Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.492/2007
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2C_492/2007/ble

Urteil vom 11. Februar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiberin Dubs.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich.

Widerruf der Niederlassungsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, 4. Kammer, vom 11. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1969), Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, heiratete
am 23. November 1991 die Landsmännin Y.________ (geb. 1972). Mit einem 30
Tage gültigen Besuchervisum reisten die Eheleute X.________-Y.________ am 7.
August 1992 in die Schweiz ein, wo sie bei den Eltern des Ehemannes in Zürich
wohnten und wegen des im damaligen Jugoslawien herrschenden Krieges in der
Folge illegal verblieben.
Erfolglos ersuchten sie im Jahre 1995 um Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung. Mit Verfügung vom 10. April 1995 wies das damalige
Bundesamt für Flüchtlinge die Eheleute X.________-Y.________ aus der Schweiz
weg, gewährte ihnen aber wegen der Kriegswirren in Jugoslawien vorläufige
Aufnahme.
Die Ehe X.________-Y.________ wurde am 10. Oktober 1996 geschieden. Am
20. Oktober 1996 kam der gemeinsame Sohn zur Welt. Mit Verfügung vom 15.
April 1997 setzte die Fremdenpolizei des Kantons Zürich der Familie
X.________-Y.________ Frist zur Ausreise, die in der Folge verlängert wurde.
Von der Scheidung wussten die Behörden damals nichts. Am 19. März 1998
erfolgte schliesslich die gemeinsame Ausreise nach Bosnien-Herzegowina.

B.
Am 10. April 1998 heiratete X.________ die in der Schweiz niedergelassene, 16
Jahre ältere Z.________. Am 12. Juli 1998 reiste er wieder in die Schweiz, wo
ihm gestützt auf die Heirat eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Am 31.
Juli 2003 erhielt er die Niederlassungsbewilligung. Mit Urteil vom 18.
September 2003 wurde die Ehe X.________-Z.________ geschieden.
Am 15. Januar 2004 heiratete X.________ erneut seine frühere Ehefrau
Y.________ und stellte am 5. Februar 2004 ein Gesuch um Familiennachzug für
seine Ehefrau sowie den gemeinsamen Sohn.

C.
Mit Verfügung vom 8. November 2004 verweigerte das Migrationsamt des Kantons
Zürich den Familiennachzug und widerrief gleichzeitig die
Niederlassungsbewilligung von X.________.
Dagegen beschwerte sich X.________ erfolglos zunächst beim Regierungsrat und
sodann beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich.

D.
Mit Eingabe vom 12. September 2007 erhebt X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde
und beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom
11. Juli 2007 aufzuheben, ihm die Niederlassungsbewilligung zu belassen und
der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

E.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Für den Regierungsrat beantragt die Staatskanzlei des Kantons Zürich
Abweisung der Beschwerde. Den gleichen Antrag stellt das Bundesamt für
Migration.

F.
Mit Verfügung vom 19. September 2007 hat der Präsident der
II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegen kantonal letztinstanzliche Entscheide über den Widerruf von
Niederlassungsbewilligungen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig (Art. 83 lit. c BGG e contrario). Das Rechtsmittel
ist als solche entgegenzunehmen.

1.2 Am 1. Januar 2008 ist das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG; SR 142.20) in Kraft
getreten. Vorliegend ist jedoch noch das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) massgebend (Art. 126 Abs. 1
AuG analog).

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz
festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn,
dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine
entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist
(Art. 42 Abs. 2 BGG), setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels sich
für den Ausgang des Verfahrens als entscheidend erweist (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Nach Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG kann eine Niederlassungsbewilligung
widerrufen werden, wenn der Ausländer sie durch falsche Angaben oder
wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat. Der
Widerruf setzt voraus, dass der Betroffene wissentlich falsche Angaben
gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat, in der Absicht, gestützt
darauf den Aufenthalt oder die Niederlassung bewilligt zu erhalten (Urteile
des Bundesgerichts 2A.33/2007 vom 9. Juli 2007 E. 4.1, 2A.129/2006 vom 27.
Juni 2006 E.2.2, 2A.436/2003 vom 6. Januar 2004 E. 3.1; BGE 112 Ib 473 E. 3b
S. 475 f.). Nach Art. 3 Abs. 2 ANAG ist der Ausländer verpflichtet, der
Behörde über alles, was für den Bewilligungsentscheid massgebend sein kann,
wahrheitsgetreu Auskunft zu geben. Wesentlich sind dabei nicht nur Umstände,
nach denen die Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern auch solche, von
denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid
relevant sind (Urteile 2A.511/2001 vom 10. Juni 2002, publ. in: Pra 2002 Nr.
163, E. 3.2; 2A.57/2002 vom 20. Juni 2002, publ. in: Pra 2002 Nr. 165, E.
2.2, je mit Hinweisen). Das Erschleichen einer Niederlassungsbewilligung
durch falsche Angaben oder durch wissentliches Verschweigen von Tatsachen
kann schon darin liegen, dass die Angaben, auf welche sich die Behörden bei
der seinerzeitigen Erteilung der Aufenthaltsbewilligung gestützt hatten oder
die bei späteren Verlängerungen der Aufenthaltsbewilligung oder bei der
Erteilung der Niederlassungsbewilligung - mangels anderer Angaben - immer
noch als massgebend betrachtet werden konnten, falsch oder unvollständig
waren (Urteil 2A.511/2001 vom 10. Juni 2002 E. 3.2).
2.2 Das Verwaltungsgericht geht in seinem Urteil von der dargestellten
Rechtsprechung aus und hat diese im konkreten Fall korrekt angewandt.
Eine Reihe von Indizien sprechen dafür, dass der Beschwerdeführer von Anfang
an nicht die Absicht hatte, mit seiner zweiten Ehefrau eine auf Dauer
ausgerichtete Lebensgemeinschaft zu führen, sondern gemäss einem aus
zahlreichen Verfahren bekannten Verhaltensmuster lediglich seiner ehemaligen
Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn die Möglichkeit eines späteren Nachzuges in
die Schweiz verschaffen wollte. Als es ihm und seiner ersten Ehefrau nicht
gelungen war, die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu erwirken, liessen
sich die Eheleute scheiden, wohnten aber bis zur effektiven Ausreise während
eineinhalb Jahren weiter zusammen und gaben auch den Behörden nicht zu
erkennen, dass sie geschieden waren. Drei Wochen nach der gemeinsamen
Ausreise heiratete der Beschwerdeführer seine zweite Ehefrau, womit er ein
Anwesenheitsrecht in der Schweiz erwarb. Er versuchte erfolglos seinen Sohn
nachzuziehen, wobei er, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, in diesem
Zusammenhang offensichtlich falsche Angaben betreffend die Betreuung des
Kindes im Heimatland sowie seine Beziehung zur ersten Ehefrau machte. Gemäss
den verbindlichen Feststellungen (vgl. E. 1.3) im angefochtenen Entscheid
wohnte der Beschwerdeführer wenn nicht schon seit September 2001, so
jedenfalls im Zeitpunkt, als er am 19. Juni 2003 das Gesuch um Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung bzw. um Erteilung der Niederlassungsbewilligung
stellte, nicht mehr mit seiner (zweiten) Ehefrau zusammen. Diese war zuvor in
eine andere Wohnung umgezogen. Die gegenteilige Angabe auf dem
Gesuchsformular war falsch und betraf einen für die Bewilligungserteilung
wesentlichen Punkt. Der Anspruch des ausländischen Ehegatten auf eine
Aufenthaltsbewilligung setzt nach Art. 17 Abs. 2 ANAG voraus, dass die
Ehegatten zusammen wohnen, und der Anspruch auf eine
Niederlassungsbewilligung entsteht erst nach einem ordnungsgemässen und
ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren, wobei auch das Erfordernis des
Zusammenlebens der Ehegatten erfüllt sein muss (vgl. Urteil 2A.88/2005 vom
29. Juni 2005 E. 2.2 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hätte bei
wahrheitsgetreuer Darlegung der Verhältnisse keinen Anspruch auf die
Niederlassungsbewilligung gehabt. Der Widerrufsgrund nach Art. 9 Abs. 4 lit.
a ANAG ist somit erfüllt.
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, das Vorliegen
einer Täuschung zwecks Erschleichung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung
zu widerlegen. Wieweit der Beschwerdeführer ein solches Ziel von Anfang an
verfolgte, was er bestreitet, bedarf keiner weiteren Erörterungen, nachdem
feststeht, dass er im Zeitpunkt der Gesuchstellung das Getrenntleben der
Ehegatten sowie die Absicht, die Ehe nicht weiter zu führen, verschwieg. Im
Übrigen kann von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht die Rede sein.
Die vom Beschwerdeführer bestrittene Aussage seiner ersten Ehefrau, in
welcher sie ihn nach der Scheidung als ihren "Mann" bezeichnet haben soll,
ist für die Frage, ob er die Erteilung der Niederlassungsbewilligung
erschlichen habe, ohnehin nicht entscheidend. Für die Befragung der zweiten
Ehefrau zur "Echtheit" der Ehe bestand im vorliegenden Widerrufsverfahren
kein Anlass.

2.3 Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist unter den gegebenen
Umständen auch verhältnismässig. Der Beschwerdeführer hat mit seiner früheren
Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn, die beide in Bosnien-Herzegowina leben,
eine neue Familie gegründet. Eine Rückkehr ins gemeinsame Heimatland
erscheint damit zumutbar.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK ist durch die
fragliche fremdenpolizeiliche Verfügung, die zur Folge hat, dass der
Beschwerdeführer zu seiner Familie zurückkehren wird, von vornherein nicht
betroffen. Sinngemäss beruft sich der Beschwerdeführer zudem auf das
ebenfalls durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens. Er
verkennt dabei, dass selbst eine langjährige Anwesenheit in der Schweiz unter
diesem Titel keinen Bewilligungsanspruch entstehen lässt. Erforderlich wären
besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private
Bindungen gesellschaftlicher oder beruflicher Natur bzw. vertiefte soziale
Beziehungen zum ausserfamiliären bzw. ausserhäuslichen Bereich. Es müsste von
einer eigentlichen Verwurzelung in der Schweiz gesprochen werden können (vgl.
BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen erfüllt
der Beschwerdeführer offensichtlich nicht.

3.
3.1 Der verfügte Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist folglich
bundesrechts- und konventionskonform. Die Beschwerde ist somit als
unbegründet abzuweisen.

3.2 Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Februar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Merkli Dubs