Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.541/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


2C_541/2007 /leb

Urteil vom 7. November 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Küng.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Urs Ebnöther,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Haftrichter,
Postfach, 8026 Zürich.

Fortsetzung der Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b
Abs. 2 ANAG,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Verfügung des
Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter, vom 3. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Der aus Niger stammende X.________ (geb. 1986) reiste im Oktober 2003 illegal
in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, welches am 16. Januar 2004
abgelehnt wurde; gleichzeitig wurde die Wegweisung des Gesuchstellers aus der
Schweiz verfügt. Dagegen führte dieser erfolglos Beschwerde bei der
Schweizerischen Asylrekurskommission. Der Anweisung, die Schweiz zu
verlassen, leistete er keine Folge. Im Oktober 2004 wurde er wegen
Drogenhandels mit 30 Tagen Gefängnis bedingt (Probezeit 2 Jahre) bestraft,
worauf ihn das Migrationsamt des Kantons Zürich aus der Stadt Zürich
ausgrenzte. Am 18. Oktober 2005 wurde er wegen Missachtung der Ausgrenzung
mit 45 Tagen Gefängnis bedingt bestraft. Nachdem er dennoch wiederholt in
Zürich angetroffen worden war, wurde er am 1. Februar 2006 wegen
Widerhandlung gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften mit 90 Tagen Gefängnis
unbedingt bestraft; zugleich wurden die zwei bedingten Strafen als
vollziehbar erklärt.

Am 13. Dezember 2006 nahm das Migrationsamt des Kantons Zürich den
mittellosen und über keinen festen Wohnsitz in der Schweiz verfügenden
X.________ in Ausschaffungshaft. Die Haftrichterin bewilligte am 14. Dezember
2006 die Haft bis 10. März 2007. Mit Verfügung des Haftrichters vom 1. März
2007 wurde die Fortsetzung der Ausschaffungshaft bis 10. Juni 2007 bewilligt.
Da bis dahin zwar die Identität von X.________ geklärt, aber die nötigen
Reisepapiere mangels Mitwirkung des Inhaftierten noch nicht beschafft werden
konnten, verlängerte der Haftrichter am 1. Juni 2007 die Ausschaffungshaft
bis 10. September 2007.
Am 6. Juli 2007 wies das Bundesamt für Migration ein Gesuch von X.________ um
Wiedererwägung des Asylentscheides im Wegweisungspunkt ab. Dieses hatte er
damit begründet, dass er in einer Lebenspartnerschaft mit einer Frau aus
Eritrea lebe, die den Asylstatus und eine Jahresaufenthaltsbewilligung
besitze; im Januar 2007 sei ihre gemeinsame Tochter Y.________ geboren
worden. Gegen den Wiedererwägungsentscheid erhob X.________ Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht, welches am 8. August 2007 das Gesuch um
vorsorgliche Aussetzung des Wegweisungsvollzuges abwies und die Wegweisung
als vollziehbar erklärte.

Der Haftrichter wies am 16. August 2007 ein Haftentlassungsgesuch von
X.________ ab. Dieses war im Wesentlichen damit begründet worden, dass er am
30. Juli 2007 beim Amt für Migration des Kantons Luzern gestützt auf Art. 8
EMRK ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt habe.

Mit Urteil vom 30. August 2007 trat das Bundesverwaltungsgericht wegen
Nichtleistung des Kostenvorschusses auf die Beschwerde gegen die Abweisung
des Wiedererwägungsgesuchs durch das Bundesamt für Migration nicht ein.

Am 31. August 2007 wies das Bundesamt für Migration ein Gesuch von X.________
um Aussetzung des Vollzugs der Wegweisung ab.

Mit Verfügung vom 3. September 2007 bewilligte der Haftrichter die
Fortsetzung der Ausschaffungshaft bis 10. Dezember 2007.

Das Amt für Migration des Kantons Luzern trat am 24. September 2007 auf die
Gesuche von X.________ um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bzw. um
Anordnung einer vorsorglichen Massnahme nicht ein. Gegen diesen Entscheid
erhob X.________ am 16. Oktober 2007 Beschwerde beim Justiz- und
Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________
dem Bundesgericht, die Verfügung des Haftrichters vom 3. September 2007
aufzuheben und ihn aus der Ausschaffungshaft zu entlassen.

Das Migrationsamt des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit zur Stellungnahme zu den
Vernehmlassungen keinen Gebrauch gemacht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die zuständige Behörde darf einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen
bzw. in dieser belassen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b des
Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung (ANAG; SR
142.20) erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzlicher,
nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid
vorliegt, dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Reisepapiere) noch nicht
möglich, jedoch absehbar ist. Zudem muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG
genannten Haftgründe bestehen, die Ausschaffung rechtlich und tatsächlich
möglich sein und die Papierbeschaffung mit dem nötigen Nachdruck verfolgt
werden; die Haft hat als Ganzes verhältnismässig zu sein (BGE 130 II 56 E. 1,
mit Hinweisen).

1.2 Der Beschwerdeführer wurde durch das Bundesamt für Flüchtlinge bzw. die
Schweizerische Asylrekurskommission gestützt auf Art. 44 Abs. 1 des
Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31) aus der Schweiz
weggewiesen. Sie hat dabei erkannt, dass der Vollzug der Wegweisung zulässig,
zumutbar und möglich sei. Das Urteil ist rechtskräftig.

1.3 Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens bildet einzig die Rechtmässigkeit
der Ausschaffungshaft, nicht auch die (Aufenthalts-)Bewilligungs- oder
Wegweisungsfrage (BGE 130 II 56 E. 2).

2.
Der Beschwerdeführer wurde im Dezember 2006 gestützt auf die Haftgründe von
Art. 13a lit. b und e (in Verbindung mit Art. 13b Abs. 1 lit. b) sowie Art.
13b Abs. 1 lit. c ANAG in Ausschaffungshaft versetzt. Diese drei Haftgründe
wurden in den bisherigen Entscheiden über die Verlängerung der Haft
vollumfänglich bestätigt. Im angefochtenen Entscheid wird insoweit ebenfalls
auf diese Entscheide verwiesen. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was
diese Haftgründe dahinfallen liesse. Es kann daher mit der Vorinstanz davon
ausgegangen werden, dass sie weiterhin erfüllt sind.

3.
3.1 Die angefochtene Haftverlängerung stützt sich auf Art. 13b Abs. 2 ANAG,
nach welcher Bestimmung die Ausschaffungshaft um höchstens 15 Monate
verlängert werden kann, wenn der Weg- oder Ausweisung besondere Hindernisse
entgegenstehen. Die Ausschaffungshaft soll den Vollzug der geplanten
Entfernungsmassnahme sicherstellen und muss ernsthaft geeignet sein, diesen
Zweck zu erreichen, was nicht (mehr) der Fall ist, wenn die Weg- oder
Ausweisung trotz der behördlichen Bemühungen nicht in absehbarer Zeit
vollzogen werden kann. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG sieht in dieser Situation
die Beendigung der Haft vor, soweit sie sich nicht mehr mit einem hängigen
Ausweisungsverfahren rechtfertigen lässt (BGE 130 II 56 E. 4.1.1, mit
Hinweisen). Für die Undurchführbarkeit müssen triftige Gründe sprechen, d.h.
es muss praktisch feststehen, dass sich die Ausschaffung nicht innert
vernünftiger Frist wird realisieren lassen. Das ist regelmässig nur dann der
Fall, wenn sie mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen bzw. ihr Vollzug
nicht mehr absehbar erscheint, obwohl die Identität des Ausländers belegt ist
oder doch wenigstens kein Anlass besteht, an dessen behaupteter Herkunft zu
zweifeln. Nur falls keine oder bloss eine höchst unwahrscheinliche, rein
theoretische Möglichkeit besteht, die Wegweisung zu vollziehen, ist die Haft
zu beenden, nicht indessen bei einer ernsthaften, wenn auch allenfalls (noch)
geringen Aussicht hierauf (BGE 133 II 1 nicht publizierte E. 6.1, mit
Hinweisen).

3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er führe seit rund zwei Jahren eine
eheähnliche Beziehung mit seiner aus Eritrea stammenden Verlobten, mit der er
ein gemeinsames Kind habe und die als anerkannter Flüchtling über eine
Aufenthaltsbewilligung verfüge. Gestützt auf Art. 8 EMRK habe er damit einen
Anspruch auf Erteilung einer Jahresaufenthaltsbewilligung. Ein entsprechendes
Gesuch habe er beim Migrationsamt des Kantons Luzern eingereicht, welches
darauf nicht eingetreten sei. Mit den ihm gegen den ablehnenden Entscheid der
kantonalen Behörden zur Verfügung stehenden Rechtsmittelmöglichkeiten könne
er nicht ohne weiteres erreichen, dass innert der gesetzlich vorgesehenen
Haftdauer rechtskräftig über sein Gesuch um Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung entschieden werde.

3.3 Der Beschwerdeführer verkennt, dass seine Verlobte und damit auch deren
Kind (Art. 9 Abs. 4 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV; SR 142.201]) lediglich über
eine Aufenthaltsbewilligung verfügen, womit er - selbst als Vater des Kindes
- keinen bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung hat (Art. 17 Abs. 2 ANAG). Das Amt für Migration des
Kantons Luzern ist denn auf das Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung
einer Aufenthaltsbewilligung auch nicht eingetreten. Es führte dazu unter
Hinweis auf den Entscheid des Bundesamtes für Migration vom 31. August 2007
aus, dass er allenfalls gestützt auf Art. 8 EMRK einen Anspruch auf eine
Aufenthaltsbewilligung habe; daraus könne indessen kein Anspruch abgeleitet
werden, den Ausgang des Aufenthaltsverfahrens in der Schweiz abzuwarten.

Es trifft zu, dass das Kind des Beschwerdeführers mit der Geburt in der
Schweiz ebenfalls anerkannter Flüchtling geworden ist (Art. 51 Abs. 3 AsylG).
Als solcher hat es gemäss Art. 60 Abs. 1 AsylG Anspruch auf eine
Aufenthaltsbewilligung bzw. auf Verlängerung derselben. Es verfügt damit -
anders als der bloss vorläufig aufgenommene Ausländer - über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz (vgl. BGE 126 II 335 E. 2b/aa). Ob dem
Beschwerdeführer gestützt darauf in dem nun von ihm angestrengten neuen
Verfahren allenfalls eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird, kann offen
bleiben.

3.4 Hier geht es allein um den Vollzug des rechtskräftigen
Wegweisungsentscheides. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht bildete bis anhin den einzigen Anlass für die
Weigerung der Botschafterin von Niger, für den Beschwerdeführer ein für die
Ausreise benötigtes "Laissez-Passer" auszustellen. Nachdem dieses Verfahren
nun aber mit dem Entscheid vom 30. August 2007 über das Wiedererwägungsgesuch
seinen Abschluss gefunden hat, kann umgehend mit der Ausstellung des
entsprechenden Reisedokuments gerechnet werden. Es sollte daher in absehbarer
Zeit möglich sein, den Beschwerdeführer auszuschaffen. Die Vorinstanz hat
dabei entgegen dessen Auffassung keineswegs verkannt, dass dieser nunmehr im
Blick auf sein in der Schweiz geborenes Kind ein neues Gesuch um Erteilung
einer Aufenthaltsbewilligung gestellt hat und auch beabsichtigt, die Mutter
des Kindes zu heiraten. Dies steht indessen einer Wegweisung nicht entgegen.
Praxisgemäss kann es dem Beschwerdeführer zugemutet werden, den Ausgang des
eingeleiteten neuen Verfahrens im Ausland abzuwarten (vgl. Urteil 2A.2/2005
vom 4. Mai 2005 E. 2).

Die Berufung des Beschwerdeführers auf das Urteil BGE 122 II 148 ist
unbehelflich. In jenem Fall war das Beschwerdeverfahren gegen die
erstinstanzlich verfügte Wegweisung noch hängig. Zudem ging es um einen
Ausländer, der eine Schweizer Bürgerin heiratete, die zuvor eine gemeinsame
Tochter geboren hatte. Die Verhältnisse waren insoweit nicht vergleichbar mit
den vorliegenden, wo die Wegweisung längst, d.h. mit dem Urteil der
Schweizerischen Asylrekurskommission vom 4. Januar 2005, rechtskräftig
geworden und inzwischen bereits auch eine Wiedererwägung der Wegweisung
letztinstanzlich abgewiesen worden ist.

3.5 Der angefochtene Entscheid über die Verlängerung der Ausschaffungshaft
verletzt demnach kein Bundesrecht.

4.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Da die Rechtsbegehren des
Beschwerdeführers als von vornherein aussichtslos zu bezeichnen sind, kann
ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht gewährt werden
(Art. 64 BGG). Entsprechend dem Ausgang hätte er die Kosten des Verfahrens
vor Bundesgericht zu tragen; es rechtfertigt sich indessen, (praxisgemäss)
von der Kostenerhebung abzusehen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung
wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt des Kantons Zürich
und dem Bezirksgericht Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. November 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: