Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.289/2007
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2C_289/2007 /aka

Urteil vom 9. Oktober 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler,
Ersatzrichterin Stamm Hurter,
Gerichtsschreiberin Dubs.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Werner Bodenmann,

gegen

Justiz- und Polizeidepartement des Kantons
St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.

Familiennachzug,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1964 geborene serbische Staatsangehörige X.________ hielt sich von 1986
bis 1990 als Saisonnier im Kanton St. Gallen auf. 1990 wurde ihm eine
Jahresaufenthaltsbewilligung erteilt. Seiner Ehefrau Y._________ (geb. 1968)
und der gemeinsamen Tochter A.________ (geb. 1989) wurde 1991 im Rahmen des
Familiennachzuges der Aufenthalt in der Schweiz bewilligt. Am 26. März 1991
bzw. am 14. September 1992 kamen in W.________ bzw. in V.________ die
gemeinsamen Söhne B.________ und C.________ zur Welt. X.________ und die drei
Kinder erhielten am 24. März 1997 die Niederlassungsbewilligung. Im November
2003 meldeten sich die Eheleute mit ihren drei Kindern in St. Gallen an.
Aufgrund von Schulsäumnissen vorgenommene Abklärungen über den Aufenthalt der
Kinder ergaben, dass diese seit 1998 bei den Grosseltern mütterlicherseits in
Serbien lebten.

Am 4. August 2005 ersuchte X.________ für seine drei Kinder um Gewährung des
Familiennachzuges. Mit Verfügung vom 15. März 2006 wies das Ausländeramt des
Kantons St. Gallen das Familiennachzugsgesuch ab. Dagegen beschwerte sich
X.________ erfolglos beim Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St.
Gallen und sodann beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. Juni 2007
beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St.
Gallen vom 9. Mai 2007 aufzuheben, den Familiennachzug für die Kinder
A.________, B.________ und C.________ zu bewilligen und das Ausländeramt des
Kantons St. Gallen anzuweisen, ihnen eine Einreise- und
Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

Das Verwaltungsgericht, das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St.
Gallen und das Bundesamt für Migration schliessen auf Abweisung der
Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist nach Inkrafttreten
des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) ergangen, weshalb dieses Gesetz und
nicht mehr das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) anwendbar ist (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts
unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das
Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt.

1.3 Gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG haben ledige Kinder von Ausländern, die
in der Schweiz niedergelassen sind, Anspruch auf Einbezug in die
Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammenwohnen
und noch nicht 18 Jahre alt sind. Der Beschwerdeführer als Vater der drei
nachzuziehenden Kinder ist im Besitz der Niederlassungsbewilligung. Er hat am
4. August 2005 um Familiennachzug ersucht. Die Tochter und die beiden Söhne
waren zu diesem - im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 ANAG massgeblichen -
Zeitpunkt (BGE 130 II 137 E. 2 S. 141) noch nicht 18 Jahre alt. Damit besteht
ein grundsätzlicher Anspruch auf Einbezug der drei Kinder in die
Niederlassungsbewilligung ihres Vaters. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher zulässig. Der
Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da die drei
Kinder auch heute noch nicht 18 Jahre alt sind, kann sich der
Beschwerdeführer für deren Nachzug im Übrigen auch auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK
und Art. 13 BV berufen, wofür nach der Rechtsprechung auf die  Rechts- und
Sachlage im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheides abzustellen ist
(BGE 129 II 11 E. 2 S. 13).

1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz
festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn,
dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. 97 Abs. 1 BGG). Der
Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz lege ihrem Urteil einen offensichtlich
falschen Sachverhalt zugrunde, indem sie nicht berücksichtige, dass es sich
bei den Verlustscheinen und Betreibungen um bereits bestehende alte Schulden
handle, sondern vorbringe, dass der Beschwerdeführer seinen finanziellen
Verpflichtungen gegenüber dem Fiskus, der Krankenkasse, der SUVA und der
Sozialversicherungsanstalt nach wie vor nicht nachkomme. Es sei aber so, dass
der Beschwerdeführer mit der Einreichung eines neuen Familiennachzugsgesuches
gewartet habe, bis sich seine finanzielle Situation wieder stabilisiert habe.
Aus dem Auszug des Betreibungsamtes St. Gallen vom 24. November 2005 geht
indessen hervor, dass im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung im Jahre 2005 fünf
Betreibungen im Gesamtbetrage von Fr. 39'732.50 hängig waren. Insofern
besteht kein Grund, von den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
abzuweichen. Deren blosse Bestreitung oder die Wiederholung einer davon
abweichendenden Behauptung reicht nicht aus, um eine Feststellung als
qualifiziert mangelhaft erscheinen zu lassen (vgl. Art. 97 BGG).

2.
2.1 Nach der Rechtsprechung zu Art. 7 und 17 ANAG sind für den Kindernachzug
durch die zusammenlebenden leiblichen Eltern - im Unterschied zur Vereinigung
mit einem getrennt lebenden Elternteil - keine besonderen stichhaltigen
Gründe erforderlich, die die beabsichtigte Änderung der
Betreuungsverhältnisse rechtfertigen müssen. Ein Nachzug ist in solchen
Fällen grundsätzlich jederzeit zulässig; vorbehalten bleibt einzig das
Rechtsmissbrauchsverbot (BGE 130 II 1 E. 2.2 S. 4 mit Hinweisen).

2.2 Der Familiennachzug darf nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE
119 Ib 81 E. 2d S. 87; 122 II 1 E. 3c S. 8f.) verweigert werden, wenn der
Gesuchsteller bzw. die nachzuziehenden Personen umgehend wieder ausgewiesen
werden dürften, d.h, wenn ein Ausweisungsgrund im Sinne von Art. 10 Abs. 1
ANAG besteht wie beispielsweise Fürsorgebedürftigkeit nach Art. 10 Abs. 1
lit. d ANAG. Bringt der Nachzug von Familienangehörigen die konkrete Gefahr
einer fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit der Beteiligten mit
sich, kann es sich rechtfertigen, von der Erteilung einer
Niederlassungsbewilligung abzusehen; blosse finanzielle Bedenken genügen
nicht (BGE 125 II 633 E. 3c S. 641). Im Rahmen der Interessenabwägung nach
Art. 11 Abs. 3 ANAG ist auch eine allfällig lange Anwesenheit des in der
Schweiz lebenden Ausländers zu berücksichtigen; für den nachzuziehenden
Angehörigen ist dies allerdings nur mittelbar von Belang (BGE 119 Ib 81 E. 2d
S. 87). Für die Beurteilung der Gefahr der Fürsorgeabhängigkeit ist von den
aktuellen Voraussetzungen auszugehen; die wahrscheinliche finanzielle
Entwicklung ist aber auf längere Sicht abzuwägen. Weiter darf nicht einfach
auf das Einkommen des hier anwesenden Familienangehörigen abgestellt werden,
sondern es sind - dem Gesetzeszweck der Vereinigung der Gesamtfamilie
entsprechend - die finanziellen Möglichkeiten aller Familienmitglieder über
eine längere Sicht abzuwägen (BGE 122 II 1 E. 3c S. 8). Das Einkommen des
Angehörigen, der an die Lebenshaltungskosten der Familie beitragen soll, ist
daran zu messen, ob und in welchem Umfang es tatsächlich realisierbar ist. In
diesem Sinne müssen die Erwerbsmöglichkeit und das damit verbundene Einkommen
konkret belegt und mit gewisser Wahrscheinlichkeit sowie, soweit möglich, auf
mehr als nur kurze Frist erhärtet sein, um Berücksichtigung zu finden
(Urteile 2A.122/2007 vom 11. Juli 2007 E. 3.5; 2A.119/1995 vom 24. August
1995 E. 6 b/aa).

2.3 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass bei einem nach den
massgeblichen Richtlinien ermittelten monatlichen Bedarf einer fünfköpfigen
Familie von Fr. 5'623.-- ein monatlicher Fehlbetrag von rund Fr. 1'900.--
entstehe. Zudem sei der Beschwerdeführer Ende 2005 bei den Betreibungsämtern
Neckertal und St. Gallen mit Verlustscheinen von insgesamt mehr als Fr.
200'000.-- verzeichnet und im gleichen Jahr seien fünf Betreibungen von
gesamthaft rund Fr. 40'000.-- anhängig gewesen. Daraus zog das
Verwaltungsgericht den Schluss, dass unter diesen Umständen, namentlich
aufgrund des monatlichen Fehlbetrages von rund Fr. 1'900.-- für die Deckung
des Existenzminimums der Familie und der fehlenden Möglichkeit einer
nennenswerten Erhöhung der Einkünfte der Familie, die konkrete Gefahr einer
erheblichen und fortgesetzten Fürsorgeabhängigkeit bestehe.

2.4 Diese Folgerung des Verwaltungsgerichtes lässt sich nicht beanstanden. Es
ist unbestritten, dass der minimale Unterhaltsbedarf im Falle eines Nachzuges
der drei Kinder rund Fr. 1'900.-- über den Einkünften des Beschwerdeführers
und seiner Gattin liegt. Dass und inwiefern die Einschätzung der Vorinstanz,
wonach nicht mit einer nennenswerten Steigerung der Einkünfte des
Beschwerdeführers gerechnet werden könne, falsch sein sollte, wird in der
Beschwerdeschrift nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Das
Verwaltungsgericht ist mit Blick auf die von der Praxis geforderte
Substantiierung der Erwerbsmöglichkeiten (vgl. E. 2.2) zu Recht davon
ausgegangen, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Möglichkeit einer
Lohnverbesserung weder konkret belegt noch mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit dargetan worden ist. Gleiches gilt auch hinsichtlich der
Steigerung des Erwerbseinkommens der Ehegattin. Es ist nicht ersichtlich,
inwiefern die Ehefrau neben der Betreuung der Kinder und aufgrund der geltend
gemachten gesundheitlichen Beschwerden in der Lage sein sollte, ihre
berufliche Tätigkeit auszudehnen und ein höheres Einkommen zu erzielen.
Schon allein die dargelegten Umstände zeigen, dass die monatlichen Einkünfte
des Beschwerdeführers unter dem Existenzminimum liegen und für den Unterhalt
der nachzuziehenden Familie nicht ausreichen. Damit besteht das konkrete
Risiko, dass bei Bewilligung des  Familiennachzugs der Beschwerdeführer und
seine Familie fortgesetzt und in erheblichem Umfange von der Fürsorge
abhängig würden.

2.5 Es ist im Weiteren unbestritten, dass gegen den Beschwerdeführer
Verlustscheine in der Höhe von Fr. 200'000.-- vorlagen und im Jahre 2005
Betreibungen von rund Fr. 40'000.-- anhängig waren. Entgegen den Ausführungen
des Beschwerdeführers zeigt dies, dass die wirtschaftliche Lage des
Beschwerdeführers auch aufgrund seiner Schulden und hängigen Betreibungen zu
Bedenken Anlass gibt. Wie das Verwaltungsgericht indessen in seiner
Vernehmlassung zu Recht festhält, war der Umstand allein, dass der
Beschwerdeführer verschuldet ist, nicht ausschlaggebend für die Verweigerung
des Familiennachzuges, zumal dem Beschwerdeführer aufgrund seiner
Schuldenwirtschaft kein selbständiger Verstoss gegen die öffentliche Ordnung
im Sinne von Art. 17 Abs. 2 letzter Satz ANAG vorgeworfen wird (vgl. BGE 122
II 385 E. 3b S. 391).

2.6 Angesichts des Risikos einer erheblichen und fortgesetzten
Fürsorgeabhängigkeit sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für den
Nachzug der drei Kinder nicht erfüllt. Unter diesen Umständen kann
dahingestellt bleiben, ob das Nachzugsbegehren auch gestützt auf das
Rechtsmissbrauchsverbot hätte abgelehnt werden dürfen. Die Verweigerung des
Familiennachzuges ist somit bundesrechtskonform und hält auch vor Art. 8
Ziff. 1 EMRK stand (vgl. BGE 122 II 1 E. 2 S. 6 mit Hinweisen).

3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht
geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Justiz- und Polizeidepartement
und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Oktober 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: