Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.150/2007
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2C_150/2007 /wim

Urteil vom 9. August 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichter Müller,
Bundesrichterin Yersin,
Bundesrichter Karlen,
Gerichtsschreiber Merz.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christian Berz, Siegrist
Baumgartner Thaler, Rechtsanwälte,

gegen

Gemeinde Richterswil, Gemeinderat, 8805 Richterswil,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichterin,
Postfach, 8090 Zürich.

Art. 5, 9, 29, 36 und 164 BV (Kanalisations- und Wasseranschlussgebühren),

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichterin,
vom 13. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ erstellte in Richterswil acht Terrassenhäuser, deren
Gebäudeversicherungswert am 20. März 2006 insgesamt auf Fr. 5'520'000.--
festgesetzt wurde. Die Gemeinde Richterswil verlangte am 12. und 18. April
2006 für den Anschluss der Bauten an die Wasserversorgung Gebühren von Fr.
55'200.-- und an die Kanalisation Gebühren von Fr. 66'240.-- (je exkl.
Mehrwertsteuer). X.________ erhob Einsprache und verlangte eine Reduktion der
Gebühren. Der Gemeinderat Richterswil wies die Einsprache am 3. Juli 2006 ab.
Der Rekurs und die Beschwerde, die X.________ dagegen beim Bezirksrat Horgen
und anschliessend beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich einreichte,
blieben ohne Erfolg.

B.
X.________ beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. April 2007, es sei der in
dieser Angelegenheit vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheid vom
13. Februar 2007 aufzuheben. Ausgehend von einem Gebäudeversicherungswert von
Fr. 4'646'133.80 sei die Kanalisationsanschlussgebühr auf Fr. 55'753.60 und
die Wasseranschlussgebühr auf Fr. 46'461.35 festzusetzen. Eventualiter sei
die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C.
Die Gemeinde Richterswil ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das
Verwaltungsgericht stellt Antrag auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Ansicht des Beschwerdeführers besteht für die von der Gemeinde
Richterswil verfügten Anschlussgebühren keine gesetzliche Grundlage, welche
die bei der Abgabeerhebung geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen
erfüllt. Der angefochtene Entscheid verletze deshalb Art. 5 Abs. 1, Art. 36
Abs. 1, Art. 127 Abs. 1 und Art. 164 Abs. 1 lit. d BV.

1.2 Öffentliche Abgaben bedürfen abgesehen von den Kanzleigebühren einer
Grundlage in einem formellen Gesetz. Delegiert dieses die Kompetenz zur
Festlegung einer Abgabe an den Verordnungsgeber, muss es zumindest den Kreis
der Abgabepflichtigen, den Gegenstand und die Bemessung der Abgabe selber
regeln (vgl. für die bundesrechtlichen Abgaben auch Art. 164 Abs. 1 lit. d
BV). Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an die Abgabenbemessung bei
gewissen Arten von Kausalabgaben gelockert, wenn das Mass der Abgabe durch
überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und
Äquivalenzprinzip; vgl. hierzu BGE 132 II 47 E. 4.1 S. 55 f.) begrenzt wird
und nicht allein der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion erfüllt. Die
Tragweite des Legalitätsprinzips ist demnach nach der Art der Abgabe zu
differenzieren. Dabei darf dieser Grundsatz weder seines Gehalts entleert
noch in einer Weise überspannt werden, dass er mit der Rechtswirklichkeit und
dem Erfordernis der Praktikabilität in einen unlösbaren Widerspruch gerät
(BGE 132 II 371 E. 2.1 S. 374 mit Hinweisen).

2.
2.1 Die Gemeinde Richterswil erhebt die umstrittenen Anschlussgebühren
gestützt auf verschiedene Bestimmungen des kommunalen Rechts. Nach Art. 38
der vom Gemeinderat erlassenen Verordnung über die Wasserversorgung vom 1.
Januar 2004 wird für den Anschluss einer Liegenschaft an dieselbe eine
einmalige Gebühr erhoben, die sich grundsätzlich nach der
Gebäudeversicherungssumme bemisst. Gemäss Ziffer 1 des zur genannten
Verordnung ebenfalls vom Gemeinderat festgesetzten Gebührentarifs beträgt die
Anschlussgebühr für Neubauten 1% der Gebäudeversicherungssumme.

Für den Anschluss von Wohnhäusern an die öffentliche Kanalisation sehen Art.
2 und 3 der Verordnung über Gebühren an Abwasseranlagen vom 15. Oktober 1990
die Erhebung einer Gebühr von 1,2% der Gebäudeversicherungssumme vor. Auch
diese Verordnung ist vom Gemeinderat erlassen worden.

2.2 Der Beschwerdeführer stellt zwar nicht in Frage, dass der Gemeinderat
Richterswil (als Gemeindeexekutive) die Kompetenz besitzt, die Erhebung von
Wasser- und Abwassergebühren in einer Verordnung zu regeln (vgl. auch Art. 18
lit. b Ziff. 2 und 9 der Gemeindeordnung Richterswil vom 21. Mai 2000). Er
macht jedoch geltend, zumindest der Kreis der Abgabepflichtigen sowie der
Gegenstand und die Bemessung der Anschlussgebühren hätten nach den erwähnten
verfassungsrechtlichen Grundsätzen von der Gemeindelegislative festgesetzt
werden müssen. Das ergebe sich zudem aus Art. 13 lit. b Ziff. 2 der
Gemeindeordnung, welcher vorsehe, dass die Gemeindeversammlung Grundsätze
über die Gebührenerhebung erlasse.
Die Vorinstanz ist demgegenüber der Ansicht, dass der Kreis der
Abgabepflichtigen und der Gegenstand der Anschlussgebühren bereits durch die
massgeblichen Vorschriften des kantonalen Rechts in hinreichender Weise
bestimmt würden. Die Bemessung werde durch das Kostendeckungs- und das
Äquivalenzprinzip genügend begrenzt, so dass es einer näheren Regelung auf
der Stufe des formellen Gesetzes nicht bedürfe.

3.
Nach § 63 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Zürich über das Gemeindewesen vom
26. Juni 1926 beziehen die Gemeindebehörden für ihre Amtstätigkeit Gebühren
nach einer vom Regierungsrat zu erlassenden Verordnung. Darin wird bestimmt,
dass die Gemeinden für ihre Dienstleistungsbetriebe Anschluss- und
Benutzungsgebühren im Rahmen der kantonalen Bestimmungen festsetzen (§ 9 der
regierungsrätlichen Verordnung über die Gebühren der Gemeindebehörden vom 8.
Dezember 1966).

Zur Finanzierung der öffentlichen Wasserversorgung finden sich nähere
Vorschriften im Wasserwirtschaftsgesetz des Kantons Zürich vom 2. Juni 1991
(WG). Nach § 29 leisten Grundeigentümer, deren Grundstücke durch den Bau
öffentlicher Wasserleitungen einen besonderen Nutzen erfahren, den Gemeinden
oder den öffentlich erklärten Wasserversorgungsunternehmen
Erschliessungsbeiträge (Abs. 1). Für die Benützung der öffentlichen
Wasserversorgungsanlagen erheben die Gemeinden oder die öffentlich erklärten
Wasserversorgungsunternehmen kostendeckende Anschluss- und Benützungsgebühren
oder Benützungsgebühren allein (Abs. 2). Es können anstelle von
Erschliessungsbeiträgen auch nur Anschluss- und Benützungsgebühren oder
Benützungsgebühren allein erhoben werden (Abs. 3).

§ 45 des Einführungsgesetzes des Kantons Zürich vom 8. Dezember 1974 zum
Gewässerschutzgesetz (EG zum GSchG) schreibt den Gemeinden vor, für die
Benützung von öffentlichen Abwasseranlagen kostendeckende Gebühren zu erheben
(Abs. 1). Diese haben die nach Abzug allfälliger Bundes- und Staatsbeiträge
verbleibenden Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt, Verzinsung und Abschreibung
der Anlagen sowie die übrigen Kosten der Abwasserbeseitigung zu decken
(Abs. 2).

4.
Die zitierten kantonalen Bestimmungen enthalten Vorgaben für die
Gebührenerhebung durch die Gemeinden. Doch umschreiben weder § 29 WG noch §
45 EG zum GSchG den Gegenstand der kommunalen Abgaben in abschliessender
Weise. Vielmehr stellt es § 29 Abs. 3 WG den Gemeinden ausdrücklich frei, ob
sie zur Finanzierung der öffentlichen Wasserversorgung neben Benützungs- auch
Anschlussgebühren und Erschliessungsbeiträge erheben wollen. § 45 EG zum
GSchG erwähnt allein Gebühren "für die Benützung" von öffentlichen
Abwasseranlagen. Es kann dieser Norm nicht entnommen werden, dass auch für
den Anschluss Gebühren geschuldet sind. Sodann wird der Kreis der
Abgabepflichtigen nur in Bezug auf die Erschliessungsbeiträge zur
Wasserversorgung (in § 29 Abs. 1 WG) umschrieben. Es fehlt damit für die
fraglichen Anschlussgebühren auf kantonaler Ebene eine hinreichend bestimmte
Regelung des Gegenstands und des Kreises der Abgabepflichtigen.

Ausserdem begrenzen weder das Kostendeckungs- noch das Äquivalenzprinzip die
Höhe der fraglichen Anschlussgebühren in wirksamer Weise, so dass eine
Lockerung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche
Umschreibung der Bemessung nicht in Betracht kommt. § 29 WG und § 45 EG zum
GSchG schreiben zwar die Erhebung kostendeckender Gebühren vor. Doch ergibt
sich aus diesen Vorschriften nicht, wie die zu deckenden Gesamtkosten auf die
einzelnen Abgabearten (Anschluss- und Benützungsgebühren sowie evtl.
Erschliessungsbeiträge) zu verteilen sind. Für Personen, die Abgaben einer
bestimmten Kategorie (z.B. der Anschlussgebühren) zu entrichten haben, bietet
das Kostendeckungsprinzip deshalb keine wirksame Schranke der Belastung. Eine
solche bietet zudem auch das Äquivalenzprinzip nicht. Da für die vom
Gemeinwesen erbrachten Leistungen kein Markt besteht, kann der
Abgabepflichtige deren Wert nicht überprüfen. Die Rechtsprechung hat aus
diesen Gründen erklärt, die Bemessung von Beiträgen für die Erschliessung mit
Abwasseranlagen und von Gebühren für die Trinkwasserversorgung bedürfe einer
Grundlage in einem formellen Gesetz (BGE 120 Ia 265 E. 2a und b S. 266 ff.;
118 Ia 320 E. 4b und c S. 325 f.; Urteil 2P.200/1994 vom 9. Juni 1995, E.
5b/bb, in: ZBl 97/1996 S. 568 und Pra 1996 Nr. 120 S. 388; Urteil 2P.239/1993
vom 29. September 1995, E. 3d).

Für die Erhebung der umstrittenen Anschlussgebühren besteht demnach weder auf
kommunaler noch auf kantonaler Ebene die erforderliche Grundlage in einem
formellen Gesetz.

5.
Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und
die Festsetzung der Anschlussgebühren für die von ihm erstellten acht
Terrassenhäuser auf Fr. 55'753.60 (Anschluss an die Kanalisation) bzw. Fr.
46'461.35 (Anschluss an die Wasserversorgung). Er erklärt in der Begründung,
er sei bereit, der Gemeinde die Anschlussgebühren gemäss dem von ihm als
richtig erachteten tieferen Gebäudeversicherungswert zu entrichten. Auch vor
der Vorinstanz beschränkte sich der Streitgegenstand auf die Differenz
zwischen dem von der Gemeinde verlangten und dem vom Beschwerdeführer
anerkannten Gebührenbetrag, woraus sich die Zuständigkeit der Einzelrichterin
ergab.

Nach dem Ausgeführten fehlt eine genügende gesetzliche Grundlage für die
Erhebung der fraglichen Anschlussgebühren überhaupt und damit auch für den im
vorliegenden Verfahren einzig noch umstrittenen Differenzbetrag. Gemäss Art.
107 Abs. 1 BGG darf das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien
hinausgehen, und eine Ausweitung des Streitgegenstands ist nicht zulässig.
Unter diesen Umständen ist die Beschwerde vollumfänglich gutzuheissen und der
angefochtene Entscheid aufzuheben, wobei zugleich die Anschlussgebühren im
beantragten Umfang festzusetzen sind. Bei diesen Gegebenheiten ist auf die
Rüge nicht einzugehen, die kommunalen bzw. kantonalen Instanzen hätten den
zur Bemessung der Anschlussgebühren verwendeten Gebäudeversicherungswert
überprüfen müssen (vgl. immerhin Urteil 2P.124/2001 vom 20. August 2001, E.
2).

6.
Bei diesem Verfahrensausgang und angesichts des vermögensrechtlichen
Charakters der Streitsache sind die bundesgerichtlichen Kosten der Gemeinde
Richterswil aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 3 BGG). Sie hat ausserdem den
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Im Übrigen ist die Sache zur Neuregelung
der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts
des Kantons Zürich vom 13. Februar 2007 wird aufgehoben.

2.
Für den Neubau der acht Terrassenhäuser in Richterswil wird die
Kanalisationsanschlussgebühr auf Fr. 55'753.60 und die Wasseranschlussgebühr
auf Fr. 46'461.35 (je exklusiv Mehrwertsteuer) festgesetzt.

3.
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des
kantonalen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

4.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Gemeinde Richterswil auferlegt.

5.
Die Gemeinde Richterswil hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

6.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Gemeinde Richterswil, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichterin, sowie
dem Bezirksrat Horgen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. August 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: