Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.163/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


{T 0/2}
2C_163/2007/ble

Urteil vom 7. Mai 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiberin Dubs.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Aargau, Sektion Asyl, Bahnhofstrasse 86/88, 5001
Aarau,
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, Postfach, 5001 Aarau.

Durchsetzungshaft / Haftverlängerung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 4. April 2007.

Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der algerische Staatsangehörige X.________ (alias Y.________)  (geb.
1972) reiste am 25. April 2002 in die Schweiz ein. Nach erfolglosem
Asylverfahren wurde er mit Entscheid vom 26. September 2002 des damaligen
Bundesamtes für Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration) aus der Schweiz
weggewiesen.

1.2 Das Migrationsamt des Kantons Aargau nahm X.________ am 16. März 2007 in
Durchsetzungshaft, welche das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons
Aargau (nachfolgend: Rekursgericht) am 17. März 2007 prüfte und bis zum 13.
April 2007 bestätigte. Mit Urteil vom 4. April 2007 verlängerte es diese bis
zum 13. Juni 2007.

1.3 Mit in französischer Sprache verfasstem und an das Rekursgericht
gesandtem Schreiben (Eingang 24. April 2007) erhebt X.________ Beschwerde.
Das Rekursgericht hat das Schreiben mitsamt seinen Verfahrensakten an das
Bundesgericht weitergeleitet (Eingang 30. April 2007).

2.
2.1 Das angefochtene Urteil erging nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes
vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR
173.110, AS 2006 1205 ff.). Danach steht gegen das Urteil des Rekursgerichts
grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen
(Art. 82 ff. BGG).
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG müssen Rechtsschriften die Begehren und deren
Begründung enthalten. Abgesehen vom Fehlen einer sachbezogenen Begründung
enthält die Eingabe des Beschwerdeführers auch kein ausdrücklich formuliertes
Begehren um Freilassung oder um Aufhebung des Urteils. Aus dem
Gesamtzusammenhang lässt sich allenfalls entnehmen, dass der Beschwerdeführer
mit seiner Eingabe die Haftentlassung erreichen will. Ob damit die
Anforderungen des Art. 42 Abs. 1 BGG erfüllt sind, kann letztlich offen
gelassen werden, da sich die Beschwerde ohnehin als unbegründet erweist. Das
Bundesgericht hat darauf verzichtet, Vernehmlassungen einzuholen.

2.2
2.2.1 Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb
der ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder
Ausweisung auf Grund seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden,
so darf er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in
Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft
nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme zum Ziel führt (Art.
13g Abs. 1 ANAG in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung gemäss der
Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 4745 ff., dort S.
4767 und S. 4771]). Die Haft ist erstmals für einen Monat zulässig und kann
danach mit der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen Behörde
(vgl. Art. 13g Abs. 3 ANAG) jeweils um zwei Monate verlängert werden, sofern
der Ausländer weiterhin nicht bereit ist, sein Verhalten zu ändern und
auszureisen. Die maximale Haftdauer beträgt grundsätzlich 18 Monate (Art. 13g
Abs. 2 ANAG). Die Haft wird beendet, falls eine selbständige pflichtgemässe
Ausreise nicht möglich ist, obwohl der Ausländer den behördlich vorgegebenen
Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 13g Abs. 6 lit. a ANAG), oder die
Schweiz weisungsgemäss verlassen (lit. b), die Ausschaffungshaft angeordnet
(lit. c) oder einem Haftentlassungsgesuch entsprochen wird (lit. d). Die
Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen die
maximale Haftdauer von 24 Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18
Jahren von 12 Monaten) nicht überschreiten (Art. 13h ANAG in der Fassung vom
16. Dezember 2005).

2.2.2 Die Durchsetzungshaft findet ihre konventionsrechtliche Rechtfertigung
vorab in Art. 5 Ziff. 1 lit. b (Haft zur Erzwingung einer durch das Gesetz
vorgeschriebenen Verpflichtung) und nicht wie die Vorbereitungs- und
Ausschaffungshaft ausschliesslich in Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (Haft zur
Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens; vgl. BGE 130 II 56 E.
4.2.3 S. 62 f., 377 E. 3.1 S. 380). Sie bezweckt, die ausreisepflichtige
Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach
Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten
Weg- oder Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre
Kooperation nicht möglich ist. Die Durchsetzungshaft soll das letzte Mittel
darstellen, wenn und soweit keine andere Zwangsmassnahme zum Ziel führt, den
illegal anwesenden Ausländer - auch gegen seinen Willen - in seine Heimat
verbringen zu können (Urteil 2C_22/2007 vom 22. Februar 2007 E. 2.2.2). Wie
alle staatlichen Massnahmen hat sie dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu
entsprechen; es ist jeweils im Einzelfall auf Grund der konkreten Umstände zu
prüfen, ob sie geeignet bzw. erforderlich ist und nicht gegen das
Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und zumutbare Verhältnis von Mittel
(Haft) und Zweck (Verhaltensänderung, damit die Ausschaffung vollzogen werden
kann), verstösst. Dabei ist im Rahmen von Art. 190 BV (gemäss Justizreform;
früher Art. 191 BV) den Prämissen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, dass
die Massnahme je nach Umständen bis zu einer maximalen Haftdauer von 18
Monaten (bzw. bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren von neun Monaten)
als verhältnismässig gelten kann und der Betroffene es im Übrigen in der Hand
hat, die Haft jederzeit zu beenden, indem er seiner Ausreisepflicht
nachkommt. Art. 13g ANAG ist im Rahmen dieser Vorgaben verfassungs- und
konventionskonform auszulegen (vgl. zum Ganzen: Urteil 2C_19/2007 vom 2.
April 2007 E. 2 und 3).

2.3
Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren rechtskräftig aus der Schweiz
weggewiesen worden (Verfügung des Bundesamts für Flüchtlinge vom 26.
September 2002), ohne dass er das Land innerhalb der ihm auferlegten
Ausreisefrist (21. November 2002) verlassen hätte. Die Behörden konnten trotz
seines renitenten Verhaltens von den algerischen Behörden die Ausstellung von
Ersatzreisepapieren erwirken. Zwei vorgesehene Rückflüge (14. Juli 2003 und
26. Juni 2004) mussten jedoch annulliert werden, weil X.________, sobald er
von der Vorbereitung der Rückreise hörte, sich nicht mehr meldete und
unbekannten Aufenthalts blieb. Zudem wurde er wiederholt straffällig und
hielt sich auch nicht an die angeordnete fremdenpolizeiliche Ausgrenzung. Am
17. Dezember 2004 wurde er für die Dauer von drei Monaten in
Ausschaffungshaft genommen. Die auf den 22. Januar 2005 angesetzte
Ausschaffung musste jedoch aufgrund seiner Weigerung, den Rückflug
anzutreten, abgebrochen werden. Infolge fehlender Vollzugsperspektiven wurde
er am 24. Januar 2005 aus der Ausschaffungshaft entlassen. Gegen die
gleichentags angeordnete Eingrenzung auf das Gebiet der Gemeinde A.________
verstiess er mehrmals und hielt sich seit dem 20. Dezember 2006 nicht mehr an
der ihm zugewiesenen Wohnadresse auf. Da mit Algerien kein Abkommen über
Sonderflüge für Personen besteht, die nur zwangsweise ausgeschafft werden
können, kann der Beschwerdeführer bloss in seine Heimat zurückgeführt werden,
wenn er bereit ist, hierbei zu kooperieren. Eine Ausschaffungshaft ist
zurzeit nicht möglich, da sie voraussetzen würde, dass sich der zwangsweise
Vollzug der Wegweisung auch gegen den Willen des Beschwerdeführers in
absehbarer Zeit realisieren liesse (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 62 f. mit
Hinweisen). Dieser weigert sich jedoch vehement, nach Algerien
zurückzukehren, und hat bereits einmal eine Ausschaffung vereitelt. Sämtliche
gegen den Beschwerdeführer bisher getroffenen milderen Massnahmen blieben
ohne Erfolg, weshalb letztlich nur die Durchsetzungshaft bleibt, um ihn dazu
bringen, mit den Behörden zu kooperieren und weisungsgemäss aus der Schweiz
auszureisen. Diese ist dazu geeignet und im Hinblick auf das bisherige
Verhalten des Beschwerdeführers erforderlich und auch verhältnismässig. Für
alles Weitere wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Urteilen des
Rekursgerichts vom 17. März und vom 4. April 2007 verwiesen (Art. 109 Abs. 3
BGG).

3.
3.1 Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten
wird.

3.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es rechtfertigt sich jedoch, von der
Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).

3.3 Das Migrationsamt des Kantons Aargau wird ersucht, dafür besorgt zu sein,
dass der vorliegende Entscheid dem Beschwerdeführer korrekt eröffnet und
nötigenfalls verständlich gemacht wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt des Kantons Aargau
und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Mai 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: