Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.579/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


2C_579/2007

Urteil vom 28. Januar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Dr. Urs Oswald,

gegen

Migrationsamt des Kantons Aargau,
Bahnhofstrasse 86/88, 5001 Aarau,

Ausweisung,

Beschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts
im Ausländerrecht des Kantons Aargau
vom 14. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Der aus dem Kosovo stammende X.________ (geb. 1977) reiste am 21. März 1991
im Rahmen des Familiennachzugs zu seinen Eltern in die Schweiz ein. Am 14.
Juni 1995 erhielt er die Niederlassungsbewilligung.
Bereits 1998 erging gegen ihn eine erste strafrechtliche Verurteilung wegen
versuchten Erschleichens eines Ausweises (Strafe: 14 Tage Gefängnis bedingt
und Busse von Fr. 800.--). X.________ wurde in den folgenden Jahren weiter
straffällig; es kamen u.a. Verurteilungen wegen mehrfacher Veruntreuung,
Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz und wegen Betreibungsdelikten
hinzu. Am 29. Juni 2006 schliesslich verurteilte ihn das Obergericht des
Kantons Aargau in zweiter Instanz u.a. wegen Brandstiftung, Sachbeschädigung,
Nötigung und mehrfacher Urkundenfälschung zu einer Zuchthausstrafe von 2  3/4
Jahren.
Gegen X.________ liefen sodann mehrere Betreibungen, und es bestanden im
Jahre 2006 Verlustscheine in der Höhe von Fr. 7'240.60.

B.
Nachdem das Migrationsamt des Kantons Aargau X.________ das rechtliche Gehör
gewährt hatte, wies es ihn mit Verfügung vom 15. Januar 2007 auf unbestimmte
Dauer aus der Schweiz aus. Das Migrationsamt erwog im Wesentlichen,
X.________ habe sich von den ersten strafrechtlichen Verurteilungen nicht
beeindrucken lassen und weiter delinquiert. Auch habe er seine finanziellen
Verpflichtungen nicht restlos erfüllt. Aus seinem bisherigen Verhalten könne
nicht geschlossen werden, dass er in der Schweiz besonders integriert wäre.
Das öffentliche Interesse an einer Ausweisung überwiege daher seine privaten
Interessen an einem weiteren Verbleib in der Schweiz.
Eine gegen diese Verfügung erhobene Einsprache beim Migrationsamt blieb
erfolglos, und am 14. September 2007 wies das Rekursgericht im Ausländerrecht
des Kantons Aargau eine gegen den Einspracheentscheid vom 27. Juni 2007
gerichtete Beschwerde ebenfalls ab.

C.
Mit Eingabe vom 17. Oktober 2007 führt X.________ beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das
Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 14.
September 2007 aufzuheben. Sodann sei von einer Ausweisung abzusehen und eine
solche - verbunden mit einer Verwarnung - lediglich anzudrohen.
Das Migrationsamt des Kantons Aargau hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde
abzuweisen. Das Bundesamt für Migration stellt denselben Antrag.

D.
Mit unaufgefordert eingereichter Eingabe vom 5. November 2007 hat sich
X.________ noch einmal geäussert und das Bundesgericht darum gebeten, ihm
"eine Chance zu geben".

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über eine
gestützt auf Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG verfügte Ausweisung, wogegen das
ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig ist (Art. 83 lit. c BGG e contrario). Der
Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.2 Zwar ist am 1. Januar 2008 das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über
die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) in Kraft getreten.
Massgebend für die materielle Beurteilung bleibt vorliegend aber, in analoger
Anwendung von Art. 126 Abs. 1 AuG, grundsätzlich das bisherige Recht.

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz
festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn,
dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue
Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst
der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG kann ein Ausländer aus der Schweiz oder
aus einem Kanton ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder
Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Der Beschwerdeführer wurde u.a. zu
einer Zuchthausstrafe von 2  3/4 Jahren verurteilt. Er erfüllt damit den
genannten Ausweisungsgrund (der sich inhaltlich mit der entsprechenden neuen
Regelung in Art. 62 und Art. 63 AuG deckt, welche anstelle der Ausweisung den
Widerruf der Niederlassungsbewilligung vorsieht).

2.2 Die Ausweisung soll aber nur verfügt werden, wenn die nach Art. 11 Abs. 3
ANAG gebotene Interessenabwägung diese Massnahme als angemessen, d.h. als
verhältnismässig (vgl. BGE 125 II 521 E. 2a S. 523) erscheinen lässt. Dabei
sind namentlich die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer der
Anwesenheit sowie die dem Betroffenen und seiner Familie drohenden Nachteile
zu berücksichtigen (vgl. Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom
1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer
[ANAV] sowie BGE 129 II 215 E. 3 und 4 S. 216 ff.; 125 II 105 ff.). Ob die
Ausweisung im Sinne von Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV
verhältnismässig ist, stellt eine Rechtsfrage dar und kann damit vom
Bundesgericht frei überprüft werden (BGE 125 II 105 E. 2a S. 107, 521 E. 2a
S. 523, mit Hinweisen).

3.
3.1 Ausgangspunkt für die Interessenabwägung gemäss Art. 11 Abs. 3 ANAG ist
das Verschulden des Ausländers. Dieses findet vorab im vom Strafrichter
verhängten Strafmass seinen Ausdruck. Dabei sind umso strengere Anforderungen
an die Schwere des strafrechtlichen Verschuldens zu stellen, je länger ein
Ausländer in der Schweiz gelebt hat. Aber selbst bei in der Schweiz geborenen
Ausländern der "zweiten Generation" ist die Ausweisung zulässig, wenn der
Ausländer besonders schwere Gewalt-, Sexual- oder Betäubungsmitteldelikte
begangen oder wiederholt schwer delinquiert hat (vgl. dazu BGE 130 II 176 E.
4.2-4.4 S. 185 ff.; 129 II 215 E. 3.2 S. 216 f.; 125 II 105 E. 2c S. 109 f.,
521 E. 2b S. 523 f. und E. 4a/bb S. 527 f.; 122 II 433 E. 2b und c und E. 3
S. 436 ff.).
3.2 Der Beschwerdeführer erachtet die Ausweisung "aufgrund der Umstände" als
unangemessen. Er macht geltend, es bestehe eine überdurchschnittliche Bindung
zu seiner ebenfalls in der Schweiz lebenden Mutter, welch letztere er in den
verschiedensten Bereichen des alltäglichen Lebens unterstütze. Sodann müsse
energisch bestritten werden, dass von einer gelungenen Integration in die
Arbeitswelt keine Rede sein könne. Während der Dauer des Strafvollzugs habe
er zwangsläufig keine Stelle gehabt und später eine Stelle als
Lagermitarbeiter gefunden, die er wegen eines Bandscheibenvorfalls habe
aufgeben müssen. Neu lässt der Beschwerdeführer vortragen, er könne im Januar
2008 eine Festanstellung in einem Reisebüro antreten und damit einer
Erwerbstätigkeit nachgehen, welche seinen gesundheitlichen Problemen nicht
entgegenstehe. Neu macht er ebenfalls geltend, im Falle der für ihn
unzumutbaren Rückkehr in den Kosovo sähe er sich mit massiven Drohungen gegen
Leib und Leben konfrontiert, weil er in früheren Strafverfahren gegen
Tatmitbeteiligte belastende Aussagen gemacht habe.

3.3 Das Rekursgericht erwog, der Beschwerdeführer habe über Jahre hinweg
wiederholt gegen das Gesetz verstossen und deswegen bestraft werden müssen.
Er sei ledig und habe keine Kinder. Wohl werde die Ausweisung den
Beschwerdeführer und seine Mutter hart treffen, von einem besonderen
Abhängigkeitsverhältnis sei aber nicht auszugehen. Auch werde der
Beschwerdeführer nicht aus einem stabilen beruflichen Umfeld herausgerissen;
er - der keine eigentliche Berufslehre absolviert habe - könne seine in der
Schweiz erworbenen beruflichen Erfahrungen auch in seinem Heimatland
verwerten. Dort könne er neu beginnen und "zumindest ebenso gut Fuss fassen"
wie in der Schweiz. Die Ausweisung erweise sich nach den gesamten Umständen
als angemessen.

3.4 Diese tatsächlichen Feststellungen und die von der Vorinstanz daraus
gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen lassen sich nicht beanstanden: Der
Beschwerdeführer kam erst im Alter von 14 Jahren in die Schweiz und ist damit
kein "Ausländer der zweiten Generation", für den eine Ausweisung nur bei
besonders gravierender Delinquenz angeordnet werden dürfte (vgl. E. 3.1). Der
Beschwerdeführer weilt zwar schon seit 16 Jahren in der Schweiz, wo er
wiederholt und "durch seine skrupellose Handlungsweise" mit grosser
krimineller Energie delinquiert hat (Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 29. Juni 2006, E. 5.3.1 S. 32). Entsprechend gross ist daher das
öffentliche Interesse, ihn von der Schweiz fernzuhalten. Seine gegenteiligen
privaten Interessen an einem weiteren Verbleib im Lande fallen durchaus ins
Gewicht, sie sind aber vom Rekursgericht angemessen berücksicht worden.
Hierzu ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer trotz langer Anwesenheit in
der Schweiz beruflich nicht als integriert gelten kann. Er vermochte, wie
seine Straffälligkeit und die aufgelaufenen Schulden zeigen, auch
gesellschaftlich hier nicht Fuss zu fassen. Dass er nun auf Januar 2008
offenbar eine neue Stelle gefunden hat, ändert daran nichts, soweit dieses
Vorbringen nicht ohnehin als unzulässiges Novum im Sinne von Art. 99 BGG
einzustufen ist. Eine spezielle Abhängigkeit von seiner Mutter bzw. seinen
Eltern, welche ihm allenfalls einen Anspruch auf ein Anwesenheitsrecht
gestützt auf Art. 8 EMRK verschaffen könnte (vgl. dazu BGE 120 Ib 257 E. 1d
S. 261 sowie Urteil 2C_451/2007 vom 22. Januar 2008, E. 2.2), liegt nicht
vor. Die Pflicht zur Ausreise in den Kosovo trifft den Beschwerdeführer
sicher hart, ist aber bei Abwägung der gesamten Umstände nicht
unverhältnismässig und bundesrechtswidrig. Der allgemeine und unbelegte
Einwand, der Beschwerdeführer sei im Falle einer Rückkehr ins Heimatland an
Leib und Leben gefährdet, kann als unzulässige neue Sachverhaltsbehauptung
nicht gehört werden.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht
geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt und dem
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:   Der Gerichtsschreiber:

Merkli Klopfenstein