Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.620/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_620/2007
2C_621/2007 /zga

Urteil vom 2. Juli 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Häberli.

Parteien
Kantonales Steueramt Zürich,
8090 Zürich, Beschwerdeführer,

gegen

X.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Oliver Untersander.

Gegenstand
Direkte Bundessteuer sowie Staats- und Gemeindesteuern 2004,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Entscheide des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 26. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ GmbH wurde von der Steuerverwaltung des Kantons Zürich für die
Staats- und Gemeindesteuern sowie die direkte Bundessteuer des Jahres 2004 je
nach pflichtgemässem Ermessen mit einem steuerbaren Reingewinn von 35'000
Franken und einem steuerbaren Eigenkapital von 20'000 Franken veranlagt,
nachdem sie trotz Mahnung keine Steuererklärung eingereicht hatte (Verfügungen
vom 13. Juli bzw. 28. August 2006). Gegen beide Veranlagungsverfügungen erhob
sie Einsprache, auf welche die Steuerverwaltung nicht eintrat, weil die
beigelegte Steuererklärung 2004 und die Jahresrechnung 2004 nicht gehörig
unterzeichnet seien (Entscheide vom 19. Januar 2007). Nachdem sie erfolglos an
die Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich gelangt war (Entscheide vom
11. Mai 2007), beschwerte sich die X.________ GmbH beim Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich. Dieses hiess ihre Beschwerden teilweise gut und wies die Sache
zur Durchführung des Einspracheverfahrens im Sinne der Erwägungen an die
Steuerverwaltung zurück (Entscheide vom 26. September 2007).

B.
Am 2. November 2007 hat das kantonale Steueramt Zürich beim Bundesgericht in
einer einzigen Eingabe Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
sowohl gegen den Verwaltungsgerichtsentscheid betreffend die Staats- und
Gemeindesteuern als auch gegen jenen betreffend die direkte Bundessteuer
eingereicht; es beantragt, beide Entscheide aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin stellt den Antrag, die Beschwerden abzuweisen, soweit
auf sie einzutreten sei; zudem seien je "die Ziffern 2, 4, und 5 des Entscheids
des Verwaltungsgerichts aufzuheben und zum Neuentscheid an dieses
zurückzuweisen". Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliesst auf
Abweisung der Beschwerden, soweit auf sie einzutreten sei. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Die beiden Verwaltungsgerichtsentscheide betreffen die gleichen
Beteiligten, werfen identische Rechtsfragen auf und sind in einer einzigen
Eingabe angefochten worden; wegen ihres engen Zusammenhangs sind die beiden
Verfahren 2C_620/2007 und 2C_621/2007 zu vereinigen (Art. 24 BZP in Verbindung
mit Art. 71 BGG).

1.2 Die Beschwerdegegnerin hat nicht nur die Abweisung der Beschwerden
beantragt, sondern zusätzlich eine Abänderung des Kostenspruchs der beiden
Verwaltungsgerichtsentscheide (Dispositivziffern 2, 4 und 5) zu ihren Gunsten
verlangt. Einen solchen Antrag kann sie nicht im Rahmen ihrer Vernehmlassung
stellen, sondern sie hätte ihn mittels einer eigenen Beschwerde ins Verfahren
einbringen müssen. Weil das Bundesgerichtsgesetz die Anschlussbeschwerde nicht
kennt und - im Unterschied zum bis Ende 2006 geltenden Bundesgesetz über die
Organisation der Bundesrechtspflege (vgl. Art. 114 Abs. 1 OG) auch im Bereich
des Abgaberechts - keine reformatio in peius zulässt (Art. 107 Abs. 1 BGG),
kann darauf nicht eingetreten werden.

2.
2.1 Die Veranlagungsbehörde nimmt die Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen
vor, wenn der Steuerpflichtige trotz Mahnung seine Verfahrenspflichten nicht
erfüllt hat oder die Steuerfaktoren mangels zuverlässiger Unterlagen nicht
einwandfrei ermittelt werden können (§ 139 Abs. 2 StG/ZH und Art. 46 Abs. 3
StHG; Art. 130 Abs. 2 DBG). Eine solche Ermessensveranlagung kann nur wegen
offensichtlicher Unrichtigkeit angefochten werden, wobei die Einsprache zu
begründen ist und allfällige Beweismittel nennen muss (§ 140 Abs. 2 StG/ZH und
Art. 48 Abs. 2 StHG; Art. 132 Abs. 3 DBG). Dieser Unrichtigkeitsnachweis ist
nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung umfassend zu führen und kann nicht
nur einzelne Positionen der Ermessensveranlagung betreffen. Der
Steuerpflichtige muss die bisher versäumten Mitwirkungshandlungen nachholen und
insbesondere eine nicht eingereichte Steuererklärung nachträglich vorlegen
(vgl. für die direkte Bundessteuer: Urteil 2A.39/2004, in: ASA 75 S. 329, E.
5.1). Dieser Unrichtigkeitsnachweis muss zudem mit der Begründung der
Einsprache und damit innert der Einsprachefrist erfolgen; bei der
Ermessensveranlagung stellt die gesetzlich geforderte Einsprachebegründung nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Prozessvoraussetzung dar (BGE 123
II 552 E. 4c S. 557 f.; Urteil 2A.72/2004, in: StR 60/2005 S. 973, E. 5.2). Auf
die Einsprache eines Steuerpflichtigen, welcher wegen Nichteinreichung der
Steuererklärung zulässigerweise nach Ermessen veranlagt worden ist und der mit
der Einsprache hiergegen keine substantiierte Sachdarstellung samt
Beweismittelangebot abgibt - also die unterlassenen Mitwirkungshandlungen nicht
nachholt, obschon ihm das möglich wäre - ist daher nicht einzutreten (Urteil
2A.72/ 2004, in: StR 60/2005 S. 973, E. 6).

2.2 Die Beschwerdegegnerin liess am 19. September 2006 durch ihre Treuhänderin
(rechtzeitig) Einsprache gegen die Ermessensveranlagung erheben. Ihrer Eingabe
waren die Steuererklärung und die Jahresrechnung für das Jahr 2004 beigelegt,
wobei diese beiden Dokumente allerdings nicht von ihr selber, sondern bloss von
ihrer (ordnungsgemäss bevollmächtigten) Treuhänderin "in Vertretung"
unterzeichnet worden waren. In der Folge reichte die Beschwerdegegnerin der
Steuerverwaltung am 4. Oktober 2006, wie bereits in der Einspracheschrift in
Aussicht gestellt, je ein vom zuständigen Organ unterzeichnetes Exemplar der
Steuererklärung und der Jahresrechnung ein. Dessenungeachtet trat die
Steuerverwaltung auf die Einsprache nicht ein; zur Begründung führte sie aus,
das rechtzeitig eingereichte Exemplar der Steuererklärung sei nicht gehörig
unterzeichnet gewesen, so dass die versäumte Mitwirkungshandlung nicht innert
Rechtsmittelfrist nachgeholt worden sei. Während die Steuerrekurskommission
diesen Entscheid schützte, hat das Verwaltungsgericht die Sichtweise der
Steuerverwaltung nicht geteilt. Es führt in den angefochtenen Entscheiden
vielmehr aus, das Fehlen der Unterschrift der Steuerpflichtigen sei nicht
ausschlaggebend, weil die Einsprache ungeachtet dieses Mangels über eine
genügende Begründung verfügt habe; die Steuerverwaltung hätte deshalb darauf
eintreten müssen.

3.
3.1 Die Steuererklärung ist vom Pflichtigen persönlich zu unterzeichnen (§ 133
Abs. 2 StG/ZH; Art. 124 Abs. 2 DBG); die Unterschrift eines vertraglichen
Vertreters genügt den gesetzlichen Formerfordernissen nicht (vgl. Martin
Zweifel, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen
Steuerrecht, Band I/1: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten
Steuern der Kantone und Gemeinden, 2. Auflage, Basel 2002, N 23d f. zu Art. 42;
Derselbe, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen
Steuerrecht, Band I/2b: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Basel 2000,
N 33 zu Art. 124). Demnach trifft es zu, dass die Steuererklärung, welche die
Beschwerdegegnerin ihrer Einsprache beigelegt hat, nicht formgültig
unterzeichnet war. Das Steueramt täuscht sich jedoch über Bedeutung und
Tragweite dieses Formmangels:

3.2 Im Unterschied zur ordentlichen Einsprache, welche weder eines konkreten
Antrags noch einer Darlegung der erhobenen Einwände bedarf (vgl. Art. 132 Abs.
1 DBG sowie Art. 48 Abs. 1 StHG und § 140 Abs. 1 StG/ZH; Zweifel, a.a.O., N 18
zu Art. 132 DBG sowie N 18 zu Art. 48 StHG), ist für die gültige Anfechtung
einer Ermessenseinschätzung eine (schriftliche) Begründung erforderlich (Art.
132 Abs. 3 DBG; Art. 48 Abs. 2 StHG und § 140 Abs. 2 StG/ZH). Eine
rechtsgenügliche Begründung setzt dabei in aller Regel voraus, dass die
unterlassene Mitwirkungshandlung nachgeholt wird, weil nur so der Nachweis der
Unrichtigkeit der Veranlagung erbracht werden kann (vgl. oben E. 2.1). Dies
ändert jedoch nichts daran, dass nur die Einsprachebegründung als solche eine
Sachurteilsvoraussetzung darstellt, nicht aber das Nachreichen der
Steuererklärung an und für sich (vgl. Urteil 2A.72/ 2004, in: StR 60/2005 S.
973, E. 6). Ist also die Steuererklärung - wie hier - mit einem Formmangel
behaftet, kann dies nur dann zu einem Nichteintretensentscheid führen, wenn der
betreffende Mangel derart gravierender Natur ist, dass es der Einsprache
deswegen an einer genügenden Begründung fehlt. Bei einer Steuererklärung,
welche fälschlicherweise nur von der (ordentlich bevollmächtigten) Treuhänderin
und nicht (auch) vom zuständigen Organ der Beschwerdegegnerin unterzeichnet
ist, kann von einem derart schwerwiegenden Mangel zum Vornherein keine Rede
sein.

3.3 Für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ist diese Rechtslage letztlich
aber gar nicht entscheidend: Wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat,
hätte das Steueramt selbst dann nicht einfach auf Nichteintreten erkennen
dürfen, wenn das (formrichtige) Nachholen der unterlassenen Mitwirkungshandlung
eine Eintretensvoraussetzung darstellen würde. Diesfalls hätte sie nämlich der
Beschwerdegegnerin Gelegenheit geben müssen, innert einer (kurzen) Nachfrist
den Formmangel zu beheben und eine persönlich unterzeichnete Steuererklärung
einzureichen (für das Verfahren betreffend die kantonalen Steuern vgl. § 2 der
Verordnung zum Zürcher Steuergesetz; für das Verfahren betreffend die direkte
Bundessteuer vgl. Art. 140 Abs. 2 DBG; vgl. auch den das allgemeine
Verwaltungsbeschwerdeverfahren regelnden Art. 52 Abs. 2 VwVG und den das
bundesgerichtliche Verfahren beschlagende Art. 42 Abs. 5 BGG). Mithin ist es
nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht die Sache in (teilweiser)
Gutheissung der Beschwerde an das Steueramt zurückgewiesen hat, damit dieses
ein Einspracheverfahren durchführt.

4.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nach dem Gesagten
als unbegründet abzuweisen.
Weil die Steuerverwaltung Vermögensinteressen verfolgt hat, wird der Kanton
Zürich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG e contrario); die
Beschwerdegegnerin, welche mit ihrem unzulässigen Antrag zur Abänderung des
vorinstanzlichen Kostenspruchs unterlegen ist, hat die Verfahrenskosten
anteilmässig zu tragen. Sodann hat der Kanton Zürich der mehrheitlich
obsiegenden Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine
reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 2C_620/2007 und 2C_621/2007 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 3'000.-- werden zu 5/6 dem Kanton Zürich
und zu 1/6 der Beschwerdegegnerin auferlegt.

4.
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit insgesamt Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2.
Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. Juli 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Häberli