Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.254/2007
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2C_254/2007 /zga

Urteil vom 4. Februar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Bundesrichter Karlen,
Gerichtsschreiber Merz.

Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut,
3000 Bern 9,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________ AG,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Thomas Eichenberger.

Art. 14 HMG (Zulassung des Arzneimittels A.________, Filmtabletten, 400 mg),

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III,
vom 9. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Arzneimittel A.________ mit dem Wirkstoff Ribavirin dient zur Behandlung
der chronischen Hepatitis C bei Erwachsenen. Die X.________ AG besitzt die
Zulassung dieses Präparats in der Form von Filmtabletten mit einer
Dosisstärke von 200mg. Am 30. März 2005 ersuchte sie die Swissmedic,
Schweizerisches Heilmittelinstitut (im Folgenden: Swissmedic)
A.________-Tabletten auch in einer Dosisstärke von 400mg zuzulassen. Letztere
wies das Gesuch am 10. Mai 2006 ab. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die
Beschwerde, welche die X.________ AG gegen diesen Entscheid erhob, am
9. April 2007 teilweise gut und wies die Sache mit der Anweisung an die
Swissmedic zurück, das vereinfachte Zulassungsverfahren für das Arzneimittel
A.________ 400mg, Filmtabletten, fortzusetzen.

B.
Mit einer als Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezeichneten Eingabe vom 30. Mai
2007 beantragt die Swissmedic dem Bundesgericht, den Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts vom 9. April 2007 aufzuheben und ihre Verfügung vom
10. Mai 2006 zu bestätigen.

Die X.________ AG stellt den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

C.
Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat
der Beschwerde am 5. September 2007 im Sinne der Erwägungen die aufschiebende
Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Das erhobene Rechtsmittel ist irrtümlicherweise als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezeichnet worden. Da der angefochtene
Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts nach dem Inkrafttreten des
Bundesgerichtsgesetzes erging, gibt es hiegegen nurmehr die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 82 ff. und 132 Abs. 1 BGG
sowie Art. 84 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über
Arzneimittel und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21]). Die
Eingabe ist als solche entgegenzunehmen.

1.2 Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellt einen
Rückweisungsentscheid dar. Da dieser das Verfahren nicht abschliesst, handelt
es sich dabei um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde an das
Bundesgericht nur unter den in Art. 93 BGG erwähnten Voraussetzungen zulässig
ist. Nach der Rechtsprechung können Rückweisungsentscheide, welche die
Verwaltung zwingen, eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu treffen,
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG bewirken. Sie sind daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten anfechtbar (BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.).

Die Swissmedic ist legitimiert, gegen Entscheide des
Bundesverwaltungsgerichts, die in Anwendung des Heilmittelgesetzes und seiner
Ausführungsbestimmungen ergangen sind, beim Bundesgericht Beschwerde zu
erheben (Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG i.V.m. Art. 84 Abs. 2 HMG; vgl. auch BBl
2006 7767). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist
auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten.

2.
Die Swissmedic hat das Zulassungsgesuch der Beschwerdegegnerin im
vereinfachten Verfahren geprüft, da es sich beim fraglichen Präparat um ein
Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen handelt (Art. 14 Abs. 1 lit. a HMG).
In diesem Fall können die Sicherheit und therapeutische Wirksamkeit des neu
zuzulassenden Heilmittels unter anderem dadurch nachgewiesen werden, dass es
mit dem Referenzpräparat therapeutisch äquivalent ist (Art. 14 Abs. 1 lit. a
der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 22. Juni 2006 über
die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren [VAZV; SR
812.212.23]); für den fraglichen Nachweis kommen auch
Bioverfügbarkeitsuntersuchungen in Betracht (Art. 14 Abs. 1 lit. b VAZV;
ebenso Art. 6 lit. a und b der aVAZV vom 9. November 2001 [AS 2001 3469], die
am 1. Oktober 2006 aufgehoben wurde). Das Schweizerische Heilmittelinstitut
(Swissmedic) bestimmt im Einzelfall, welche Dokumente vorgelegt werden müssen
(Art. 14 Abs. 2 VAZV).

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Frage, ob die Swissmedic
für die Zulassung der A.________-Filmtabletten von 400mg eine
Bioverfügbarkeitsuntersuchung verlangen darf. Die Beschwerdegegnerin und die
Vorinstanz verneinen dies, während die Swissmedic mit ihrem Rechtsmittel die
Bestätigung ihres gegenteiligen Standpunkts anstrebt.

3.
Die Vorinstanz legt dar, dass bei der Beurteilung von Arzneimitteln mit einem
bekannten Wirkstoff die für die Zulassung erforderlichen Nachweise in
sinngemässer Anwendung der Anleitung der Swissmedic vom 31. Januar 2002 zum
Einreichen von Zulassungsgesuchen für Arzneimittel der Humanmedizin mit
bekannten Wirkstoffen (sog. Generika-Anleitung, mit dem aktuellen Stand vom
3. Dezember 2002; abrufbar unter www.swissmedic.ch) zu bestimmen sind. Darin
wird die vergleichende Bioverfügbarkeitsuntersuchung als Mittel zum
indirekten Nachweis der therapeutischen Äquivalenz eines Präparats im
Vergleich zu einem bekannten Arzneimittel vorgesehen (vgl. Ziff. IV/A/1 sowie
Ziff. 1 und 4 der Begriffserläuterungen der Generika-Anleitung). Eine solche
Untersuchung kann durch einen vergleichenden In-vitro-Wirkstofffreigabetest
ersetzt werden bei Wirkstoffen bzw. einzelnen galenischen Formen von
Wirkstoffen, deren Bioverfügbarkeit insbesondere im Hinblick auf
Vollständigkeit, Linearität und Unabhängigkeit von Nahrungseinflüssen
aufgrund ausgedehnter Erfahrung und relevanter Daten in der aktuellen
wissenschaftlichen Literatur als unproblematisch betrachtet wird; zudem muss
für den zur Zulassung vorgesehenen Wirkstoff eine ausreichende Korrelation
zwischen dem verwendeten In-vitro-Test und der in vivo beobachteten
Bioverfügbarkeit belegt sein (Ziff. IV/A/2 der Generika-Anleitung). Bei
mehreren Dosierungsstärken mit gleicher Galenik (gleiche Hilfsstoffe,
gleiches Herstellungsverfahren, gut dokumentiertes Absorptionsprofil,
übereinstimmende In-vitro-Freisetzung) kann bei Nachweis einer linearen
Absorptionskinetik eine einzige Studie mit einer (vorzugsweise mittleren)
Dosierungsstärke unter Berücksichtigung der geeignetsten analytischen
Messmethode durchgeführt werden (Ziff. IV/A/6 der Generika-Anleitung).

4.
Die Swissmedic stützt ihre Auffassung, wonach die Beschwerdegegnerin für die
A.________-Filmtabletten von 400mg eine Bioverfügbarkeitsuntersuchung
vorlegen müsse, auf die zitierten Normen der Generika-Anleitung. Da die
Absorptionskinetik des in den Filmtabletten enthaltenen Wirkstoffs Ribavirin
nicht linear verlaufe, könne auf die vergleichende Prüfung der
Bioverfügbarkeit nicht verzichtet werden (vgl. insbes. Ziff. IV/A/1 und 6 der
Generika-Anleitung).

5.
Die Vorinstanz stellt zwar wie erwähnt grundsätzlich nicht in Frage, dass das
umstrittene Zulassungsgesuch unter sinngemässem Beizug der Generika-Anleitung
beurteilt wird. Ebenso hält sie fest, dass danach an sich eine vergleichende
Bioverfügbarkeitsuntersuchung erforderlich wäre, da es an der Linearität der
Absorptionskinetik fehle: Laut einer Studie verlaufe die Absorption von
Ribavirin bei einer Verdoppelung der Dosis von 200mg auf 400mg nicht linear.

Die Vorinstanz gelangt jedoch zum Schluss, dass unter den gegebenen Umständen
auf die erwähnte Untersuchung zu verzichten sei, weil von den bereits
zugelassenen A.________-Filmtabletten von 200mg gemäss - von den Behörden
genehmigter - Fachinformation stets mindestens je zwei Stück einzunehmen
seien. Wenn bei der Zulassung der 200mg-Tabletten die nicht lineare
Absorptionskinetik einer Empfehlung zur gleichzeitigen Einnahme von zwei
solchen Tabletten nicht entgegenstehe, sei es widersprüchlich, bei der
Zulassung der 400mg-Tabletten strengere Massstäbe anzusetzen; es gehe doch
nur darum, in gewissen Fällen anstatt zwei Kapseln à 200mg lediglich noch
eine à 400mg zu verabreichen. Die verlangte Prüfung der therapeutischen
Wirksamkeit der 400mg-Tabletten liefe auf ein Zurückkommen auf eine bereits
beurteilte Frage hinaus, was nur statthaft sei, wenn der frühere
Zulassungsentscheid entweder als fehlerhaft anerkannt werde oder neue
wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen. Beides treffe nicht zu, weshalb der
Entscheid der Swissmedic widersprüchlich sei und gegen das Gebot der
Gleichbehandlung verstosse.

Die Argumentation der Vorinstanz fusst auf der Annahme, dass die
Verfügbarkeit des Wirkstoffs Ribavirin im Körper bei der gleichzeitigen
Einnahme von zwei Tabletten à 200mg vergleichbar ist mit jener beim Schlucken
einer einzigen Tablette à 400mg. Im angefochtenen Entscheid wird denn auch
eine dahingehende tatsächliche Feststellung getroffen und zur Begründung auf
die äquivalenten Dissolutionsprofile der Tabletten verwiesen; die
A.________-Filmtablette löse sich relativ schnell auf und Ribavirin sei ein
gut wasserlöslicher Wirkstoff.

6.
Die Swissmedic kritisiert diese Sachverhaltsfeststellung. Ihr Einwand, dass
die Vergleichbarkeit der In-vitro-Dissolutionsprofile zweier Präparate nicht
ohne weiteres den Schluss auf eine vergleichbare Verfügbarkeit des Wirkstoffs
im Körper zulasse, leuchtet in dieser allgemeinen Form zwar ein. Die
Swissmedic hat jedoch im Zulassungsverfahren eine
Bioverfügbarkeitsuntersuchung für das neu zuzulassende Arzneimittel nicht aus
diesem Grund verlangt. Sie bezog sich vielmehr auf Ziff. IV/A/6 der
Generika-Anleitung und erklärte, eine Untersuchung der Bioverfügbarkeit sei
nötig, weil die Absorptionskinetik des Wirkstoffs Ribavirin nicht linear sei.
Dieser Begründung lässt sich entnehmen, dass die A.________-Tabletten à 400mg
bei einem linearen Verlauf der Absorptionskinetik ohne
Bioverfügbarkeitsuntersuchung zugelassen worden wären. Jedenfalls wird in der
ursprünglichen Verfügung der Swissmedic vom 10. Mai 2006 mit keinem Wort
erwähnt, dass es für die Bioverfügbarkeit eine Rolle spielen könnte, ob zwei
Tabletten à 200mg oder eine Tablette à 400mg eingenommen werden. Wie die
Vorinstanz darlegt, ist nicht ersichtlich, inwiefern bei gleicher Dosisstärke
die Art der Einnahme - eine oder zwei Tabletten - sich auf die Verfügbarkeit
im Körper auswirken könnte.

Unter diesen Umständen wäre es der Swissmedic oblegen, näher darzutun, wieso
diese Feststellung offensichtlich unzutreffend sein sollte, zumal sie dafür
ohne weiteres über den erforderlichen Sachverstand verfügt. Sie begnügt sich
jedoch mit der erwähnten generellen Bestreitung. Die kritisierte
Sachverhaltsfeststellung kann mithin nicht als offensichtlich unrichtig
bezeichnet werden. Das Bundesgericht hat demnach von dem von der Vorinstanz
festgestellten Sachverhalt auszugehen (Art. 105 Abs. 1 und 2 sowie Art. 97
Abs. 1 BGG).

7.
Die weiteren Rügen, welche die Swissmedic erhebt, entbehren damit ebenfalls
der Berechtigung, da sie unterstellen, eine vergleichbare Bioverfügbarkeit
bei einer Einnahme von zwei Tabletten oder bloss einer einzigen sei nicht
erwiesen. Schliesslich geht auch der Vorwurf, der angefochtene Entscheid
bewirke eine Umkehrung der Beweislast, fehl. Die kritisierte - etwas
missverständliche - Formulierung betrifft die Beweiswürdigung und nicht die
Beweislastverteilung.

8.
8.1 Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen.

8.2 Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
BGG). Die Swissmedic hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Der geltend
gemachte Betrag von Fr. 10'587.85 (inkl. Mehrwertsteuer) erscheint als
übersetzt, zumal dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin die Streitsache
bereits aus den Verfahren bei den Vorinstanzen vertraut war und die
Swissmedic keine wesentlich neuen Gesichtspunkte vorgebracht hat.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Die Swissmedic hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung
III, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Februar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Merz