Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.557/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_557/2007 /bru

Urteil vom 21. Dezember 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
nebenamtlicher Bundesrichter Locher,
Gerichtsschreiber Matter.

Parteien
X._______,
Beschwerdeführerin,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Nachsteuern 2001-2003 (Kantons- und Gemeindesteuern, direkte Bundessteuer),

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 3. September 2007.

Sachverhalt:
A.
X._______, geb. 1932, gewährte Y._______ am 19. Juli 1999 ein Darlehen von Fr.
700'000.-- durch Übernahme einer Schuld, die er gegenüber der Bank Z._______
hatte. Die Verzinsung der Schuld sollte zu den selben Bedingungen erfolgen, wie
sie im Verhältnis zur Bank bestanden. Effektiv wurden die Zinsen nicht bezahlt,
sondern zum Kapital geschlagen.

X._______ gab in den Steuerperioden 2001, 2002 und 2003 jeweils das um die
laufenden Zinsen erhöhte Darlehen als Vermögen an. Sie unterliess es aber, die
Zinsen zugleich als Einkommen zu deklarieren. Diese Veranlagungen blieben
unangefochten und erwuchsen in Rechtskraft.
B.
Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens 2004 stellte das Steueramt A._______ fest,
dass X._______ für das genannte Darlehen keinen Zinsertrag deklariert hatte.
Deshalb eröffnete die Steuerverwaltung des Kantons Luzern, Abteilung
Nachsteuern und Strafsteuern, gegen X._______ ein Nach- und
Strafsteuerverfahren, orientierte sie über das Untersuchungsergebnis und gab
ihr die Möglichkeit, die Nachsteuern auf den nicht deklarierten Zinsen (Fr.
30'625.-- pro 2001, Fr. 28'000.-- pro 2002 und Fr. 24'062.-- pro 2003)
unterschriftlich anzuerkennen. X._______ lehnte die Zustimmungserklärung ab.
Darauf sprach die Steuerverwaltung Magdalena Reichert mit zwei separaten
Verfügungen vom 4. Dezember 2006 bei den Staats- und Gemeindesteuern sowie der
direkten Bundessteuer der eventualvorsätzlich begangenen vollendeten
Steuerhinterziehung für die Steuerjahre 2001, 2002 und 2003 schuldig. Für die
nicht deklarierten Einkünfte wurden ihr Nachsteuern (inkl. Verzugszinsen) im
Betrag von Fr. 17'270.30 (Staats- und Gemeindesteuern) bzw. Fr. 7'229.70
(direkte Bundessteuer) auferlegt. Auf die Erhebung einer Busse wurde aufgrund
der besonderen Umstände verzichtet. Gegen diese Verfügungen erhobene
Einsprachen wurden mit Entscheiden vom 10. Januar 2007 abgewiesen. Beschwerden
an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wurden mit Urteil vom 3. September
2007 ebenfalls abgewiesen.

C.
X._______ hat am 9. Oktober 2007 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 3. September 2007 aufzuheben; von
der Erhebung einer Nachsteuer sei abzusehen.
D.
Die Steuerverwaltung und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie die
Eidgenössische Steuerverwaltung (Hauptabteilung Direkte Bundessteuer,
Verrechnungssteuer, Stempelabgaben) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

I. Eintreten, Kognition
1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gemäss Art. 82
ff. des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG, SR
173.110) in Verbindung mit Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990
über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11) sowie Art. 73 des Bundesgesetzes
vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone
und Gemeinden (StHG, SR 642.14), beide in der Fassung gemäss Anhang Nr. 57 bzw.
58 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG,
SR 173.32), zulässig. Die Beschwerdeführerin ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1
BGG zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert. Auf
die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 100
und Art. 42 BGG).
1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Sachverhaltsfeststellungen
der Vorinstanz können nur berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig
sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105
Abs. 2 BGG).

II. Direkte Bundessteuer
2.
Ergibt sich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerbehörde
nicht bekannt waren, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben oder eine
rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist, oder ist eine unterbliebene oder
unvollständige Veranlagung auf ein Verbrechen oder ein Vergehen gegen die
Steuerbehörde zurückzuführen, so wird die nicht erhobene Steuer samt Zins als
Nachsteuer eingefordert (Art. 151 Abs. 1 DBG). Ein Verschulden des
Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich, vielmehr kommt es auf die Würdigung
der jeweiligen Pflichten des Steuerpflichtigen und der Steuerbehörde bei der
Veranlagung an.

Nach Artikel 123 Absatz 1 DBG stellen die Veranlagungsbehörden zusammen mit dem
Steuerpflichtigen die für eine vollständige und richtige Besteuerung
massgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse fest. Behörden und
Steuerpflichtiger arbeiten grundsätzlich gemeinsam auf eine richtige und
vollständige Veranlagung hin. Der Steuerpflichtige muss alles tun, um eine
vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen (Art. 126 Abs. 1 DBG).
Insbesondere muss er das Formular für die Steuererklärung wahrheitsgemäss und
vollständig ausfüllen (Art. 124 Abs. 2 DBG); dazu hat er bestimmte Beilagen
einzureichen, und er trägt die Verantwortung für die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Steuererklärung. Ist er sich über die steuerrechtliche
Bedeutung einer Tatsache im Unklaren, darf er diese nicht einfach verschweigen,
sondern hat er auf die Unsicherheit hinzuweisen. Jedenfalls muss er die
Tatsache als solche vollständig und zutreffend darlegen.

Demgegenüber prüft die Veranlagungsbehörde die Steuererklärung und nimmt die
erforderlichen Untersuchungen vor (Art. 130 Abs. 1 DBG). Die Steuerbehörde darf
sich jedoch grundsätzlich darauf verlassen, dass die Steuererklärung richtig
und vollständig ist. Sie ist nicht verpflichtet, ohne besonderen Anlass
Quervergleiche mit Akten anderer Steuerpflichtiger vorzunehmen oder im
Steuerdossier nach ergänzenden Unterlagen zu suchen. Die Steuerbehörde darf
freilich auch nicht unbesehen in der Art auf die Steuererklärung abstellen, wie
wenn es sich um eine Selbstveranlagung handeln würde. Sie muss insbesondere
berücksichtigen, dass in den Steuererklärungsformularen nicht nur Tatsachen
einzutragen sind, sondern sich dabei auch eigentliche Rechtsfragen stellen.
Eine Pflicht zu ergänzender Untersuchung besteht für die Steuerbehörden aber
nur dann, wenn die Steuererklärung Fehler enthält, die klar ersichtlich bzw.
offensichtlich sind. Bloss erkennbare Mängel genügen nicht, um davon
auszugehen, bestimmte Tatsachen oder Beweismittel seien den Behörden schon zur
Zeit der Veranlagung bekannt gewesen bzw. es müsse diesen ein entsprechendes
Wissen angerechnet werden (vgl. zum Ganzen u.a. StR 61/2006 E. 2, ASA 73 482 E.
3.3).
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin hat in ihren Steuererklärungen 2001, 2002 und 2003
das hier interessierende Darlehensguthaben jeweils im Wertschriftenverzeichnis
deklariert und den im laufenden Jahr fällig gewordenen Zins zum Kapital
geschlagen. Auf diese Weise betrug das "Darlehen Y._______" Ende 2001 Fr.
769'403.--, Ende 2002 Fr. 797'403.-- und Ende 2003 Fr. 821'465.--. Die Kolonnen
"Bruttoertrag" der drei Steuerjahre enthielten durchwegs keinen Eintrag.

Diese Angaben im Wertschriftenverzeichnis waren offensichtlich fehlerhaft. Ein
Zins kann nicht zum Kapital geschlagen werden, ohne dass er vorher
einkommenssteuerrechtlich erfasst wurde (vgl. Ernst Känzig, Wehrsteuer [Direkte
Bundessteuer], 2. Aufl. I. Teil, Basel 1982, N 104 zu Art. 21 Abs. 1 lit. c
BdBst; Louis Bochud, Darlehen an Aktionäre aus wirtschaftlicher, zivil- und
steuerrechtlicher Sicht, Diss. BE 1991, S. 318 f.).

Angesichts der in die Augen springenden Falschdeklaration seitens der über
siebzigjährigen Beschwerdeführerin hätte die Steuerbehörde bei gehöriger
Sorgfalt schon im ordentlichen Veranlagungsverfahren einschreiten und die nicht
deklarierten Zinserträge aufrechnen müssen. Darlehen werden in der Regel nicht
zinsfrei gewährt, und die Erhöhung um nicht nachvollziehbare Beträge von Jahr
zu Jahr hätte die Steuerbehörde zu Rückfragen veranlassen müssen. Damit wäre
der wahre Sachverhalt ohne weiteres erhellt worden, wie es ja schliesslich
bezüglich des Steuerjahres 2004 geschehen ist. Sah die Steuerverwaltung im
Veranlagungsverfahren pflichtwidrig von der erforderlichen Berichtigung ab, so
kann sie diese mangels "neuer Tatsachen" nicht im Nachsteuerverfahren nachholen
(vgl. StE 2007 B 97.41 Nr. 19 E. 3.2, siehe auch Hugo Casanova, Die Nachsteuer,
ASA 68 S. 5). Die Voraussetzungen für die Erhebung von Nachsteuern 2001, 2002
und 2003 gemäss Art. 151 DBG sind hier somit nicht erfüllt.

III. Kantons- und Gemeindesteuern
4.
Die Bestimmungen über die Nachsteuer im Steuerharmonisierungsgesetz (Art. 53
StHG) und im kantonalen Steuerrecht (§ 174 Abs. 1 des Steuergesetzes des
Kantons Luzern vom 22. November 1999) stimmen mit der Regelung im Recht der
direkten Bundessteuer überein. Für die Kantons- und Gemeindesteuern
rechtfertigt sich die Erhebung von Nachsteuern ebenfalls nicht.

IV. Kosten und Entschädigung
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Kanton Luzern, der
Vermögensinteressen wahrnimmt, die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu
tragen (Art. 65 f. BGG). Die Beschwerdeführerin ist nicht anwaltlich vertreten
und hat somit keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 BGG). Über
die Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens wird die
Vorinstanz neu zu befinden haben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen und
das angefochtene Urteil aufgehoben.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Kanton Luzern auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Dezember 2007
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Matter