Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.536/2007
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2C_536/2007

Urteil vom 25. Februar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, Karlen, Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

A. X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Bauer,

gegen

Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen, Moosbruggstrasse 11, 9001 St.
Gallen.

Ausweisung aus der Schweiz
(Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 29. August 2007.

Sachverhalt:

A.
A.  X.________ (geb. 1960) stammt aus der Türkei. Er lebte vom 4. Mai 1980
bis zum 20. Mai 2006 ununterbrochen in der Schweiz. Am 20. November 1983 zog
er seine Ehefrau (geb. 1965) nach. Das Ehepaar hat drei hier geborene
Töchter. Alle Familienmitglieder verfügen über die Niederlassungsbewilligung.
Am 20. Juli 2005 heiratete die Tochter B. X.________ in der Türkei einen
Landsmann, der am 8. April 2006 zu ihr in die Schweiz zog. In der Folge kam
es zu einer Auseinandersetzung, welche die Staatsanwaltschaft des Kantons
St. Gallen am 21. April 2006 veranlasste, gegen die Eltern X.________ ein
Strafverfahren wegen einer vermuteten Zwangsverheiratung der Tochter
einzuleiten. Die Ermittlungen gingen davon aus, dass es wegen der Weigerung
von B. X.________, die Ehe zu vollziehen, auch zu einem Ehrenmord hätte
kommen können.

B.
Am 18. Mai 2006 wies das Ausländeramt des Kantons St. Gallen A. X.________
für die Dauer von zehn Jahren aus der Schweiz aus, da sein Verhalten zu
schweren Klagen Anlass gegeben habe und er nicht gewillt sei, sich in der
Schweiz zu integrieren. A. X.________ wurde am 20. Mai 2006 umgehend in die
Türkei ausgeschafft. Seine Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg: Das
Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen wies seinen Rekurs am 12.
Februar 2007 ab; das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen bestätigte
diesen Entscheid auf Beschwerde hin am 29. August 2007. A. X.________ habe
unabhängig davon, dass sich der strafrechtliche Vorwurf, seine Tochter zur
Ehe gezwungen zu haben, nicht aufrecht erhalten lasse, wiederholt
Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die mit den in der Schweiz geltenden
Grundwerten nicht zu vereinbaren und Beweis für seine fehlende Integration
seien.

C.
Das Bundesgericht heisst die hiergegen gerichtete Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gut, hebt den angefochtenen Entscheid
auf und stellt fest, dass die Niederlassungsbewilligung von A. X.________
fortbesteht.

Erwägungen:

1.
1.1 ---
1.2---

2.
2.1 Nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG darf ein Ausländer aus der Schweiz
ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten im Allgemeinen und seine Handlungen
darauf schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in
die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen. Dies kann namentlich bei
"schweren oder wiederholten Verstössen gegen gesetzliche Vorschriften oder
behördliche Verfügungen", "grober Verletzung allgemeiner Gebote der
Sittlichkeit"; "fortgesetzter böswilliger oder liederlicher Nichterfüllung
der öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen" sowie
"sonstiger fortgesetzter Liederlichkeit oder Arbeitsscheu" der Fall sein
(Art. 16 Abs. 2 ANAV; AS 1949 I 228).

2.2 Jede Ausweisung setzt eine Interessenabwägung voraus; sie muss nach den
gesamten Umständen angemessen, d.h. verhältnismässig sein (Art. 11 Abs. 3
ANAG; BGE 120 Ib 6 E. 4a S. 12; 114 Ib 1 E. 1b S. 2). Dabei sind namentlich
die Schwere des Verschuldens des Betroffenen, die Dauer seiner Anwesenheit in
der Schweiz sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu
berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 ANAV). Wird durch die Ausweisung - wie hier -
die weitere Pflege familiärer Beziehungen im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK
beeinträchtigt, ist im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK
der Art und Dauer dieser Beziehungen sowie den Nachteilen Rechnung zu tragen,
welche dem Ehepartner bzw. weiteren Angehörigen erwachsen würden, müssten sie
dem Betroffenen ins Ausland folgen (Urteil des EGMR i.S. Boultif gegen
Schweiz vom 2. August 2001, Recueil CourEDH 2001-IX S. 137, Ziff. 48).

3.
3.1 Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen ging davon aus, dass der
Beschwerdeführer nicht gewillt oder fähig sei, sich in die hier "geltende
Ordnung" einzufügen. Die Konzeption der Integration bilde - wie sich aus der
neueren Gesetzgebung ergebe - einen grundlegenden Aspekt des Ausländerrechts;
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG finde deshalb auch auf Fälle Anwendung, in denen
es dem Betroffenen an der Integrationswilligkeit oder -fähigkeit fehle. Die
Toleranz gegenüber anderen kulturellen Praktiken finde ihre Grenze im
familiären Umfeld dort, wo im Innenverhältnis Zwang ausgeübt werde und für
die betroffene Person keine Möglichkeit bestehe, "ihre Gruppe ohne Nachteile"
zu verlassen. In der pluralistischen Gesellschaft müssten als gemeinsame
Basis gewisse Grundwerte - namentlich das staatliche Gewaltmonopol, die
Gleichberechtigung von Mann und Frau, die demokratische Ordnung, die
Unantastbarkeit des Lebens, die Religions- und Meinungsfreiheit sowie die
Selbstbestimmung des Individuums - respektiert werden. Personen, die nicht
fähig oder willens seien, das eigene Verhaltensmuster und ihre Sitten und
Gebräuche an diese Grundwerte anzupassen, könnten nicht als integriert gelten
und fügten sich nicht in die in der Schweiz geltende Ordnung im Sinne von
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG ein.

3.2 Die Familie X.________ habe unter der Führung des Beschwerdeführers 1995
angefangen, nach "muslimischen Regeln" zu leben; der Grundsatz, dass der
Ehemann das Haupt der Familie darstelle, gelte für sie ungebrochen. Der
Beschwerdeführer habe sich aus religiösen Gründen der Teilnahme seiner
Töchter an obligatorischen Schullagern widersetzt, wofür er zwei Mal gebüsst
worden sei. Aus verschiedenen Aussagen und Aktenstücken ergebe sich, dass er
seit seinem Entschluss, streng nach den islamischen Glaubensregeln zu leben,
unabhängig von der Zwangsverheiratung erheblichen Druck auf B. X.________,
seine beiden anderen Töchter sowie seine Ehefrau ausgeübt habe; seine strikte
Haltung und seine Verschlossenheit gegenüber der andersartigen Lebensweise in
einem westeuropäischen Land hätten zu schwerwiegenden Konflikten und zu
familieninternen Freiheitsbeschränkungen geführt, die in einer freiheitlichen
Rechtsordnung nicht hingenommen werden könnten. Auch wenn traditionellen
Vorstellungen der Familie nicht generell die Berücksichtigung versagt werden
dürfe, lägen die Grenzen jedenfalls dort, wo Familienmitglieder einem
Spannungsverhältnis ausgesetzt würden, "dem sie nicht gewachsen" seien; die
elterlichen Erwartungen, Rechts- und Moralvorstellungen einerseits und die
eigenen Wünsche und Bedürfnisse andererseits hätten bei B. X.________ in
diesem Sinne zu einer inneren Zerrissenheit geführt, welche geeignet gewesen
sei, ihr körperliches und seelisches Wohl ernsthaft zu gefährden. Dem
Beschwerdeführer sei es mit Blick auf die Verbundenheit zu seiner heimischen
Kultur zumutbar, in die Türkei zurückzukehren, wo er noch über eine Wohnung
verfüge. Seine Ehefrau habe gestützt auf ihre IV-Rente hier ein
wirtschaftliches Auskommen; die Töchter seien ihrerseits hier geboren und
volljährig bzw. bald volljährig, womit die familiären Kontakte über
Telefonate oder Ferienbesuche gepflegt werden könnten.

4.
4.1 Ziel der Integration ist das Zusammenleben der einheimischen und
ausländischen Wohnbevölkerung auf der Grundlage der Werte der
Bundesverfassung und gegenseitiger Achtung und Toleranz (Art. 4 Abs. 1 AuG).
Sie soll längerfristig und rechtmässig anwesenden Ausländerinnen und
Ausländern ermöglichen, am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben
teilzuhaben (Art. 4 Abs. 2 AuG). Der Integrationsprozess setzt sowohl den
entsprechenden Willen der Ausländerinnen und Ausländer als auch die hierfür
erforderliche Offenheit der schweizerischen Bevölkerung voraus (Art. 4 Abs. 3
AuG). Ausländische Personen sollen sich mit den gesellschaftlichen
Verhältnissen und Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen und eine
Landessprache erlernen (Art. 4 Abs. 4 AuG).

4.2 In Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG ist mit der im Gastland geltenden "Ordnung"
in erster Linie die Rechtsordnung gemeint. Ein Ausländer verstösst nicht
bereits gegen diese, wenn er gesellschaftlich nicht integriert erscheint -
etwa vor allem mit Landsleuten verkehrt oder sich in heimischen Kulturkreisen
engagiert. Aus dem Integrationsprinzip lässt sich grundsätzlich keine über
die gesetzlichen Gebote hinaus gehende Assimilationspflicht ableiten, die von
hier lebenden Ausländern eine umfassende Anpassung an hiesige Gebräuche und
Lebensweisen verlangen würde (Martin Philipp Wyss, Ausländische
Staatsangehörige und Integration, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold,
Ausländerrecht, Basel/Genf/München 2002, N 23.7; BGE 119 Ia 178 E. 8d
S. 196). Zwar kann der Grad der gesellschaftlichen Integration bei der
(fakultativen) Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eine Rolle spielen
(vgl. Art. 54 AuG); in gewissen Fällen setzt der Anspruch auf eine
Anwesenheitsbewilligung eine "erfolgreiche" Integration voraus (Art. 50 AuG;
Anwesenheitsrecht gestützt auf die Garantie der Achtung des Privatlebens: BGE
130 II 281 E. 3.2.1). Hingegen kann der Weiterbestand einer einmal erteilten
Niederlassungsbewilligung nicht allein vom Kriterium der Integration im Sinne
einer Assimilation abhängen. Widerruf (Art. 63 AuG) und Ausweisung (Art. 10
ANAG) sind nur unter den gesetzlich vorgesehenen qualifizierten
Voraussetzungen zulässig. Mangelnde Sprachkenntnisse oder abweichende
Wertvorstellungen stellen die Gültigkeit einer Niederlassungsbewilligung noch
nicht in Frage. Eine "integrationsunwillige" Gesinnung allein ist kein
ausreichender Ausweisungsgrund nach Art. 10 ANAG; der verpönte "Unwille" muss
in der Regel in einem gesetzwidrigen Verhalten zum Ausdruck gekommen sein
(vgl. BGE 96 I 266 E. 4 u. 5; Wyss, a.a.O., N 23.5).
4.3 Eine Verletzung der im Gastland geltenden Ordnung kann auch in einer
groben Missachtung von Regeln der Sittlichkeit oder zentraler
gesellschaftlicher Werte liegen (Art. 16 Abs. 2 ANAV; Andreas Zünd,
Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung, in:
Uebersax/Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht, a.a.O., N 6.29), wobei
Zwangsheiraten hierunter fallen können: Eine solche liegt vor, wenn die Ehe
ohne den freien Willen eines oder beider Ehegatten geschlossen wird. Der auf
die zwangsweise verheiratete Person ausgeübte Druck kann sich dabei auf
vielfältige Weise äussern - etwa in Form von Drohungen, emotionaler
Erpressung und anderen erniedrigenden oder kontrollierenden Handlungen. In
Extremfällen werden Zwangsheiraten auch von köperlicher, sexueller und
psychischer Gewalt, Entführung, Freiheitsberaubung und Todesdrohungen
begleitet; eine bloss arrangierte Ehe liegt vor, wenn die Ehe zwar von
Dritten initiiert, aber mit dem freien Willen beider Ehegatten geschlossen
wird. Die Grenzen sind im Einzelfall teilweise fliessend. Im Unterschied zu
den arrangierten Ehen verletzt die Zwangsheirat das Selbstbestimmungsrecht
der betroffenen Personen massiv und in schwerwiegender Weise (vgl. den
Bericht des Bundesrats vom 14. November 2007 in Erfüllung des Postulats
05.3477 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats vom 9. September
2005, S. 9; Eidgenössische Ausländerkommission, Zwangsverheiratung und
arrangierte Ehen, Eine Positionierung der EKA; Angela Bryner, Die Frau im
Asyl- und Ausländerrecht, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht,
a.a.O., N 24.3). Wurde der betroffene Ausländer deswegen strafrechtlich
verurteilt (Nötigung, Drohung, Freiheitsberaubung usw.), ist der Tatbestand
von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG erfüllt; erreicht die Druckausübung diese
Grenze (noch) nicht, kann eine Verletzung der im Gaststaat geltenden
"Ordnung" im Sinne von Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG dann vorliegen, wenn das
Verhalten mit den hiesigen gesellschaftlichen Werten und Geboten in einem
klaren Widerspruch steht; doch muss die Ausweisung mit Blick auf das künftige
Verhalten des Betroffenen und auf die gesamten Umstände auf jeden Fall im
überwiegenden öffentlichen Interesse erforderlich und verhältnismässig sein.

5.
5.1 Dies war hier nicht der Fall: Die Staatsanwaltschaft des Kantons St.
Gallen hatte am 19. Juni 2007 einen Zwischenbericht über ihre Abklärungen
erstellt, welcher dem Verwaltungsgericht vorlag; darin hielt sie unter
anderem fest: "Der Vorwurf, dass die Eltern von B. X.________ diese zur
Verlobung und zur Ehe mit Z.________ gezwungen hätten, lässt sich nicht
aufrecht erhalten". Zwar dürfte - so die Staatsanwaltschaft weiter - ein
gewisser gesellschaftlicher Druck bezüglich der Heirat bestanden und eine
Rolle gespielt haben; es frage sich aber, ob objektiv tatsächlich von einer
strafrechtlich relevanten Intensität ausgegangen werden könne. Das
Strafverfahren wurde diesbezüglich am 26. September 2007 eingestellt und die
Kosten auf die Staatskasse genommen; es stehe zwar fest, "dass A. X.________
seine Tochter sehr streng erzog und sie sich seinem Willen in der Jugend oft
unterordnen musste"; in Bezug auf die Verlobung und die Eheschliessung könne
allerdings eine strafrechtliche Nötigung nicht nachgewiesen werden;
insbesondere habe B. X.________ ihre ursprüngliche Behauptung, sie habe weder
von der bevorstehenden Verlobung noch von der Hochzeit gewusst, nicht
aufrecht erhalten und sogar eingeräumt, sie habe sich dagegen "äusserlich
nicht gewehrt"; hinsichtlich des Einbruchsversuchs in ein Nachbarhaus am Ort,
an dem sich B. X.________ bei ihrer Freundin aufgehalten hatte, müsse trotz
"sehr aufwändiger Abklärungen" davon ausgegangen werden, "dass es sich um
einen zufälligen Vorfall" gehandelt habe, "der einer unbekannten Täterschaft
ausserhalb des Bekanntenkreises der Angeschuldigten zuzuordnen" sei.

5.2 Diese Feststellungen werden durch die vorliegenden Akten erhärtet, ohne
dass Anhaltspunkte dafür bestünden, dass auf B. X.________ nach der Anhaltung
ihres Vaters bzw. ihres Gatten und deren Ausschaffung in irgendeiner Weise
Druck ausgeübt worden wäre: B. X.________ hat zugestanden, dass sie zur
Hochzeit nicht - wie anfangs ausgesagt - unter einem Vorwand in ihre Heimat
gelockt worden sei; auch habe sie von der Verlobung gewusst. Sie habe ihren
Eltern nie direkt gesagt, dass sie nicht heiraten wolle; als sie ihrer Mutter
mitgeteilt habe, sie wolle vorerst nur verlobt sein, habe sich ihr Vater das
erste Mal auf ihre Seite gestellt und der Mutter gesagt, "wenn ich noch nicht
standesamtlich heiraten wolle, dann müsse ich das nicht tun". Soweit sie
geltend gemacht hatte, ihrerseits keinen Kontakt mit ihrem Verlobten gesucht
und ihn nie geliebt zu haben, bestehen E-Mails, die zumindest für die Zeit
zwischen Ende März und Ende Mai 2005 dem widersprechen ("Dankeschön mein
Einziger. Ich vermisse Dich sehr. Ich liebe Dich. Wie geht es bei der Arbeit?
Mein Dickerchen, hast Du den Ring abgezogen? Zieh ihn nicht ab" usw.);
unbestrittenermassen verbrachte sie zudem im März 2004 einige Tage mit
Z.________ in Istanbul, wobei sie gemeinsam in einem Hotelzimmer
übernachteten, ohne dass seine oder ihre Eltern hiervon etwas gewusst hätten.
Zwar reiste sie im Sommer 2004 nicht wie sonst üblich mit den Eltern wieder
in die Türkei, sondern mit ihrer griechischen Freundin - mit der sie vom
1. Oktober 2003 bis 30. April 2005 eine Wohnung teilte und mit der sie heute
offenbar wieder zusammenlebt - nach Griechenland, doch besteht vom 6. April
2006, d.h. kurz vor der Einreise ihres Gatten, ein SMS, worin sie bei ihm
bestimmte Luxusartikel und Rauchwaren bestellt hatte, die er in die Schweiz
mitbringen sollte ("Parfum:hugo boss woman, lacoste. T-shirt: m blaue farbe,
xs soll rosa sein. bring doch auch bitte marlborogh light mit. Küsschen"),
was gegen eine Zwangsheirat spricht und allenfalls eher auf ein gewisses
Arrangement der Ehe hindeutet, dem B. X.________ zwar zwiespältig
gegenüberstand, sich aber nicht klar widersetzte.

5.3
Was die Vorinstanz zur Begründung ihres Entscheids weiter anführt, vermag
unter diesen Umständen an der Unverhältnismässigkeit der von ihr geschützten
Ausweisung nichts zu ändern:
5.3.1 Richtig ist, dass der Beschwerdeführer in hohem Masse den traditionellen
Anschauungen seines Kulturkreises sowie seiner Religion verhaftet geblieben
ist und er seine Kinder dementsprechend aufgezogen hat, sie etwa regelmässig
die Koranschule besuchen mussten, und es zwischen ihm und seiner Tochter
deswegen zu erheblichen Spannungen gekommen ist, doch kann nicht gesagt
werden, dass er dabei die physische und psychische Gesundheit seiner Tochter
bewusst und über Dauer in Missachtung hiesiger Werte beeinträchtigt hätte: B.
X.________ konnte sich vom Elternhaus insofern lösen, als sie während ihrer
Ausbildung getrennt von der Familie mit einer Freundin zusammenlebte; sie
kehrte hernach freiwillig zu ihren Eltern zurück, bevor sie wieder zu ihrer
Freundin zog. Soweit sie aussagte, ihre Eltern hätten während dieser Zeit
"Telefonterror" betrieben, ergibt sich aus den Akten nicht, was damit genau
gemeint war; hinsichtlich der Auslegung dieses Begriffs kann es zwischen
einer Jugendlichen und ihren Eltern durchaus abweichende Auffassungen geben,
zumal in einer Situation, in der (auch generationenbedingt) traditionelle
heimatliche Vorstellungen mit gewissen hiesigen Anschauungen in Konflikt
geraten und zu einem Ausgleich gebracht werden müssen. Zu Unrecht wirft das
Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer vor, dass er für das Strafverfahren
auf die Hilfe eines Dolmetschers angewiesen gewesen sei, was seine fehlende
Integration belege: Im Hinblick auf die Schwere der gegen ihn ursprünglich
erhobenen Vorwürfe (Freiheitsberaubung usw.) war es sein gutes Recht, einen
Dolmetscher beiziehen zu lassen; der Beschwerdeführer verfügt zumindest über
rudimentäre Deutschkenntnisse, soll er sich doch nach der Aussage seiner
Tochter vom 30. November 2006 bei der Wohnungssuche für sie und ihren Gatten
mit dem Hauswart auf Deutsch unterhalten haben. Es darf damit davon
ausgegangen werden, dass er diese Sprache zumindest minimal beherrscht, zumal
er auch längere Zeit Vizepräsident einer hiesigen Stiftung war.

5.3.2 Zwar mussten die Gatten X.________ zweimal gebüsst werden, weil sie
ihre Töchter nicht in das obligatorische Schullager schicken wollten; dies
reicht als Ausweisungsgrund indessen nicht aus: Unbestrittenermassen konnte
das Problem für die jüngste Tochter in der Folge gelöst werden; sie besucht
seither sämtliche Schullager. Ob der Beschwerdeführer dem aus Einsicht und
Anerkennung hiesiger Werte oder aus Angst vor einer weiteren Sanktion
zugestimmt hat, spielt - entgegen den Überlegungen des Verwaltungsgerichts -
keine bedeutende Rolle. Entscheidend ist letztlich, dass er sein Verhalten
geändert und es der hiesigen (Rechts-)Ordnung angepasst hat. Soweit noch eine
Strafe im Hinblick auf den 21. April 2005 zur Diskussion steht, an dem er
seine Tochter verfolgt haben soll, um diese gegen ihren Willen zur Rede zu
stellen, ist das entsprechende Verfahren offenbar noch nicht rechtskräftig
abgeschlossen; es geht dabei aber - auch nach Ansicht der Staatsanwaltschaft
des Kantons St. Gallen - allenfalls um eine untergeordnete Strafe. Der
Beschwerdeführer ist zwar arbeitslos und ausgesteuert; weder seine Familie
noch er sind indessen bisher fürsorgeabhängig geworden. Sie leben von der
IV-Rente der Gattin; die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers könnte
nach dem Ausländergesetz nach fünfzehn Jahren ununterbrochenem und
ordnungsgemässem Aufenthalt auch nicht mehr wegen einer erheblichen
Fürsorgeabhängigkeit widerrufen werden (vgl. Art. 63 Abs. 2 AuG).

5.3.3 Die Ausweisung auf zehn Jahre ist schliesslich mit Blick auf die
familiäre Situation unangemessen: Der Beschwerdeführer lebte bei seiner
Ausschaffung seit über 25 Jahren in der Schweiz; seine drei Kinder sind hier
zur Welt gekommen. Seine Gattin leidet seit 1997 unter einer zur Invalidität
führenden Erkrankung; sie kann das Haus nur beschränkt ohne Begleitung
verlassen und ist für die Hausarbeiten auf Hilfe angewiesen, die der
Beschwerdeführer ihr bis zu seiner Ausweisung gewährt hat. Bis 1997 hatte die
Gattin in Wechselschicht mit ihrem Mann gearbeitet und die drei Töchter
grossgezogen. Die jüngste geht hier zur Schule bzw. inzwischen ihrer weiteren
Ausbildung nach; die zweite Tochter ist offenbar in Deutschland verheiratet.
B. X.________ wünscht zwar keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater, widersetzt
sich indessen seiner Wiedereinreise nicht. Zu ihren Falschaussagen befragt,
erklärte sie der Staatsanwaltschaft: "Das kam für mich sehr plötzlich, weil
ich mich darauf nicht eingestellt hatte. Ich war von dieser Situation völlig
überfordert und konnte meine ersten Aussagen nicht mehr zurücknehmen. Als
dann die Presse ins Spiel kam, konnte ich erst recht nicht mehr zurück. Jetzt
bin ich froh, dass ich endlich sagen konnte, wie es wirklich war. Ich wollte
eigentlich mit meiner ersten Anzeige nur bewirken, dass meine Eltern merken,
dass sie nicht alles mit mir machen können, und dass sie mich in Ruhe lassen
sollen. Mehr wollte ich gar nicht".

6.
6.1---
6.2---
6.3---

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, Ziffer 1 des Urteils des
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 29. August 2007 wird
aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Niederlassungsbewilligung des
Beschwerdeführers fortbesteht.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton St. Gallen hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als
gegenstandslos abgeschrieben.

5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Gesundheitsdepartement und dem
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Februar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Hugi Yar