Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.502/2007
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2C_502/2007 /leb

Urteil vom 20. September 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Gerichtsschreiber Feller.

X.________ AG,
Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwälte Danielle Wenger und Michael Fischer,

gegen

Kantonales Steueramt St. Gallen,
Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen,
Kommission für die Grundsteuern der Stadt Zürich, Postfach, 8022 Zürich,
Steuerverwaltung des Kantons Luzern,
Buobenmatt 1, 6002 Luzern,
Administration cantonale des impôts du Canton
de Vaud, Office d'impôt des Personnes Morales,
rue du Nord 1, 1400 Yverdon-les-Bains.

Doppelbesteuerung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen verschiedene
Veranlagungen 2003/2004.

Der Präsident zieht in Erwägung:

1.
Am 19. Juli 2007 hiess das Kantonale Steueramt St. Gallen eine Einsprache der
X.________ AG, Luzern, betreffend die st. gallische Steuerveranlagung 2004
(01.02.2003 - 31.01.2004) gut und setzte den steuerbaren Reingewinn auf Fr.
null fest; zugleich bestätigte es die Festsetzung des auf den Kanton St.
Gallen entfallenden steuerbaren Eigenkapitals auf Fr. 1'303'000.--.

Die X.________ AG gelangte am 13. September 2007 mit als staatsrechtliche
Beschwerde bezeichneter Rechtsschrift wegen Verletzung des
Doppelbesteuerungsverbots gemäss Art. 127 Abs. 3 BV mit folgenden Anträgen
ans Bundesgericht: Die Steuerverwaltung des Kantons Luzern, deren
Veranlagungsverfügung 2004 vom 24. Februar 2005 datiert, sei anzuweisen, die
interkantonale Steuerausscheidung so durchzuführen, dass allfällige
Ausscheidungsverluste vermieden werden; die Grundstückgewinnsteuerveranlagung
der Kommission für die Grundsteuern der Stadt Zürich vom 17. Februar 2005 sei
aufzuheben und die Kommission anzuweisen, die Berechnung der betreffenden
Veranlagung so vorzunehmen, dass ein Ausscheidungsverlust vermieden werde,
wobei die Kommission zusätzlich anzuweisen sei, zu viel bezogene Steuern im
Betrag von Fr. 1'985'340.-- zuzüglich Zinsen zu 5 % seit deren Bezahlung
zurückzuerstatten; schliesslich sei die Veranlagungsverfügung der
Steuerverwaltung des Kantons Waadt vom 2. November 2006 aufzuheben und es sei
diese anzuweisen, die Berechnung der betreffenden Veranlagung so vorzunehmen,
dass ein Ausscheidungsverlust vermieden werde, und zu viel bezogene Steuern
im Betrag von Fr. 7'982.40 zuzüglich Zinsen zu 5 % seit deren Bezahlung
zurückzuerstatten. Der Beschwerde beigelegt waren die vorstehend erwähnten
Veranlagungsverfügungen bzw. Einspracheentscheide sowie ein Entscheid des
Steueramtes der Stadt Zürich, Grundsteuern, vom 14./15. August 2007, worin
die Rückzahlung der Grundstückgewinnsteuer von Fr. 1'985'340.-- abgelehnt
wird.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin bezeichnet ihr Rechtsmittel als staatsrechtliche
Beschwerde, ein im Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation
der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, OG; BS 3 531) vorgesehenes
Rechtsmittel. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit bzw. die
Zulässigkeit eines Rechtsmittels von Amtes wegen mit freier Kognition (BGE
133 I 185 E. 2 S. 18 oben mit Hinweisen, s. nunmehr ausdrücklich Art. 29 Abs.
1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht
[Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110]).

2.2 Das Bundesgerichtsgesetz (BGG) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten.
Auf den gleichen Zeitpunkt ist das Bundesrechtspflegegesetz (OG) aufgehoben
worden (Art. 131 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG ist das
Bundesgerichtsgesetz auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten
Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch
nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten des
Entscheids ergangen ist.

Das vorliegende Beschwerdeverfahren ist vor Bundesgericht nach dem
Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes eingeleitet worden. Der
Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes St. Gallen datiert vom 19.
Juli 2007; die Veranlagungsentscheide der übrigen Kantone sind im Jahr 2006
oder früher ergangen. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass noch
das Bundesrechtspflegegesetz zur Anwendung komme.

2.3 Das Bundesgerichtsgesetz (BGG) und das Bundesrechtspflegegesetz (OG)
regeln die Fristwahrung bei Beschwerden wegen interkantonaler
Doppelbesteuerung speziell. Gemäss Art. 100 Abs. 5 BGG beginnt bei
Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte die Beschwerdefrist von
30 Tagen (Art. 100 Abs. 1 BGG) spätestens dann zu laufen, wenn in beiden
Kantonen Entscheide getroffen worden sind, gegen welche beim Bundesgericht
Beschwerde geführt werden kann. Ebenso bestimmte Art. 89 Abs. 3 OG, dass bei
Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte die Beschwerdefrist von
30 Tagen (Art. 89 Abs. 1 OG) erst beginnt, wenn in beiden Kantonen
Verfügungen getroffen worden sind, gegen welche staatsrechtliche Beschwerde
geführt werden kann. Sowohl nach neuem als auch nach altem Recht ist - unter
Berücksichtigung des Friststillstandes (Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG bzw. Art.
34 Abs. 1 lit. b OG) - einzig der Einspracheentscheid des Kantonalen
Steueramtes St. Gallen vom 19. Juli 2007 als die Beschwerdefrist auslösender
behördlicher Akt zu betrachten. Auch wenn die Beschwerdeführerin vorab die
Aufhebung oder Abänderung von vor Beginn des Jahres 2007 ergangenen
Veranlagungen beantragt, erweist sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht
derjenige Entscheid als angefochtener Entscheid, den sie innert Frist
angefochten hat; es ist dieser Entscheid, der sie dazu veranlasst hat, sich
nunmehr gegen die behauptete Doppelbesteuerung zur Wehr zu setzen. Damit ist
vorliegend auch die zweite Voraussetzung für die Anwendbarkeit des
Bundesgerichtsgesetzes gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG erfüllt; angefochtener
Entscheid ist der nach dem Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes ergangene
Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes St. Gallen. Die
Übergangsbestimmung anders zu handhaben und für die Frage nach der
Anwendbarkeit des alten oder neuen Rechts darauf abzustellen, gegen welche
der verschiedenen kantonalen (vor und nach dem 1. Januar 2007 gefällten)
Steuerentscheide der Steuerpflichtige sich primär wendet, würde - ohne
Notwendigkeit - zu einer Verlängerung der Übergangsphase führen, während
welcher das Bundesrechtspflegegesetz nach Inkraftsetzung des
Bundesgerichtsgesetzes anwendbar bliebe; dies muss im Interesse der
grundsätzlich stark zu gewichtenden Aspekte der Rechtssicherheit und der
Übersichtlichkeit des Rechtsmittelsystems vermieden werden (Urteil 6F_1/2007
vom 19. Mai 2007, E. 1.2, nicht publiziert in BGE 133 IV 142).

Die vorliegende Beschwerde ist mithin als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen.

2.4 Gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen, sofern nicht die Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht zulässig ist. Während das Bundesrechtspflegegesetz
für Beschwerden auf dem Gebiet der interkantonalen Doppelbesteuerung noch
eine Ausnahme vom gemäss Art. 86 Abs. 1 OG geltenden Erfordernis der
Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs vorsah (Art. 86 Abs. 2 OG), enthält
das Bundesgerichtsgesetz keine entsprechende Ausnahmeregel. Es handelt sich
dabei nicht um eine Lücke, vielmehr entspricht der Verzicht auf eine solche
Regel einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung: Das Bundesgericht soll
in der Regel (Ausnahmen s. Art. 86 Abs. 3 und Art. 120 BGG) nie als erste
richterliche Behörde tätig werden müssen; bevor es angerufen werden kann,
soll zuvor immer mindestens ein Gericht über die Streitsache entschieden
haben (Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar
2001 zu Art. 80 des Entwurfs BGG [heute Art. 86 BGG], in BBl 2001 4202 S.
4326, s. an gleicher Stelle auch Bemerkung zu Art. 94 des Entwurfs BGG [heute
Art. 100 Abs. 5 BGG]). Dabei genügt es, wenn der Steuerpflichtige bloss in
einem der vom Doppelbesteuerungskonflikt betroffenen Kantone den Instanzenzug
durchläuft und einen letztinstanzlichen - gerichtlichen - Entscheid erwirkt
(Botschaft, a.a.O.). Gegen diesen ist innert 30 Tagen mit Beschwerde ans
Bundesgericht zu gelangen (Art. 100 Abs. 1 BGG, s. auch Art. 100 Abs. 5 BGG).
Die Rechtsmittelregelung des Bundesgerichtsgesetzes mag den Rechtsschutz für
den mehrfach Besteuerten erschweren, so insbesondere dann, wenn er die
Besteuerung durch den zuletzt tätig werdenden Kanton anerkennen will. Es wird
ihm in diesem Fall nichts anderes übrig bleiben, als den Instanzenzug in
diesem Kanton zu durchlaufen, um schliesslich vor Bundesgericht die Aufhebung
der eine Doppelbesteuerung bewirkenden Veranlagungen übriger Kantone
beantragen zu können. Dieser Rechtsmittelweg muss dem doppelt Besteuerten
trotz der Besonderheit der Konstellation (s. Alfred Meier/Diego Clava-
detscher, Prozessuale Klippen bei der Durchsetzung des interkantonalen
Doppelbesteuerungsverbots, IFF Forum für Steuerrecht 2006, S. 135 ff., S. 139
f. insbesondere Ziff. 5.3.2.2.1) offen stehen.

2.5 Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bilden ausschliesslich
Veranlagungsverfügungen bzw. Einspracheentscheide; es fehlt an einem
letztinstanzlichen kantonalen Entscheid. Die Beschwerde ist damit
offensichtlich unzulässig (Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG), und es ist darauf im
vereinfachten Verfahren, ohne Schriftenwechsel oder andere
Instruktionsmassnahmen, nicht einzutreten.

2.6 Die Frist zur Erhebung eines Rekurses gegen den am 20. Juli 2007
eröffneten Einspracheentscheid an die Verwaltungsrekurskommission des Kantons
St. Gallen ist abgelaufen (Art. 194 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons St.
Gallen vom 9. April 1998 [StG]). Möglicherweise wurde sie aber durch die
Eingabe ans Bundesgericht gewahrt, kennt doch das kantonale Gerichtsgesetz
vom 2. April 1987 (GerG), welches im Steuerrekursverfahren ergänzend
Anwendung findet (vgl. Art. 161 StG in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 des
kantonalen Gesetzes vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege [VRG]),
das Institut der Gerichtsferien (Art. 90 und 91 Abs. 1 GerG).

Da zum neuen Rechtsmittelweg noch keine (publizierte) Rechtsprechung besteht,
rechtfertigt es sich unter diesen Umständen, die ans Bundesgericht
adressierte Beschwerde samt Beilagen an die Verwaltungsrekurskommission des
Kantons St. Gallen weiterzuleiten, damit diese prüft, ob sie sie als Rekurs
gegen den Einspracheentscheid vom 19. Juli 2007 entgegennehmen kann (vgl.
Hansjörg Seiler/Nicolas von Werdt/Andreas Güngerich, Stämpflis Handkommentar
zum Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, Rz. 3 zu Art. 30 BGG, S. 108).

2.7 Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG)
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt der Präsident

im Verfahren nach Art. 108 BGG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten entgegenzunehmen, und es wird darauf nicht eingetreten.

2.
Die Rechtsschrift vom 13. September 2007 wird im Sinne der Erwägungen an die
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen übermittelt.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Kantonalen Steueramt St.
Gallen, der Kommission für die Grundsteuern der Stadt Zürich, der
Steuerverwaltung des Kantons Luzern und dem Office cantonale des impôts du
canton de Vaud (Office d'impôt des Personnes Morales) sowie der
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. September 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: