Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.511/2007
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2C_511/2007

Urteil vom 22. Januar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Bundesrichterinnen Yersin, Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Uebersax.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Philip Funk,

gegen

Steueramt des Kantons Aargau,
Rechtsdienst, Telli-Hochhaus, 5004 Aarau.

Jahressteuer 2000, Kantonssteuer,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 20. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 14. August 1999 verunfallte X.________ beim Fallschirmspringen. Die dabei
erlittene Wirbelsäulenverletzung führte zu einer Paraplegie. Die damalige
Arbeitgeberin von X.________, die Y.________ Personal- und
Unternehmensberatung AG, verfügte für ihr Personal bei der Z.________
Versicherungs-Gesellschaft über eine Kollektivversicherung, die eine
Unfallversicherung und eine UVG-Zusatzversicherung enthielt. Die Z.________
Versicherungs-Gesellschaft sprach X.________ am 12. November 2001 aus der
UVG-Zusatzversicherung eine Invaliditätsentschädigung von Fr. 1'315'838.--
auf der Grundlage folgender Berechnung zu:
AHV-pflichtiger Bruttolohn Fr. 172'390.70
Maximaler UVG-Lohn Fr. 97'200.00
Überschusslohn Fr. 75'190.70
Versichert: fünffacher Überschusslohn Fr. 375'953.50
Versicherte Invaliditätssumme bei Invaliditätsgrad
von 100 % Fr. 375'953.50
Progression B 350 %, ergebend Invaliditätssumme
(gerundet) Fr. 1'315'838.00
Die Z.________ Versicherungs-Gesellschaft leistete eine Teilzahlung von Fr.
700'000.-- im Jahr 2000 und die Restsumme von Fr. 615'838.-- im Jahr 2001.

B.
Am 2. Mai 2005 veranlagte die Steuerkommission Aarau X.________ für die als
Kapitalzahlung behandelte Invaliditätsentschädigung unter Berücksichtigung
der zulässigen Abzüge zu einer kantonalen Jahressteuer 2000 auf Fr.
1'215'800.--, die sie zu 40 % des Tarifs berechnete. Entgegen der Auffassung
von X.________, wonach die Kapitalzahlung der Z.________
Versicherungs-Gesellschaft aus der UVG-Zusatzversicherung steuerfrei sei,
hielt die Steuerkommission Aarau mit Einspracheentscheid vom 10. August 2005
an der fraglichen Veranlagung fest.

C.
Am 11. Oktober 2006 wies das Steuerrekursgericht des Kantons Aargau einen
Rekurs von X.________ ab. Mit Urteil vom 20. Juni 2007 wies auch das
Verwaltungsgericht, 2. Kammer, des Kantons Aargau eine dagegen erhobene
Beschwerde ab.

D.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. September
2007 an das Bundesgericht beantragt X.________, das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 20. Juni 2007 aufzuheben.

Das Kantonale Steueramt Aargau schliesst unter Verweis auf die Begründung des
verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Abweisung der Beschwerde. Das
Verwaltungsgericht hat, ebenfalls unter Verweis auf sein Urteil, im
Wesentlichen auf eine Stellungnahme verzichtet. Schliesslich hat auch die
Eidgenössische Steuerverwaltung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

E.
Mit Verfügung vom 26. September 2007 wies das präsidierende Mitglied der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts ein Gesuch von X.________
ab, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid ist kantonal letztinstanzlich und stützt sich
auf das Steuergesetz (Gesetz über die Steuern auf Einkommen, Vermögen,
Grundstückgewinnen, Erbschaften und Schenkungen) vom 13. Dezember 1983 des
Kantons Aargau (StG), mithin auf kantonales öffentliches Recht. Da kein
gesetzlicher Ausschlussgrund vorliegt, kann dagegen Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 ff. BGG erhoben werden.
Der Beschwerdeführer ist als Steuerpflichtiger und als direkter Adressat des
angefochtenen Entscheids zur Beschwerde legitimiert (vgl. Art. 89 Abs. 1
BGG).

1.2 Streitgegenstand bildet die dem Beschwerdeführer auferlegte gesonderte
Jahressteuer für das Jahr 2000. Umstritten ist einzig die Erhebung der Steuer
als solche bzw. die verweigerte Steuerbefreiung für die fragliche
Kapitalleistung. Nicht (mehr) strittig sind die Steuerberechnung und die
Frage des Zeitpunktes des Zuflusses der Kapitalleistung und damit der
Steuererhebung.

1.3 Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG
geltend gemacht werden. Das Bundesgericht prüft, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Pflicht zur rechtsgenüglichen Begründung der Beschwerde (Art. 42
Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls
nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden
rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr
vorgetragen werden (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254, mit Hinweisen). Eine
qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten
und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine
solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S.
254).

1.4 Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht und
analogem kantonalem Verfassungsrecht geltend. Er legt allerdings nicht dar,
inwieweit ihm das kantonale Verfassungsrecht einen weitergehenden Schutz
gewährleisten sollte als die Bundesverfassung. Damit ist der angefochtene
Entscheid einzig auf Vereinbarkeit mit dem Bundesverfassungsrecht zu prüfen.
Im Übrigen rügt der Beschwerdeführer nicht, der angefochtene Entscheid
verstosse gegen Gesetzesrecht des Bundes, insbesondere gegen das Bundesgesetz
vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der
Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14). Abgesehen davon sind die Vorgaben
des Steuerharmonisierungsgesetzes ohnehin erst am 1. Januar 2001 für die
Kantone verbindlich geworden (vgl. Art. 72 in Verbindung mit Art. 79 StHG)
und im vorliegenden Verfahren somit noch unbeachtlich, was unter den
Verfahrensbeteiligten auch nicht strittig ist.

1.5 Im Hinblick auf das kantonale Steuergesetz beruft sich der
Beschwerdeführer auf das Willkürverbot, das Legalitätsprinzip und den
Gewaltenteilungsgrundsatz. Im Verfahren der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann er diese Grundsätze selbständig
anrufen, was auch für das Legalitätsprinzip gilt, da es sich vorliegend um
einen Abgaberechtsstreit handelt (vgl. etwa BGE 131 I 91 E. 3.3 S. 99; 127 I
60 E. 3a S. 67). Das Bundesgericht prüft die Auslegung und Anwendung des
nicht harmonisierten kantonalen Steuerrechts jedoch lediglich unter dem
Gesichtswinkel der Willkür. Im Zusammenhang mit dem Gewaltenteilungsprinzip
beruht dies auf einer langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 130
I 1 E. 3.1 S. 5, mit Hinweisen). Auch die Anrufung des Legalitätsprinzips
führt nicht dazu, dass das Bundesgericht das kantonale Recht frei überprüfen
müsste, wäre dies doch mit der abschliessenden Aufzählung der
Beschwerdegründe in Art. 95 BGG nicht vereinbar; darin wird nämlich die
Verletzung von kantonalem Recht, abgesehen von hier nicht interessierenden
Ausnahmen, gerade nicht als zulässiger Beschwerdegrund genannt (dazu das
Urteil des Bundesgerichts 2C_212/2007 vom 11. Dezember 2007, E. 3.1). Im
vorliegenden Fall ist überdies einzig die Auslegung und Anwendung von
(kantonalem) Gesetzes- und nicht von Verordnungsrecht strittig. Die Frage
einer zulässigen Kompetenzübertragung (Delegation) stellt sich nicht. Der
Beschwerdeführer macht insoweit einzig geltend, das Verwaltungsgericht habe
sich mit seiner Auslegung des Gesetzes die Kompetenzen des Gesetzgebers
angemasst. Dabei geht es aber um nichts anderes als um die verfassungsmässige
Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts. Im Ergebnis laufen daher alle
erhobenen Rügen auf eine Willkürprüfung hinaus. Das Bundesgericht hat somit
einzig darüber zu befinden, ob der angefochtene Entscheid vor dem
Willkürverbot standhält.

2.
2.1 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der ständigen Praxis des
Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung dann vor, wenn der
angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid
jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis
unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar
zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 132 I 175 E. 1.2 S. 177; 131 I 467
E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen).

2.2 Zwar hat der Kanton Aargau am 15. Dezember 1998 ein neues Steuergesetz
erlassen; nach dessen §§ 261 und 263 Abs. 1 gelangt dieses aber erst für die
Steuerjahre ab 2001 zur Anwendung. Massgebend ist somit noch das alte
Steuergesetz des Kantons Aargau vom 13. Dezember 1983 (StG), was unter den
Verfahrensbeteiligten nicht umstritten ist.

2.3 Gemäss § 22 Abs. 1 StG ist das gesamte Einkommen (Roheinkommen) jeder Art
steuerbar. Die Bestimmung spezifiziert in der Folge die verschiedenen
erfassten Einkommensbestandteile und nennt dazu in lit. c insbesondere die an
die Stelle des Erwerbseinkommens tretenden Einkünfte wie Bezüge aus
Sozialversicherungs-, Sozialausgleichs-, Personalvorsorge- und
Verbandsvorsorgeeinrichtungen, Taggelder aus Kranken- und
Unfallversicherungen, einmalige oder wiederkehrende Zahlungen bei Tod und für
bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile; steuerfrei sind
Zahlungen, die für die Deckung von Heilungskosten oder Sachschäden bestimmt
sind. Die §§ 28 und 29 StG enthalten für Renten und bestimmte Kapitalgewinne
besondere Berechnungsregeln. Nach § 34 Abs. 3 StG unterliegen der getrennt
vom übrigen Einkommen berechneten Jahressteuer zu 40 % des Tarifs A unter
anderem Kapitalzahlungen aus beruflicher Vorsorge 2. Säule (lit. a), übrige
Kapitalzahlungen mit Vorsorgecharakter, insbesondere bei Tod und für
bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile (lit. b; unter Vorbehalt
von hier nicht interessierenden Ausnahmen). Gemäss § 35 Abs. 2 StG wird auf
Kapitalzahlungen bei Tod und für bleibende körperliche oder gesundheitliche
Nachteile pro Ereignis ein Freibetrag von Fr. 100'000.-- gewährt. Stammt eine
solche Kapitalzahlung aus einer reinen Risikoversicherung, bleibt sie
steuerfrei.

3.
3.1 Das Verwaltungsgericht sah in der gesetzlichen Regelung einen gewissen
Widerspruch, insbesondere zwischen § 22 Abs. 1 lit. c StG, wo einmalige
Kapitalzahlungen für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile
steuerpflichtig erklärt werden, und § 35 Abs. 2 StG, wonach eine solche
Leistung aus einer reinen Risikoversicherung steuerfrei bleibt. Diesen
Widerspruch löste das Verwaltungsgericht durch Auslegung auf und kam zum
Schluss, der hier fragliche Kapitalbezug des Beschwerdeführers unterliege der
einmaligen Jahressteuer. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, bei der von
ihm bezogenen Kapitalzahlung handle es sich nicht um ein Ersatzeinkommen, das
von § 22 Abs. 1 lit. c StG erfasst werde; selbst wenn dies zuträfe, gebe es
sodann keine stichhaltigen Gründe, um vom klaren Wortlaut von § 35 Abs. 2 StG
abzuweichen, weshalb die Kapitalzahlung so oder so steuerfrei und der
angefochtene Entscheid willkürlich seien.

3.2 Der Beschwerdeführer bestreitet zwar, dass die erhaltene Kapitalleistung
Ersatzeinkommen sei. Er setzt sich aber mit den entsprechenden Ausführungen
im angefochtenen Entscheid nicht auseinander, sondern begnügt sich
diesbezüglich mit einer blossen Behauptung. Dies genügt nicht, um eine
Willkürrüge zu begründen (BGE 133 II 396 E. 3.2 S. 400; BGE 133 III 393 E. 6
S. 397). Im Übrigen gelten Versicherungsleistungen steuerrechtlich in der
Regel dann als Ersatzeinkommen, wenn sie dazu bestimmt sind, den Ausfall von
Erwerbseinkommen auszugleichen (vgl. ASA 60 S. 248). Auch vorliegend ist
grundsätzlich und unter Vorbehalt eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte
anzunehmen, dass der Arbeitgeber des Beschwerdeführers mit der hier
fraglichen UVG-Zusatzversicherung den Ausfall des Lohnbestandteiles
versichern wollte, der das Maximum des durch die obligatorische
Unfallversicherung gedeckten Betrages überstieg. Andernfalls erschiene das
Abstellen auf diesen Überschusslohn bei der Berechnung der Kapitalleistung
nicht sinnvoll. Leistungen aus einer Unfallversicherung sind gemäss § 22 Abs.
1 lit. c StG grundsätzlich - von hier nicht interessierenden Ausnahmen
abgesehen - vollumfänglich steuerbar, wobei sich insbesondere kein
Unterschied zwischen Grund- und Zusatzversicherungen rechtfertigt, die
letztlich beide dazu dienen, das entgehende Erwerbseinkommen abzudecken (vgl.
Walter Koch, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 1. Aufl., Muri 1991, N
284 ff. zu § 22). Mangels anderer Anhaltspunkte durfte daher das
Verwaltungsgericht davon ausgehen, bei der vorliegend fraglichen
Kapitalleistung handle es sich um Ersatzeinkommen, ohne in Willkür zu
verfallen. Damit ist nur noch zu prüfen, ob die vom Verwaltungsgericht
verweigerte Steuerbefreiung vor der Verfassung standhält.

4.
4.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Ziel der Auslegung die
Ermittlung des Sinngehalts der Bestimmung. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist
der Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Vom Wortlaut
kann abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass
er nicht den wahren Sinn der Vorschrift wiedergibt. Solche Gründe können sich
aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem
Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben. Das Bundesgericht hat
sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus
leiten lassen (BGE 133 II 263 E. 7.2 S. 273; 131 II 13 E. 7.1 S. 31, mit
Hinweisen).

4.2 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im vorliegenden Fall
der Wortlaut des Gesetzes für sich allein nicht eindeutig. Zwar mag dies
allenfalls zutreffen, wenn jede Bestimmung isoliert für sich betrachtet wird.
Wird jedoch § 22 Abs. 1 lit. c mit § 35 Abs. 2 verglichen, ergibt sich ein
gewisser Widerspruch für einmalige Kapitalzahlungen bei Tod und, wie es hier
von Interesse ist, für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile.
Während diese in der ersten Bestimmung als steuerbar erklärt werden, sollen
sie nach der zweiten Regelung bei reinen Risikoversicherungen steuerfrei
sein. Unter diesen Umständen ist es nicht unhaltbar, nicht allein auf den
Wortlaut von § 35 Abs. 2 StG abzustellen; vielmehr erscheint es sinnvoll, die
gesetzliche Regelung insgesamt einheitlich auszulegen. Das Verwaltungsgericht
kam daher nicht umhin, das Gesetz in geeigneter Weise zu interpretieren. Dass
es sich dabei einer unzulässigen Auslegungsmethodik bediente, ist nicht
ersichtlich. Insbesondere erscheint seine Auffassung vertretbar, wonach
formallogische Überlegungen nicht weiterhelfen würden, weil sie nicht zu
einem eindeutigen Ergebnis führten.

4.3 Aus einer systematischen Sicht sah sich das Verwaltungsgericht der
folgenden gesetzlichen Ordnung gegenüber: Im Abschnitt B des zweiten Teils
regelt das Steuergesetz die Einkommenssteuern. Unter dem Randtitel "I.
Gegenstand" werden in § 22 StG die steuerbaren und in § 23 StG die
steuerfreien Einkünfte aufgeführt (vgl. die entsprechenden Marginalien).
Einmalige Kapitalzahlungen in Vorsorgefällen erscheinen einzig bei den
steuerbaren Einkünften. Unter dem Randtitel "IV. Steuerberechnung" finden
sich demgegenüber die §§ 33-35 StG. § 33 StG regelt den Tarif für die
ordentliche Einkommenssteuer und führt dementsprechend den Randtitel "1.
Tarif". Die §§ 34 und 35 StG stehen unter der gemeinsamen Marginalie "2.
Jahressteuer auf nicht periodisch fliessenden Einkünften", wobei § 34 StG den
Untertitel "a) Grundsatz und anwendbarer Tarif" und § 35 den Untertitel "b)
Berechnung der Jahressteuer, Freibeträge" führt. Aus einer systematischen
Sicht spricht daher in Übereinstimmung mit der Auffassung des
Verwaltungsgerichts einiges dafür, dass der Steuergegenstand in den §§ 22 und
23 StG definiert wird, wohingegen die §§ 34 und 35 StG lediglich die
Berechnung der Jahressteuer unter Einschluss der zu berücksichtigenden
Freibeträge regeln. Einmalige Kapitalzahlungen aus Vorsorgeeinrichtungen, die
an die Stelle des Erwerbseinkommens treten, unterliegen dabei gemäss § 22 StG
der Steuerpflicht, ohne dass § 23 StG sie davon wieder ausnimmt. Nach § 34
Abs. 3 StG wird dafür eine Jahressteuer erhoben, die sich zu 40 % des Tarifs
A für die ordentliche Einkommenssteuer berechnet. § 35 Abs. 2 StG sieht
gleichzeitig einen Freibetrag von Fr. 100'000.-- vor. Die Steuerbefreiung von
Kapitalzahlungen aus reinen Risikoversicherungen in der gleichen Bestimmung
geht über die Festlegung von Freibeträgen hinaus, bildet in § 35 StG einen
Fremdkörper und erscheint systematisch unlogisch.

4.4 Umso wichtiger wäre es, den gesetzgeberischen Willen für diese
Steuererleichterung zu kennen. Dieser ist aber nicht eindeutig ersichtlich.
Bekannt ist immerhin, dass die Steuerbefreiung in § 35 Abs. 2 StG erst in der
zweiten Lesung des Gesetzes ohne nähere Begründung eingebracht und vom
Grossen Rat des Kantons Aargau diskussionslos angenommen wurde. Das
Verwaltungsgericht vermutet, der Gesetzgeber habe nur Kapitalleistungen aus
beruflicher Vorsorge (Säule 2 und 3a) von der Besteuerung ausnehmen wollen.
Es schliesst dies aus einem Votum des Antragstellers, das dieser bei der
ersten Lesung abgegeben hatte und womit er erfolglos eine Erhöhung des
Freibetrags in § 35 Abs. 2 StG von Fr. 100'000.-- auf Fr. 200'000.--
vorgeschlagen hatte. Die gleiche Einschränkung findet sich auch im Schrifttum
(vgl. Koch, a.a.O., N 4 zu § 35).

Der Beschwerdeführer bestreitet diese Interpretation. Eine überzeugende
Alternativerklärung legt er aber nicht vor. Auch die von ihm angerufenen
Materialien erweisen sich als nicht eindeutig. Insbesondere geben diese
ausser den wenig besagenden Hinweisen auf "soziale Gründe" im
Kommissionsbericht für die zweite Lesung und auf den "Schutz der Familie" im
Kommissionsprotokoll keinen genaueren Aufschluss über die Gründe der
fraglichen Steuererleichterung. Unter diesen Umständen lag es jedenfalls
nahe, auf das bei der ersten Lesung abgegebene Votum des Antragstellers (zu
dessen damals abgelehntem Antrag auf Verdoppelung des Freibetrages)
zurückzugreifen, zumal es dort bereits um die gleiche Problematik gegangen
und die neue Variante in der zweiten Lesung von demselben Grossrat
(Boutellier) vorgeschlagen worden war. In der ersten Lesung hatte dieser sich
aber unbestrittenermassen auf die Vorsorge gemäss dem Berufsvorsorgegesetz
bezogen, namentlich auf diejenige der Selbständigerwerbenden, welche die
Möglichkeit hätten, die Vorsorge auf die Risiken "Tod" und "Invalidität" zu
beschränken, d.h. entsprechende Risikoversicherungen abzuschliessen.

Offensichtlich übersehen wurde, dass die später kurzfristig beantragte
Steuerbefreiung im Widerspruch zu Art. 83 BVG stehen könnte, wonach
Leistungen von anerkannten Vorsorgeeinrichtungen und -formen bei den direkten
Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden vollumfänglich als
Einkommen steuerbar sind. Demgegenüber sind zwar Kapitalzahlungen aus reinen
Risikoversicherungen nach der gesetzlichen Regelung des Kantons Aargau
grundsätzlich von der Einkommenssteuer befreit; eine Ausnahme gilt aber
gerade für Versicherungen, die im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit
stehen (vgl. § 23 lit. b Ziff. 1 StG). Nach dem Schrifttum wird ein
massgeblicher Zusammenhang für jede Leistung angenommen, die ihren Grund in
einer Anstellung hat und ohne diese nicht erfolgt wäre (Koch, a.a.O., N 10 zu
§ 23). Ein solcher Zusammenhang ist hier jedoch gegeben, was wiederum für die
Steuerpflicht spricht.

4.5 Im vorliegenden Fall geht es um eine Kapitalleistung aus einer
UVG-Zusatzversicherung. Insgesamt erscheint es nicht schlechthin unhaltbar,
die streitige Zahlung trotz des Wortlautes von § 35 Abs. 2 zweiter Satz StG
der Besteuerung zu unterwerfen. Dieses Resultat ist weder unbillig noch
verstösst es krass gegen den Gerechtigkeitsgedanken, auch wenn es dem
Beschwerdeführer verständlicherweise hart erscheinen mag. Eine vollständige
Steuerbefreiung würde jedoch die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundsatz
der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (gemäss Art. 127
Abs. 2 BV) aufwerfen. Diesem Grundsatz entspricht, dass Ersatzeinkommen in
gleicher Weise besteuert wird wie das Erwerbseinkommen, an dessen Stelle es
tritt. So sieht es die Regel von § 22 Abs. 1 lit. a StG denn auch vor.
Überdies lässt es sich kaum rechtfertigen, Kapitalleistungen aus einer reinen
Risikoversicherung vorbehaltlos von der Besteuerung auszunehmen, nicht aber
entsprechende Rentenleistungen, die mindestens teilweise vom Gesetz
ausdrücklich der Besteuerung unterworfen werden (vgl. § 28 StG). Es ist nicht
einzusehen, weshalb der Bezüger einer Invalidenrente steuerlich schlechter
gestellt sein sollte als der Bezüger eines Invaliditätskapitals. Die zur
Rechtfertigung der Steuererleichterung von Kapitalleistungen vom
Beschwerdeführer angerufenen sozialen Gründe würden hier gleichermassen für
eine Befreiung sprechen. Würde § 35 Abs. 2 zweiter Satz StG wörtlich
ausgelegt und angewendet, könnte dies insoweit gegen das
verfassungsrechtliche Rechtsgleichheitsgebot verstossen (Art. 8 Abs. 1 und
Art. 127 Abs. 2 BV). Zur Vermeidung einer Verfassungsverletzung erscheint es
jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang angebracht, der klaren Definition des
Steuergegenstandes gegenüber der in sich wenig überzeugenden Regelung der
Steuerbefreiung im Rahmen der Steuerberechnung den Vorrang zu geben. Damit
drängen sich eine Besteuerung der Kapitalleistungen und eine restriktive
Interpretation von § 35 Abs. 2 zweiter Satz StG für solche Fälle auf, wo wie
hier die Risikoversicherung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vom
Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossen wurde. Der angefochtene
Entscheid ist daher nicht willkürlich.

5.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.

Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art.
65 und 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
2. Kammer, und der Eidgenössische Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Uebersax