Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.548/2007
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2C_548/2007/leb

Urteil 30. Januar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Küng.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Michael Bessler,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
City Bernina, Berninastrasse 45, 8090 Zürich.

Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom
22. August 2007.

Sachverhalt:

A.
Der aus dem ehemaligen Serbien-Montenegro stammende A.________ (geb. 1973)
reiste 1996 in die Schweiz ein. Nach einem erfolglosen Asylersuchen wurde er
gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 7. April 1999 betreffend
gruppenweise Aufnahme von jugoslawischen Staatsangehörigen vorläufig
aufgenommen. Nach Aufhebung dieses Beschlusses wurde ihm eine Frist bis zum
31. Mai 2000 gesetzt, um die Schweiz zu verlassen. Am 23. Juni 2000 heiratete
er die Schweizer Bürgerin B.________ (geb. 1977), worauf ihm eine
Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde.

Die Eheleute trennten sich kurz danach wieder und die Ehefrau zog im Januar
2001 von Zürich nach X.________/SG, wo sie im Juli 2001 ein
Scheidungsverfahren einleitete. Mit ihrem neuen Lebenspartner zeugte sie eine
Tochter, die im Januar 2002 geboren wurde. Ihre Scheidungsklage wurde am 19.
März 2003 abgewiesen (wegen der erforderlichen Trennungsdauer: vgl. Beschluss
des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 18. April 2007 E. 5d und kant.act.
30).
Am 8. September 2005 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich das Gesuch von
A.________ um Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ab. Der
Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wiesen die von
A.________ dagegen erhobenen Rechtsmittel ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 4. Oktober 2007
beantragt A.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts
vom 22. August 2007 aufzuheben und seine Aufenthaltsbewilligung zu
verlängern.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich und das Bundesamt für Migration
beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

C.
Mit Verfügung vom 9. Oktober 2007 erkannte der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer hat sein Gesuch um Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung am 29. November 2002 eingereicht. Gemäss Art. 126 Abs.
1 des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 16. Dezember
2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) bleibt somit in
materieller Hinsicht das bisherige Recht anwendbar.

2.
2.1 Nach Art. 7 Abs. 1 ANAG (in der Fassung vom 23. März 1990) hat der
ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers grundsätzlich Anspruch auf
Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sowie nach einem
ordnungsgemässen und ununterbrochenem Aufenthalt von fünf Jahren auf
Erteilung der Niederlassungsbewilligung; der Anspruch erlischt, wenn ein
Ausweisungsgrund vorliegt. Da die Ehe des Beschwerdeführers mit einer
Schweizerin formell noch besteht, ist auf die Beschwerde einzutreten (vgl.
BGE 128 II 145 E. 1.1.2, mit Hinweisen).

2.2 Kein solcher Anspruch besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um
die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und
namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Art. 7
Abs. 2 ANAG). Erfasst wird davon insbesondere die sog. Scheinehe bzw.
Ausländerrechtsehe, bei der die Ehegatten von vornherein keine echte eheliche
Gemeinschaft beabsichtigen. Auch wenn die Ehe nicht bloss zum Schein
eingegangen worden ist, heisst dies jedoch nicht zwingend, dass dem
ausländischen Ehepartner der Aufenthalt ungeachtet der weiteren Entwicklung
gestattet werden muss. Zu prüfen ist diesfalls, ob sich die Berufung auf die
Ehe nicht anderweitig als rechtsmissbräuchlich erweist, was namentlich dann
der Fall ist, wenn ein Ausländer sich im fremdenpolizeilichen Verfahren auf
eine Ehe beruft, welche nur noch formell besteht oder aufrechterhalten wird
mit dem alleinigen Ziel, dem Ausländer eine Anwesenheitsbewilligung zu
ermöglichen (BGE 130 II 113 E. 4.2, mit Hinweisen).

2.3 Ein Rechtsmissbrauch darf nicht leichthin angenommen werden, namentlich
nicht schon deshalb, weil die Ehegatten nicht mehr zusammenleben oder ein
Eheschutz- oder Scheidungsverfahren eingeleitet worden ist. Erforderlich sind
klare Hinweise darauf, dass die Führung einer Lebensgemeinschaft - aus
welchen Gründen auch immer - nicht mehr beabsichtigt und nicht mehr zu
erwarten ist (BGE 130 II 113 E. 4.2, mit Hinweisen). Ein entsprechender
Sachverhalt muss zudem bereits vor Ablauf der Fünfjahresfrist, d.h. vor
Erlangung des grundsätzlichen Anspruches auf die Niederlassungsbewilligung
vorgelegen haben (BGE 121 II 97 E. 4c S. 104 f.). Ob die Ehe, auf welche sich
der Ausländer beruft, seither noch gelebt wurde oder Bestand hatte, ist
grundsätzlich unerheblich. Immerhin können aber nachträglich eingetretene
Sachumstände Indizien bilden, welche auf das Vorliegen (oder Nichtvorliegen)
eines Rechtsmissbrauchs im massgeblichen Zeitpunkt schliessen lassen (Urteil
2C_241/2007 vom 12. Oktober 2007 E. 3, mit Hinweisen).

3.
3.1 Das Verwaltungsgericht geht im vorliegenden Fall von einer
rechtsmissbräuchlichen Berufung auf eine inzwischen nur noch formell
bestehende Ehe aus. Es hat dazu festgestellt, dass das eheliche Zusammenleben
bereits nach höchstens elf Monaten aufgegeben und bis heute nicht wieder
aufgenommen worden sei. Nach den Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers
lebt diese sogar schon seit September oder November 2000 getrennt von ihrem
Ehemann (kant.act. 18/2 und 30). Der Anwalt der Ehefrau hat denn auch noch im
Jahr 2000 eine Trennungsvereinbarung ausgearbeitet, die jedoch vom
Beschwerdeführer nicht unterschrieben worden sein soll (kant.act. 18/2).

Der Beschwerdeführer hatte zudem von Anfang 2000 bis August 2002 - also auch
noch nach seiner Heirat mit seiner Schweizer Ehefrau - eine feste
Lebenspartnerin, die aus Bosnien-Herzegowina stammt. Diese verletzte er im
Januar 2003, nachdem er ihr bereits im Dezember 2002 angedroht hatte, sie zu
erschiessen. Das Bezirksgericht Bülach verurteilte ihn dafür am 5. Februar
2004 wegen einfacher Körperverletzung und Drohung zu zwei Monaten Gefängnis.
Ein weiteres Strafverfahren wegen Drohung gegen diese frühere Lebenspartnerin
(sie und anschliessend sich selbst umzubringen) wurde am 28. September 2006
wegen Rückzuges des Strafantrages eingestellt (kant.act. 87/1); der in Frage
stehende Vorfall soll sich nach der nicht widerrufenen Aussage der
Betroffenen im Juni 2006 ereignet haben.

Im Schreiben der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 24. Juli 2002 an das
Migrationsamt spricht diese von einer Scheinehe und sogar von Morddrohungen;
sie erklärte, dass niemals eine Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens
beabsichtigt sei; sie habe einen Fehler gemacht, den sie bereue. Schliesslich
ersuchte sie das Migrationsamt, ihre neue Adresse vor ihrem Ehemann geheim zu
halten, da sie um ihre Familie Angst habe. Am 27. Januar 2003 erklärte der
Beschwerdeführer selber, alle seine Bemühungen würden von seiner Frau
vollständig ignoriert bzw. seine Versuche zur Kontaktaufnahme würden
abgeblockt und seien ganz ohne Erfolg; ein Interesse seiner Frau an einer
Kontaktpflege mit ihm sei nicht zu bemerken; entsprechend gebe es von seiner
Frau keine Antworten.

Am 1. Juni 2005 ersuchte das Migrationsamt auf Grund neuer Vorbringen des
Beschwerdeführers die Ehefrau, verschiedene Fragen betreffend Scheidung,
erneute Kontakte und Wiederannäherung bzw. Wiederaufnahme der
Wohngemeinschaft der Ehegatten zu beantworten. Diese hat sich jedoch nicht
vernehmen lassen (kant.act. 86).

Gestützt auf diese nicht bestrittenen tatsächlichen Feststellungen durfte die
Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht darauf schliessen, dass die Ehe
des Beschwerdeführers endgültig gescheitert ist und nur noch formell besteht.
Nachdem der Beschwerdeführer ausser nicht belegten Behauptungen kein einziges
Indiz darlegt, welches auf eine Wiederannäherung beider Ehegatten schliessen
lassen könnte, ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz keine
neue Stellungnahme der Ehefrau einverlangte. Von einer Umkehr der Beweislast
kann nicht die Rede sein. Angesichts der klar gegen seine Darstellung einer
Wiederannäherung sprechenden Indizien wäre es für den Beschwerdeführer
zumutbar gewesen, eine entsprechende schriftliche Erklärung seiner Ehefrau
beizubringen, wenn eine solche tatsächlich stattgefunden hätte. Was der
Beschwerdeführer vorbringt, erschöpft sich in seiner eigenen, abweichenden
Sicht der Dinge und lässt die Folgerungen des Verwaltungsgerichts nicht als
willkürlich erscheinen. Auf Grund der sich aus den Akten ergebenden
eindeutigen Haltung der Ehefrau durfte das Verwaltungsgericht auch in
zulässiger antizipierter Beweiswürdigung darauf verzichten, weitere
Abklärungen vorzunehmen. Auch wenn der Beschwerdeführer sich erfolglos um ein
Zusammenkommen bemüht haben sollte, kann kein Zweifel daran bestehen, dass
für die Ehefrau nach dem Verlassen der ehelichen Wohnung eine Wideraufnahme
der ehelichen Beziehung zu keinem Zeitpunkt mehr in Frage kam. Der
Beschwerdeführer bringt keine Indizien vor, die darauf schliessen lassen
könnten, die Ehefrau sei inzwischen von ihrer klaren Absicht, nicht mehr mit
ihm zusammenzuleben, abgewichen. Eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 BGG) ist nicht dargetan.

3.2 Unter den gegebenen Umständen durfte das Verwaltungsgericht gestützt auf
die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichts ohne Verletzung von
Bundesrecht annehmen, die Ehe des Beschwerdeführers habe im massgebenden
Zeitpunkt der Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung bereits seit einiger
Zeit nur noch formell bestanden und seine Berufung darauf bzw. auf Art. 7
Abs. 1 ANAG sei somit als rechtsmissbräuchlich zu werten. Es kann auf diese
zutreffenden Ausführungen verwiesen werden (angefochtenes Urteil E. 2 und
3.4).

4.
Da der Beschwerdeführer seit Jahren nicht mehr mit seiner Ehefrau
zusammenlebt und ebenfalls keine Indizien für eine intakte und tatsächlich
gelebte Ehe erkennbar sind, hat die Vorinstanz zu Recht erkannt, dass er sich
auch nicht auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen kann. Dies gilt auch in Bezug auf
den Schutz des Privatlebens (Art. 13 Abs. 1 BV). Der Beschwerdeführer belegt
- ausser den behaupteten Beziehungen zu Landsleuten und Verwandten - keine
besonders intensiven, über eine normale Integration hinausgehenden privaten
Beziehungen zur oder in der Schweiz, die ihm allenfalls einen Anspruch auf
Bewilligungserteilung geben könnten (vgl. angefochtenes Urteil E. 1.2). Was
er vorbringt, lässt nicht auf eine unauflösbare Verwurzelung in der Schweiz
schliessen, wie dies für die Anerkennung eines Anwesenheitsrechts gestützt
auf die Garantie auf Achtung des Privatlebens erforderlich wäre (vgl. BGE 130
II 281 E. 3.2, mit Hinweisen).

5.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der
Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Januar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Küng