Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.614/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_614/2007

Urteil vom 17. März 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichterin Yersin,
Bundesrichter Karlen,
Gerichtsschreiber Küng.

Parteien
X. A.________ AG,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Kratter
Treuhand & Consulting,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung,
Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern.
.

Gegenstand
Mehrwertsteuer (1. bis 4. Quartal 2002); Rückerstattung; Nachweis Erbringung
Dienstleistung ins Ausland.

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesver-
waltungsgerichts vom 27. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X. A.________ AG (bis Dezember 2004 X. B.________ AG, Zürich), mit Sitz in
Basel, ist seit dem 1. Januar 1995 im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen
der Eidgenössischen Steuerverwaltung eingetragen. Ihr Zweck bestand in der
vorliegend relevanten Zeit in der Werbeberatung mit allen damit
zusammenhängenden Dienstleistungen.

Am 13. November 2001 ersuchte die Steuerpflichtige die Eidgenössischen
Steuerverwaltung um Rückerstattung von (abgerechneten und bezahlten)
Mehrwertsteuern, die sie ihrer österreichischen Kundin Y.________ GmbH,
Dornbirn/A, seit 1999 fälschlicherweise in Rechnung gestellt habe. Am 19.
November 2001 wurde die Steuerpflichtige von der Eidgenössischen
Steuerverwaltung darauf hingewiesen, sie müsse der Kundin eine entsprechende
Gutschrift zu- und neue Rechnungen (ohne MWST) ausstellen.

Die Steuerpflichtige reichte der Eidgenössischen Steuerverwaltung am 12. Juni
2002 das Abrechnungsformular des 4. Quartals 2001 ein, in welchem sie einen
Betrag von Fr. 96'235.06 als Vorsteuern geltend machte; als Beleg reichte sie
eine Belastungsanzeige ihrer Bank vom 25. Februar 2002 über diese Summe
zugunsten der österreichischen Kundin ein. Die Eidgenössische Steuerverwaltung
akzeptierte diesen Vorsteuerabzug nicht und forderte von der Steuerpflichtigen
mit Ergänzungsabrechnung (Nr. 388606) vom 2. Juli 2002 Fr. 96'235.-- nach. Dies
mit der Begründung, der Anspruch auf Vorsteuerabzug entstehe erst in derjenigen
Periode, in welcher der fälschlicherweise in Rechnung gestellte Betrag dem
Kunden zurückerstattet worden sei; dies sei hier erst im 1. Quartal 2002
geschehen. In der Folge reichte die Steuerpflichtige am 22. Juli 2002 das
Abrechnungsformular für das 1. Quartal 2002 ein, in welchem sie erneut den
Betrag von Fr. 96'235.06 als Vorsteuer in Abzug brachte; dadurch ergab sich ein
Vorsteuerüberschuss von Fr. 62'864.79. Die Eidgenössische Steuerverwaltung
bezahlte diesen am 18. September 2002 der Steuerpflichtigen aus.

Nachdem die Steuerpflichtige auch die Abrechnungsformulare der übrigen Quartale
2002 eingereicht hatte, stellte sie der Eidgenössischen Steuerverwaltung am 10.
November 2003 per Fax zusätzlich eine Abrechnung für das gesamte Jahr 2002 zu.
Im Vergleich zu den (addierten) Quartalsabrechnungen des Jahres 2002 wies diese
Abrechnung eine um Fr. 5'297.47 tiefere Steuer auf dem Umsatz und um Fr.
96'235.06 tiefere Vorsteuern aus. Die Eidgenössische Steuerverwaltung nahm
diese Abrechnung für das ganze Jahr 2002 als Korrekturabrechnung entgegen und
forderte mit Ergänzungsabrechnung (Nr. 389535) vom 17. November 2003 von der
Steuerpflichtigen Mehrwertsteuern im Betrag von Fr. 90'936.-- zuzüglich
Verzugszins zu 5 % nach. Am 30. Juni 2004 erliess die Eidgenössische
Steuerverwaltung einen anfechtbaren Entscheid, worin sie ihre Nachforderung
bestätigte. Dagegen erhob die Steuerpflichtige Einsprache. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung forderte sie in der Folge auf, verschiedene Unterlagen,
insbesondere auch die Rechnungen an die Kundin in Österreich und die Grundlage
für die Rückzahlung vom 25. Februar 2002 an dieselbe nachzureichen. Die
Steuerpflichtige liess die ihr dafür angesetzte Frist unbenutzt verstreichen,
worauf die Eidgenössische Steuerverwaltung die Einsprache abwies. Zur
Begründung führte sie aus, die Steuerpflichtige habe die relevanten Unterlagen
zur Überprüfung ihres Anspruches trotz Aufforderung nicht eingereicht; zudem
stütze sich die Nachforderung auf deren eigene Angaben vom 10. November 2003.

Gegen diesen Einspracheentscheid erhob die Steuerpflichtige Beschwerde bei der
Eidgenössischen Steuerrekurskommission. Das Bundesverwaltungsgericht, als deren
Nachfolgeorganisation, wies die Beschwerde am 27. September 2007 ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 31. Oktober 2007
beantragt die X. A.________ AG dem Bundesgericht, das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 27. September 2007 und die Schuld gemäss
Ergänzungsabrechnung vom 17. November 2003 aufzuheben.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Am 1. Januar 2001 sind das Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die
Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20) sowie die zugehörige
Verordnung vom 29. März 2000 (MWSTGV; SR 641.201) in Kraft getreten. Umsätze,
die ab diesem Zeitpunkt getätigt wurden, unterliegen dem neuen Recht (Art. 94
Abs. 1 MWSTG). Der angefochtene Entscheid betrifft die in der
Abrechnungsperiode 2002 geltend gemachte Rückerstattung der Mehrwertsteuer; er
kann mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim
Bundesgericht angefochten werden (Art. 82 lit. a und 86 Abs. 1 lit. a BGG). Auf
die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Im Zusammenhang mit dem streitigen Anspruch auf Rückerstattung im Jahr 2002
stellt sich die (Vor-)Frage, ob die diesem zu Grunde liegenden Dienstleistungen
der Beschwerdeführerin an eine Kundin in Österreich von der Steuer befreit sind
und somit fälschlicherweise mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung
abgerechnet worden sind. Die fraglichen Dienstleistungen wurden in den Jahren
1999 bis 2001 erbracht. Auf die Leistungen vor dem 1. Januar 2001 kommt damit
noch die Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994 (MWSTV [AS 1994
1464]) zur Anwendung. Auf die nach dem 1. Januar 2001 erbrachten
Dienstleistungen ist hingegen das Mehrwertsteuergesetz anwendbar.

2.
Die in Frage stehenden Dienstleistungen an die österreichische Kundin, die auch
eine Filiale in Zürich führt, umfassen nach eigenen Angaben der
Beschwerdeführerin Werbedienstleistungen ("Idee, Konzept und Realisation"); die
entsprechenden Werbekampagnen mit Inseraten werden "europaweit, inkl. Schweiz,
gestreut" (Beschwerdebeilage 2).

3.
3.1 Der Mehrwertsteuer unterliegen unter anderem im Inland gegen Entgelt
erbrachte Dienstleistungen, sofern sie nicht ausdrücklich von der Steuer
ausgenommen sind (Art. 4 lit. b MWSTV, Art. 5 lit. b MWSTG).

3.2 Als Ort einer Dienstleistung gilt grundsätzlich der Ort, an dem der
Dienstleistende seinen Geschäftssitz oder eine Betriebsstätte hat, von wo aus
die Dienstleistung erbracht wird (Art. 12 Abs. 1 MWSTV, Art. 14 Abs. 1 MWSTG;
Erbringerortsprinzip).
3.2.1 Bestimmte steuerbare Dienstleistungen (wie u.a. solche auf dem Gebiet der
Werbung [lit. l]: Merkblatt Nr. 13 der Eidgenössischen Steuerverwaltung
[610.549-13; Fassung vom 31. Januar 1997; S. 3]; BGE 133 II 153 E. 4.2) sind
gemäss Art. 15 Abs. 2 MWSTV - dem im grenzüberschreitenden Waren-und
Dienstleistungsverkehr geltenden Bestimmungslandprinzip folgend - von der
Steuer befreit, wenn sie an Empfänger mit Geschäfts- oder Wohnsitz im Ausland
erbracht (Empfängerortsprinzip) und sofern sie dort zur Nutzung oder Auswertung
verwendet werden, d.h. sie berechtigen zum entsprechenden Vorsteuerabzug (BGE
133 II 153 E. 3 und 4.1).
3.2.2 Zum selben Ergebnis führt Art. 14 Abs. 3 MWSTG für die in dieser
Bestimmung aufgeführten Fälle (darunter auch Leistungen auf dem Gebiet der
Werbung [lit. b]), in welchen als Ort der Dienstleistung der Ort gilt, an dem
der Empfänger seinen Geschäftssitz oder eine Betriebsstätte hat, für welche die
Dienstleistungen erbracht werden (BGE 133 II 153 E. 3 und 5.1).

3.3 Für Dienstleistungen, welche ins Ausland erbracht werden, muss der
Exportnachweis - vom Steuerpflichtigen (BGE 133 II E. 4.3) - buch- und
belegmässig erbracht werden (Art. 16 Abs. 1 MWSTV, Art. 20 Abs. 1 MWSTG). Wie
dieser Nachweis zu erfolgen hat, bestimmt das Eidgenössische Finanzdepartement
(Art. 16 Abs. 2 MWSTV, Art. 20 Abs. 2 MWSTG). Von dieser Befugnis hat das
Departement zumindest für den Dienstleistungsnachweis keinen Gebrauch gemacht.
Hingegen hat die Eidgenössische Steuerverwaltung entsprechende Weisungen
erlassen und die Anforderungen an den Nachweis von ins Ausland erbrachten
Dienstleistungen zunächst in der Wegleitung für Mehrwertsteuerpflichtige (1994)
und sodann in der Wegleitung 1997 für Mehrwertsteuerpflichtige (jeweils Rz.
567) - nahezu wörtlich gleich - festgelegt. Danach werden verlangt:
"Schriftliche Aufträge oder schriftliche Verträge oder eine schriftliche
Vollmacht (Treuhänder, Rechtsanwälte, Notare usw.) und Fakturakopien sowie
Zahlungsbelege, woraus Name/Firma, Adresse sowie Wohnsitz/Sitz des Abnehmers
oder Kunden (Klienten), ferner detaillierte Angaben über die Art und Nutzung
der erbrachten Leistungen zweifelsfrei hervorgehen." Im gleichen Sinne kommen
nach dem Kommentar des Eidgenössischen Finanzdepartements zur Verordnung über
die Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994 als Belege "vor allem Bestellungen oder
Auftragsbestätigungen, weitere Korrespondenzen und Fakturen in Frage, aus denen
klar hervorgeht, an wen und zu welchem Zweck eine bestimmte Dienstleistung
erbracht worden ist" (zu Art. 16 Abs. 1 MWSTV, S. 21). Darüber hinaus kann die
Eidgenössische Steuerverwaltung zusätzliche Belege, wie z.B. eine amtliche
Bescheinigung des ausländischen Ansässigkeitsstaates verlangen, wenn Zweifel
daran bestehen, ob der Leistungsempfänger tatsächlich einen ausländischen
Geschäfts- oder Wohnsitz hat, oder ob die Leistung wirklich zur Nutzung oder
Auswertung im Ausland bestimmt ist (Wegleitung 1994 Rz. 568). Diese Praxis gilt
ebenso in Bezug auf Art. 20 Abs. 1 MWSTG (BGE 133 II 153 E. 5.2).

3.4 Das Bundesgericht hat diese Verwaltungspraxis wiederholt geschützt und
bestätigt, dass insbesondere die Art der Dienstleistung detailliert
(schriftlich) nachzuweisen ist (vgl. Urteile 2A.478/2005 vom 8. Mai 2006 E.
4.4, 2A.534/2004 vom 18. Februar 2005 E. 4.2, 2A.507/2002 vom 31. März 2004 E.
3.4; BGE 133 II 153 E. 5.2). Dabei wurde stets betont, dass an den
Exportnachweis sehr strenge Anforderungen zu stellen und nachträglich erstellte
Dokumente grundsätzlich ungeeignet sind, den geforderten zweifelsfreien
Nachweis zu erbringen (Urteil 2A.546/2003 vom 14. März 2005 E. 2.6 und 3.3).

3.5 Der am 1. Juli 2006 in Kraft getretene Art. 45a MWSTGV ist zwar rückwirkend
sowohl für das Mehrwertsteuergesetz als auch die Mehrwertsteuerverordnung
anwendbar. Die Bestimmung kann indessen nach den Ausführungen der Vorinstanz,
auf die verwiesen werden kann, nicht gesetzliche Vorschriften aufheben. Die
Beschwerdeführerin erhebt denn auch zu Recht keine entsprechende Rüge.

4.
4.1 Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, die Beschwerdeführerin hätte zum
Nachweis der Ausfuhr der in Frage stehenden Dienstleistungen insbesondere die
Art der Leistung und den Sitz des Leistungsempfängers buch- und belegmässig
nachweisen müssen; dies schon wegen der Schweizer Niederlassung der Kundin. Als
Beweismittel habe die Beschwerdeführerin jedoch - trotz entsprechender
Aufforderung der Eidgenössischen Steuerverwaltung (u.a. zur Einreichung der
massgebenden Rechnungen) - bloss die Kontoblätter der Jahre 1999 bis 2001 mit
Verbuchungen von Einnahmen von der österreichischen Kundin und eine zu deren
Gunsten lautende Belastungsanzeige der Bank vom 25. Februar 2002 eingereicht.
Dies wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

4.2 Es liegt auf der Hand, dass diese Beweismittel in keiner Weise den
rechtsgenügenden, das heisst zweifelsfreien Nachweis für den Leistungsexport zu
erbringen vermögen. Mit den entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz setzt
sich die Beschwerdeführerin - abgesehen vom Vorwurf, dies sei absurd - nicht
auseinander (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Es kann daher auf die zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (E. 5), denen nichts
beizufügen ist. Die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin (frühere
Kontrolle, doppelte Besteuerung) führen zu keiner anderen Beurteilung.
Insbesondere wurde sie im Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom
16. November 2001, auf welches sie sich selber beruft, ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die Steuerbefreiung den buch- und belegmässigen
Exportnachweis für den vollen Wert der Leistung voraussetze (Beschwerdebeilage
3); von einer Verletzung des Gebotes von Treu und Glauben kann unter diesen
Umständen keine Rede sein. Im Übrigen ist die Mehrwertsteuer eine
Selbstveranlagungssteuer, die hohe Anforderungen an den Steuerpflichtigen
stellt, welcher dafür verantwortlich ist, dass er diese korrekt abrechnet. Die
Beschwerdeführerin ist daher auf ihrer Korrekturabrechnung für das Jahr 2002 zu
behaften (vgl. Vernehmlassung der Eidgenössischen Steuerverwaltung S. 8 f.;
Urteil 2A.320/2002 vom 2. Juni 2003 E. 3.4.3, in: ASA 74 S. 671 f.).

5.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat die
Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich
mitgeteilt.
Lausanne, 17. März 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Küng