beschwerdeführerin und den Clubmitgliedern hat die Vorinstanz zu Recht
festgehalten, dass durch den Erwerb der Ferienzertifikate bzw. die Bezahlung
der Mitgliederbeiträge ein besonderes Vertragsverhältnis entsteht. In dessen
Rahmen wird den Mitgliedern primär das Recht eingeräumt, am Punktesystem des
Clubs teilzunehmen. Gleichzeitig wird ihnen ein ganzes Paket weiterer
Leistungen zur Verfügung gestellt; es umfasst neben dem Angebot von attraktiven
Ferienmöglichkeiten zu vorteilhaften Bedingungen im In- und Ausland einen
ausführlichen Informations- und Reservationsservice, regelmässige
Publikationen, die Nutzung der konkret angebotenen Ferienanlagen gegen
Entrichtung einer lokalen Benutzungsgebühr, die Teilnahme an einem Tauschpool
und im Fall von mehr als drei Zertifikaten besondere Reisevergünstigungen bei
Kreuzfahrten.
Zutreffend hat das Bundesverwaltungsgericht weiter erwogen, dass die Bezahlung
der Ferienzertifikate und der jährlichen Mitgliederbeiträge die hier
massgeblichen Gegenleistungen für die von der Beschwerdeführerin erbrachten
Dienstleistungen darstellen. Deshalb hat das Gericht die Entgeltlichkeit im
Sinne von Art. 4 lit. b MWSTV bzw. Art. 5 lit. b MWSTG und den dafür
erforderlichen Leistungsaustausch bejaht (vgl. auch Art. 26 Abs. 2 MWSTV bzw.
Art. 33 Abs. 2 MWSTG).

Der Vorinstanz ist auch insofern zu folgen, als sie davon ausgegangen ist, dass
die Ferienzertifikate und die Mitgliederbeiträge nicht voneinander unabhängig,
sondern zusammen als sich gegenseitig bedingende Bestandteile eines einzigen,
ganzheitlichen Vertrags- und Leistungssystems zu betrachten sind, wie der
Mitgliedschaftsvereinbarung entnommen werden kann. Die Gesamtheit der
angebotenen Leistungen ist so eng verknüpft, dass nur von einer einheitlichen
Leistung gesprochen werden kann (vgl. Art. 36 Abs. 4 MWSTG sowie für die MWSTV
StR 61/2006 553 E. 3.2). Diese Gesamtleistung ist zum Normalsatz steuerbar,
nachdem die Voraussetzungen für die Anwendung eines privilegierten Satzes nicht
gegeben sind (vgl. Art. 27 Abs. 1 lit. b MWSTV bzw. Art. 36 Abs. 3 bzw. 4
MWSTG).

4.
Was in der Beschwerde dagegen vorgebracht wird, vermag nicht zu einem anderen
Ergebnis zu führen:
Unzutreffend ist namentlich das Argument, die Überlassung und der Erwerb der
Ferienzertifikate begründeten ein von der Besteuerung ausgenommenes
Kreditverhältnis (vgl. Art. 13 i.V. mit Art. 14 Ziff. 15 MWSTV u. Art. 17 i.V.
mit Art. 19 MWSTG). Ein solcher steuerfreier Umsatz besteht nur dann, wenn die
Hauptleistung in der Übertragung oder Bereitschaft zur Übertragung von Geld
besteht, das vom Kreditnehmer zurückzuerstatten ist und wenn es sich dabei um
eine selbständige Leistung handelt. Das geht u.a. aus dem - von der
Beschwerdeführerin zu Unrecht angerufenen - Bundesgerichtsurteil 2A.526/2003
vom 1. Juli 2004 hervor: Von einem Kreditgeschäft kann nur dann gesprochen
werden, wenn dieses für sich alleine abgeschlossen wird, ohne dass damit - wie
hier - verschiedene vertragliche Verpflichtungen im Rahmen einer Gesamtleistung
erfüllt werden (vgl. Pra 2005 Nr. 27 S. 201 E. 3.1 mit Hinweisen). Daran ändert
nichts, dass die Ausgabe der Zertifikate in den Statuten der Beschwerdeführerin
als Darlehensgewährung bezeichnet wird. Da ein Kreditverhältnis
mehrwertsteuerrechtlich auszuschliessen ist, erübrigt sich die weitere Prüfung,
ob ein Darlehen im zivilrechtlichen Sinne vorliegt bzw. ein Kredit mit
Einmalverzinsung oder aber Aufwendungen, mit denen die Mitglieder auf den Zins
aus einer alternativen Vermögensanlage verzichten.
Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin weiter, die Vorinstanz habe bei der
Ermittlung des massgeblichen Sachverhalts dadurch gegen Art. 97 Abs. 1 bzw.
Art. 105 Abs. 2 BGG verstossen, dass sie angenommen habe, die Ferienzertifikate
seien nur in (sehr) beschränktem Ausmass zurückzahlbar (vgl. oben E. 1.2). Das
Bundesverwaltungsgericht hat sich auf mehrere Einzelregelungen der
Mitgliedschaftsvereinbarung stützen können: Die Rücknahme bzw. -zahlung der
Ferienzertifikate kann zwar auf Antrag erfolgen; sie ist aber insofern
eingeschränkt, als die Anträge nur bis 10% der im laufenden Geschäftsjahr neu
ausgegebenen Ferienzertifikate in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt
werden; übersteigen die Anträge diesen Prozentsatz, können sie erst wieder in
der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt werden, wenn das Volumen der
Neuausgaben dies erlaubt; zudem können ordentliche Anträge auf Rückzahlungen
frühestens nach Ablauf von vier Jahren seit Vertragsunterzeichnung erfolgen.
Wenn das Gericht (beträchtliche) Rückzahlungsbeschränkungen angenommen hat, ist
diese Feststellung auf jeden Fall nicht offensichtlich unzutreffend, soweit sie
den Ausgang des Verfahrens überhaupt beeinflusst hat.
Fehl geht schliesslich die Behauptung der Beschwerdeführerin, es gehe hier um
im Ausland erbrachte und somit der schweizerischen Mehrwertsteuer nicht
unterstehende Beherbergungsleistungen. Es liegt eine einheitliche
Dienstleistung vor, deren Besteuerungsort nach dem sog. Erbringerortsprinzip in
der Schweiz ist (vgl. Art. 12 Abs. 1 MWSTV bzw. Art. 14 Abs. 1 MWSTG).

5.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen
Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen Steuerverwaltung
und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Juni 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Matter