Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.246/2007
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2C_246/2007 /zga

Urteil vom 6. September 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Wurzburger,
Gerichtsschreiber Moser.

X. ________,
Y.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Claudia Schaumann,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2. Kammer, Postfach,
Militärstrasse 36, 8090 Zürich.

Aufenthaltsbewilligung (Familiennachzug),

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2. Kammer,
vom 4. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Die aus der Demokratischen Republik Kongo stammende Y.________, geb. 17. Mai
1968, reiste am 25. Januar 1998 in die Schweiz ein, wo sie erfolglos um Asyl
ersuchte (Urteil der Asylrekurskommission vom 10. Januar 2002). Da sie am 21.
August 2001 einen Sohn zur Welt gebracht hatte, dessen Vater Schweizer ist,
kam Y.________ in den Genuss der vorläufigen Aufnahme. Der Sohn wurde am 11.
April 2003 erleichtert eingebürgert. Am 27. Juli 2004 wurde Y.________
seitens der Zürcher Fremdenpolizeibehörden eine Aufenthaltsbewilligung
ausserhalb der Höchstzahlen für Erwerbstätige erteilt (Härtefallbewilligung)
und in der Folge jeweils verlängert. Während ihrer Anwesenheit in der Schweiz
musste Y.________ überwiegend von der öffentlichen Fürsorge unterstützt
werden.

B.
Am 17. September 2004 stellte Y.________ ein Gesuch um Bewilligung des
Aufenthalts für ihren am 12. September 2004 illegal in die Schweiz
eingereisten Sohn X.________, geb. 2. Juni 1989, zum Verbleib bei der Mutter,
welches von der Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich,
Migrationsamt, mit Verfügung vom 9. Juni 2006 abgewiesen wurde. Ein Rekurs an
den Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos (Beschluss vom 22.
November 2006). Die von Y.________ und X.________ dagegen erhobene Beschwerde
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Kammer, mit Entscheid vom
4. April 2007 ab.

C.
Mit Eingabe vom 25. Mai 2007 erheben X.________ und Y.________ beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den
Anträgen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die
Sicherheitsdirektion anzuweisen, X.________ eine Aufenthaltsbewilligung im
Rahmen des Familiennachzugs zu erteilen, jedenfalls aber ihn nicht aus- oder
wegzuweisen. Eventualiter sei die Angelegenheit zu weiteren
Sachverhaltsabklärungen (inkl. Parteiverhör und DNA-Test) an die Vorinstanz
zurückzuweisen; subeventualiter seien die Sachverhaltsergänzungen durch die
urteilende Instanz vorzunehmen. Im Weiteren wird um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung ersucht.
Die Staatskanzlei (im Auftrag des Regierungsrates) des Kantons Zürich
beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, schliesst auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für
Migration stellt den Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten.

D.
Dem von den Beschwerdeführern gestellten Gesuch, X.________ für die Dauer des
Verfahrens den Verbleib bei seiner Mutter zu gestatten, wurde mit Verfügung
des Präsidenten der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung vom 1. Juni 2007 im
Sinne der Erwägungen entsprochen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid erging am 4. April 2007 und damit nach
Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht am
1. Januar 2007 (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110, AS 2006 1205 ff.). Das
Verfahren richtet sich somit nach diesem Gesetz (Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG schliesst die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelenheiten gegen Entscheide über
ausländerrechtliche Bewilligungen aus, auf deren Erteilung weder nach dem
Bundes- noch dem Völkerrecht ein Rechtsanspruch besteht. Gemäss Art. 4 des
Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheiden die zuständigen Behörden, im Rahmen
der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem
Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Es besteht
damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung,
es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen
könnten sich auf eine Sondernorm des Bundesrechts (einschliesslich
Bundesverfassungsrecht) oder eines Staatsvertrages berufen (vgl. BGE 132 II
339 E. 1 Ingress S. 342 f.; 130 II 281 E. 2.1 S. 284; 128 II 145 E. 1.1.1
S. 148 mit Hinweisen).

2.2 Gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG haben ledige Kinder von Ausländern, die
in der Schweiz niedergelassen sind, Anspruch auf Einbezug in die
Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammenwohnen
und noch nicht 18 Jahre alt sind.
Die Beschwerdeführerin 2 als Mutter des nachzuziehenden Beschwerdeführers 1
ist nicht im Besitz einer Niederlassungs-, sondern bloss einer
Aufenthaltsbewilligung. Für den Familiennachzug kann sie sich daher nicht auf
Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG berufen. Dass der Beschwerdeführer 1 im Zeitpunkt
der Gesuchseinreichung, auf welchen es im Rahmen dieser Bestimmung für die
Eintretensfrage ankommt (vgl. BGE 129 II 249 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen),
noch minderjährig war, spielt insofern keine Rolle. Aus dem innerstaatlichen
Gesetzesrecht lassen sich vorliegend keine Ansprüche ableiten. Als
Anspruchsgrundlage fällt einzig Art. 8 EMRK in Betracht.

2.3 Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV garantieren den Schutz des
Familienlebens. Gestützt darauf ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden
Ausländers oder seiner hier anwesenden nahen Verwandten zulässig, wenn diese
über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügen und die
familiäre Beziehung tatsächlich gelebt wird (vgl. noch zur analogen Situation
bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde: BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 mit
Hinweisen; ferner: Urteil 2C_15/2007 vom 31. Mai 2007, E. 2.3).

Die Beschwerdeführerin 2 lebt mit einem über das Schweizer Bürgerrecht
verfügenden minderjährigen Sohn zusammen, so dass ihre eigene
Aufenthaltsbewilligung jedenfalls im Grundsatz auf einem Rechtsanspruch
beruht. Ob dieses Anwesenheitsrecht im Sinne der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK im Ergebnis tatsächlich als gefestigt zu
betrachten ist, bedarf aufgrund der folgenden Erwägungen keiner weiteren
Prüfung.

2.4 Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts, von der abzuweichen kein Anlass
besteht, ist im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK - im Unterschied zu Art. 17 Abs.
2 ANAG (oben E. 2.2) - das Alter des nachzuziehenden Kindes im Zeitpunkt der
bundesgerichtlichen Urteilsfällung massgebend (vgl. BGE 129 II 249 E. 1.2 S.
252, 11 E. 2 S. 13 f.; grundlegend: BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262 f.; Urteile
2A.558/2006 vom 22. Februar 2007, E. 2.3, sowie 2A.298/2006 vom 27. Oktober
2006, E. 1.2). Das aus dem Recht auf Achtung des Familienlebens ableitbare
Anwesenheitsrecht erlischt mit Erreichen der Mündigkeit, womit zugleich die
Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
entfällt, welche einen (aktuellen) Rechtsanspruch auf die anbegehrte
Bewilligung voraussetzt (vgl. zur analogen Situation bei der früheren
Verwaltungsgerichtsbeschwerde die oben genannten Urteile).
Der am 2. Juni 1989 geborene Beschwerdeführer 1 ist heute volljährig, womit
ein Rechtsanspruch nach Art. 8 EMRK (bzw. Art. 13 Abs. 1 BV) entfällt. Dass
ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis vorliege, welches dem Sohn nach
Erreichen der Volljährigkeit allenfalls einen Anspruch auf die Erteilung
einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK verschaffen könnte
(vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1d/e S. 260 ff.), wird weder geltend gemacht noch
belegt. Schliesslich lässt sich auch aus dem Urteil des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte vom 1. Dezember 2005 in Sachen Tuquabo Tekle
(Nr. 60665/00), auf welches sich die Beschwerdeführer berufen und mit dem
sich das Bundesgericht in einem publizierten Entscheid (BGE 133 II 6) bereits
einlässlich auseinandergesetzt hat, keine andere Schlussfolgerung herleiten.

2.5 Mangels eines Rechtsanspruches auf die für den Beschwerdeführer 1
anbegehrte Aufenthaltsbewilligung ist nach dem Gesagten auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. Als unzulässig
erweist sich dieses Rechtsmittel überdies, soweit es sich (im Sinne des
Eventualbegehrens) gegen die Wegweisung richtet (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 4
BGG), wogegen eine Ausweisung im Sinne von Art. 10 ANAG überhaupt nicht
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet.

2.6 Ein Rechtssuchender kann mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde,
unabhängig vom Vorliegen eines Rechtsanspruches und damit auch ohne
Legitimation in der Sache, den angefochtenen Entscheid wegen Verletzung von
Verfahrensgarantien anfechten, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt (vgl. BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198 f.; zur
analogen Situation bei der staatsrechtlichen Beschwerde: BGE 127 II 161 E. 3b
S. 167 mit Hinweisen). Dabei sind aber - wie bis anhin bei der
staatsrechtlichen Beschwerde - Rügen nicht zu hören, die im Ergebnis auf eine
materielle Überprüfung des Bewilligungsentscheids abzielen (vgl. Urteile
2C_126/2007 vom 18. Juni 2007, E. 3.1, sowie 2D_35/2007 vom 22. Mai 2007, E.
2.3 mit Hinweisen). Unter diesem Titel unzulässig erweist sich mithin der
Einwand der Beschwerdeführer, der Sachverhalt sei im angefochtenen Entscheid
unvollständig oder offensichtlich unrichtig festgestellt und von ihnen
angebotene Beweismittel (DNA-Test zum Beweis der Mutterschaft, persönliche
Befragung und Beweisaussage u.a. zu den Betreuungsverhältnissen im Heimatland
und weiteren Voraussetzungen des Familiennachzugs) zu Unrecht nicht
abgenommen worden.

3.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

3.1 Die Beschwerdeführer haben für das bundesgerichtliche Verfahren um
unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung ersucht. Auch wenn die
vorliegende Beschwerde noch vor Erreichung des Mündigkeitsalters des Kindes
beurteilt worden wäre, hätte sie nicht durchdringen können, da - wie im
angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt - weder das Bestehen einer
vorrangigen Beziehung zum Kind noch eine die Übersiedlung in die Schweiz
gebietende Änderung der bisherigen Betreuungsverhältnisse dargetan sind.
Angesichts der wirtschaftlichen Lage der Mutter, welche durch
Sozialhilfeleistungen unterstützt wird, wäre zudem in Bezug auf das
nachzuziehende Kind die konkrete Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen
Fürsorgeabhängigkeit gegeben, was als Ausweisungsgrund (Art. 10 Abs. 1 lit. d
ANAG) dem geltend gemachten Nachzugsrecht ebenfalls entgegenstünde. Das
vorliegende Rechtsmittel besass daher zum Vornherein keine ernsthaften
Erfolgsaussichten, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und
Verbeiständung abzuweisen ist (Art. 64 BGG).

3.2 Damit sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens entsprechend dem
Ausgang den Beschwerdeführern aufzuerlegen, unter solidarischer Haftung (Art.
66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Ihrer wirtschaftlichen Lage ist bei der Bemessung
der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Auf die
Zusprechung einer Parteientschädigung besteht kein Anspruch (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 300.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt, unter
solidarischer Haftung.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat des Kantons
Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2.
Kammer, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. September 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: