Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.55/2007
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2C_55/2007 /fco

Urteil vom 5. Juli 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiberin Dubs.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer,
Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.

Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts
des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer,
vom 7. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
Der türkische Staatsangehörige X.________ (geb. 12. Februar 1977) heiratete
am 7. November 2001 in seiner Heimat eine in der Schweiz niedergelassene
Italienerin (geb. 1972). Am 6. Februar 2002 reiste er in die Schweiz ein, wo
ihm aufgrund der Heirat eine Aufenthaltsbewilligung (letztmals verlängert bis
zum 5. Februar 2004) erteilt wurde.
Bereits vier Monate nach seiner Einreise trennten sich die Ehegatten. Die
gerichtliche Trennung erfolgte am 5. Juli 2002. Die Angaben über den weiteren
Verlauf der Ehe sind widersprüchlich. Ein gemeinsames Scheidungsbegehren
wurde wieder zurückgezogen. Seit Juli oder August 2005 ist die Ehegattin
unbekannten Aufenthalts; vermutlich ist sie nach Italien gezogen.

B.
Mit Verfügung vom 14. Februar 2006 verweigerte das Migrationsamt des Kantons
Zürich X.________ die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und forderte
ihn auf, das Kantonsgebiet bis Ende April 2006 zu verlassen. Dagegen
rekurrierte X.________ erfolglos an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Die
gegen den Regierungsratsbeschluss erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. Februar 2007 ab,
soweit es darauf eintrat.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 5. März 2007
beantragt X.________, die Verfügung des Migrationsamtes des Kantons Zürich
vom 14. Februar 2006, den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich
vom 6. Dezember 2006 sowie den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons
Zürich vom 7. Februar 2007 aufzuheben und "eine eventuelle Ausweisung zu
sistieren". Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bundesgericht hat die Akten des Verwaltungsgerichts beigezogen, jedoch
keine Vernehmlassungen eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist nach Inkrafttreten
des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) ergangen. Somit richtet sich das
vorliegende Beschwerdeverfahren nach diesem Gesetz (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE
132 V 393 E. 1.2 S. 395).

1.2 Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts
ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf
die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt.

Der mit einer in der Schweiz niedergelassenen italienischen Staatsangehörigen
verheiratete Beschwerdeführer kann sich grundsätzlich auf Art. 7 lit. d des
Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der
Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedern andererseits über die
Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR
0.142.112.681) und Art. 3 Abs. 1 und 2 des Anhangs I zum
Freizügigkeitsabkommen berufen, um aus dem Anwesenheitsrecht seiner Ehegattin
ein Recht auf Aufenthalt abzuleiten. Dieser Anspruch gilt während der ganzen
Dauer des formellen Bestandes der Ehe, in vergleichbarer Weise wie dies Art.
7 Abs. 1 ANAG für den ausländischen Ehegatten eines Schweizers oder einer
Schweizerin bestimmt (BGE 130 II 113 E. 8.3 S. 129). Auf die Beschwerde ist
deshalb grundsätzlich einzutreten.

1.3 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein der Entscheid des
Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 2007. Soweit der Beschwerdeführer die
Aufhebung der Verfügung des Migrationsamtes sowie des
Regierungsratsbeschlusses verlangt, kann auf seine Eingabe nicht eingetreten
werden. Wie bereits die Vorinstanz dargelegt hat, wurde vorliegend keine
Ausweisung verfügt; falls der Beschwerdeführer mit dem Begehren um deren
Sistierung sinngemäss um Erlass vorsorglicher Massnahmen zwecks Verhinderung
des Vollzugs der Wegweisung während des bundesgerichtlichen
Beschwerdeverfahrens ersuchen wollte, ist sein Gesuch mit dem Entscheid in
der Sache gegenstandslos geworden.

2.
2.1 Gemäss dem - wie erwähnt - analog anzuwendenden Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der
ausländische Ehegatte eines Unionsbürgers grundsätzlich Anspruch auf
Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Kein Anspruch besteht,
wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und
Niederlassung von Ausländern zu umgehen (Art. 7 Abs. 2 ANAG), sowie bei
rechtsmissbräuchlicher Berufung auf eine definitiv gescheiterte Ehe.

2.2 Nach gefestigter bundesrichterlicher Rechtsprechung liegt
Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich im fremdenpolizeilichen
Verfahren auf eine Ehe beruft, welche nur (noch) formell besteht oder
aufrecht erhalten wird, mit dem alleinigen Ziel, ihm eine
Anwesenheitsberechtigung zu ermöglichen. Hierzu dienen weder Art. 7 ANAG
(vgl. BGE 130 II 113 E. 8.3 S. 129) noch Art. 3 des Anhangs I zum
Freizügigkeitsabkommen. Die gesetzliche und staatsvertragliche Regelung will
die Führung des Familienlebens in der Schweiz - allenfalls auch in einer
vorübergehenden Krisensituation - ermöglichen und absichern, jedoch nicht
einem missbräuchlichen, ausschliesslich fremdenpolizeilich motivierten
Festhalten an einer klar inhaltsleeren Ehe Vorschub leisten (vgl. BGE 130 II
113 E. 9.5 S. 134; 127 II 49 E. 5a S. 56).

Dass die Ehe nur noch formell und ohne Aussicht auf Wiederaufnahme einer
ehelichen Gemeinschaft besteht, entzieht sich in der Regel dem direkten
Beweis und ist bloss durch Indizien zu erstellen (BGE 130 II 113 E. 10.2 S.
135 mit Hinweis). Feststellungen über das Bestehen solcher Indizien können
äussere Gegebenheiten, aber auch innere, psychische Vorgänge betreffen (Wille
der Ehegatten); es handelt sich so oder anders um tatsächliche
Feststellungen, welche für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind
(vgl. Art. 105 Abs. 1 bzw. Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1
BGG). Frei zu prüfen ist die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen
(Indizien) darauf schliessen lassen, die Berufung auf die Ehe bezwecke die
Umgehung fremdenpolizeilicher Vorschriften und sei rechtsmissbräuchlich
(BGE 128 II 145 E. 2.3 S. 152 mit Hinweisen).

3.
3.1 Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz leben die Ehegatten seit langem
getrennt und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie beabsichtigen, die
Ehe fortzuführen. Hinweise darauf, dass die Feststellungen des
Verwaltungsgerichts zum Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder
unvollständig wären, sind nicht ersichtlich und gehen namentlich auch nicht
aus den Vorbringen des Beschwerdeführers hervor. Die Eheleute trennten sich
bereits vier Monate nach der Einreise des Beschwerdeführers. Ob es danach
nochmals zu einem kurzen ehelichen Zusammenleben kam, ist aufgrund der
widersprüchlichen Aussagen der Ehefrau unklar. Die Ehefrau erklärte
einerseits, sie wolle ihrem Ehemann nochmals eine Chance geben, andererseits
beklagte sie sich, sie werde von ihm geschlagen und bedroht. Ende Juni 2005
sagte sie aus, seit Juni 2002 habe sie immer getrennt von ihrem Ehemann
gelebt und gegenteilige Angaben habe sie nur auf sein Drängen hin oder aus
Gefälligkeit gemacht. Im Juli oder August 2005 ist die Ehefrau von ihrem
Wohnort weggezogen (vermutlich nach Italien) und ist seither unbekannten
Aufenthalts. Damit hat sie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass ihr
jeglicher Wille zum Führen einer ehelichen Gemeinschaft mit dem
Beschwerdeführer fehlt. Spätestens seit diesem Zeitpunkt musste auch dem
Beschwerdeführer bewusst sein, dass die Ehe definitiv gescheitert ist. Auf
die Gründe, die ein längeres Zusammenleben verhindert bzw. zum Scheitern der
Ehe geführt haben, kommt es dabei nicht an. Dass konkret Hoffnung auf
Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens bestünde, macht auch der
Beschwerdeführer, der sich nun ebenfalls scheiden lassen will, nicht geltend.
Die mit dem unbekannten Aufenthalt der Ehegattin verbundenen Schwierigkeiten
im vom Beschwerdeführer eingeleiteten Scheidungsprozess sind für das
vorliegende Verfahren nicht von Belang.

3.2 Das Verwaltungsgericht geht in seinem Urteil von der dargestellten
Rechtsprechung zur missbräuchlichen Berufung auf die Ehe aus. Bei
gesamthafter Betrachtung aller Indizien musste sich der Schluss aufdrängen,
dass keine Aussichten auf Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft bestehen
und die Ehe definitiv gescheitert war, bevor ein Anspruch auf die
Niederlassungsbewilligung entstehen konnte. Wenn sich der Beschwerdeführer
unter den dargelegten Umständen dennoch auf die Ehe beruft, um die
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu erwirken, handelt er
rechtsmissbräuchlich. Für alles Weitere wird auf die schlüssigen Ausführungen
im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).

4.
4.1 Die Beschwerde erweist sich somit als offensichtlich unbegründet und ist
im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann.

4.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren
nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers wird bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung
getragen (vgl. Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat des Kantons Zürich
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, sowie
dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Juli 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: