Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.102/2007
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


{T 0/2}
2C_102/2007 /ble

Urteil vom 17. April 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter R. Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

A. X.________,
B.X.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Budliger Treuhand AG,

gegen

Steueramt des Kantons Aargau, Rechtsdienst,
Telli-Hochhaus, 5004 Aarau,
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, Obere Vorstadt 40, 5000
Aarau.

Feststellung Steuerwohnsitz (Nachsteuern 1991/92),

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 7. Februar 2007.

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 28. März 2001 auferlegte das Kantonale Steueramt Aargau
A.X.________ und B.X.________ Nachsteuern für die Steuerjahre 1991 bis 1996.
Auf Einsprache hin hob es die Nachsteuerverfügung auf und erliess an deren
Stelle einen Steuerdomizilentscheid, wonach die Steuerpflichtigen in den
Jahren 1991 bis 1996 Wohnsitz in F.________/AG hatten. Einen Rekurs der
Steuerpflichtigen hiess das Steuerrekursgericht des Kantons Aargau teilweise
gut und wies die Gemeindesteuerkommission F.________ an, für die Jahre 1993
bis 1996 das ordentliche Veranlagungsverfahren (gegebenenfalls mit Prüfung
des Wohnsitzes) durchzuführen. In Bezug auf die Steuerjahre 1991 und 1992
bestätigte das Steuerrekursgericht, dass die Steuerpflichtigen in F.________
unbeschränkt steuerpflichtig waren.
Eine Beschwerde der Steuerpflichtigen wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 7. Februar 2007 ab, soweit es darauf eintrat.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen
A.X.________ und B.X.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie in den
Steuerjahren 1991 und 1992 keinen Wohnsitz in F.________ hatten.
Weitere Instruktionsmassnahmen wurden nicht angeordnet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 trat das neue Bundesgesetz über das Bundesgericht in Kraft
(BGG, SR 173.110). Da der angefochtene Entscheid nach diesem Zeitpunkt
ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Verfahrensrecht (Art. 132
Abs. 1 BGG). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art.
82 ff. BGG) ist zulässig. Es kann mit ihr die Verletzung von Bundesrecht im
Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz können nur berichtigt werden,
wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Die Beschwerdeführer machen geltend, Nachsteuer- und Strafsteuerverfahren
seien gleichzeitig eingeleitet worden. Alles was sie im Nachsteuerverfahren
vorbringen würden, könne im Strafsteuerverfahren gegen sie verwendet werden.
Das verletze die Unschuldsvermutung gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 32
Abs. 1 BV.
Der Einwand ist unbegründet. Aus der Beschwerde geht nicht hervor, durch
welche Verpflichtung zur Offenbarung die Beschwerdeführer gezwungen worden
sein sollen, zu ihrer eigenen Überführung beizutragen. Dem angefochtenen
Entscheid ist zu entnehmen, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung eine
Strafuntersuchung führte und anlässlich der Hausdurchsuchung (u.a. am
Wohnsitz des Sohnes C.X.________ in F.________ und in dessen Fotostudio in
H.________, wo sich gleichzeitig auch der Sitz der Einzelfirma P.________
Ingenieur & Konstruktionsbüro befand) Unterlagen beschlagnahmte. Darunter
befanden sich insbesondere die Agenden des Beschwerdeführers, die als
Terminplaner und als knappes Tagebuch geführt wurden und aus denen
hervorgeht, wo der Beschwerdeführer sich täglich aufhielt und welchen
Tätigkeiten er nachging. Zur Feststellung des Steuerwohnsitzes stellten die
kantonalen Instanzen und das Verwaltungsgericht hauptsächlich auf diese
Agenden ab (vgl. angefochtenes Urteil E. II/2.1). Das hat mit einer
Aufforderung zur Mitwirkung oder Selbstbezichtigung nichts zu tun. Bei der
Beschlagnahme handelt es sich um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme,
welche auch gegen den Willen des Beschuldigten angeordnet werden kann. Das
verletzt die Unschuldsvermutung nicht. Auch insoweit, als Protokollaussagen
verwertet wurden (vgl. Entscheid des aargauischen Steuerrekursgerichts vom 1.
Juli 2004 betreffend direkte Bundessteuer, S. 3), legen die Beschwerdeführer
nicht dar, inwiefern solche Aussagen unter Zwang erlangt worden sein sollen
oder deren Verwertung in anderer Weise gegen die Unschuldsvermutung
verstossen soll. Damit kann offen bleiben, ob die Beschwerdeeingabe
diesbezüglich überhaupt eine genügend substantiierte Verfassungsrüge im Sinne
von Art. 106 Abs. 2 BGG enthält.

3.
Die Beschwerdeführer beanstanden ferner, dass ihnen die beschlagnahmten Akten
zur Vorbereitung der Verteidigung nicht nach Hause ausgehändigt worden seien.
Sie behaupten jedoch nicht, dass ihnen oder ihrer Rechtsvertreterin das Recht
zur Einsichtnahme oder zur Anfertigung von Kopien am Sitz der Eidgenössischen
Steuerverwaltung, wo die beschlagnahmten Akten offenbar aufbewahrt werden,
verweigert worden wäre. Dem Sicherungszweck der Beschlagnahme ist inhärent,
dass der beschlagnahmte Gegenstand der Verfügungsgewalt des Berechtigten
entzogen bleiben muss, im Regelfall bis zum Entscheid durch die zuständige
Instanz in der Sache, weshalb den Beschwerdeführern die beschlagnahmten
Gegenstände nicht schon früher herausgegeben werden können. Die Beschwerde
dringt auch in dieser Hinsicht nicht durch.

4.
Die Beschwerdeführer bestreiten generell, in den Steuerjahren 1991 und 1992
in F.________, Kanton Aargau, steuerpflichtig gewesen zu sein.

4.1 Die Rechtsvertreterin führte bereits in einem Schreiben vom 7. September
1998, kurz nach Einleitung des Nach- und Strafsteuerverfahrens am 2.
September 1998, aus, dass die Beschwerdeführer erst ab dem 26. Mai 1997
Wohnsitz im Kanton Aargau bzw. in der Schweiz hatten, wobei die Einzelfirma
P.________ Ingenieur & Konstruktionsbüro weder damals noch früher über einen
Geschäftssitz oder eine Betriebsstätte im Kanton Aargau oder in der Schweiz
verfügt habe (vgl. Entscheid des aargauischen Steuerrekursgerichts, a.a.O.,
S. 5 f. E. 2c). Vor ihrem Wegzug ins Ausland hatten die Beschwerdeführer
offenbar Wohnsitz im Kanton Luzern (vgl. angefochtenes Urteil E. II/2 S. 5).
Die Beschwerdeführer machen auch im vorliegenden Verfahren nicht geltend,
dass sie in einem anderen Kanton kraft persönlicher oder wirtschaftlicher
(Einzelfirma) Zugehörigkeit unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig
seien. Sie verfügten wohl über eine Ferienwohnung in G.________, Kanton
Obwalden, wie dem angefochtenen Entscheid entnommen werden muss. Doch
behaupten sie nicht, sie hätten in G.________ oder an einem anderen Ort in
der Schweiz (oder im Ausland) ihr ständiges Domizil gehabt. Die Beschwerde
erlaubt es damit von vornherein nicht, den Steueranspruch eines allenfalls
konkurrierenden Kantons zu prüfen. Fraglich ist einzig, ob das
Verwaltungsgericht zu Recht von einer unbeschränkten Steuerpflicht in
F.________ für die Jahre 1991 und 1992 ausging.

4.2 Die Frage ist zu bejahen. Das Verwaltungsgericht legte ausführlich dar,
dass und weshalb sich der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführer in den
Jahren 1991 und 1992 in F.________ befand. Es analysierte dabei im Detail die
Agenden und früheren Aussagen. Es stellte fest, dass die Beschwerdeführer
sich jeweils mehr als 230 Tage pro Jahr in F.________ aufgehalten haben
(angefochtenes Urteil S. 6-8). Demgegenüber lassen die Beschwerdeführer es
bei blossen Behauptungen und Bestreitungen bewenden. Sie machen geltend, (1)
die Aufzeichnungen in den Agenden liessen keinen Lebensmittelpunkt in
F.________ erkennen, (2) Strom-, Wasser-, Telefon-, Handwerker-, Prämien- und
Krankenkassenrechnungen lägen für F.________ keine vor, (3) der Zeuge
Y.________ sei (entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts) als glaubwürdig
einzustufen (4) und sie hätten in F.________ lediglich ihren Sohn besucht.
Sie legen jedoch nicht (auch nicht ansatzweise) dar, wo sich ihr
Lebensmittelpunkt in den fraglichen Jahren 1991 und 1992 befunden haben
könnte. Die Beschwerde erschöpft sich diesbezüglich in pauschalen
Behauptungen und Bestreitungen, die in keiner Weise geeignet sind, die im
angefochtenen Entscheid festgestellten Tatsachen und daraus gezogenen
Schlüsse in Frage zu stellen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Ein anderer Ort, zu
welchem die Beschwerdeführer in den fraglichen Jahren die stärkeren
Beziehungen unterhalten hätten, ist nicht dargetan. Wenn daher das
Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid für die Jahre 1991 und 1992 die
unbeschränkte Steuerpflicht in F.________ bejahte, hat es Bundesrecht
offensichtlich nicht verletzt.

5.
Die Vorinstanz erachtete die bei ihr erhobene Beschwerde angesichts des klar
erstellten Sachverhalts als offenkundig aussichtslos. Sie verneinte daher
einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gemäss § 35 Abs. 2 des
kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG) und wies das
entsprechende Gesuch ab. Das ist haltbar. Auch aus der Bundesverfassung
ergibt sich bei aussichtslosem Rechtsbegehren kein Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege (vgl. Art. 29 Abs. 3 BV).

6.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, soweit darauf einzutreten ist,
und im Verfahren nach Art. 109 BGG zu erledigen. Mit dem Entscheid in der
Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 65 BGG) sind den Beschwerdeführern
aufzuerlegen; sie haften hierfür solidarisch (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).
Angesichts der offensichtlichen Aussichtslosigkeit der vorliegenden
Beschwerde kann auch für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche
Rechtspflege nicht bewilligt werden (vgl. Art. 64 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um Befreiung von den Gerichtskosten und unentgeltlichen
Rechtsbeistand wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Steueramt des Kantons Aargau
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. April 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: