Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Staatsrecht 1P.18/2007
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1P.18/2007 /daa

Urteil vom 30. Juli 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Weber,

gegen

Y.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Esther Küng,
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.

Kostenauflage bei Freispruch,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, Strafgericht,

1. Kammer, vom 30. November 2006.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ wurde am 14. Februar 2005 der mehrfachen Vergewaltigung,
eventuell der mehrfachen Ausnützung einer Notlage, der mehrfachen Drohung und
des mehrfachen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage zum Nachteil von Y.________
angeklagt.
Das Bezirksgericht Muri fällte am 23. November 2005 folgendes Urteil:
"1.
Der Angeklagte wird bezüglich des Vorwurfs der mehrfachen Vergewaltigung, des
eventualiter erhobenen Vorwurfs der mehrfachen Ausnützung einer Notlage sowie
bezüglich des Vorwurfs des mehrfachen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage von
Schuld und Strafe freigesprochen.

2.
Der Angeklagte ist schuldig der mehrfachen Drohung (Art. 180 StGB).

3.
Gestützt auf die genannten Bestimmungen und in Anwendung von Art. 63 StGB
wird der Angeklagte mit 7 Tagen Gefängnis und einer Busse von Fr. 400.--
bestraft.

Die Busse könnte bei schuldhafter Nichtbezahlung innert einem Monat seit
Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils gemäss Art. 49 Ziff. 3 StGB
in 13 Tage Haft umgewandelt werden.

4.
Gestützt auf Art. 41 Ziff. 1 StGB wird dem Angeklagten der bedingte
Strafvollzug gewährt. Die Probezeit beträgt 2 Jahre.

5.
Die sichergestellten Bücher und Video-Spiele werden dem Angeklagten nach
Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils herausgegeben.

6.
Der Angeklagte wird verpflichtet, der Zivilklägerin Y.________ Fr. 500.-- als
Genugtuung zu bezahlen.

Das Begehren der Zivilklägerin um Zusprechung einer Parteikostenentschädigung
wird abgewiesen.

7.
Die richterlich genehmigten Anwaltskosten von Fr. 14'948.45 (inkl. 7,6 % MWST
im Betrag von Fr. 1'055.85) werden zu 1/5 mit Fr. 2'989.70 dem Angeklagten
auferlegt und zu 4/5 mit Fr. 11'958.75 auf die Staatskasse genommen.

8.
Die Kosten dieses Verfahrens werden ... zu 1/5 mit Fr. 943.-- dem Angeklagten
auferlegt und zu 4/5 mit Fr. 3'772.-- auf die Staatskasse genommen."
A.bDie Zivilklägerin erhob gegen dieses Urteil Berufung mit den Anträgen, in
Gutheissung der Berufung seien Ziffern 1 und 6 des vorinstanzlichen Urteils
aufzuheben, der Angeklagte der mehrfachen Vergewaltigung schuldig zu sprechen
und zu verpflichten, der Zivilklägerin Fr. 15'000.-- als Genugtuung zu
bezahlen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des
Angeklagten.
Der Angeklagte erhob seinerseits Berufung mit dem Antrag, in Abänderung von
Ziffer 1 des vorinstanzlichen Urteils sei er bezüglich des Vorwurfs der
mehrfachen Drohung freizusprechen. Ziffern 2 bis 4 des vorinstanzlichen
Urteils seien ersatzlos aufzuheben. Auf die Zivilklage der Zivilklägerin sei
nicht einzutreten. Die Gerichtskasse des Bezirksgerichts Muri sei anzuweisen,
ihm die richterlich auf Fr. 14'948.45 festgesetzten Verteidigungskosten zu
ersetzen, und die erstinstanzlichen Verfahrenskosten von insgesamt Fr.
4'715.-- seien auf die Staatskasse zu nehmen, alles unter Kosten- und
Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragte mit Anschlussberufung,
die Berufung des Angeklagten sei abzuweisen, in Abänderung von Ziffer 1 und 2
des vorinstanzlichen Urteils sei der Angeklagte zusätzlich der mehrfachen
Ausnützung einer Notlage schuldig zu sprechen und in Abänderung von Ziffer 3
Absatz 1 des vorinstanzlichen Urteils mit 10 Monaten Gefängnis sowie einer
Busse von Fr. 400.-- zu bestrafen, alles unter Kostenfolgen zu Lasten des
Angeklagten.

A.c Mit Urteil vom 30. November 2006 wies das Obergericht des Kantons Aargau,
1. Strafkammer, die Berufung der Zivilklägerin ab, soweit es darauf eintrat.
Die Berufung des Angeklagten und die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft
wurden ebenfalls abgewiesen. In Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
legte das Obergericht die erstinstanzlich genehmigten Anwaltskosten von Fr.
14'948.45 und die erstinstanzlichen Verfahrenskosten von insgesamt Fr.
4'715.-- vollumfänglich dem Angeklagten auf. Die obergerichtlichen
Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 1'359.-- wurden dem Angeklagten und der
Zivilklägerin zu je einem Drittel auferlegt und der Rest auf die Staatskasse
genommen. Parteientschädigungen wurden nicht zugesprochen.

B.
X.________ hat gegen das Urteil des Obergerichts staatsrechtliche Beschwerde
erhoben. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und zur neuen
Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen, soweit ihm die erst- und
zweitinstanzlichen Verfahrenskosten auferlegt wurden und soweit ihm keine
Parteientschädigung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren
zugesprochen wurde.

C.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen Beschwerdeabweisung.
Y.________ als private Beschwerdegegnerin (nachfolgend Beschwerdegegnerin)
beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit damit eine Neuverlegung der
obergerichtlichen Verfahrenskosten verlangt werde. Der Beschwerdeführer hat
eine Stellungnahme zur Vernehmlassung des Obergerichts eingereicht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das angefochtene Urteil erging am 30. November 2006 und damit vor
Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007. Demzufolge richtet
sich das Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen Recht (Art. 132 Abs. 1 BGG,
e contrario).

2.
Der Beschwerdeführer macht eine willkürliche Anwendung des kantonalen
Strafprozessrechts bezüglich der Kosten- und Entschädigungsfolgen geltend.
Dafür steht die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (BGE 124 IV 137 E.
2f S. 141). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt und
geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist somit
einzutreten.

3.
3.1 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid aber nur,
wenn er offensichtlich unhaltbar ist, insbesondere mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17, mit
Hinweisen).

3.2
3.2.1 Im Einzelnen macht der Beschwerdeführer geltend, die Neuverlegung der
erstinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen im Berufungsverfahren
verstosse gegen das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius).
Da der erstinstanzliche Kostenentscheid weder von der Staatsanwaltschaft noch
von der Zivilklägerin angefochten worden sei, sei diesbezüglich eine
"relative Rechtskraftwirkung" eingetreten.

3.2.2 § 210 des Gesetzes vom 11. November 1958 über die Strafrechtspflege
(Strafprozessordnung, StPO/AG) bestimmt, dass bei der Einlegung eines
Rechtsmittels durch den Verurteilten oder zu seinen Gunsten durch die
Staatsanwaltschaft die Entscheidung nicht zu Ungunsten des Verurteilten
aufgehoben oder abgeändert werden kann (Verbot der reformatio in peius).

Im vorliegenden Fall erhob die Beschwerdegegnerin Berufung, während die
Staatsanwaltschaft Anschlussberufung zu Ungunsten des Beschwerdeführers
einlegte. Das Verbot der reformatio in peius kommt somit grundsätzlich nicht
zur Anwendung. Jedoch leitet der Beschwerdeführer daraus, dass weder die
Beschwerdegegnerin noch die Staatsanwaltschaft die Kosten- und
Entschädigungsfolgen des erstinstanzlichen Urteils ausdrücklich anfochten,
den Eintritt der Rechtskraft der entsprechenden Dispositiv-Ziffer des
erstinstanzlichen Urteils ab.

3.2.3 Nach § 221 des Gesetzes vom 11. November 1958 über die
Strafrechtspflege (Strafprozessordnung, StPO/AG) hemmt das Rechtsmittel der
Berufung den Eintritt der Rechtskraft für den angefochtenen Entscheid im
Umfang der Anfechtung.

Das Institut der Teilrechtskraft gilt nach der aargauischen Rechtsprechung
indessen nicht uneingeschränkt. So entschied das Obergericht, wenn die
Anerkennung der Rechtskraft eines nicht angefochtenen Teils des
vorinstanzlichen Strafurteils dazu führe, dass die Rechtsmittelinstanz in der
Beurteilung eines zusammenhängenden Fragenkomplexes beschränkt würde,
verstosse die strikte Anwendung von § 221 StPO/AG gegen die umfassende
Anwendung des Strafgesetzbuches und damit gegen Bundesrecht. Die Abgrenzung
der zulässigen von der bundesrechtswidrigen Teilrechtskraft sei damit im
Einzelfall anhand der Formel vorzunehmen, wonach ein Urteilspunkt dann der
Teilrechtskraft fähig ist, wenn die angefochtenen Entscheidungsteile ohne
dessen Berücksichtigung eine in sich selbständige Beurteilung zulassen
(Entscheide des aargauischen Obergerichts vom 25. Februar 1999, AGVE 1999 Nr.
23, und vom 12. Dezember 2002, AGVE 2002 Nr. 33).

Die zitierten Urteile betrafen die Frage, ob die den bedingten Strafvollzug
betreffende Ziffer des Urteilsdispositivs in Rechtskraft erwachse, wenn die
Staatsanwaltschaft das Urteil nur im Strafpunkt angefochten hat. Das
Obergericht vertrat den Standpunkt, dass die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs eng mit der auszufällenden Strafe zusammenhänge und deshalb,
wenn die Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten im Strafpunkt
Berufung erhebe, nicht gesondert in Rechtskraft erwachsen könne. In einem
solchen Fall sei das Obergericht an den Strafantrag der Staatsanwaltschaft
nicht gebunden und könne etwa - ohne gegen das Verbot der reformatio in peius
zu verstossen (§ 210 StPO/AG) - auch eine 18 Monate übersteigende
Freiheitsstrafe aussprechen, welche die Gewährung des bedingten Strafvollzugs
schon in objektiver Hinsicht ausschliesse. Diese Praxis wird vom
Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt.

3.2.4 Vorliegend vertritt das Obergericht in seiner Vernehmlassung die
Auffassung, dass das von der Beschwerdegegnerin und der Staatsanwaltschaft
angefochtene erstinstanzliche Urteil bezüglich der Kosten- und
Entschädigungsfolgen nicht teilrechtskräftig geworden sei, da diese stets
nach dem Ausgang des Verfahrens verlegt würden und ihnen folgedessen keine
eigenständige Bedeutung zukomme. Demzufolge stehe das Verbot der reformatio
in peius (§ 210 StPO/AG) einer Abänderung des erstinstanzlichen Entscheids im
Kostenpunkt nicht entgegen.

Diese Auslegung von § 221 StPO/AG entspricht der bisherigen kantonalen
Rechtsprechung, wonach der Eintritt der Teilrechtskraft bei zusammenhängenden
Fragenkomplexen nicht möglich ist. Anders als bei der Frage der
Teilrechtskraft einer Urteilsdispositiv-Ziffer über den bedingten
Strafvollzug steht bei den Kosten- und Entschädigungsfolgen zwar nicht die
Anwendung von Bundesrecht (Gebot der umfassenden Anwendung des
Strafgesetzbuches) und damit die bundesrechtskonforme Auslegung von § 221
StPO/AG zur Diskussion. Es ist jedoch einleuchtend und demzufolge
verfassungsrechtlich haltbar, § 221 StPO/AG im Zusammenhang mit der
strafprozessualen Bestimmung über die Kostenverlegung (§ 164 StPO/AG)
auszulegen, welche sich in der Regel nach dem Verfahrensausgang richtet und
deshalb keine eigenständige Beurteilung zulässt. Dies gilt auch dann, wenn
der erstinstanzliche Entscheid im Strafpunkt zwar bestätigt, das Verhalten
des Angeklagten bezüglich der Kostenrelevanz (vgl. E. 3.3 nachfolgend)
hingegen anders beurteilt wird. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der
vom Beschwerdeführer zitierten Kommentarstelle zur aargauischen
Strafprozessordnung (vgl. Beat Brühlmeier, Aargauische Strafprozessordnung -
Kommentar, 2. Aufl., Aarau 1980, Rz. 6 zu § 210).

Die Auffassung des Obergerichts, der erstinstanzliche Entscheid erwachse
bezüglich der Kosten- und Entschädigungsfolgen nicht in Rechtskraft und dürfe
im Berufungsverfahren abgeändert werden, selbst wenn dieser Punkt mit der
Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft nicht angefochten wurde, ist somit
aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Es kann daher
offenbleiben, ob die Formulierung in der staatsanwaltlichen Anschlussberufung
"unter Kostenfolgen zu Lasten des Angeklagten" sich nur auf das Berufungs-
oder auch auf das erstinstanzliche Verfahren bezog.

3.3
3.3.1 Des Weitern ist der Beschwerdeführer der Auffassung, die Neuverlegung
der erstinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen verstosse gegen das
Willkürverbot, soweit ihm unterstellt werde, er habe mittels Dämonen- und
Käfergeschichten die Beschwerdegegnerin zu sexuellen Kontakten gedrängt und
damit ihre Persönlichkeitsrechte verletzt.

3.3.2 Gemäss § 164 Abs. 3 StPO/AG entscheidet im Falle der Freisprechung oder
Einstellung des Verfahrens das Gericht über die Verfahrenskosten und über die
Entschädigung des freigesprochenen Beklagten nach den Regeln, die bei der
Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft gelten. Massgeblich
sind somit § 139 und § 140 StPO/AG: Danach trägt in der Regel der Staat die
Kosten der eingestellten Untersuchung (§ 139 Abs. 2 StPO/AG). Sie können ganz
oder teilweise dem Beschuldigten auferlegt werden, wenn dieser durch ein
verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen die Untersuchung verschuldet oder
ihre Durchführung erschwert hat (§ 139 Abs. 3 Satz 1 StPO/AG). Gleichfalls
kann dem Beschuldigten die Ausrichtung einer Entschädigung verweigert werden
(§ 140 Abs. 1 Satz 2 StPO/AG).

3.3.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist aus
verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dem nicht
Verurteilten Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn er in zivilrechtlich
vorwerfbarer Weise, d.h. im Sinne einer analogen Anwendung der sich aus Art.
41 OR ergebenden Grundsätze, gegen eine geschriebene oder ungeschriebene
Verhaltensnorm klar verstossen und dadurch das Strafverfahren veranlasst oder
dessen Durchführung erschwert hat (BGE 119 Ia 332 E. 1b S. 334, mit
Hinweisen). Die Überbindung der Verfahrenskosten an den Beschuldigten bei
Freispruch oder Einstellung des Verfahrens soll aber Ausnahmecharakter haben
(BGE 116 Ia 162 E. 2c S. 171) und daher nur in Frage kommen, wenn es sich um
einen klaren Verstoss gegen die fragliche Verhaltensnorm handelt
(Bundesgerichtsurteil 1P.484/2002 vom 24. Januar 2003, E. 2.3.4, publ. in Pra
2003 Nr. 135 S. 725 ff., mit Hinweisen).

3.3.4 Vorliegend steht ein Verstoss gegen die aus dem Grundsatz "neminem
laedere" abgeleiteten Persönlichkeitsrechte der Beschwerdegegnerin im Sinn
von Art. 28 ZGB zur Diskussion. Eine Kostenauflage an einen nicht
verurteilten Beschuldigten wegen zivilrechtlich schuldhaften Verhaltens kann
sich grundsätzlich auf Art. 28 ZGB stützen (vgl. Bundesgerichtsurteil
1P.65/2005 vom 22. Juni 2005, E. 4.3).

Das Bezirksgericht auferlegte dem Beschwerdeführer 1/5 der Verfahrenskosten
und 1/5 der eigenen Anwaltskosten mit der Begründung, er sei nur in einem
nebensächlichen Anklagepunkt (Erfüllung des Straftatbestandes der Drohung
durch per SMS versendete Selbstmorddrohungen) schuldig gesprochen worden.
Dagegen auferlegte das Obergericht dem Beschwerdeführer die erstinstanzlichen
Verfahrenskosten und die eigenen Anwaltskosten vollumfänglich, da dieser die
Beschwerdegegnerin mittels Dämonen- und Käfergeschichten zu sexuellen
Kontakten gedrängt und durch dieses Verhalten ihre Persönlichkeitsrechte
zusätzlich verletzt habe, was zur Eröffnung eines Strafverfahrens wegen
Vergewaltigung resp. Ausnützung einer Notlage geführt habe.

3.3.5 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu
seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht
anrufen (Art. 28 Abs. 1 ZGB). Die Persönlichkeitsrechte werden durch Angriffe
auf die physische und die psychische Integrität verletzt; darunter fällt auch
ein Verhalten, das andere terrorisiert und verängstigt und diese in ihrem
seelischen Wohlbefinden gefährdet bzw. erheblich stört (Bundesgerichtsurteil
1P.188/2005 vom 14. Juli 2005, publ. in Pra 2006 Nr. 25 S. 177 ff., E. 5.3;
Hans Michael Riemer, Personenrecht des ZGB, 2. Aufl., Bern 2002, Rz. 339;
Henri Deschenaux/Paul-Henri Steinauer, Personnes physiques et tutelle, 4.
Aufl., Bern 2001, Rz. 543a; Christian Brückner, Das Personenrecht des ZGB,
Zürich 2000, Rz. 610/ Anm. 119 und Rz. 617).

Allerdings kann nicht jede noch so geringfügige Beeinträchtigung der
Persönlichkeit als rechtlich relevante Verletzung verstanden werden, sondern
die Verletzung muss eine gewisse Intensität erreichen (BGE 125 III 70 E. 3a
S. 75, mit Hinweisen). Auf die subjektive Empfindlichkeit des Betroffenen
kommt es dabei nicht an. Für die Beurteilung der Schwere des Eingriffs ist
ein objektiver Massstab anzulegen (BGE 127 III 481 E. 1b/aa S. 483, mit
Hinweisen).

3.3.6 Vorliegend wurde dem Beschwerdeführer in der Anklageschrift
vorgeworfen, Dämonengeschichten verwendet zu haben, um in der Zeit vom 1.
September 1998 bis 2. August 2003 mehrfach mit der Beschwerdegegnerin gegen
deren Willen den Geschlechtsverkehr vollziehen zu können. Er habe sie mit dem
Erzählen dieser Geschichten psychisch unter Druck gesetzt, so dass sie den
Geschlechtsverkehr entgegen ihrem Willen erduldet habe.

Gemäss den im angefochtenen Urteil aufgeführten Aussagen der
Beschwerdegegnerin habe diese insbesondere am Schluss der Beziehung nur noch
wegen den vom Beschwerdeführer erzählten Götter- und Dämonengeschichten mit
ihm geschlafen, da er sie massiv unter Druck gesetzt habe. Bei diesen
Geschichten sei es darum gegangen, dass sie Käfer in sich hätte, die
irgendwelche Dämonen geschickt hätten, und dass sie wegen diesen Käfern
zugrunde gehen würde, und nur die Spermien des Angeklagten sie retten
könnten. Wenn sie nicht mit ihm schliefe, würden die Käfer sie vergiften
sowie innerlich auffressen, und sie würde dadurch sterben. Der
Beschwerdeführer habe ihr auch erzählt, nachdem er ihren Nacken wegen
Schmerzen mit seinen angeblich heilenden Händen massiert hätte, dass sie mit
ihm schlafen müsse, da sie sonst vergiftet würde. Schliesslich habe er ihr
auch angegeben, er habe starke Schmerzen, da Gott über ihn gekommen sei, und
dieser verlange nun, dass sie mit ihm schlafe. Der Beschwerdeführer habe auch
erwähnt, dass der Gott Chrono ihm gesagt habe, er müsse sie umbringen. In
diesem Zusammenhang habe er ihr einen Dolch auf die Brust gesetzt und
gemeint, Gott Chrono verlange dies.

3.3.7 Das Obergericht vertritt den Standpunkt, es sei nicht nachvollziehbar,
wie die Beschwerdegegnerin die obskuren Geschichten des Beschwerdeführers
glauben konnte. Die Beschwerdegegnerin sei während ihrer Beziehung zum
Beschwerdeführer zwischen 17- und 22-jährig gewesen, habe die Sekundarschule
sowie eine kaufmännische Lehre absolviert und sei daher als gut ausgebildet
zu betrachten. Bei den absolut irrealen Erzählungen des Beschwerdeführers,
welchen auch nur ein Mindestmass an Realitätsbezug fehle, sei es nicht
verständlich, dass sich die Beschwerdegegnerin den Wünschen des
Beschwerdeführers nicht widersetzt habe. Dies gelte umso mehr, als es sich
beim Beschwerdeführer nicht um eine Autoritätsperson, sondern um ihren um ein
Jahr jüngeren Freund gehandelt habe. Aus diesem Grund erachtete das
Obergericht den durch das Erzählen der Käfer- und Dämonengeschichten
erzeugten Druck auf die Beschwerdegegnerin unter strafrechtlichen Aspekten
als nicht relevant.

Nichts anderes ergibt sich bei der Beurteilung der Frage einer allfälligen
Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB, welche sich nicht
nach den subjektiven Empfindlichkeiten der Beschwerdegegnerin, sondern nach
einem objektiven Massstab richtet (vgl. E. 3.3.5 hiervor). Bei einer
Durchschnittsperson im Alter und mit der Ausbildung der Beschwerdegegnerin in
einer vergleichbaren Situation ist ohne weiteres anzunehmen, dass sie den
fehlenden Realitätsbezug der Käfer- und Dämonengeschichten erkannt hätte, und
es demzufolge nicht zu ungewollten Geschlechtskontakten gekommen wäre. Dass
sich die Beschwerdegegnerin trotz ihres subjektiven Unbehagens bezüglich der
Käfer- und Dämonengeschichten nicht vom Beschwerdeführer trennte, sondern
weiterhin mit diesem Umgang pflegte, ist diesem nicht anzulasten. Eine für
die Einleitung des Strafverfahrens wegen Vergewaltigung resp. Ausnützung
einer Notlage ursächliche Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 Abs.
1 ZGB liegt nach dem Gesagten offensichtlich nicht vor.

Damit ist das obergerichtliche Urteil insoweit als willkürlich zu betrachten,
als durch die Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des
erstinstanzlichen Verfahrens die Stellung des Beschwerdeführers
verschlechtert wird und diesem die Verfahrenskosten und die eigenen
Anwaltskosten nicht nur zu je 1/5, sondern je vollumfänglich auferlegt
werden.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich im Punkt der Kosten- und
Entschädigungsfolgen des erstinstanzlichen Verfahrens als begründet, soweit
der Beschwerdeführer die erstinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen
nicht nur zu 1/5, sondern vollumfänglich zu tragen hat, und ist
dementsprechend gutzuheissen. Ausgangsgemäss sind die den Beschwerdeführer
betreffenden Kosten- und Entschädigungsfolgen des obergerichtlichen
Verfahrens nochmals neu zu verlegen und wird die Prüfung der diesbezüglich
vorgetragenen Rügen hinfällig.

Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind keine Kosten zu
erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Hingegen hat der Kanton Aargau dem obsiegenden
Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu zahlen (Art. 159
Abs. 1 und 2 OG). Die Ausrichtung einer Parteientschädigung an die
Beschwerdegegnerin ist unter den gegebenen Umständen nicht gerechtfertigt.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und Dispositivziffer 4 bis
6 des angefochtenen Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, vom 30. November 2006 aufgehoben.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Der Beschwerdegegnerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren keine
Parteientschädigung zugesprochen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Juli 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Die Gerichtsschreiberin: