Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.322/2007
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2C_322/2007

Urteil vom 22. Januar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Matter.

X. ________, Postfach, 3018 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Bern,
Brünnenstrasse 66, 3018 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Kantons- und Gemeindesteuern sowie
direkte Bundessteuer pro 2001; Abzug
von Umschulungskosten.

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom
6. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ machte für die Staatssteuer und die direkte Bundessteuer 2001
Umschulungskosten von Fr. 26'500.-- geltend, die von seinem steuerbaren
Einkommen abzuziehen seien. Die Steuerverwaltung des Kantons Bern verweigerte
diesen Abzug, weil sie die betreffenden Aufwendungen als nicht abziehbare
Ausbildungskosten einstufte. Dagegen erhob X.________ vergeblich Einsprache
und gelangte sodann erfolglos an die kantonale Steuerrekurskommission bzw. an
das Verwaltungsgericht des Kantons Bern.

B.
Mit Postaufgabe vom 2. Juli 2007 hat X.________ beim Bundesgericht
"Einsprache" gegen das einzelrichterliche Urteil des Verwaltungsgerichts vom
6. Juni 2007 erhoben. Er bringt vor, der Richter habe die massgeblichen
Aufwendungen zu Unrecht beim steuerbaren Einkommen aufgerechnet. Auch hätte
der Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung nicht verweigert werden
dürfen. Derselbe Anspruch bestehe für das Verfahren vor Bundesgericht.
Die kantonale Steuerverwaltung stellt den Antrag, auf das Rechtsmittel nicht
einzutreten, eventualiter schliesst sie - wie das Verwaltungsgericht - auf
dessen Abweisung. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat auf eine
Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid des Verwaltungsgerichts
ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art.
82 lit. a und 86 Abs. 1 lit. d des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005,
BGG, SR 173.110).

1.2 Die beim Bundesgericht eingereichte Laienbeschwerde enthält u.a. keinen
förmlichen Antrag. Sinngemäss lässt sich der Beschwerdeschrift aber doch
entnehmen, was der Beschwerdeführer erreichen will und warum er mit dem
angefochtenen Entscheid nicht einverstanden ist. Mit Blick auf den Ausgang
des Verfahrens kann offen bleiben, inwiefern die Begründungsanforderungen von
Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG erfüllt sind. Nicht einzutreten ist
auf die gesamten Vorwürfe gegenüber der kantonalen Steuerverwaltung, denn
anfechtbar ist nur der kantonal letztinstanzliche Entscheid des
Verwaltungsgerichts (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG).

1.3 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht im Sinn von Art. 95 BGG gerügt werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Für die direkte Bundessteuer bestimmt Art. 26 Abs. 1 lit. d des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG, SR
642.11), dass Kosten für die Weiterbildung dann abzugsberechtigt sind, wenn
sie mit dem gegenwärtig ausgeübten Beruf "in Zusammenhang" stehen. Es sind
nur solche Kosten abziehbar, die im Rahmen des bereits erlernten und
ausgeübten Berufs anfallen, nicht dagegen die Ausbildungskosten für die
erstmalige Aufnahme einer Berufstätigkeit bzw. für einen neuen (zusätzlichen)
Beruf (vgl. Art. 34 lit. b DBG). Der unmittelbare ursächliche Zusammenhang
mit dem ausgeübten Beruf besteht sodann lediglich, wenn sich die
Weiterbildung auf Kenntnisse bezieht, die bei der Berufsausübung verwendet
werden. Er fehlt, wenn es nur um persönliche Bereicherung - etwa im Sinne
kultureller Weiterbildung - geht (BGE 113 Ib 114 E. 3b S. 121). Ebenfalls
keine Weiterbildungskosten im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. d DBG bilden
Auslagen für eine Fortbildung, die zum Aufstieg in eine eindeutig vom
bisherigen Beruf zu unterscheidende höhere Berufsstellung (sog.
Berufsaufstiegskosten) oder gar zum Umstieg in einen anderen Beruf dient
(vgl. zum Ganzen u.a. ASA 72 743 E. 4.1.2; StE 2006 B 22.3 Nr. 86 E. 2.2; StR
61/2006 S. 41 E. 2.3.1; Pra 2004 Nr. 113 S. 639 E. 2.1 u. 2.2; je mit
weiteren Hinweisen).

2.2 Die Abzugsfähigkeit von Umschulungskosten wurde bei der direkten
Bundessteuer erst mit dem DBG eingeführt. Die Umschulung dient nicht für die
Ausübung des gegenwärtigen bzw. bisherigen Berufs, sondern für die
Vorbereitung eines neuen Berufs (BBl 1983 III 166 f.). Damit wollte der
Gesetzgeber unter anderem auf Beschäftigungsschwierigkeiten in einzelnen
Wirtschaftszweigen steuerlich Rücksicht nehmen. Der die Abzugsfähigkeit
begründende Zusammenhang der Umschulungskosten mit dem (gegenwärtigen) Beruf
besteht darin, dass die Ursache für die Neuorientierung in diesem Beruf zu
suchen ist. Demnach ist ein Abzug der Kosten zu gewähren, wenn sich der
Pflichtige etwa wegen einer Betriebsschliessung, dem Aussterben eines Berufs,
aber auch wegen Krankheit oder Unfall als Grund für die nötige berufliche
Neuausrichtung umschulen lässt. Der Begriff der Umschulung ist eng
auszulegen, um eine Abgrenzung zu demjenigen der Zweitausbildung zu
ermöglichen. (vgl. zum Ganzen Art. 8 der Verordnung des Eidgenössischen
Finanzdepartements vom 10. Februar 1993 über den Abzug von Berufskosten der
unselbständigen Erwerbstätigkeit bei der direkten Bundessteuer [BKV; SR
642.118.1]; siehe auch ASA 72 743 E. 4.1.3; StE 2006 B 22.3 Nr. 85 E. 2.2,
2.4.2 u. 2.4.3; je mit weiteren Hinweisen).

2.3 Vorliegend ist unbestritten, dass die massgeblichen Aufwendungen (u.a.
Besuch von Seminaren und Kursen, Praktikumseinsatz, umfangreiche
Reiseliteratur, Fotoausrüstung, Ausrüstung und Spezialkleidung für
verschiedene Outdoor-Aktivitäten) keine Weiterbildungskosten im Sinne des
Gesetzes und der Rechtsprechung (vgl. oben E. 2.1) darstellen, beziehen sie
sich doch nicht auf die zuvor erlernten und ausgeübten Berufe (Lehren als
Stahlbauzeichner und Fernmeldesekretär; letzte Stelle als Kundenberater bei
den Schweizerischen Bundesbahnen). Fraglich ist nur noch, ob sie abzugsfähige
Umschulungskosten (im Hinblick auf eine Tätigkeit in den Bereichen
Fotografie, Outdoor, Reisen und Tourismus) bilden.

2.4 Das Verwaltungsgericht hat festgehalten, dass der frühere
Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers nicht ausgestorben ist. Diese
Sachverhaltsfeststellung ist auf jeden Fall nicht offensichtlich unrichtig
(im Sinne von Art. 105 BGG; vgl. oben E. 1.3) und bindet so das
Bundesgericht. Der Beschwerdeführer räumt selber ein, über eine gute, breite
Ausbildung zu verfügen und sich laufend weitergebildet zu haben. Zudem hat er
immer wieder versucht, in den erlernten und ausgeübten Beschäftigungsgebieten
eine neue Anstellung zu finden. Seine gesamten Bemühungen sind von der
Vorinstanz durchaus gewürdigt worden, und es lässt sich nicht sagen, der
Einzelrichter hätte dem Beschwerdeführer unterstellt, untätig geblieben zu
sein. Aus dem Umstand, dass es bislang nicht zu einer neuen Anstellung im
angestammten Tätigkeitsbereich gekommen ist, ist nicht zwingend zu
schliessen, dass dieser nicht mehr bestehe. Eine andere Erklärung wird vom
Beschwerdeführer selber mehrfach hervorgehoben: Sein Alter (Jahrgang 1956)
und der Umstand, dass sein letztes Anstellungsverhältnis aus medizinischen
Gründen gekündigt worden ist, mögen potentielle Arbeitgeber davon abhalten,
ihn einzustellen.

2.5 Im Weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, ein beruflicher Umstieg sei
medizinisch notwendig gewesen, was das von ihm eingereichte Arztzeugnis
belege. Die Vorinstanz hat dieses Zeugnis ebenfalls gebührend gewürdigt,
wobei sie die Notwendigkeit eines Stellenwechsels (innerhalb des angestammten
Beschäftigungsbereiches) bejaht hat, ohne aber einen gesundheitlich
erforderlichen Berufswechsel anzuerkennen. Darin liegt weder eine
offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung noch ein Verstoss gegen
Bundesrecht. Insbesondere hat der Einzelrichter festhalten dürfen, dass die
Situation des Beschwerdeführers sich z.B. massgeblich von der eines Bäckers
unterscheidet, der aufgrund einer Mehlallergie in seinem gesamten
ursprünglichen Beruf nicht mehr arbeiten kann.

2.6 Was der Beschwerdeführer sonst noch gegen die Verweigerung des
Steuerabzugs durch das Verwaltungsgericht einwendet, vermag ein anderes
Ergebnis ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Es ist ihm namentlich dort nicht
zu folgen, wo er sich gegen eine "einseitig juristische" Sichtweise
ausspricht, im Gegensatz zu einem ganzheitlichen, menschlichen Verständnis.
Ein solches kann ihm tatsächlich entgegengebracht werden, nicht zuletzt im
Zusammenhang mit seinen gesundheitlichen Problemen, mit den finanziellen,
gesellschaftlichen und psychischen Belastungen, die seine
Langzeitarbeitslosigkeit hervorgerufen hat, sowie mit seinen Bemühungen,
wieder Arbeit zu finden. Das entbindet ein Gericht - und insbesondere die
oberste Rechtsmittelinstanz - indessen nicht von der Verpflichtung, die ihm
unterbreiteten Rechtsfragen nach allgemeingültigen, im Gesetz und von der
Rechtsprechung festgelegten Regeln zu beurteilen, die der Rechtsgleichheit
und -sicherheit gerecht werden. Daraus ergibt sich, dass eine
Vertrauensgrundlage aufgrund behördlicher Auskunft nur dort angenommen werden
kann, wo eine solche Auskunft auch rechtsgenüglich belegt ist, was hier nicht
der Fall ist. Ebenso ist der gesetzliche Begriff der abzugsfähigen
Umschulungskosten - wie hervorgehoben (vgl. oben E. 2.2) - eng auszulegen.
Hier sind die Voraussetzungen von Art. 26 Abs. 1 lit. d DBG nicht erfüllt, so
dass der beanspruchte Abzug nicht gewährt werden kann.

3.
Die Rechtslage bei den Staats- und Gemeindesteuern ist die gleiche wie bei
der direkten Bundessteuer. Gemäss Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vom 14.
Dezember 1990 (Steuerharmonisierungsgesetz; StHG; SR 642.14) werden von den
gesamten steuerbaren Einkünften die zu ihrer Erzielung notwendigen
Aufwendungen und die allgemeinen Abzüge abgerechnet. Zu den notwendigen
Aufwendungen gehören auch die mit dem Beruf zusammenhängenden Weiterbildungs-
und Umschulungskosten. Diese Bestimmung des Bundesrechts ist vom kantonalen
Recht ohne Einschränkungen übernommen worden (vgl. Art. 31 Abs. 1 lit. d des
Steuergesetzes des Kantons Bern vom 21. Mai 2000). Demzufolge können die
geltend gemachten Aufwendungen auch bei den Staats- und Gemeindesteuern nicht
zum Abzug zugelassen werden.

4.
Gemäss Art. 111 Abs. 1 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die
Verwaltungsrechtspflege (VRPG) bewilligt die Verwaltungsjustizbehörde einer
Partei die unentgeltliche Prozessführung unter der doppelten Voraussetzung,
dass sie einerseits ihre Bedürftigkeit nachweist und andererseits das
Verfahren nicht von vornherein aussichtslos ist. Das kantonale Recht stimmt
insoweit vollständig mit Art. 29 Abs. 3 BV überein. Das Verwaltungsgericht
hat den Nachweis der Mittellosigkeit als nicht erfüllt erachtet. Das lässt
sich nicht beanstanden, nachdem der Beschwerdeführer trotz ausdrücklicher
Aufforderung die notwendigen Belege betreffend seine Bedürftigkeit nicht
beigebracht hatte. Daran vermögen die Einwendungen des Beschwerdeführers,
soweit sie überhaupt den Begründungsanforderungen genügen (vgl. oben E. 1.2),
nichts zu ändern.

5.

Demnach erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. Dem
Verfahrensausgang entsprechend würde der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es rechtfertigt sich jedoch, seinem
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu entsprechen (Art. 64 BGG): Im
bundesgerichtlichen Verfahren hat er wenigstens belegt, dass er
Arbeitslosenunterstützung bezieht. Angaben über seinen Notbedarf fehlen
weiterhin. Dennoch kann unter den genannten Umständen Bedürftigkeit
angenommen werden. Bei wohlwollender Betrachtungsweise lässt sich auch sagen,
dass die Beschwerde nicht zum Vornherein aussichtslos war, zumal die
Abgrenzung zwischen Umschulungs- und Ausbildungskosten nicht einfach ist. Es
sind demnach keine Kosten zu erheben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und
der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Matter