Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.205/2007
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2C_205/2007 /ble

Urteil vom 1. Juni 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiberin Dubs.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Kai Burkart,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Postfach, 8090 Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Haftrichter,
Postfach, 8026 Zürich.

Verlängerung der Durchsetzungshaft,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Verfügung des
Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter, vom 18. April 2007.

Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:

1.
X. ________ (geb. 1975), alias Y.________, stammt aus Algerien. Das Bundesamt
für Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration) trat am 15. April 2003 auf
sein Asylgesuch nicht ein und forderte ihn auf, das Land umgehend zu
verlassen, was er nicht tat. Am 29. Oktober 2006 nahm ihn das Migrationsamt
des Kantons Zürich in Ausschaffungshaft, welche der Haftrichter am
Bezirksgericht Zürich bis zum 29. Januar 2007 genehmigte.
Am 22. Januar 2007 ordnete das Migrationsamt des Kantons Zürich gegen
X.________ die Durchsetzungshaft an, nachdem er sich am 30. November 2006
geweigert hatte, das Flugzeug nach Algier zu besteigen. Der Haftrichter
prüfte diese und bestätigte sie bis zum 21. Februar 2007. In der Folge
verlängerte er die Durchsetzungshaft um zwei Monate. Mit Verfügung vom 18.
April 2007 verlängerte der Haftrichter die Durchsetzungshaft ein weiteres Mal
bis zum 22. Juni 2007.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 10. Mai 2007
beantragt X.________, ihn aus der Haft zu entlassen und ihm die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
Das Bundesgericht hat die Akten der kantonalen Behörden beigezogen, jedoch
keine Vernehmlassungen eingeholt.

2.
2.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb der
ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder
Ausweisung auf Grund seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden,
so darf er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in
Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft
nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme zum Ziel führt (Art.
13g Abs. 1 ANAG in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung gemäss der
Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 4745 ff., dort S.
4767 und S. 4771]). Die Haft ist erstmals für einen Monat zulässig und kann
danach mit der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen Behörde
(vgl. Art. 13g Abs. 3 ANAG) jeweils um zwei Monate verlängert werden, sofern
der Ausländer weiterhin nicht bereit ist, sein Verhalten zu ändern und
auszureisen. Die maximale Haftdauer beträgt grundsätzlich 18 Monate (Art. 13g
Abs. 2 ANAG). Die Haft wird beendet, falls eine selbständige pflichtgemässe
Ausreise nicht möglich ist, obwohl der Ausländer den behördlich vorgegebenen
Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 13g Abs. 6 lit. a ANAG), oder die
Schweiz weisungsgemäss verlassen (lit. b), die Ausschaffungshaft angeordnet
(lit. c) oder einem Haftentlassungsgesuch entsprochen wird (lit. d). Die
Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen die
maximale Haftdauer von 24 Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18
Jahren von 12 Monaten) nicht überschreiten (Art. 13h ANAG in der Fassung vom
16. Dezember 2005).

2.2 Die Durchsetzungshaft findet ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung
vorab in Art. 5 Ziff. 1 lit. b (Haft zur Erzwingung einer durch das Gesetz
vorgeschriebenen Verpflichtung) und nicht wie die Vorbereitungs- und
Ausschaffungshaft ausschliesslich in Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (Haft zur
Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens; vgl. BGE 130 II 56 E.
4.2.3 S. 62 f., 377 E. 3.1 S. 380). Sie bezweckt, die ausreisepflichtige
Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach
Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten
Weg- oder Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre
Kooperation nicht möglich ist. Die Durchsetzungshaft soll das letzte Mittel
darstellen, wenn und soweit keine andere Zwangsmassnahme zum Ziel führt, den
illegal anwesenden Ausländer - auch gegen seinen Willen - in seine Heimat
verbringen zu können (Urteil 2C_22/2007 vom 22. Februar 2007 E. 2.2.2). Wie
alle staatlichen Massnahmen hat sie dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu
entsprechen; es ist jeweils im Einzelfall auf Grund der konkreten Umstände zu
prüfen, ob sie geeignet bzw. erforderlich ist und nicht gegen das
Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und zumutbare Verhältnis von Mittel
(Haft) und Zweck (Verhaltensänderung, damit die Ausschaffung vollzogen werden
kann), verstösst. Dabei ist im Rahmen von Art. 190 BV (gemäss Justizreform;
früher Art. 191 BV) den Prämissen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, dass
die Massnahme je nach Umständen bis zu einer maximalen Haftdauer von 18
Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren von neun Monaten)
als verhältnismässig gelten kann und der Betroffene es im Übrigen in der Hand
hat, die Haft jederzeit zu beenden, indem er seiner Ausreisepflicht
nachkommt. Art. 13g ANAG ist im Rahmen dieser Vorgaben verfassungs- und
konventionskonform auszulegen (vgl. zum Ganzen: Urteil 2C_19/2007 vom 2.
April 2007 E. 2 und 3).

3.
3.1 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Anordnung der
Durchsetzungshaft sei unzulässig, da die verschärften Zwangsmassnahmen im
Zeitpunkt des Wegweisungsentscheides noch nicht in Kraft waren, verkennt er,
dass die Neuregelung der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht im Anhang zur
Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005, soweit sie am 1. Januar 2007
in Kraft getreten ist, auch für Ausländer gilt, deren Wegweisungsverfahren zu
diesem Zeitpunkt noch hängig waren (BGE 133 II 1 E. 4 und 5). Die
Durchsetzungshaft ist keine strafrechtliche Sanktion, sondern bezweckt, als
Administrativmassnahme den Vollzug der Wegweisung sicherzustellen. Aufgrund
der rechtskräftigen Wegweisung ist der Beschwerdeführer verpflichtet, die
Schweiz zu verlassen. Dass dieser immer noch andauernden Verpflichtung
mittels einer nachträglich eingeführten (verschärften) Administrativmassnahme
Nachachtung verschafft werden soll, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine
vorgängige Androhung der Durchsetzungshaft hat der Gesetzgeber nicht
vorgeschrieben. Da die Neuregelung der Zwangsmassnahmen diese Form von Haft
jedoch ausdrücklich vorsieht, muss dem ausreisepflichtigen Ausländer bekannt
sein, mit welchen Folgen er zu rechnen hat, wenn er die Schweiz nicht
verlässt.

3.2 Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren rechtskräftig mit sofortiger
Wirkung aus der Schweiz weggewiesen worden (Verfügung des Bundesamtes für
Flüchtlinge vom 15. April 2003), ohne dass er das Land verlassen hätte. Im
Übrigen wurde er wiederholt straffällig, befand sich daher im Strafvollzug
und wurde zudem für die Dauer von fünf Jahren des Landes verwiesen. In
Anschluss an die Entlassung aus dem Strafvollzug wurde er in
Ausschaffungshaft genommen. Die Behörden konnten trotz seines renitenten
Verhaltens die Ausstellung von algerischen Ersatzpapieren erwirken. Am 30.
November weigerte sich der Beschwerdeführer jedoch, die Rückreise nach
Algerien anzutreten. Da mit Algerien kein Abkommen über Sonderflüge für
Personen besteht, die nur zwangsweise ausgeschafft werden können, kann der
Beschwerdeführer bloss in seine Heimat zurückgeführt werden, wenn er bereit
ist, hierbei zu kooperieren. Eine (weitere) Ausschaffungshaft erscheint
zurzeit nicht möglich, da diese voraussetzen würde, dass sich der zwangsweise
Vollzug der Wegweisung auch gegen den Willen des Beschwerdeführers in
absehbarer Zeit realisieren liesse (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 62 f. mit
Hinweisen). Er weigert sich jedoch vehement, nach Algerien zurückzukehren und
hat bereits einmal eine Ausschaffung vereitelt. Sämtliche gegen den
Beschwerdeführer bisher getroffenen milderen Massnahmen blieben ohne Erfolg,
weshalb letztlich nur die Durchsetzungshaft bleibt, um ihn dazu bringen, mit
den Behörden zu kooperieren und weisungsgemäss aus der Schweiz auszureisen.
Diese Form der Haft ist dazu geeignet und im Hinblick auf das bisherige
Verhalten des Beschwerdeführers erforderlich und auch verhältnismässig. Für
alles Weitere wird auf Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen
(Art. 109 Abs. 3 BGG).

3.3 Hinsichtlich des Angebots des Beschwerdeführers, er würde nach einer
Freilassung die Schweiz verlassen, ist festzuhalten, dass der Ausreisepflicht
nur mit einer rechtmässigen Einreise in ein anderes Land Folge geleistet
wird: Die Schweiz darf zwischenstaatlich nicht bewusst zu einer illegalen
Einreise in einen Drittstaat Hand bieten; dies ergibt sich ohne Weiteres aus
den mit den Nachbarstaaten unterzeichneten Rückübernahmeabkommen, welche die
Schweiz regelmässig "im Bestreben, gegen die illegale Einwanderung
vorzugehen", dazu verpflichten, widerrechtlich von ihrem Territorium in diese
Staaten einreisende (Dritt-)Ausländer zurückzunehmen (vgl. etwa das Abkommen
vom 10. September 1998 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Italienischen Republik über die Rücknahme von Personen mit unbefugtem
Aufenthalt [SR 0.142.114.549]). Die Erfüllung der Zusage, illegal (d.h. ohne
Papiere und Visum) in einen Drittstaat einzureisen, wäre im Übrigen durch die
schweizerischen Behörden naturgemäss auch kaum überprüfbar; der Betroffene
könnte sich damit begnügen, hier bloss unterzutauchen. Da der
Beschwerdeführer über keine Papiere verfügt, hat er keine legale Möglichkeit,
in ein Drittland auszureisen. Einzig sein Heimatstaat ist verpflichtet, ihn
wieder zurückzunehmen (BGE 130 II 56 E. 4.1.2 S. 60 mit Hinweis).
Wenn der Beschwerdeführer vom Migrationsamt des Kantons Zürich seinerzeit
aufgefordert wurde, die Schweiz zu verlassen, war damit gemeint, dass er sich
selber um die Ausstellung heimatlicher Reisepapiere zu bemühen hatte, um
entweder rechtmässig in ein Drittland ausreisen oder in sein Heimatland
zurückkehren zu können. Seit dem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid hat er
hinreichend dazu Gelegenheit gehabt. Da der Beschwerdeführer nur über einen
Laissez-passer verfügt, der ihm erlaubt, in seinen Heimatstaat
zurückzureisen, lässt nur seine Heimkehr nach Algerien die Durchsetzungshaft
dahinfallen. Die Zulässigkeit der Durchsetzungshaft kann nicht von
allfälligen Wünschen des Betroffenen in Bezug auf die Destination oder von
seiner Bereitschaft abhängen, sich eventuell illegal in einen Drittstaat zu
begeben.

4.
4.1 Die im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG offensichtlich unbegründete
Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen.

4.2 Der Beschwerdeführer beantragt, ihm die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung zu gewähren. Diesem Gesuch kann nicht entsprochen werden, da
sein Rechtsbegehren zum Vornherein aussichtslos war (vgl. Art. 64 Abs. 1 und
2 BGG; Seiler, in: Seiler/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz,
Bern 2007, Rz. 21 und 23 zu Art. 64). Es kann jedoch davon abgesehen werden,
eine Gerichtsgebühr zu erheben (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt des Kantons Zürich
und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Juni 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: