Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.154/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


2C_154/2007 /leb

Urteil vom 27. September 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Wurzburger, Karlen,
Gerichtsschreiber Moser.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Roger Müller,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2. Kammer,
Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.

Aufenthaltsbewilligung (Wiedererwägung),

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts
des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2. Kammer,
vom 21. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Der brasilianische Staatsangehörige X.________ reiste am 4. September 2001 in
die Schweiz ein und heiratete kurz darauf eine Schweizer Bürgerin, worauf ihm
die Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich erteilt wurde.

Mit Verfügung vom 11. Juli 2006 lehnte es die Sicherheitsdirektion des
Kantons Zürich (Migrationsamt) ab, die Aufenthaltsbewilligung von X.________
zu verlängern, weil seine Ehefrau im Juli 2005 die Schweiz verlassen und sich
am 1. Januar 2006 definitiv nach Brasilien abgemeldet habe. Da eine
Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft unter diesen Umständen nicht zu
erwarten sei, erweise sich die Berufung auf die Ehe, welche einzig mit dem
Ziel erfolge, eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu erwirken, als
rechtsmissbräuchlich. Die Erteilung einer Bewilligung nach freiem Ermessen
lehnte das Migrationsamt ab, da dem Gesuchsteller angesichts der kurzen Dauer
der Ehe und des Fehlens einer massgeblichen Integration eine Rückkehr nach
Brasilien zumutbar sei. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

B.
Am 22. August 2006 ersuchte X.________ um Wiedererwägung der Verfügung vom
11. Juli 2006, wobei er geltend machte, dass er in der Schweiz beruflich und
aufgrund seiner freiwilligen Tätigkeit in der Jugendarbeit aussergewöhnlich
stark integriert sei, weshalb ihm die Aufenthaltsbewilligung verlängert
werden müsse. Zudem würden seine Mutter, welche seit 13 Jahren mit einem
Schweizer verheiratet sei, und seine beiden Geschwister in der Schweiz
wohnen.

Am 8. September 2006 lehnte die Sicherheitsdirektion (Migrationsamt) eine
Wiedererwägung ab, da mit dem Gesuch keine neuen wesentlichen Tatsachen
geltend gemacht würden, welche nicht bereits bei Erlass der Verfügung vom 11.
Juli 2006 bekannt gewesen seien. Ein Rekurs an den Regierungsrat des Kantons
Zürich blieb erfolglos (Beschluss vom 1. November 2006). Die von X.________
dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
2. Kammer, mit Entscheid vom 21. März 2007 ab.

C.
Mit Eingabe vom 24. April 2007 erhebt X.________ beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit welcher er um
Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts vom 21. März 2007 ersucht.

Die Staatskanzlei (im Auftrag des Regierungsrates) und das Verwaltungsgericht
(2. Abteilung) des Kantons Zürich beantragen, die Beschwerde abzuweisen,
soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Migration schliesst auf
Abweisung der Beschwerde.

D.
Das vom Beschwerdeführer gestellte Gesuch, das bundesgerichtliche Verfahren
im Hinblick auf ein beim Migrationsamt des Kantons Zürich anhängig gemachtes
Gesuch um Ausnahme von der zahlenmässigen Begrenzung der Ausländer infolge
schwerwiegenden persönlichen Härtefalles zu sistieren, wurde mit Verfügung
des Präsidenten der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung vom 21. Mai 2007
abgewiesen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid des
Verwaltungsgerichts, mit dem die Ablehnung der Wiedererwägung eines in
Rechtskraft erwachsenen abschlägigen fremdenpolizeilichen
Bewilligungsentscheids geschützt wird. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
bildet mithin die Frage, ob die kantonalen Behörden auf diese ursprüngliche
Verfügung hätten zurückkommen und diese allenfalls in Wiedererwägung ziehen
müssen.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die verlangte nochmalige
Beurteilung seines Anspruches als Ehegatte eines Schweizer Bürgers auf
Erteilung bzw. Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung (Art. 7 ANAG [SR
142.20]) werde von den kantonalen Behörden durch eine bundesrechtswidrige
Anwendung der kantonalen Revisionsregeln oder durch Missachtung des
bundesverfassungsrechtlichen Anspruches auf Neubeurteilung (Wiedererwägung)
zu Unrecht verweigert, steht ihm hiefür die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (vgl. Urteil 2C_159/2007 vom 2.
August 2007, E. 1.2; zur analogen Rechtslage unter der Herrschaft des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege [OG]: BGE 127 II 264 E. 1a S. 267; Urteile 2A.476/2005 vom
9. Mai 2006, E. 1.2 und E. 2, sowie 2A.8/2004 vom 9. Januar 2004, E. 2.2).

2.
2.1 Eine kantonale Behörde muss sich mit einem Wiedererwägungsgesuch dann
förmlich befassen und allenfalls auf eine rechtskräftige Verfügung
zurückkommen, wenn das kantonale Recht dies vorsieht und die entsprechenden
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind oder wenn unmittelbar aus der
Bundesverfassung fliessende Grundsätze dies gebieten. Letzteres ist dann der
Fall, wenn sich die Verhältnisse seit dem ersten Entscheid erheblich geändert
haben oder wenn der Gesuchsteller Tatsachen und Beweismittel anführt, die ihm
im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu
machen für ihn rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine
Veranlassung bestand (vgl. BGE 124 II 1 E. 3a S. 6; 127 I 133 E. 6 S. 137 f.,
je mit Hinweisen). Indessen hat, wer - wie vorliegend der Beschwerdeführer -
die formgerechte Anfechtung eines negativen fremdenpolizeilichen
Bewilligungsentscheids unterlässt, keinen Anspruch darauf, dass die
zuständige Behörde ohne qualifizierte Gründe über die gleiche Angelegenheit
noch einmal materiell entscheidet und den Rechtsmittelweg erneut öffnet; das
Institut der Wiedererwägung dient nicht dazu, prozessuale Versäumnisse
nachzuholen (Urteile 2A.8/2004 vom 9. Januar 2004, E. 2.2.2; 2A.383/2001 vom
23. November 2001, E. 2e).

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die tatsächlichen Verhältnisse hätten
sich seit dem ursprünglichen Entscheid wesentlich verändert. So sei ihm eine
Stelle als Filialleiter der grossen Kioskfiliale der A.________ am Bahnhof
B.________ offeriert worden, welche er nach bestandener Verkaufsleiterschule
während laufendem Verfahren vor Verwaltungsgericht angetreten habe, was die
Vorinstanz jedoch trotz eingereichter Belege unberücksichtigt gelassen habe.
Auch sei die freiwillige Jugendarbeit des Beschwerdeführers im Auftrag der
Pro Juventute und der Stadt Zürich nicht in Erwägung gezogen worden, wo er
als Kursleiter und Lehrer Capoeira (eine brasilianische Tanz-Kampfsportart)
unter anderem für schwer erziehbare Jugendliche unterrichte. Dabei seien ihm
in einer Empfehlung "beste Fähigkeiten" im Umgang "mit einer sehr schwierigen
Zielgruppe" attestiert worden; zudem werde darauf hingewiesen, dass er in der
Schweiz bestens integriert sei, Deutsch in Wort und Schrift beherrsche, stets
zu 100 % gearbeitet habe und der öffentlichen Hand nie zur Last gefallen sei.
Obwohl seine Ehe gescheitert sei, läge bei ihm eine zu berücksichtigende
massgebliche und entscheidrelevante Integration vor. Überdies lebten alle
engeren Familienangehörige des Beschwerdeführers, seine Mutter, sein
Stiefvater und alle Geschwister in der Schweiz.

2.3 Die seitens des Beschwerdeführers geltend gemachte Änderung der Sachlage
bezieht sich auf Umstände, die für die Beurteilung seines aus Art. 7 ANAG
folgenden Anwesenheitsrechts unerheblich sind. Die von ihm als "neue,
entscheidrelevante Tatsachen" bezeichneten Vorbringen sind namentlich nicht
geeignet, die Indizien, welche das Migrationsamt in seiner ursprünglichen
Verfügung vom 11. Juli 2006 zur Annahme bewogen haben, die Ehe des
Beschwerdeführers bestehe nur noch formell und ohne Aussicht auf
Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft, in einem anderen Licht erscheinen
zu lassen. Fehlt es mithin an den diesbezüglichen gesetzlichen
Voraussetzungen (formelles Bestehen einer Ehe, kein Fall von
rechtsmissbräuchlicher Berufung), so fällt das Anwesenheitsrecht des
ausländischen Ehegatten gemäss Art. 7 ANAG dahin, ohne dass es auf das
Ausmass seiner Integration ankäme. Für eine Verhältnismässigkeitsprüfung
besteht insoweit kein Raum, zumal vorliegend (entgegen der Argumentation in
Ziff. 8 der Beschwerdeschrift) nicht der Widerruf einer
Aufenthaltsbewilligung (Art. 9 Abs. 2 ANAG) in Frage steht, bei welchem der
Eingriff in eine bestehende Rechtsposition eine solche Prüfung gebieten würde
(vgl. zu einer derartigen Fallkonstellation etwa das Urteil 2C_21/2007 vom
16. April 2007, E. 2.4). Die vom Beschwerdeführer angeführte berufliche
Entwicklung bzw. sein soziales Engagement begründen daher keine neue Sach-
oder Rechtslage, welche von Bundesrechts wegen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung bzw. auf ein Zurückkommen auf den seinerzeit in
Rechtskraft erwachsenen abschlägigen Bewilligungsentscheid zu verschaffen
vermöchte. Es liegt insofern keine Verletzung des
bundesverfassungsrechtlichen Wiedererwägungsanspruches vor.

2.4 Das Verwaltungsgericht hat sodann auch das Vorliegen eigentlicher
Revisionsgründe verneint. Der Beschwerdeführer unterlässt es, in einer den
qualifizierten Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden
Weise (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254) darzulegen, inwiefern kantonale
Revisionsregeln (§§ 86a-d des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes)
willkürlich missachtet worden sein sollen. Aufgrund seiner Vorbringen ist
zudem auch nicht ersichtlich, inwieweit der bundesverfassungsrechtliche
Anspruch auf Berücksichtigung von (form- und fristgerecht vorgebrachten)
neuen Tatsachen oder Beweismitteln verletzt worden wäre. Die geltend
gemachten neuen Umstände sind, wie das Verwaltungsgericht zulässigerweise
annehmen durfte, weder neu noch wurden sie fristgerecht vorgebracht.

3.
In seiner ursprünglichen Verfügung vom 11. Juni 2006 hatte es das kantonale
Migrationsamt auch abgelehnt, dem Beschwerdeführer eine
Aufenthaltsbewilligung "nach freiem Ermessen" zu erteilen. Den zuständigen
kantonalen Behörden steht es frei, einem Ausländer trotz fehlendem
Rechtsanspruch die Aufenthaltsbewilligung gestützt auf das ihnen nach Art. 4
ANAG zustehende fremdenpolizeiliche Ermessen zu verlängern. Von Bundesrechts
wegen besteht indessen keine derartige Verpflichtung, weshalb eine
Überprüfung der Bewilligungsverweigerung im Rahmen dieses Ermessensbereichs
durch das Bundesgericht ausgeschlossen ist (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; vgl.
BGE 133 I 185 E. 2.2/2.3 S. 189 f.; zur analogen Situation bei der früheren
Verwaltungsgerichtsbeschwerde: BGE 128 II 145 E. 3.5 S. 155). Unzulässig ist
in derartigen Fällen mangels eines rechtlich geschützten,
legitimationsbegründenden Interesses im Sinne von Art. 115 lit. b BGG
auch die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (BGE 133 I 185 E. 3-6 S. 190 ff.).
Wäre nach dem Gesagten vorliegend in der Sache selber die Anfechtung der
Verweigerung einer ermessensweisen Bewilligungserteilung ausgeschlossen, muss
dies auch für die streitige Ablehnung des Wiedererwägungsgesuches in diesem
Punkt gelten. Soweit der Beschwerdeführer geltend machen will, die
vorgebrachten neuen Tatsachen, allen voran sein fortschreitender Grad der
Integration, hätten eine andere Ausübung des fremdenpolizeilichen Ermessens
gemäss Art. 4 ANAG gerechtfertigt, ist er demzufolge nicht zu hören. Zulässig
wäre im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde einzig die Rüge einer
Verletzung von Verfahrensgarantien, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt (BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198 f.). Eine solche
wird vom Beschwerdeführer jedoch nicht erhoben. Der (nicht näher ausgeführte)
Einwand, es liege eine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes vor, zielt
im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des Bewilligungsentscheids ab,
was unzulässig ist (vgl. Urteil 2D_35/2007 vom 22. Mai 2007, E. 2.3 mit
Hinweisen).

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.

Entsprechend dem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 65
BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat (Staatskanzlei)
und dem Verwaltungsgericht (2. Kammer) des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt
für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. September 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:   Der Gerichtsschreiber: