Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.305/2007
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2C_305/2007 /aka

Urteil vom 6. November 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen
Gerichtsschreiber Küng.

A. X.________,

B. X.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Johann Burri,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,
Fruttstrasse 15, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.

Ausweisung / Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 22. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Der aus Serbien-Montenegro stammende A. X.________ (geb. 1949) arbeitete seit
1971 als Saisonnier in der Schweiz. 1972 heiratete er im Kosovo. Nachdem ihm
1976 eine Jahresaufenthaltsbewilligung erteilt worden war, erhielt er 1989
die Niederlassungsbewilligung. Im Rahmen des Familiennachzuges kamen 1992
seine Ehefrau B. X.________ (geb. 1952) und die gemeinsame Tochter (geb.
1988, eines von sieben Kindern) in die Schweiz. Die Ehefrau besitzt eine
regelmässig verlängerte Jahresaufenthaltsbewilligung; die
Niederlassungsbewilligung wurde ihr verweigert (vgl. Urteil des
Bundesgerichts 2A.292/2001 vom 20. September 2001). Die Tochter verfügt über
eine Niederlassungsbewilligung; sie ist behindert und besuchte seit 1994 die
Heilpädagogische Schule in Sursee. Zwei weitere Kinder (D. X.________ [geb.
1975] und E. X.________ [geb. 1976]) erhielten 1992 ebenfalls eine
Niederlassungsbewilligung.
Mit Verfügung vom 4. November 2005 wies das Amt für Migration des Kantons
Luzern A. X.________ und C. X.________ auf unbestimmte Zeit aus der Schweiz
aus; B. X.________ wurde die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
verweigert und sie wurde aus dem Kanton Luzern bzw. aus der Schweiz
weggewiesen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die von A. X.________ und
B. X.________ gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde am 22. Mai 2007 ab.
In Bezug auf die Tochter C. X.________ wurde die Beschwerde gutgeheissen;
deren Ausweisung wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an das
kantonale Amt für Migration zurückgewiesen.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 25. Juni 2007
beantragen A. X.________ und B. X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 22. Mai 2007, soweit es sie
betrifft, aufzuheben; sie seien nicht aus- bzw. wegzuweisen und ihre
Niederlassungs- bzw. Aufenthaltsbewilligungen seien zu verlängern.
Das Amt für Migration des Kantons Luzern beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und das Bundesamt für Migration
haben auf eine Vernehmlassung verzichtet und schliessen auf Abweisung der
Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer verfügt über eine Niederlassungsbewilligung. Damit hat
auch die Beschwerdeführerin als seine mit ihm zusammen wohnende Ehegattin
Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung (Art. 17 Abs. 2
Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer [ANAG; SR 142.20]). Gegen die sie treffende Ausweisung bzw.
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung ist daher die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, und die Beschwerdeführer
sind hierzu legitimiert (Art. 82 in Verbindung mit 83 lit. c Ziff. 2, Art. 89
Ziff. 1 lit. b BGG).
Soweit sich die Beschwerde auch gegen die Wegweisung der Beschwerdeführerin
richtet, ist darauf nicht einzutreten (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG).

2.
2.1 Nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG, auf welchen sich der angefochtene
Entscheid stützt, kann der Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn
sein Verhalten im Allgemeinen und seine Handlungen darauf schliessen lassen,
dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in die im Gaststaat geltende
Ordnung einzufügen. Die Ausweisung gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG kann
namentlich als begründet erscheinen bei schweren oder wiederholten Verstössen
gegen gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen, grober
Verletzung allgemeiner Gebote der Sittlichkeit, fortgesetzter böswilliger
oder liederlicher Nichterfüllung der öffentlichrechtlichen oder
privatrechtlichen Verpflichtungen, sonstiger fortgesetzter Liederlichkeit
oder Arbeitsscheu (Art. 16 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949
zum ANAG [ANAV; SR 142.201]). Die Ausweisung soll aber nur verfügt werden,
wenn sie nach den gesamten Umständen "angemessen", d.h. verhältnismässig (BGE
125 II 521 E. 2a S. 523) erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Dabei ist
namentlich auf die Schwere des Verschuldens des Beschwerdeführers, auf die
Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie auf die ihm und seiner Familie
drohenden Nachteile abzustellen (Art. 16 Abs. 3 ANAV). Erscheint eine
Ausweisung zwar als nach Art. 10 Abs. 1 Buchstabe a oder b ANAG rechtlich
begründet, aber nach den Umständen nicht angemessen, dann soll sie angedroht
werden. Die Ausweisungsandrohung ist als schriftliche, begründete Verfügung
zu erlassen und soll klar darlegen, was vom Ausländer erwartet wird (Art. 16
Abs. 3 Sätze 2 und 3 ANAV).

2.2 Dem Beschwerdeführer wurde bereits mit Verfügung vom 29. Januar 2003 - im
Sinne einer "letzten Chance" - die Ausweisung angedroht sowie die
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung seiner Ehefrau in Aussicht
gestellt, falls sein Verhalten erneut zu Klagen Anlass gebe oder er erneut
straffällig werde.

2.3 Die Amtsstatthalterämter Sursee und Hochdorf stellten in der Zeit vom
Januar 1993 bis September 2005 sechzehn Strafverfügungen gegen den
Beschwerdeführer aus. In elf Fällen wurde er bestraft wegen Nichtabgabe von
Kontrollschildern und des Fahrzeugausweises (zufolge Nichtbezahlens der
Versicherungsprämien oder Verkehrssteuern); dies führte zu Bussen bis Fr.
500.-- und mehreren bedingten und unbedingten Gefängnisstrafen von bis zu
zehn Tagen. Hinzu kamen Bussen wegen SVG-Delikten, Erleichterns des
rechtswidrigen Aufenthalts in der Schweiz und Verweigerung der
Auskunftspflicht. Seit Herbst 2005 ergingen vier weitere Strafverfügungen
wegen Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren sowie zwei wegen
Geschwindigkeitsüberschreitung. Im vorliegenden Verfahren reichte das
kantonale Amt für Migration zwei neue gegen den Beschwerdeführer ergangene
Strafverfügungen wegen Nichtabgabe von Ausweisen und Kontrollschildern (Busse
Fr. 980.--) und Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren (Busse Fr.
500.--) ein.

2.4 Nach den Feststellungen der Vorinstanz bestanden gegen den
Beschwerdeführer (insbesondere wegen Steuerausständen und nichtbezahlter
Krankenkassenbeiträge) Ende Januar 2003 49 Betreibungen über Fr. 77'667.--
und 81 Verlustscheine. Bis Dezember 2004 waren 55 Betreibungen über Fr.
62'010.-- hinzugekommen und die Zahl der Verlustscheine auf 92 im Betrag von
Fr. 172'997.-- angewachsen. Die Gemeinde hatte zudem von 1999 bis 2001
Krankenkassenprämien im Betrag von 14'492.-- sowie Schulbeiträge für die
Tochter der Beschwerdeführer zu tragen. Beim Betreibungsamt Michelsamt waren
im September 2005 14 Betreibungen über 26'056.-- verzeichnet. Von Oktober
2003 bis Mai 2005 hatten sich zudem die unbezahlten Krankenkassenprämien um
13'426.-- erhöht. Hinzu kam die Konkurseröffnung über den Beschwerdeführer im
Januar 2004; dieses Verfahren wurde kurz darauf mangels Aktiven eingestellt.
Bis Februar 2007 sind gegen den Beschwerdeführer 20 neue Betreibungen über
Fr. 49'641.-- (insbesondere für Steuerschulden, Krankenkassenbeiträge,
Versicherungsprämien) angehoben worden.

2.5 Die Beschwerdeführer bestreiten diese Feststellungen nicht. Ihre
Vermutung, dass die tatsächliche Verschuldung geringer sein dürfte, belegen
sie nicht, weshalb von den Angaben im angefochtenen Entscheid auszugehen ist
(vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG).

2.6 Die Vorinstanz hat aus der strafrechtlichen und finanziellen Situation
des Beschwerdeführers geschlossen, dass dieser den Ausweisungsgrund von Art.
10 Abs. 1 lit. b ANAG erfüllt. Sie hat zudem darauf abgestellt, dass sich der
Beschwerdeführer gegenüber den Behörden zunehmend unkooperativ verhält und
insbesondere Vorladungen nicht beachtet. Auch wenn es vorwiegend um
Bagatelldelikte gehe, falle deren Häufigkeit sowie die Nutzlosigkeit von
Verwarnungen und damit die Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers auf.
Das Verhalten des Beschwerdeführers zeigt tatsächlich in krasser Weise, dass
er überhaupt nicht gewillt oder fähig ist, sich in die schweizerische Ordnung
einzufügen. Unter Berücksichtigung aller Umstände erweist sich seine
Ausweisung - trotz seines Alters und seiner langen Anwesenheit in der Schweiz
- als verhältnismässig. Es kann dazu auf die ausführlichen und schlüssigen
Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (angefochtenes Urteil E. 2), die
im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichts stehen.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat erkannt, die Verschuldenssituation müsse auch der
Beschwerdeführerin angelastet werden. So waren gegen sie persönlich bis
September 2005 ebenfalls Betreibungen über mehrere zehntausend Franken und 49
Verlustscheine über nahezu Fr. 80'000.-- verzeichnet. Hinzu kam inzwischen
eine Betreibung für eine Arztrechnung über Fr. 5'871.-- sowie ein
Verlustschein über Fr. 6'516.--. Berücksichtigt hat die Vorinstanz ferner,
dass die Steuerausstände des Beschwerdeführers sowie die nichtbezahlten
Krankenkassenprämien auch sie betreffen. Sie scheine sich auch nicht zu
bemühen, etwas zur Verbesserung des Haushaltseinkommens beizutragen, obwohl
ihr dies zumindest teilzeitlich möglich wäre.

3.2 Angesichts dieser Feststellungen ist die Vorinstanz ohne Verletzung von
Bundesrecht zum Schluss gelangt, im Verhalten der Beschwerdeführerin liege
ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Satz 4
ANAG. Die Nichtverlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung erweist sich zudem
auch als verhältnismässig. Es kann hier ebenfalls auf die zutreffenden
Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (angefochtenes Urteil E. 3).
Zu keiner anderen Beurteilung führt der Einwand der Beschwerdeführer, die
über eine Niederlassungsbewilligung verfügende Tochter C. X.________ sei auf
die Betreuung durch die Eltern angewiesen. Diese sei zu 100 % invalid und
befinde sich nun in der Stiftung für Schwerbehinderte in Rathausen. Die
Beschwerdeführer legen indessen in keiner Weise näher dar, inwiefern die
inzwischen volljährige Tochter auf weitere Betreuung durch die Eltern
angewiesen ist. Das Amt für Migration weist in der Vernehmlassung darauf hin,
dass C. X.________ nun offenbar einen Betreuungsplatz erhalten habe; zudem
lebten zwei ihrer Geschwister in der Nähe, von denen sie eine gewisse Hilfe
erwarten könne. Bereits im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts
Luzern vom 13. Februar 2004 (Dossier 2A.194/2004) wurde festgestellt, dass
die beiden ältesten Geschwister von C. X.________, D. X.________ (geb. 1975)
und E. X.________ (geb. 1976) in der Schweiz lebten und neben den Eltern
C. X.________ betreuen könnten. Nach dem angefochtenen Urteil (S. 7) leben
diese nach wie vor in der Schweiz und sind selbständig. Unter diesen
Umständen ist eine gewisse familiäre Betreuung durch die beiden Geschwister
durchaus möglich. Das Verwaltungsgericht weist zudem zu Recht darauf hin,
dass die Beschwerdeführerin nur weggewiesen worden sei, was ihr nach wie vor
Besuche bei ihren in der Schweiz verbleibenden Kindern erlaube. Es geht daher
ohne Bundesrechtsverletzung davon aus, dass die behinderte Tochter in der
Schweiz ausreichend betreut werden kann oder aber ihren Eltern in ihre Heimat
folgen kann.

4.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des Verfahrens vor
Bundesgericht den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird den Beschwerdeführern je zur Hälfte
und unter solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Amt für Migration und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. November 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: