Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.21/2007
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{T 0/2}
2C_21/2007 /ble

Urteil vom 16. April 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Wurzburger,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Othman Bouslimi,

gegen

Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern,
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern.

Widerruf der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
vom 15. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1972) stammt aus Russland. Sie arbeitete während mehreren
Jahren in verschiedenen Kantonen als Tänzerin, wozu sie jeweils über eine
Kurzaufenthaltsbewilligung (Ausweis L) verfügte. Am 5. März 2004 heiratete
sie den in der Schweiz aufenthaltsberechtigten italienischen
Staatsangehörigen Y.________ (geb. 1954), worauf ihr die Fremdenpolizei des
Kantons Bern am 22. April 2004 eine bis zum 2. Oktober 2007 befristete
Aufenthaltsbewilligung EG/EFTA erteilte.

B.
Am 5. März 2006 widerrief das Amt für Migration und Personenstand des Kantons
Bern die Aufenthaltsbewilligung von X.________, nachdem sich die Ehegatten
spätestens im Juli 2005 getrennt hatten. X.________ gelangte hiergegen
erfolglos an die Polizei- und Militärdirektion und an das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern. Am 26. September 2006 wurde die Ehe Y.________-X.________
geschieden.

C.
Mit "Rekurs" vom 15. Februar 2007 beantragt X.________ vor Bundesgericht, das
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 15. Januar 2007
aufzuheben und ihre Aufenthaltsbewilligung "zu verlängern". Am 19. Februar
2007 legte der Abteilungspräsident der Eingabe vorläufig aufschiebende
Wirkung bei; gleichzeitig sah er von einem Schriftenwechsel einstweilen ab
und holte die kantonalen Akten ein.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid erging am 14. Februar 2007 und damit nach
Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht am
1. Januar 2007 (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110, AS 2006 1205 ff.); die
Eingabe der Beschwerdeführerin ist demnach als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen. Zwar ist dieses
Rechtsmittel gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend
Bewilligungen ausgeschlossen, auf deren Erteilung weder nach dem Bundes- noch
nach dem Völkerrecht ein Rechtsanspruch besteht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG;
vgl. zu Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG: BGE 131 II 339 E. 1 Ingress S. 342
mit weiteren Hinweisen); vorliegend geht es jedoch nicht um die erstmalige
Erteilung oder Verlängerung, sondern um den Widerruf einer bereits gewährten
Bewilligung.

1.2 Hiergegen war nach dem bisherigen Recht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zulässig, auch wenn kein Rechtsanspruch auf die Bewilligung bestand (Art. 101
lit. d OG; statt vieler die Urteile 2A.473/2006 vom 24. Januar 2007, E. 2.2,
und 2A.175/2004 vom 7. Dezember 2004, E. 1). Das Bundesgerichtsgesetz kennt
seinerseits keine entsprechende (ausdrückliche) Regelung mehr. Die
Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beruht
indessen bei einem Widerruf auf dem schutzwürdigen Vertrauen, dass eine
einmal erteilte Bewilligung während der Dauer ihrer Gültigkeit fortbesteht
und grundsätzlich nicht in die entsprechende Rechtsposition eingegriffen
wird. Der Widerruf (vgl. BGE 98 Ib 85 E. 1a S. 88) und die Feststellung ihres
vorzeitigen Erlöschens (vgl. BGE 99 Ib 1 E. 2 S. 4/5) liegen nicht im freien
Ermessen der kantonalen Behörden (vgl. Art. 4 ANAG; SR 142.20), sondern sind
nur zulässig, soweit die entsprechenden bundesrechtlichen Voraussetzungen
erfüllt sind (Art. 9 ANAG). Die Frage, ob dies der Fall ist, kann deshalb
letztinstanzlich vor Bundesgericht mit dem ordentlichen Rechtsmittel der
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten aufgeworfen werden, wenn
die Bewilligung - wäre sie nicht widerrufen worden - noch Rechtswirkungen
entfaltete. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, wäre die Bewilligung doch
noch bis Herbst 2007 gültig gewesen.

2.
2.1
2.1.1 Die Beschwerdeführerin heiratete am 5. März 2004 den italienischen
Staatsangehörigen Y.________, worauf ihr in Anwendung von Art. 7 lit. d des
Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR
0.142.112.681) bzw. Art. 3 Abs. 1 und 2 des Anhangs I hierzu eine
Aufenthaltsbewilligung EG/EFTA erteilt wurde. Bereits am 17. Dezember 2004
machte Y.________ jedoch geltend, dass seine Gattin nicht mehr bei ihm lebe;
diese hat - unbestrittenermassen - im Jahre 2005 eine Stelle als Barmaid in
C._______ angetreten und sich auf den 1. Juli 2005 offiziell in A.________
ab- und in B.________ angemeldet. In der Folge kam es zu keiner
Wiederannäherung des Ehepaars mehr.

2.1.2 Zwar machte die Beschwerdeführerin geltend, sie habe immer darauf
gehofft, sie finde wieder mit ihrem Ehemann zusammen, doch vermochte sie
keine Bemühungen hierum darzutun: Soweit sie Telefonrechnungen einreichte,
welche belegen sollten, dass sie den Kontakt mit ihrem Gatten
aufrechterhielt, lauteten diese nicht auf sie, sondern auf einen Dritten; im
Übrigen handelte es sich bei den Gesprächen um ein- bis zweimalige
Telefonanrufe pro Monat von einigen wenigen Sekunden oder Minuten. Am 13.
September 2005 bat der Rechtsanwalt ihres Gatten den Migrationsdienst mit
Blick auf ein Eheschutzgesuch, ihm die Adresse der Beschwerdeführerin
mitzuteilen; vor diesem Hintergrund erscheinen die Ausführungen wenig
glaubhaft, sie habe sich im Hinblick auf ihre Arbeit und nur vorübergehend
von ihrem Gatten getrennt bzw. die Wochenenden und die Freizeit jeweils mit
ihm verbracht und beabsichtigt, ihn nach B.________ nachziehen zu lassen;
hiergegen spricht auch die Tatsache, dass sie die neue Wohnung auf ihren
eigenen Namen und nicht als Familienwohnung gemietet hat.

2.1.3 Die kantonalen Behörden durften unter diesen Umständen davon ausgehen,
dass der Ehewille der Gatten - falls ein solcher überhaupt je bestanden hat
(vgl. den Altersunterschied, die Fürsorgeabhängigkeit des Gatten, das bloss
kurze gemeinsame Zusammenleben usw.) - vor Ablauf der Fünfjahresfrist, welche
der Beschwerdeführerin einen Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung
verschafft hätte (Art. 7 Abs. 1 ANAG analog), erloschen und eine
Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft realistischerweise nicht mehr zu
erwarten war. Die Ehe ist dementsprechend denn auch am 26. September 2006
geschieden worden.

2.2 Was die Beschwerdeführerin hiergegen einwendet, überzeugt nicht: Soweit
sie sinngemäss die bundesgerichtliche Praxis als zu streng kritisiert, bringt
sie nichts vor, was deren (erneute) Überprüfung rechtfertigen könnte. Sie
verkennt, dass es - abgesehen von der Eintretensfrage (BGE 118 Ib 145 ff.) -
nicht allein auf den formellen Bestand der Ehe, sondern auf deren Inhalt
ankommt; dieser darf ihre Anrufung ausländerrechtlich nicht als
rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, was praxisgemäss der Fall ist, wenn
sich der Betroffene - wie hier - darauf einrichtet, eine nur noch auf dem
Papier bestehende Ehe trotz faktischer Trennung und offensichtlich fehlender
Aussicht auf Wiedervereinigung bloss wegen des damit verbundenen
Anwesenheitsrechts aufrechtzuerhalten. Hierzu dienen der auf den vorliegenden
Fall analog anzuwendende Art. 7 ANAG (vgl. BGE 130 II 113 E. 8.3 S. 129) und
der gleich wie dieser zu verstehende Art. 3 des Anhangs I zum
Freizügigkeitsabkommen nicht. Die gesetzliche und staatsvertragliche Regelung
will die Führung des Familienlebens in der Schweiz - allenfalls auch in einer
vorübergehenden Krisensituation - ermöglichen und absichern, jedoch nicht
einem missbräuchlichen, ausschliesslich fremdenpolizeilich motivierten
Festhalten an einer klar inhaltsleeren Ehe Vorschub leisten (vgl. BGE 130
II 113 E. 9.5 S. 134; 127 II 49 E. 5a S. 56; Urteile 2A.94/2004 vom 6. August
2004, E. 3.1, publ. in: Praxis 2005 Nr. 15 S. 102, 2A.131/2005 vom
14. September 2005, E. 2.2 mit Hinweisen).

2.3 Da nach Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG eine Aufenthaltsbewilligung unter
anderem dann widerrufen werden kann, wenn eine damit verbundene Bedingung
nicht mehr erfüllt ist, und die Ehe bzw. deren nicht rechtsmissbräuchliche
Anrufung eine solche Bedingung darstellt, wurde die Aufenthaltsbewilligung
EU/EFTA der Beschwerdeführerin zu Recht widerrufen. Art. 3 Anhang I FZA
bezweckt primär, dem EU-Bürger die Freizügigkeit zu erleichtern, nicht aber
einem Drittstaatsangehörigen sogar bei Wegfall der Nachzugsgrundlage (hier
der Ehe) weiterhin ein selbständiges und bis zum nächsten Entscheid über die
(Nicht-)Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unantastbares
Anwesenheitsrecht zu verschaffen. Art. 23 der Verordnung vom 22. Mai 2002
über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und deren
Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen
Freihandelsassoziation (Verordnung über die Einführung des freien
Personenverkehrs, VEP; SR 142.203) sieht denn auch ausdrücklich vor, dass
EG/EFTA-Bewilligungen widerrufen werden können, wenn die Voraussetzung für
ihre Erteilung nicht mehr erfüllt sind, ohne dass es hierfür zusätzlicher
Gründe bedürfte (so die Urteile 2A.538/2006 vom 4. Dezember 2006, E. 2.2, und
2A.131/2005 vom 14. September 2005, E. 2.3)
2.4 Der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung ist schliesslich auch
verhältnismässig: Das eheliche Zusammenleben hat vorliegend maximal sechzehn
Monate gedauert. Zuvor hielt sich die Beschwerdeführerin als Tänzerin nur mit
Kurzaufenthaltsbewilligungen in der Schweiz auf; die entsprechende
Anwesenheit fällt bei der Interessenabwägung deshalb nicht wesentlich ins
Gewicht. Bei ihrer Einreise war die Beschwerdeführerin 32 Jahre alt; sie hat
während ihres hiesigen Aufenthalts die Kontakte zu ihrem Heimatland gewahrt,
ist der dortigen Sprache mächtig und mit den Verhältnissen in Russland nach
wie vor vertraut. Es ist ihr deshalb zuzumuten, dorthin zurückzukehren, auch
wenn ihr dies im Hinblick darauf, dass eine Schwester von ihr hier lebt,
schwer fallen sollte.

3.
3.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich nach
dem Gesagten als offensichtlich unbegründet und kann im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Ergänzend wird auf die
Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).

3.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die unterliegende
Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 BGG); Parteientschädigungen sind
nicht geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Polizei- und Militärdirektion
des Kantons Bern und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. April 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: