Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.508/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_508/2007/ble

Urteil vom 27. Mai 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Häberli.

Parteien
1. X.________,
c/o Y.________ AG,
2. Y.________ AG,
handelnd durch den Verwaltungsratspräsidenten X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

E.________,
Beschwerdegegner,
Aufsichtskommission über die Anwältinnen
und Anwälte im Kanton Zürich,
Hirschengraben 15, 8001 Zürich.

Gegenstand
Entbindung vom Berufsgeheimnis (Art. 13 Abs. 1 BGFA),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung,
vom 31. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Rechtsanwalt E.________ gelangte am 3. Januar 2007 an die Aufsichtskommission
über die Anwältinnen und Anwälte im Kanton Zürich, um zwecks Geltendmachung
einer offenen Honorarforderung vom Anwaltsgeheimnis entbunden zu werden. Mit
Beschluss vom 1. Februar 2007 gab die Aufsichtskommission seinem Ersuchen
statt, was die (angeblichen) Mandanten, welche sich der Entbindung vom
Anwaltsgeheimnis widersetzt hatten - die Y.________ AG und X.________ -,
erfolglos beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich anfochten (Entscheid vom
31. Mai 2007).

B.
Am 9. September 2007 haben X.________ und die Y.________ AG gemeinsam beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht
mit dem Antrag, sowohl den Entscheid des Verwaltungsgerichts als auch den
Beschluss der Aufsichtskommission aufzuheben.
Rechtsanwalt E.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen,
soweit darauf einzutreten sei. Die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und
Anwälte im Kanton Zürich sowie das Bundesamt für Justiz haben je auf
Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen
und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) regelt die Berufspflichten
abschliessend. Es bildet Teil des Bundesverwaltungsrechts, weshalb der -
kantonal letztinstanzliche - Verwaltungsgerichtsentscheid betreffend die
Entbindung des Beschwerdegegners vom Anwaltsgeheimnis (vgl. Art. 13 Abs. 1
BGFA) mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten
werden kann (Art. 82 lit. a in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90
BGG). Weil keiner der Ausschlussgründe von Art. 83 BGG erfüllt ist und den
Beschwerdeführern nach Art. 89 Abs. 1 BGG die Rechtsmittellegitimation zukommt,
ist insoweit auf die Beschwerde einzutreten.

1.2 Unzulässig ist die Beschwerde jedoch, soweit sie sich auch gegen den
erstinstanzlichen Beschluss der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und
Anwälte im Kanton Zürich richtet. Wie schon mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter der Herrschaft des bis Ende 2006 in Kraft
stehenden Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (vgl.
Art. 98 lit. g OG) kann auch mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten nur der Entscheid der letzten kantonalen Instanz angefochten
werden.

2.
2.1 Die Rechtsanwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann
dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufs von ihrer
Klientschaft anvertraut worden ist (Art. 13 Abs. 1 BGFA; vgl. auch Art. 321
StGB). Zu den Tatsachen, welche unter den Schutz des Anwaltsgeheimnisses
fallen, gehört schon der Umstand des Bestehens eines Mandats zwischen dem
Rechtsanwalt und seinem Klienten. Deshalb setzt die klageweise Einforderung
einer Honorarforderung praxisgemäss eine vorgängige Befreiung des Anwalts von
seiner Schweigepflicht voraus (vgl. Urteile 1S.5/2006 vom 5. Mai 2006, in: SJ
2006 I S. 489, E. 5.3.1; 2P.313/1999 vom 8. März 2000, E. 2; Näheres bei
Michael Pfeifer, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz,
Zürich/Basel/Genf 2005, N 65 ff. zu Art. 13). Verweigert der Mandant die
Entbindung vom Anwaltsgeheimnis, so kann sich der Rechtsanwalt, der sein
Honorar auf dem Rechtsweg einzutreiben sucht, mit einem Gesuch an die
Aufsichtsbehörde wenden.

2.2 Vorliegend ist der Beschwerdegegner unbestrittenermassen erfolglos an die
Beschwerdeführer gelangt, bevor er der Aufsichtskommission über die Anwältinnen
und Anwälte im Kanton Zürich die Entbindung vom Anwaltsgeheimnis beantragt hat.
Weil er seinen Geschäftssitz in Zürich hat, war die dortige Aufsichtsbehörde
ohne weiteres zuständig (Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 13 und Art. 14
BGFA; vgl. auch § 33 ff. des Zürcher Anwaltsgesetzes). Mit Blick auf die
Tatsache, das ein solcher behördlicher Entbindungsentscheid ein
Rechtsschutzinteresse voraussetzt, hat die Aufsichtskommission alsdann geprüft,
ob das Bestehen einer Honorarforderung bzw. eines Mandatsverhältnisses
glaubhaft sei. Diese Frage hat sie aufgrund der vom Beschwerdeführer
eingereichten Dokumente (Rechnung, Mahnungsschreiben und weiterer
Korrespondenz) bejaht und mit Beschluss vom 1. Februar 2007 die verlangte
Entbindung gewährt.

2.3 Entgegen den Vorbringen in der Beschwerdeschrift ist dieser Beschluss bzw.
der ihn schützende Verwaltungsgerichtsentscheid nicht zu beanstanden: Die
Beschwerdeführer verkennen offensichtlich Bedeutung und Tragweite des
Entbindungsentscheids. Ein solcher hat keinerlei materielle Rechtswirkungen,
sondern ermöglicht es dem gesuchstellenden Anwalt bloss, ohne Verletzung des
disziplinar- und strafrechtlich geschützten Berufsgeheimnisses die behauptete
Honorarforderung auf dem Klageweg geltend zu machen. Auch wenn die
Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Beschlusses festhält, sie erachte das
Bestehen eines Mandatsverhältnisses als "glaubhaft", präjudiziert dies einen
späteren Zivilprozess über die Honorarforderung in keiner Weise. Die einzige
unmittelbare Rechtswirkung, welche der Entbindungsentscheid für den betroffenen
Mandanten hat, liegt darin, dass dieser in jenem Umfang, in dem es für die
Geltendmachung der Honorarforderung notwendig ist, des ihm ansonsten
zustehenden Schutzes durch das Anwaltsgeheimnis verlustig geht. Nachdem die
Beschwerdeführer das Bestehen eines Mandatsverhältnisses überhaupt bestreiten,
ist nicht einzusehen, wieso sie sich der Entbindung des Beschwerdegegners vom
Anwaltsgeheimnis widersetzt und den dahingehenden Beschluss der
Aufsichtskommission angefochten haben. Es hätte ihren Interessen wohl besser
entsprochen, den Beschwerdegegner - selbstverständlich ohne Anerkennung
irgendeiner Rechtspflicht - selber vom (ihres Erachtens nicht bestehenden und
darum auch keines Schutzes bedürfenden) Anwaltsgeheimnis zu entbinden und ihre
Gegenargumente alsdann im materiellrechtlichen Zivilprozess einzubringen. Dies
umso mehr, als der Einwand, es bestehe entgegen den Behauptungen des
Rechtsanwalts gar kein Mandatsverhältnis, im Verfahren auf Entbindung vom
Anwaltsgeheimnis regelmässig untauglich ist. Sobald Anhaltspunkte dafür
bestehen, dass die gegenteilige Behauptung des Anwalts zutreffend sein könnte,
hat die Aufsichtsbehörde die Entbindung zu gewähren. Zu verweigern ist eine
verlangte Entbindung nur dann, wenn die Klientschaft ihrerseits ein
höherrangiges Interesse an der Geheimhaltung des Mandatsverhältnisses hat.

2.4 Nach dem Gesagten kann insoweit weder von einer Verletzung des
Willkürverbots (Art. 9 BV) noch des Fairnessgebots (Art. 30 Abs. 1 BV) die Rede
sein. Soweit sich die Beschwerdeführer im vorliegenden Zusammenhang ausserdem
auf Art. 30 Abs. 2 und Abs. 3 BV berufen, genügen ihre Vorbringen den
gesetzlichen Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BV offensichtlich
nicht, weshalb nicht weiter auf sie einzugehen ist. Nicht rechtsgenüglich
dargetan ist ferner auch, weshalb der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29
Abs. 2 BV; vgl. BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236; 129 II 497 E. 2.2 S. 504 f.)
verletzt worden sein sollte.

3.
Schliesslich verstösst der Umstand, dass die Beschwerdeführer im kantonalen
Verfahren zur Bezahlung der Gerichtskosten verpflichtet wurden, nicht gegen das
Willkürverbot (Art. 9 BV; vgl. BGE 127 I 60 E. 5a S. 70). Sie haben sich vor
der Aufsichtskommission der Befreiung des Beschwerdeführers vom
Anwaltsgeheimnis förmlich widersetzt und sich so im Verfahren als Gegenpartei
konstituiert. Daran ändert nichts, dass sie in ihrer Eingabe sowohl die
Zuständigkeit der Aufsichtskommission als auch das Bestehen eines
Mandatsverhältnisses bestritten haben. Mit Blick auf diesen Rechtsstandpunkt
hätten die Beschwerdeführer ohne weiteres auf Opposition verzichten und sich
stattdessen mit dem blossen Hinweis begnügen können, mangels eines
Mandatsverhältnisses würden sie durch die anbegehrte Entbindung vom
Berufsgeheimnis gar nicht berührt. Auch im kantonalen Beschwerdeverfahren
verfügten sie offensichtlich über Parteistellung, zumal sie selber den
Beschluss der Aufsichtskommission beim Verwaltungsgericht angefochten haben.
Nachdem sie in beiden kantonalen Verfahren unterlegen sind, konnten sie ohne
Willkür mit Kosten belastet werden.

4.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich demnach
als unbegründet, soweit auf sie einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl.
Art. 65 f. BGG). Parteientschädigung ist keine auszurichten, da der
Beschwerdegegner als Anwalt in eigener Sache gehandelt hat und das vorliegende
Verfahren für ihn mit keinem besonderen Aufwand verbunden war (vgl. Art. 68
BGG; vgl. zur analogen Regelung unter der Herrschaft des bis Ende 2006 in Kraft
stehenden Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege: BGE 119
Ib 412 E. 3 S. 415; 129 V 113 E. 4.1 S. 116).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte im Kanton
Zürich sowie dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 27. Mai 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Häberli