Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.197/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


2C_197/2007/leb

Urteil vom 23. Januar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Häberli.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Fürsprecher Dr. Roland Müller,

gegen

Solothurnische Gebäudeversicherung,
Baselstrasse 40, 4500 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.

Abschätzung Elementarschaden,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
12. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 9. Juli 2002 kam es auf dem Grundstück von A.________ in X.________ (SO)
nach heftigen Regenfällen zu einem Hangrutsch; dabei wurden der gepflasterte
Vorplatz und der Sitzplatz (einschliesslich Gartenlampen) beschädigt. Mit
Blick auf die Aufwendungen, welche er für die Wiederherstellung der
beschädigten Grundstücksteile und die Absicherung des betroffenen Hangs
getätigt hatte, verlangte A.________ von der Solothurnischen
Gebäudeversicherung die Zahlung von 103'903.79 Franken. Mit Verfügung vom 20.
August 2003 sprach die Gebäudeversicherung A.________ für den erlittenen
Schaden 12'250 Franken zu. Im anschliessenden Rechtsmittelverfahren wurde am
15. April 2005 eine gerichtliche Expertise eingeholt. Diese bezifferte die
gesamten Wiederherstellungskosten auf 82'532.65 Franken und die zusätzlichen
Kosten für die Hangsicherung auf 31'584.05 Franken. Mit Urteil vom 26. Januar
2006 hob das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn die Verfügung der
Gebäudeversicherung auf und wies diese an, entsprechend seinen Erwägungen im
betreffenden Entscheid (vgl. E. 2.1) neu zu verfügen.

B.
In der Folge sprach die Solothurnische Gebäudeversicherung A.________ einen
Betrag von 43'458 Franken zu (Verfügung vom 7. August 2006). Die von
A.________ hiergegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn am 12. März 2007 ab.

C.
Am 7. Mai 2007 hat A.________ beim Bundesgericht in einer einzigen
Rechtsschrift sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als
auch subsidiäre Verfassungsbeschwerde eingereicht, je mit dem Antrag, den
angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Solothurner Gebäudeversicherung und (sinngemäss) auch das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn beantragen die Abweisung beider
Beschwerden.

Erwägungen:

1.
Weil der angefochtene Verwaltungsgerichtsentscheid unter keine der
Ausnahmebestimmungen von Art. 83 BGG fällt, steht vorliegend die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen. Demzufolge bleibt kein Raum
für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde, weshalb auf dieses Rechtsmittel -
ungeachtet der falschen Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid -
nicht einzutreten ist. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist demgegenüber zulässig, auch wenn sie in der
Rechtsmittelbelehrung nicht erwähnt wurde; auf die form- und fristgerecht
erhobene Eingabe des Beschwerdeführers ist mithin unter diesem Titel
einzutreten.

2.
Gebäudeschäden infolge eines Erdrutschs werden im Kanton Solothurn von der
(obligatorischen) Gebäudeversicherung ersetzt (§ 12 lit. e des
Gebäudeversicherungsgesetzes vom 24. September 1972 [GVG/SO]). Diese
übernimmt zusätzlich die Schäden auf dem Gebäudeareal, soweit der Bereich im
Umkreis von 8 Metern von der Aussenwand des versicherten Gebäudes betroffen
ist (§ 13 lit. d GVG/SO). Als Gebäude im Sinne des Gesetzes gilt "jedes nicht
bewegliche Erzeugnis der Bautätigkeit", das einen "gedeckten und benützbaren
Raum birgt und zum Zwecke des dauernden Verbleibens erstellt" wurde (§ 17
Abs. 1 GVG/SO). Gemäss § 9 Abs. 2 der Vollzugsverordnung zum
Gebäudeversicherungsgesetz (VGVG/SO) sind auch diejenigen Teile des Gebäudes
versichert, die "nicht geschlossen oder gedeckt sind (Sitzplätze, Vordächer
usw.)".
2.1 In seinem (ersten den Beschwerdeführer betreffenden) Urteil vom 26.
Januar 2006 hat das Verwaltungsgericht festgehalten, dass Sitz- und Vorplätze
Teil des versicherten Gebäudes im Sinne von § 17 Abs. 1 GVG/SO und § 9 Abs. 2
VGVG/SO bilden. Mithin habe der Beschwerdeführer einen ersatzpflichtigen
Gebäudeschaden erlitten. Weiter bejahte es gestützt auf § 13 lit. d GVG/SO
eine Entschädigungspflicht für die Arealschäden im Umkreis von acht Metern um
das versicherte Gebäude. Für die Schadensberechnung erklärte es alsdann die
Regelung von § 46 Abs. 1 Satz 1 GVG/SO für anwendbar, gemäss welcher bei
Teilschäden "der Schaden nach dem Verhältnis des beschädigten Teiles zum
gesamten Gebäude und dessen Schätzungssumme auszumitteln" ist. Ein direkter
Ersatz der "Wiederherstellungskosten" sei gesetzlich nur für jene Fälle
vorgesehen, in denen der Schaden weniger als einen Fünftel der
"Schätzungssumme" ausmache (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 GVG/SO). Aufgrund des
Gebäudeversicherungswerts von 351'200 Franken liege diese Grenze hier bei
70'240 Franken und werde überschritten. Abschliessend betonte das
Verwaltungsgericht, die Schadensberechnung gestützt auf § 46 Abs. 1 Satz 1
GVG/SO sei auch darum angezeigt, weil die getätigten Aufwendungen von mehr
als 100'000 Franken im Vergleich zum Versicherungswert "relativ hoch" seien;
deshalb erscheine es gerechtfertigt, "zur Eruierung der Summe, die die
[Gebäudeversicherung] als Ersatz zur Behebung des Teilschadens auszurichten
[habe], von einem Totalschaden auszugehen und den Wert des ungeschädigt
gebliebenen Restes des versicherten Objekts in Abzug zu bringen". In Ziffer 3
des Urteilsdispositivs verpflichtete das Verwaltungsgericht die
Gebäudeversicherung ausdrücklich, die geschuldete Entschädigung gemäss diesen
seinen Erwägungen neu festzusetzen.

2.2 Die Gebäudeversicherung entschied am 7. August 2006, der Erdrutsch vom 9.
Juli 2002 habe keine versicherten Gebäudeteile im Sinne von § 17 GVG/SO
betroffen. Auszurichten sei deshalb eine angemessene "weitere Entschädigung"
gemäss § 13 lit. d in Verbindung mit § 48 Ziff. 3 GVG/SO. Unter diesem Titel
seien die Schäden auf dem Gebäudeareal bis auf eine Distanz von acht Metern
von der Aussenwand des Einfamilienhauses und der Garage zu ersetzen. Gemäss
der Expertise vom 15. April 2005 beliefen sich die im entsprechenden Bereich
angefallenen Wiederherstellungskosten auf insgesamt 43'458 Franken, so dass
dem Beschwerdeführer dieser Betrag zu bezahlen sei. Die restlichen
Wiederherstellungskosten könnten, weil sie den Arealschaden ausserhalb des
Acht-Meter-Radius betreffen, gleich wie die Kosten für die Hangsicherung
nicht übernommen werden.

2.3 Der Beschwerdeführer ging seinerseits von einem Schadenersatzanspruch für
Wiederherstellungskosten und Hangsicherungsmassnahmen in der Höhe von
insgesamt 114'116.70 Franken aus. Er gelangte deshalb erneut an das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, wobei seiner Beschwerde diesmal
kein Erfolg beschieden war: Das Verwaltungsgericht schützte die angefochtene
Verfügung mit Urteil vom 12. März 2007, obschon es die Auffassung der
Gebäudeversicherung, es liege ein Areal- aber kein Gebäudeschaden vor, als
"aktenwidrig" bezeichnete. Es kam nunmehr zum Schluss, gestützt auf § 46
Abs. 1 Satz 1 GVG/SO stehe dem Beschwerdeführer kein Entschädigungsanspruch
zu. Das Gebäudeareal sei gemäss § 14 Abs. 3 lit. d VGVG/SO für die Ermittlung
des Versicherungswerts nicht zu berücksichtigen, was dazu führe, dass der an
ihm entstandene Schaden im Rahmen der Vergleichsrechnung nach § 46 Abs. 1
Satz 1 GVG/SO, bei welcher der "Wert des noch intakten Teils der Liegenschaft
mit der Versicherungssumme" verglichen werde, nicht zum Tragen komme (vgl.
E. 3.2). Demnach könne gestützt auf § 46 Abs. 1 Satz 1 GVG/SO keine
Entschädigung zugesprochen werden. Dennoch bezeichnete es die angefochtene
Verfügung als "sachgerecht", weil es gegen die ratio legis verstossen würde,
"den Gebäudeeigentümer bei solchen Konstellationen unentschädigt zu lassen".
Es sei deshalb "gerechtfertigt, zumindest die Kosten zu entschädigen, die
gemäss § 13 in Verbindung mit § 48 GVG/SO zu ersetzen sind".

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe sich in Verletzung
des Willkürverbots (Art. 9 BV; vgl. BGE 127 I 60 E. 5a S. 70) über die
verbindlichen Erwägungen seines eigenen Urteils vom 26. Januar 2006
hinweggesetzt, indem es die Verfügung der Gebäudeversicherung vom 7. August
2006 geschützt habe.

3.1 Zu Recht: Die Auslegung von § 46 Abs. 1 Satz 1 GVG/SO im hier
angefochtenen Urteil vom 12. März 2007 widerspricht offensichtlich den
Erwägungen des Urteils vom 26. Januar 2006, an welche nicht nur die
Gebäudeversicherung, sondern auch das Verwaltungsgericht selber gebunden ist.
Im früheren Urteil war keine Rede davon, dass eine Beeinträchtigung von Sitz-
und Vorplätzen dann entschädigungslos hingenommen werden müsste, wenn - wie
hier - die Schadensumme mehr als einen Fünftel des versicherten Werts
ausmacht. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht (verbindlich) festgehalten,
dass in casu ein ersatzpflichtiger Schaden von mehr als 70'240 Franken
vorliege; es hat die Sache lediglich zur genauen Schadensberechnung an die
Gebäudeversicherung zurückgewiesen. Nachdem damals ein Entschädigungsanspruch
ausdrücklich gestützt auf § 46 Abs. 1 Satz 1 GVG/SO bejaht worden ist, kann
im zweiten Rechtsgang nicht ohne Verletzung des Willkürverbots entschieden
werden, die gleiche Bestimmung vermittle dem Beschwerdeführer keinerlei
Ansprüche. Im Urteil vom 26. Januar 2006 hat das Verwaltungsgericht denn auch
klar zwischen eigentlichen Gebäudeschäden nach § 17 in Verbindung mit § 46
GVG/SO und Arealschäden gemäss § 13 lit. d in Verbindung mit § 48 Abs. 3
GVG/SO unterschieden, wobei es die Beeinträchtigung von Sitz- und Vorplatz
des Beschwerdeführers Ersteren zugeordnet hat. Für die jetzige, letztlich auf
blosse Billigkeitsüberlegungen gestützte Anwendung von § 13 lit. d und § 48
Abs. 3 GVG/SO bleibt bei diesen Gegebenheiten kein Raum.

3.2 Im Übrigen ist diese Auslegung von § 46 Abs. 1 Satz 1 GVG/SO auch in sich
widersprüchlich: Das Verwaltungsgericht übersieht, dass es selber gestützt
auf § 9 Abs. 2 VGVG/SO Sitz- und Vorplatz zu Teilen des versicherten Gebäudes
im Sinne von § 17 GVG/SO erklärt und sie so (ausdrücklich auch im hier
angefochtenen zweiten Urteil) dem seinerseits nach § 13 lit. d GVG/SO
versicherten "Gebäudeareal" gegenübergestellt hat. Daraus folgt, dass § 14
Abs. 3 lit. d VGVG/SO, welcher bestimmt, das "Gebäudeareal" falle für die
Festlegung des Versicherungswerts ausser Betracht, sich nicht auf Sitz- und
Vorplätze beziehen kann. Dies, weil Letztere nach den begrifflichen
Definitionen des Verwaltungsgerichts gerade nicht zum Areal gehören, sondern
Teil des Gebäudes sind. Damit ist aber der streitigen Auslegung die Grundlage
entzogen: Nach dem Gesagten kann nicht mehr argumentiert werden, eine
Beeinträchtigung von Sitz- und Vorplätzen allein sei nach § 46 Abs. 1 Satz 1
GVG/SO darum nicht entschädigungspflichtig, weil in der "Schätzungssumme" nur
der (Versicherungs-)Wert des (ungeschädigt gebliebenen) Hauses zum Ausdruck
komme bzw. zwischen dem "Restwert" des versicherten Gebäudes und dem
Schätzwert zum Vornherein keine Differenz bestehen könne.
Ferner ist es auch der Vorinstanz nicht entgangen, dass ihre Auslegung
bezüglich des Verhältnisses zwischen Satz 1 und Satz 2 von § 46 Abs. 1 GVG/SO
zu stossenden Ergebnissen führt. Die versicherungsrechtlichen Folgen von
Schäden an Vor- und Sitzplätzen wären nämlich völlig verschieden, je nach dem
ob die Reparaturkosten im konkreten Fall zufälligerweise mehr oder weniger
als einen Fünftel des Versicherungswerts ausmachen: Wird der genannte
Grenzwert überschritten, so bestünde kein Anspruch, während bei einem
kleineren Schaden die ganzen Aufwendungen für die Wiederherstellung ersetzt
würden. Eine derart widersinnige Auslegung der gesetzlichen Regelung, bei
welcher ein Schaden von bis zu einem Fünftel des versicherten Werts
vollständig abgegolten würde, während - ohne dass ein sachlicher Grund für
diese unterschiedliche Behandlung ersichtlich wäre - bei einem grösseren
Schaden keinerlei Ersatzleistung mehr geschuldet wäre, ist verfassungswidrig
(und dürfte im Übrigen auch kaum den Absichten des kantonalen Gesetzgebers
entsprechen).

3.3 Es besteht der Eindruck, dass das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung,
welche es offenbar mit seinem ersten Urteil in dieser Sache begründet hat,
bereits wieder aufgeben oder zumindest modifizieren will. Allfällige
Anpassungen hat es jedoch in einem späteren, einen anderen Schadensfall
betreffenden Verfahren vorzunehmen. Bezüglich der streitigen Ansprüche des
Beschwerdeführers ist es an seine - an der Rechtskraft des Urteilsdispositivs
teilhabenden - Erwägungen vom 26. Januar 2006 gebunden. Deshalb ist der
angefochtene Entscheid vom 12. März 2007 aufzuheben und die Sache, wie vom
Beschwerdeführer beantragt, zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht
zurückzuweisen. Dabei wird es sich auch zum bisher nicht bzw. nicht explizit
behandelten Antrag des Beschwerdeführers zu äussern haben, seine
Schadenersatzforderung sei von der Gebäudeversicherung zu verzinsen.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdegegnerin kostenpflichtig
(Art. 66 BGG) und hat zudem den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 12. März 2007
aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Januar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Häberli