Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.451/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


2C_451/2007

Urteil vom 22. Januar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

A. ________
B.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Marc Spescha, substituiert durch lic.iur.
Antonia Kerland,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Postfach,
8090 Zürich (Amtsstellen Kanton Zürich)

Regierungsrat des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich
(Amtsstellen Kanton Zürich),

Aufenthaltsbewilligung (Familiennachzug, Art. 8 EMRK),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom
6. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Der aus Mazedonien stammende Schweizer Bürger A.________ (geb. 1968) lebt mit
seiner Ehefrau C.________ und den beiden Kindern D.________ (geb. 2001) und
E.________ (geb. 2004), welche ebenfalls das Schweizer Bürgerrecht besitzen,
im Kanton Zürich. Die beiden Eheleute erlitten im Jahre 2005 einen
Verkehrsunfall. Seither ist A.________ zu 100 % invalid. Er ist
arbeitsunfähig und bezieht u.a. eine Rente der Invalidenversicherung. Seine
Ehefrau leidet an chronischen Schmerzen und an einer Depression.
Bereits vor dem Unfall, im Jahre 2004, hatte A.________ erfolglos um den
Nachzug seiner am 8. November 1940 geborenen, verwitweten und in Mazedonien
lebenden Mutter B.________ ersucht. Nach dem Unfall, im Januar 2006, holten
die Eheleute die Mutter/Schwiegermutter mit einem Besuchervisum zu sich in
die Schweiz, damit sie bei der Betreuung der Familie mithelfe. Nach Ablauf
des Visums ersuchten sie erfolglos um Verlängerung des Besuchsaufenthalts. Am
11. Juli 2006 wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich
(Migrationsamt) das am 7. Juni 2006 gestellte Nachzugsgesuch (bzw. das
"Gesuch um Bewilligung der Einreise zur erwerbslosen Wohnsitznahme beim
Sohn") ab.

B.
Den gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs wies der Regierungsrat des
Kantons Zürich mit Beschluss vom 7. Februar 2007 ab. Er erwog im
Wesentlichen, die einreisewillige Rekurrentin sei gesund und nicht
pflegebedürftig. Ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihr und ihrem Sohn bzw.
den Enkelkindern bestehe nicht, weshalb kein Anspruch auf die beantragte
Bewilligung vorliege. Der Entscheid sei deshalb gestützt auf Art. 4 ANAG nach
freiem Ermessen zu treffen. In diesem Zusammenhang erwog der Regierungsrat,
durch die Verweigerung der Aufenthaltsbewiligung entstehe für die Rekurrentin
keine existenzgefährdende Situation, weshalb er sich nicht veranlasst sehe,
die nachgesuchte Bewilligung gestützt auf die Bestimmungen über Härtefälle zu
erteilen und hiefür beim Bundesamt für Migration die notwendige Zustimmung zu
beantragen.
Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich am 7. Juni 2007 ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat.
Seinen begründeten Entscheid versandte es am 5. Juli 2007.

C.
Mit gemeinsamer Eingabe vom 6. September 2007 führen A.________ und
B.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich vom 6. Juni 2007 aufzuheben und die kantonalen Behörden
anzuweisen, die Einreise von B.________ zu ihrem Sohn und dessen Familie im
Rahmen des Familiennachzugs zu bewilligen.
Die Staatskanzlei des Kantons Zürich beantragt - für den Regierungsrat -
Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliesst
auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Denselben Antrag
stellt das Bundesamt für Migration.

Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts
unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das
Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt.

1.2 Aus dem Bundesrecht ergibt sich hier kein Anspruch auf den anbegehrten
Familiennachzug. Diese Frage beurteilt sich vorliegend noch nach dem
Bundesgesetz vom 26. Mai 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer
(ANAG) und seinen Ausführungserlassen. Zwar ist am1. Januar 2008 das
Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer
(AuG, SR 142.20) in Kraft getreten, doch bestimmt dessen Art. 126 Abs. 1,
dass auf Gesuche, die - wie hier - vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes
eingereicht worden sind, noch das bisherige Recht anwendbar bleibt. Ein
Anspruch auf Nachzug ergäbe sich im Übrigen auch nicht aus dem neuen Recht
(vgl. Art. 42 AuG).
Als Anspruchsgrundlage fällt vorliegend - wovon auch die Beschwerdeführer
ausgehen - einzig Art. 8 EMRK in Betracht (vgl. E. 2). Das Bundesgericht hat
damit aufgrund von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG als Eintretensfrage zu prüfen,
ob eine schützenswerte Beziehung im Sinne dieser Konventionsnorm besteht, aus
welcher ein grundsätzlicher Anspruch auf die anbegehrte
Aufenthaltsbewilligung abgeleitet werden kann. Verneinendenfalls tritt es auf
die Beschwerde nicht ein.

2.
2.1 Art. 8 EMRK gewährleistet den Schutz des Familienlebens. Die Europäische
Menschenrechtskonvention verschafft an sich kein Recht auf Aufenthalt in
einem bestimmten Konventionsstaat. Hat ein Ausländer nahe Verwandte in der
Schweiz und ist diese familiäre Beziehung intakt und wird sie tatsächlich
gelebt, kann es hingegen das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. in Art. 13 Abs. 1 BV
garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens verletzen, wenn ihm die
Anwesenheit in der Schweiz untersagt wird. Der sich hier aufhaltende
Angehörige muss dabei über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügen. Dies
ist der Fall, wenn er - wie hier - das Schweizer Bürgerrecht oder eine
Niederlassungsbewilligung besitzt oder über eine Aufenthaltsbewilligung
verfügt, die ihrerseits auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht (BGE 130
II 281 E. 3.1 S. 285 f. mit Hinweisen).

2.2 Abgesehen von der Kernfamilie, d.h. den Beziehungen zwischen Ehepartnern
sowie zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern, erfasst Art. 8 EMRK
die Beziehungen zwischen allen nahen Verwandten, die in der Familie eine
wesentliche Rolle spielen können. Um ausserhalb der Kernfamilie einen
Anspruch auf ein Anwesenheitsrecht gestützt auf Art. 8 EMRK entstehen zu
lassen, ist aber notwendig, dass zwischen der über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügenden Person und dem um eine
fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländer ein besonderes
Abhängigkeitsverhältnis besteht. Wie im angefochtenen Urteil zutreffend
dargelegt, wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 8 EMRK ein
Nachzugsrecht für Verwandte, die nicht zur Kernfamilie gehören, nur
anerkannt, wenn der nachzuziehende Ausländer von der hier fest
anwesenheitsberechtigten Person abhängig ist, nicht dagegen im umgekehrten
Fall (vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1d S. 261, Urteile 2A. 253/1996 vom 29. Oktober
1996, E. 2 und 3, 2A.119/2001 vom 15. Oktober 2001, E. 5b/aa, 2A. 20/2002 vom
13. Mai 2002, E. 1.3, 2A. 29/2002 vom 14. Mai 2002, E. 3.3, 2P.84/2002 vom
24. Oktober 2002, E. 3.2 - 3.6; Frage offen gelassen im Urteil 2P.278/1997
vom 8. Oktober 1997, E. 2b/bb). Es besteht kein Anlass, von dieser
Rechtsprechung abzuweichen.

2.3 Vorliegend ist nach den für das Bundesgericht aufgrund von Art. 105 Abs.
2 BGG grundsätzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht die
nachzuziehende Mutter, sondern der in der Schweiz eingebürgerte Sohn bzw.
dessen Familie betreuungsbedürftig; die Mutter ist gesund und nicht von ihrem
Sohn abhängig (auch wenn sie von diesem bisher offenbar regelmässige kleinere
finanzielle Zuwendungen überwiesen erhalten hat, vgl. S. 5 der
Beschwerdeschrift). Zudem kann nicht von einer eigentlichen Abhängigkeit des
Sohnes von der Mutter gesprochen werden, wie sie etwa bei fortdauernder
Pflege eines behinderten erwachsenen Kindes durch dessen Eltern gegeben sein
kann. Die erforderliche Unterstützung des Sohnes und seiner Familie kann auch
durch Drittpersonen erfolgen; wie im angefochtenen Urteil (S. 8) zutreffend
ausgeführt wird, hätte der Beschwerdeführer diesbezüglich mit den Behörden
seiner (Wohn-)Gemeinde Kontakt aufzunehmen. Dass die Anwesenheit der Mutter
den Bedürfnissen aller Beteiligten besonders entgegenkäme, begründet noch
keine geschützte Beziehung im Sinne von Art. 8 EMRK.

2.4 Die Beschwerdeführerin hat die Betreuung der Familie gestützt auf ein
Besuchervisum zwar zeitweise bereits übernommen. Dies ändert jedoch an der
vorstehenden Beurteilung nichts. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage käme
einzig eine Aufenthaltsbewilligung im Ermessensbereich gemäss Art. 4 ANAG im
Rahmen der Schranken der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung
der Zahl der Ausländer (BVO; vgl. heute Art. 18 ff und Art. 30 AuG) in Frage,
wozu sich der Regierungsrat in seinem Entscheid indessen abschlägig geäussert
hat; er hat auf einen entsprechenden Antrag an das Bundesamt für Migration
bewusst verzichtet. In diesem letzteren Punkt ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 5 BGG
ausgeschlossen.

3.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten nicht einzutreten.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht
geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt,
unter solidarischer Haftung.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat und  dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Klopfenstein