Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.304/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


2C_304/2007 /leb

Urteil vom 28. Juni 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiberin Dubs.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Kantonales Ausländeramt St. Gallen,
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Verwaltungsrekurskommission des Kantons
St. Gallen, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Unterstrasse 28, 9001 St.
Gallen.

Verlängerung der Durchsetzungshaft (Art. 13g ANAG),

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid der
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht, vom 13. Juni 2007.

Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:

1.
1.1 X.________ (geb. 1975) reiste am 5. März 2003 illegal in die Schweiz ein
und stellte ein Asylgesuch, wobei er angab, Y.________ zu heissen und aus
Palästina zu stammen. Das Bundesamt für Flüchtlinge (heute: Bundesamt für
Migration) trat mit Verfügung vom 22. September 2003 auf das Gesuch nicht ein
und wies X.________ mit sofortiger Wirkung aus der Schweiz weg. Dieser
Aufforderung leistete X.________ keine Folge.

1.2 Seit dem 28. April 2007 befindet sich X.________ in Durchsetzungshaft.
Der Einzelrichter der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen
genehmigte diese vorerst bis zum 27. Mai 2007 (vom Bundesgericht bestätigt
mit Urteil 2C_203/2007 vom 21. Mai 2007). Am 13. Juni 2007 verlängerte er die
Durchsetzungshaft um zwei Monate, d.h. bis zum 27. Juli 2007.

1.3 Mit als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
entgegengenommenem, in italienischer Sprache abgefasstem Schreiben vom 27.
Juni (Postaufgabe 25. Juni, Eingang beim Bundesgericht am 26. Juni) 2007
beantragt X.________ sinngemäss die Aufhebung des Entscheids des
Einzelrichters und die Entlassung aus der Haft.

1.4 Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen hat dem
Bundesgericht per Fax seinen Entscheid vom 13. Juni 2007 sowie Akten
übermittelt. Ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden.

2.
2.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb der
ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder
Ausweisung auf Grund seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden,
so darf er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in
Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft
nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme zum Ziel führt (Art.
13g Abs. 1 ANAG in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung gemäss der
Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 4745 ff., dort S.
4767 und S. 4771]). Die Haft ist erstmals für einen Monat zulässig und kann
danach mit der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen Behörde
(vgl. Art. 13g Abs. 3 ANAG) jeweils um zwei Monate verlängert werden, sofern
der Ausländer weiterhin nicht bereit ist, sein Verhalten zu ändern und
auszureisen. Die maximale Haftdauer beträgt grundsätzlich 18 Monate (Art. 13g
Abs. 2 ANAG). Die Haft wird beendet, falls eine selbständige pflichtgemässe
Ausreise nicht möglich ist, obwohl der Ausländer den behördlich vorgegebenen
Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 13g Abs. 6 lit. a ANAG), oder die
Schweiz weisungsgemäss verlassen (lit. b), die Ausschaffungshaft angeordnet
(lit. c) oder einem Haftentlassungsgesuch entsprochen wird (lit. d). Die
Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen die
maximale Haftdauer von 24 Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18
Jahren von 12 Monaten) nicht überschreiten (Art. 13h ANAG in der Fassung vom
16. Dezember 2005).

2.1.1 Die Durchsetzungshaft findet ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung
vorab in Art. 5 Ziff. 1 lit. b (Haft zur Erzwingung einer durch das Gesetz
vorgeschriebenen Verpflichtung) und nicht wie die Vorbereitungs- und
Ausschaffungshaft ausschliesslich in Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (Haft zur
Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens; vgl. BGE 130 II 56 E.
4.2.3 S. 62 f., 377 E. 3.1 S. 380). Sie bezweckt, die ausreisepflichtige
Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach
Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten
Weg- oder Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre
Kooperation nicht möglich ist. Die Durchsetzungshaft soll das letzte Mittel
darstellen, wenn und soweit keine andere Zwangsmassnahme zum Ziel führt, den
illegal anwesenden Ausländer - auch gegen seinen Willen - in seine Heimat
verbringen zu können (Urteil 2C_22/2007 vom 22. Februar 2007 E. 2.2.2). Wie
alle staatlichen Massnahmen hat sie dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu
entsprechen; es ist jeweils im Einzelfall auf Grund der konkreten Umstände zu
prüfen, ob sie geeignet bzw. erforderlich ist und nicht gegen das
Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und zumutbare Verhältnis von Mittel
(Haft) und Zweck (Verhaltensänderung, damit die Ausschaffung vollzogen werden
kann), verstösst. Dabei ist im Rahmen von Art. 190 BV (gemäss Justizreform;
früher Art. 191 BV) den Prämissen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, dass
die Massnahme je nach Umständen bis zu einer maximalen Haftdauer von 18
Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren von neun Monaten)
als verhältnismässig gelten kann und der Betroffene es im Übrigen in der Hand
hat, die Haft jederzeit zu beenden, indem er seiner Ausreisepflicht
nachkommt. Art. 13g ANAG ist im Rahmen dieser Vorgaben verfassungs- und
konventionskonform auszulegen (vgl. zum Ganzen: Urteil 2C_19/2007 vom 2.
April 2007 E. 2 und 3).

3.
Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren rechtskräftig mit sofortiger
Wirkung aus der Schweiz weggewiesen worden (Verfügung des Bundesamts für
Flüchtlinge vom 22. September 2003), ohne dass er das Land verlassen hätte.
Vom 19. November 2003 bis zum 18. Mai 2004 wurde er in Ausschaffungshaft
genommen. Auch nach seiner Entlassung kam er der mehrfachen Aufforderung, die
Schweiz zu verlassen, nicht nach. Im Übrigen wurde er wiederholt straffällig
und befand sich daher mehrmals im Strafvollzug. Die Behörden konnten trotz
seines renitenten Verhaltens seine algerische Identität ausfindig machen und
von den heimatlichen Behörden die Ausstellung von Ersatzreisepapieren
erwirken. Am 10. März 2005 weigerte sich der Beschwerdeführer jedoch, die
Rückreise nach Algerien anzutreten. Die auf den 16. Juni 2005 angesetzte
begleitete Ausschaffung konnte ebenfalls wegen seiner Weigerung, in sein
Heimatland zurückzukehren, nicht vollzogen werden. Da mit Algerien kein
Abkommen über Sonderflüge für Personen besteht, die nur zwangsweise
ausgeschafft werden können, kann der Beschwerdeführer bloss in seine Heimat
zurückgeführt werden, wenn er bereit ist, hierbei zu kooperieren. Eine
Ausschaffungshaft ist ihrerseits zurzeit nicht möglich, da diese voraussetzen
würde, dass sich der zwangsweise Vollzug der Wegweisung auch gegen den Willen
des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit realisieren liesse (vgl. BGE 130 II
56 E. 4.2.3 S. 62 f. mit Hinweisen).

Wie aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter vom
13. Juni 2007 hervorgeht, weigert sich X.________ nach wie vor vehement, nach
Algerien zurückzukehren. Er macht in diesem Zusammenhang geltend, in Algerien
verfolgt zu werden. Er übersieht dabei, dass diese Frage im Asylverfahren
rechtskräftig beurteilt worden ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür,
dass seine Wegweisung offensichtlich unzulässig wäre und deshalb nicht mit
einer Zwangsmassnahme sichergestellt werden könnte (vgl. BGE 130 II 56 E. 2
S. 58; 128 II 193 E. 2.2 S 197 f.). Sämtliche gegen den Beschwerdeführer
bisher getroffenen milderen Massnahmen blieben ohne Erfolg, weshalb letztlich
nur die Durchsetzungshaft bleibt, um ihn dazu zu bringen, mit den Behörden zu
kooperieren und weisungsgemäss aus der Schweiz auszureisen. Die
administrative Festhaltung bzw. deren Verlängerung ist dazu geeignet und im
Hinblick auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers erforderlich und
auch verhältnismässig. Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid,
wäre eine Rückreise nach Algerien ohne weiteres möglich und liesse sich
innert drei Wochen realisieren. Der Beschwerdeführer hat es somit in der
Hand, die Haft durch aktives Mitwirken zu verkürzen. Für alles Weitere wird
auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3
BGG).

4.
4.1 Die im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG offensichtlich unbegründete
Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen. Dem Verfahrensausgang
entsprechend würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Es rechtfertigt sich jedoch, von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen
(Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).

4.2 Das Ausländeramt des Kantons St. Gallen wird ersucht, dafür besorgt zu
sein, dass der vorliegende Entscheid dem Beschwerdeführer korrekt eröffnet
und nötigenfalls verständlich gemacht wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Ausländeramt und der
Verwaltungsrekurskommission, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, des Kantons
St. Gallen sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Juni 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: