Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.444/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_444/2007 /bru

Urteil vom 4. April 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Bundesrichterinnen Yersin, Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Häberli.

Parteien
X._______,
Beschwerdeführer,

gegen

Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte
des Kantons Zug.

Gegenstand
Disziplinaraufsicht über die Notare,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zug, 2. Zivilrechtliche Abteilung, vom 29. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
X._______ ist in Zug als selbständiger Rechtsanwalt und Notar tätig. Am 28.
März 2006 hat er im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsgründung dem
Handelsregisteramt Zug eine Urkunde eingereicht, die eine der beteiligten
Personen nicht eigenhändig (sondern mit einem Stempel) unterzeichnet hatte und
in der wahrheitswidrig festgestellt wurde, die betreffende Person habe an der
Versammlung der Gründer teilgenommen.

B.
Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zug stellte in der
Folge einen Verstoss gegen § 16 des Zuger Gesetzes über die öffentliche
Beurkundung und die Beglaubigung in Zivilsachen (BeurkG) fest und entzog
X._______ für drei Monate die Beurkundungsbefugnis (Beschluss vom 29. August
2006). Auf Beschwerde hin reduzierte das Obergericht des Kantons Zug die
Entzugsdauer auf zwei Monate (Urteil vom 29. Juni 2007).

C.
Am 3. September 2007 hat X._______ beim Bundesgericht "Beschwerde" eingereicht
mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben; eventuell sei die Sache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zusätzlich stellt er in
seiner Eingabe verschiedene Feststellungsanträge.
Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte und das Obergericht des Kantons
Zug haben je die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Erwägungen:

1.
Streitig ist vorliegend die dem Beschwerdeführer als Notar auferlegte
Disziplinarmassnahme. Es handelt sich mithin um eine Angelegenheit des
öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 82 lit. a BGG, welche nicht unter eine
der Ausnahmen gemäss Art. 83 BGG fällt. Die in unbestimmter Form als
"Beschwerde" bezeichnete Eingabe ist deshalb als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen. Der mit einer
Disziplinarsanktion belegte Beschwerdeführer ist zu diesem Rechtsmittel
legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Obschon der materielle Begriff der öffentlichen Beurkundung dem Bundesrecht
angehört, liegt die Kompetenz zu deren gesetzlichen Regelung grundsätzlich bei
den Kantonen. Diesen wird durch Art. 55 SchlT ZGB die Aufgabe übertragen, zu
bestimmen, wer auf dem Kantonsgebiet zur Errichtung öffentlicher Urkunden
befugt und wie dabei vorzugehen ist. Neben Zuständigkeit und Form des
Verfahrens sind insbesondere die Voraussetzungen für die Tätigkeit als
Urkundsperson, die Aufgaben und Berufspflichten der Urkundspersonen sowie das
Gebühren- und Aufsichtswesen zu regeln (BGE 133 I 259 E. 2.1 S. 260). Gemäss
der einschlägigen Regelung des Kantons Zug unterstehen die zur öffentlichen
Beurkundung ermächtigten Rechtsanwälte in ihrer Beurkundungstätigkeit der
Aufsicht und der Disziplinargewalt der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte
(§ 12 Abs. 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 1 BeurkG). Bei Verstössen gegen die
Berufspflichten erteilt diese einen Verweis oder verhängt eine Ordnungsbusse;
in schweren Fällen kann sie dem fehlbaren Anwalt die Beurkundungsbefugnis
vorübergehend oder dauernd entziehen (§ 12 Abs. 2 BeurkG).

2.2 Die streitige Sanktion stützt sich auf diese Regelung der
Disziplinaraufsicht, so dass vorliegend allein die Anwendung von kantonalem
Gesetzesrecht zu beurteilen ist. In seiner Eingabe beruft sich der
Beschwerdeführer diesbezüglich auf keine verfassungsmässigen Rechte und erhebt
insbesondere auch nicht die hinsichtlich der Handhabung von kantonalem Recht im
Vordergrund stehende Rüge einer Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV; vgl.
BGE 127 I 60 E. 5a S. 70). Er macht einzig geltend, der verfügte zweimonatige
Entzug seiner Beurkundungsbefugnis sei unverhältnismässig, und ruft so den
Verhältnismässigkeitsgrundsatz von Art. 5 Abs. 2 BV an (vgl. BGE 126 I 112 E.
5b S. 119), bei dem es sich zwar um ein verfassungsmässiges Prinzip, nicht aber
um ein verfassungsmässiges Recht handelt. Im Rahmen der staatsrechtlichen
Beschwerde, welche unter der Herrschaft des bis Ende 2006 in Kraft stehenden
Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) das einzige
hier zur Verfügung stehende Rechtsmittel gewesen wäre, hätte er eine Verletzung
des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes nicht selbständig, d.h. ohne gleichzeitige
Anrufung eines besonderen Grundrechts geltend machen können (BGE 125 I 161 E.
2b S. 163; vgl. auch BGE 130 I 388 E. 4 S. 391 f.). Nach geltendem Recht ist
demgegenüber das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, welche zwar auch keine freie
Prüfung des kantonalen Rechts ermöglicht, aber - wie zuvor die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 104 OG) - die Kognition des Bundesgerichts
nicht auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränkt. Gemäss Art. 95
lit. a BGG kann vielmehr die Verletzung von Bundesrecht im Allgemeinen geltend
gemacht werden, so dass sich der Einzelne in Bezug auf die Handhabung von
kantonalem Gesetzesrecht direkt auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz als Teil
des Bundes(verfassungs)rechts berufen kann (Hansjörg Seiler, in: Seiler/von
Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz, Rz. 20 zu Art. 95 BGG; vgl. zum alten
Recht etwa BGE 122 II 433 E. 2a S. 435). Doch prüft das Bundesgericht die
Verhältnismässigkeit kantonalrechtlicher Anordnungen ausserhalb von
Grundrechtseingriffen nicht frei, sondern nur unter dem Gesichtswinkel des
Willkürverbots (vgl. das zur Publikation in der amtlichen Sammlung der
Bundesgerichtsentscheide bestimmte Urteil 2C_704/2007 vom 1. April 2008). Es
gilt hierfür die in Art. 106 Abs. 2 BGG festgelegte Rüge- und
Begründungspflicht.

2.3 Unzulässig sind die gestellten Feststellungsanträge: Derartige Begehren
setzen gemäss Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 25 BZP ein besonderes
Feststellungsinteresse voraus (vgl. BGE 122 II 97 E. 3 S. 98). Ein solches ist
hier weder geltend gemacht noch ersichtlich.

3.
Der Beschwerdeführer bringt vor, der verfügte zweimonatige Entzug seiner
Beurkundungsbefugnis sei unverhältnismässig, weil er sich einerseits keine
schwere Pflichtverletzung, sondern nur einen Flüchtigkeitsfehler in formellen
Belangen habe zuschulden kommen lassen und andererseits als alleiniger Inhaber
einer Kleinkanzlei durch die verhängte Sanktion besonders hart getroffen werde.

3.1 Der Beschwerdeführer hat im Text der streitbetroffenen Urkunde ausdrücklich
festgehalten, die drei Gesellschaftsgründer seien persönlich anwesend gewesen
und alle Beteiligten hätten das Dokument eigenhändig unterzeichnet. Im
anschliessenden Disziplinarverfahren gab er zu, mit jenem Gründer, dessen
Unterschrift bloss in Form eines Faksimilestempels vorliegt, nur in
telefonischem Kontakt gestanden zu sein. Nachdem unbestritten ist, dass der
Betreffende im Moment der Verurkundung nicht zugegen war, liegt - entgegen den
Vorbringen des Beschwerdeführers - weder ein blosser Formfehler bezüglich des
Orts der Unterzeichnung noch ein Flüchtigkeitsfehler hinsichtlich der Kontrolle
der Faksimileunterschrift vor. Vielmehr leidet die vom Beschwerdeführer
erstellte Urkunde an einem gravierenden inhaltlichen Mangel, indem sie
wahrheitswidrig festhält, alle Beteiligten hätten die darin enthaltene
Erklärung in Anwesenheit der Urkundsperson abgegeben und unterschriftlich
anerkannt. Eine gültige Urkunde setzt nach kantonalem Notariatsrecht
unbestrittenermassen voraus, dass die enthaltene Erklärung in ununterbrochener
Anwesenheit der Urkundsperson gelesen, genehmigt und unterzeichnet worden ist.
Die vom Beschwerdeführer zur Beschönigung seines Fehlverhaltens vorgetragene
Sachverhaltsdarstellung ist demnach zum Vornherein unbehelflich, zumal eine
Erklärung zu Urkund per Telefon untauglich gewesen wäre. Bei diesen
Gegebenheiten ist nicht mehr von einer lediglich geringfügigen Verletzung der
Berufspflichten auszugehen: Der Beschwerdeführer hat mit seinem dargestellten
Verhalten das in ihn gesetzte öffentliche Vertrauen enttäuscht und gleichzeitig
in schwerwiegender Weise gegen die Interessen seiner Klienten verstossen, zumal
ein mit derartigen Mängeln behaftetes Geschäft in aller Regel formungültig ist.
Es ist deshalb nicht verfassungswidrig, wenn die Aufsichtsbehörde von einem
schweren Fall im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 BeurkG ausgegangen ist, der einen
vorübergehenden (oder dauernden) Entzug der Beurkundungsbefugnis erlaubt.

3.2 Zu prüfen bleibt, ob die im konkreten Fall ergriffene Sanktion eines
zweimonatigen Entzugs der Beurkundungsbefugnis - wie vom Beschwerdeführer
geltend gemacht - (offensichtlich) gegen den Grundsatz der
Verhältnissmässigkeit verstösst.
3.2.1 Vorliegend steht die Eignung der streitigen Disziplinarmassnahme ausser
Frage; es liegt auf der Hand, dass die verhängte Sanktion die Bereitschaft des
Beschwerdeführers verbessert, seinen Berufspflichten künftig ohne
Einschränkungen nachzukommen. Weiter hält sich die streitige Massnahme auch mit
Blick auf das Kriterium der Erforderlichkeit im Rahmen dessen, was die
Aufsichtsbehörde in pflichtgemässer Ermessensausübung anordnen kann: Die
Ausflüchte und Beschönigungsversuche des Beschwerdeführers zeigen deutlich,
dass dieser das Gewicht seines Fehlverhaltens immer noch verkennt.
Pflichtverstösse wie der vorliegende, bei dem elementarste Regeln des
Beurkundungsrechts missachtet wurden, sind geeignet, die berufliche
Zutrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ernstlich in Frage zu stellen. Dessen
andere Wertung des Vorgefallenen lässt sein Verschulden nicht etwa geringer
erscheinen, sondern verdeutlicht im Gegenteil die Leichtfertigkeit, mit welcher
er die Interessen seiner Klientschaft und die Würde seines Amtes gefährdet hat.
Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz mit der
Aufsichtsbehörde eine mildere Massnahme (in der Form einer Busse) als den
befristeten Entzug der Beurkundungsbefugnis ausgeschlossen hat. Auf die beiden
bereits länger zurückliegenden, jeweils mit einer Disziplinarbusse geahndeten
Verstösse des Beschwerdeführers gegen die Berufspflichten als Rechtsanwalt
kommt es diesbezüglich nicht an, so dass offen bleiben kann, ob und inwieweit
diese im vorliegenden Disziplinarverfahren überhaupt berücksichtigt werden
dürfen.
3.2.2 Die Zumutbarkeit des befristeten Entzugs der Beurkundungsbefugnis
bestreitet der Beschwerdeführer mit dem Hinweis darauf, dass er allein eine
Kleinkanzlei führe. Auch wenn er tatsächlich, wie er behauptet, überwiegend im
Bereich des Gesellschaftsrechts tätig sein sollte, lassen diese Umstände die
streitige Sanktion nicht als offensichtlich unverhältnismässig erscheinen: Die
Disziplinarmassnahme wird zwar beim Beschwerdeführer zu einer gewissen
finanziellen Einbusse führen, weil er einige Aufträge und wohl auch einige
Kunden verlieren dürfte; weshalb sie aber darüber hinaus dessen wirtschaftliche
Existenz bedrohen sollte, ist weder ersichtlich noch dargetan. Während der zwei
Monate, in denen der Beschwerdeführer keine öffentlichen Urkunden erstellen
kann, darf er unverändert als Rechtsanwalt tätig sein. Zudem sollte es ihm
angesichts der relativ kurzen Entzugsdauer gelingen, einen grossen Teil der
betroffenen Notariatsgeschäfte im Rahmen seiner Terminplanung auf einen
Zeitpunkt vor oder nach dem Entzug der Beurkundungsbefugnis zu legen. Soweit
ein entsprechendes Vorgehen wegen der Dringlichkeit des Geschäfts nicht möglich
ist, kann er sich schliesslich für die Erstellung der Urkunden mit einem
Berufskollegen zusammentun.

4.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich demnach
als unbegründet, soweit auf sie einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl.
Art. 65 f. BGG). Parteientschädigung ist keine auszurichten (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Aufsichtskommission über die
Rechtsanwälte und dem Obergericht des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. April 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Häberli