Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.526/2007
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2C_526/2007leb
2C_665/2007

Urteil vom 10. Dezember 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

A. ________ und B.X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,
Fruttstrasse 15, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.

Durchsetzungshaft (4. und 5. Haftverlängerung),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom
26. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
A. X.________ (geb. angeblich 1963) stammt nach eigenen Angaben aus dem
Kosovo. Er will mit seinem Vater durch ganz Westeuropa gezogen sein und sich
dabei während 21 Jahren in Deutschland aufgehalten haben. Seit Mai 2000 soll
er mit seiner angeblichen Ehefrau B.X.________ (geb. soweit feststellbar
1974) zusammenleben. Das Bundesamt für Flüchtlinge trat am 28. August 2003
auf ein Asylgesuch von A.________ und B.X.________ nicht ein und hielt sie
an, die Schweiz sofort zu verlassen, wogegen sie erfolglos an die
Schweizerische Asylrekurskommission gelangten (Nichteintretensentscheid vom
22. Oktober 2003). Am 4. März 2004 kam in Luzern ihre gemeinsame Tochter
C.X.________ zur Welt.

B.
Das Amt für Migration des Kantons Luzern nahm A.X.________ am 30. Januar 2007
in Durchsetzungshaft. Die Festhaltung wurde in der Folge wiederholt
verlängert: Am 4. September 2007 bis zum 28. Oktober 2007 und am 26. Oktober
2007 bis zum 28. Dezember 2007. Hiergegen sind A.________ und B.X.________ am
28. September 2007 (Verfahren 2C_526/2007) und am 23. November bzw. 5.
Dezember 2007 (Verfahren 2C_665/2007) mit dem Antrag an das Bundesgericht
gelangt, die haftrichterlichen Entscheide aufzuheben und A.X.________ aus der
Durchsetzungshaft zu entlassen.

C.
Das Amt für Migration und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie das
Bundesamt für Migration beantragen, die Beschwerde gegen die Haftgenehmigung
vom 4. September 2007 abzuweisen; A.X.________ hat sich zu den entsprechenden
Ausführungen nicht mehr vernehmen lassen. Bezüglich der Eingaben vom 23.
November/5. Dezember 2007 ist auf die Durchführung eines Schriftenwechsels
verzichtet worden (vgl. Art. 102 Abs. 1 BGG).

Erwägungen:

1.
Die Eingaben erweisen sich - soweit das Verfahren 2C_526/2007 nicht
gegenstandslos geworden ist (vgl. das Urteil 2C_362/2007 vom 30. August 2007,
E. 1) - als unbegründet und können in einem gemeinsamen Urteil erledigt
werden:
1.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht, die Schweiz zu verlassen, innerhalb der
ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder
Ausweisung wegen seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden, so
darf er in Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der
Ausschaffungshaft nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme zum
Ziel führt (Art. 13g Abs. 1 ANAG [SR 142.20]). Die Durchsetzungshaft ist
erstmals für einen Monat möglich. Sie kann hernach mit der Zustimmung der
zuständigen kantonalen richterlichen Behörde - bis zu einer Maximaldauer von
18 Monaten - jeweils um zwei Monate verlängert werden (Art. 13g Abs. 2 ANAG).
Die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen die
Höchstdauer von 24 Monaten nicht überschreiten (Art. 13h ANAG).

1.2 Zweck der Durchsetzungshaft ist es, die ausreisepflichtige Person in
jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der
Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder
Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht
möglich erscheint. Sie soll das letzte Mittel darstellen, wenn und soweit
keine andere Zwangsmassnahme mehr zum Ziel führt, den illegal anwesenden
Ausländer - auch gegen seinen Willen - in seine Heimat verbringen zu können
(BGE 133 II 97 E. 2.2 S. 99 f.). Ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung
findet die Durchsetzungshaft einerseits in Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (Haft
zur Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens) und andererseits in
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK (Haft zur Erzwingung einer durch das Gesetz
vorgeschriebenen Verpflichtung). Nach dem Willen des Gesetzgebers kann selbst
eine Haftdauer von 18 Monaten - je nach den Umständen des Einzelfalls -
verhältnismässig sein (vgl. BGE 133 II 97 E. 2.2 S. 100).

2.
Die gegen A.X.________ angeordnete Durchsetzungshaft entspricht weiterhin
diesen Vorgaben und verletzt kein Bundesrecht:
2.1 Die Beschwerdeführer sind im Asylverfahren rechtskräftig aus der Schweiz
weggewiesen worden. Sie vereiteln mit ihren widersprüchlichen und falschen
Angaben bzw. mit ihrem renitenten Verhalten die Bemühungen der Behörden, sie
in ihre Heimat verbringen zu können (vgl. die bundesgerichtlichen Urteile
2C_83/2007 vom 24. April 2007, E. 2.3, und 2C_390/2007 vom 15. August 2007,
E. 2.2). Gemäss den Fingerabdruckvergleichen hat sich A.X.________ bereits in
Deutschland, Frankreich, Italien sowie den Niederlanden aufgehalten;
insgesamt ist er dabei unter 14 unterschiedlichen Identitäten aufgetreten. In
den Kosovo können er und seine Familie aufgrund des Memorandums of
Understanding mit der UNMIK-Verwaltung nur verbracht werden, wenn sie hierzu
freiwillig bereit sind; sie widersetzen sich indessen immer noch einer
entsprechenden Rückkehr.

2.2 Die angefochtene Haft ist nach wie vor verhältnismässig: Sämtliche gegen
das Ehepaar X.________ bisher getroffenen milderen Massnahmen zeitigten
keinen Erfolg, weshalb nur die Durchsetzungshaft verbleibt, um sie dazu zu
bewegen, einer Rückkehr in den Kosovo zuzustimmen bzw. ihre Identität
offenzulegen und die Schweiz weisungsgemäss zu verlassen. Die administrative
Festhaltung des Familienoberhaupts ist hierzu geeignet sowie wegen des
besonders renitenten Verhaltens der Beschwerdeführer erforderlich; es ist
nicht zum Vornherein ausgeschlossen, dass sich die Ausschaffung doch noch
wird realisieren lassen. Die Notversorgung seiner Partnerin und seines Kindes
sind sichergestellt; deren regelmässiger Besuch im Gefängnis wird mittels
Reisegutscheinen ermöglicht. Auch wenn ihr gemeinsames Kind in der Schweiz
zur Welt gekommen ist, verfügen sie hier über keinen Anspruch auf Verbleib.
Sie haben das Land zu verlassen und in ihre Heimat zurückzukehren. Die
Durchsetzungshaft kann maximal 18 Monate dauern; kumuliert mit einer
allfälligen Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft ist sie - wie dargelegt -
bis zu 24 Monaten möglich. Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem
30. Januar 2007 in Durchsetzungshaft, womit die gesetzlich vorgesehene
Gesamtdauer noch nicht erreicht ist. Die Beschwerdeführer haben es jederzeit
in der Hand, die Durchsetzungshaft zu verkürzen bzw. zu beenden, indem sie
mit den Behörden wirksam kooperieren.

2.3
Was ihre Rechtsvertreterin in der Eingabe vom 5. Dezember 2007 vorbringt,
führt zu keiner anderen Beurteilung:
2.3.1 Sie verkennt, dass der Beschwerdeführer nicht in erster Linie in Haft
ist, um seine wahre Identität offen zu legen, sondern um ihn zu veranlassen,
mit den Behörden die Rückreise in die von ihm angegebene Heimat (Kosovo) zu
organisieren, was ohne seine Mitwirkung nicht möglich ist. Ob die
Haftanordnung hierzu dienlich erscheint, kann nur abgeschätzt werden; die
entsprechende Frage bildet nicht Voraus-setzung der Durchsetzungshaft,
andernfalls diese - entgegen dem gesetzgeberischen Willen - um so weniger
angeordnet werden könnte, je renitenter sich die betroffene ausländische
Person verhält und weigert, in irgendeiner Form mit den Behörden
zusammenzuarbeiten. Diese haben vorliegend alles ihnen Zumutbare zur
Abklärung der Herkunft der Beschwerdeführer vorgekehrt; gerade deshalb ist
eine Ausschaffungshaft zurzeit nicht (mehr) möglich.

2.3.2 Soweit die Rechtsvertreterin geltend macht, eine freiwillig Rückkehr
erscheine nicht mehr ausgeschlossen, widersprechen die Beschwerdeführer
diesem Einwand: A.X.________ hat auch vor der letzten Haftverlängerung
unterstrichen, nicht bereit zu sein, in den Kosovo zurückzureisen. Die
Kritik, es sei zu Unrecht nicht geprüft worden, ob eine Ausschaffung nach
Kroatien möglich wäre, steht im Widerspruch zum Vorbringen, dass "nach
allgemeiner Erfahrung des Lebens" davon auszugehen sei, dass der Kosovo
tatsächlich die "Ursprungsheimat" von A.X.________ bilde, "da sich ein Mensch
nicht leicht eine andere Heimat zuordnet als seine eigene [...]". Soweit sich
tatsächlich eine Cousine von A.X.________ in Brüssel aufhalten sollte, steht
es diesem jederzeit frei, jene zu kontaktieren und mit ihrer Hilfe dafür zu
sorgen, dass seine Herkunft erstellt und er in seine Heimat verbracht werden
kann.

2.3.3 Die Kritik, dass über das serbische Generalkonsulat keinerlei Papiere
beschafft werden könnten, überzeugt schliesslich ebenfalls nicht: Die
Beschwerdeführer bestätigen selber, dass dies bei einem Beizug von zwei
Zeugen möglich wäre; es kann unter diesen Umständen nicht gesagt werden, dass
der Sachverhalt insofern offensichtlich falsch oder unvollständig ermittelt
worden wäre; er ist für das Bundesgericht deshalb verbindlich (Art. 97 BGG).
Das Bundesamt für Migration hat im Verfahren 2C_526/2007 zudem erneut
bestätigt, dass eine Ausreise in den Kosovo "auf freiwilliger Basis sofort
möglich" wäre. Weder ein "geplantes" weiteres Asylgesuch noch die offenbar an
den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerichtete Eingabe lassen den
rechtskräftigen Wegweisungsentscheid dahinfallen oder die Durchsetzungshaft
zurzeit als unverhältnismässig erscheinen. Die Frage der Vollziehbarkeit der
Wegweisung bildet ihrerseits grundsätzlich nicht Gegenstand des
Haftprüfungsverfahrens.

3.
Für alles Weitere kann auf die Ausführungen in den angefochtenen Entscheiden
sowie in den bereits zitierten bundesgerichtlichen Urteilen in der
vorliegenden Sache verwiesen werden. Es rechtfertigt sich aufgrund der
Umstände (Bedürftigkeit, Vollzug der Wegweisung), keine Gerichtskosten zu
erheben (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung ist indessen we-gen Aussichtslosigkeit der
Begehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 2 BGG): War die anwaltliche Vertretung im
kantonalen Verfahren noch gerechtfertigt, hatte die Eingabe an das
Bundesgericht zum Vornherein keine ernsthaften Aussichten auf Erfolg.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 2C_526/2007 und 2C_665/2007 werden vereinigt und die
entsprechenden Beschwerden abgewiesen, soweit darauf einzutreten und das
Verfahren 2C_526/2007 nicht gegenstandslos geworden ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Dezember 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Hugi Yar