Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.75/2007
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1C_75/2007 /fun

Urteil vom 13. September 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Thönen.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Sieber,

gegen

Verkehrsstrafamt des Kantons Schaffhausen, Münsterplatz 16,
8200 Schaffhausen,
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 7, 8201 Schaffhausen,
Obergericht des Kantons Schaffhausen,
Frauengasse 17, Postfach 568, 8201 Schaffhausen.

Führerausweisentzug,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 13. April 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ verursachte am 10. Juni 2006, um ca. 12.25 Uhr, als Lenker seines
Personenwagens TG ... in Neuhausen am Rheinfall einen Auffahrunfall. Eine
Personenwagenlenkerin bremste ihr Fahrzeug vor der Lichtsignalanlage ab, da
sie von der Sonne geblendet wurde. Der folgende Personenwagen bemerkte ihr
Manöver und bremste ebenfalls ab. Der Lenker des dritten Fahrzeugs,
X.________, bemerkte die Kolonne zu spät und fuhr auf. Durch die Wucht des
Aufpralls wurde das mittlere Fahrzeug in das vordere geschoben. Verletzt
wurde niemand.

Am 5. September 2006 wurde X.________ vom Verkehrsstrafamt des Kantons
Schaffhausen der einfachen Verkehrsregelverletzung für schuldig befunden und
mit einer Busse von Fr. 400.-- bestraft. Diese Strafverfügung ist in
Rechtskraft erwachsen.

Mit Administrativverfügung vom 26. September 2006 entzog das Verkehrsstrafamt
X.________ wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die
Strassenverkehrsvorschriften den Führerausweis für die Dauer von einem Monat.

Einen dagegen gerichteten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons
Schaffhausen mit Beschluss vom 14. November 2006 kostenfällig ab.

Mit Entscheid vom 13. April 2007 wies das Obergericht des Kantons
Schaffhausen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von X.________ ab.

B.
X.________ führt Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, es sei der
Entscheid des Obergerichts vom 13. April 2007 aufzuheben. Der
Beschwerdeführer sei gestützt auf Art. 16a Abs. 3 SVG zu verwarnen. Im
Übrigen sei die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen im
kantonalen Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C.
In ihren Vernehmlassungen beantragen der Regierungsrat des Kantons
Schaffhausen und das Bundesamt für Strassen (ASTRA) die Abweisung der
Beschwerde. Das Obergericht hat unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid
auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Verkehrsstrafamt des Kantons
Schaffhausen hat sich nicht vernehmen lassen.

Mit Präsidialverfügung vom 31. Mai 2007 wurde der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung beigelegt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid ist nach dem Inkrafttreten des
Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) ergangen. Auf das vorliegende
Verfahren ist das BGG anwendbar (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Gegen den angefochtenen Entscheid steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. i.V.m. Art. 90
BGG); ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Für die
Behandlung von Beschwerden betreffend den Strassenverkehr ist die
I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts zuständig (Art. 29 Abs.
1 lit. e Reglement für das Bundesgericht vom 20. November 2006, SR
173.110.131).

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht, indem die
Vorinstanz den Sachverhalt als mittelschwere Widerhandlung (Art. 16b SVG)
statt als leichte Widerhandlung (Art. 16a SVG) beurteilte.

Gemäss dem Obergericht trifft den Beschwerdeführer am Auffahrunfall ein
leichtes Verschulden. Überdies sei davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführer durch den Auffahrunfall die darin verwickelten
Fahrzeuginsassen konkret gefährdet habe. Daher handle es sich nicht um eine
leichte, sondern um eine mittelschwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16b
SVG. Das Obergericht führte aus, der Beschwerdeführer sei mit dem mittleren
Fahrzeug kollidiert, und dieses sei durch die Wucht des Aufpralls mit dem
vordersten zusammengestossen. Durch diese Kollision seien die Insassen der
Fahrzeuge einem erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt gewesen.

3.
3.1 Eine sog. mittelschwere Widerhandlung begeht u.a., wer durch Verletzung
von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in
Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Nach einer solchen Widerhandlung
wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2 lit. a).
Mittelschwer ist die Widerhandlung, wenn entweder das Verschulden des Lenkers
nicht mehr leicht wiegt oder die Gefahr der Sicherheit anderer nicht mehr
gering ist (vgl. Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG).

3.2 Die Kollision ereignete sich mit einer beträchtlichen Wucht: Die
Auffahrgeschwindigkeit betrug gemäss dem angefochtenen Urteil mindestens 10
km/h. Das mittlere Fahrzeug, mit welchem der Beschwerdeführer von hinten
zusammenstiess, wurde in das vorderste Fahrzeug geschoben. Auf dem Foto in
den kantonalen Akten ist erkennbar, dass die Front des Wagens des
Beschwerdeführers massiv eingedrückt wurde. Die Kollision ereignete sich in
Fahrtrichtung und der Beschwerdeführer hatte seine Aufmerksamkeit - nach
eigenen Angaben - auf die Ampel gerichtet.

Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG hat der Führer sein Fahrzeug ständig so zu
beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Es darf
erwartet werden, dass der Lenker seine Aufmerksamkeit nicht nur auf die
Ampel, sondern auch auf die Fahrzeuge richtet, die sich vor ihm befinden.
Beim Hintereinanderfahren ist nicht auszuschliessen, dass die vorderen
Fahrzeuge unvermittelt halten oder durch Abbiegemanöver den Verkehr behindern
könnten. Beim Fahrer des hinteren Wagens kommt hinzu, dass er durch das
Aufleuchten der Bremslichter zusätzlich gewarnt wird. Das langsame Fahrtempo
entbindet nicht von der Pflicht, die volle Aufmerksamkeit dem Verkehr zu
widmen. Dass der mittlere Wagen rechtzeitig bremsen konnte, weist darauf hin,
dass eine rechtzeitige Reaktion der nachfahrenden Lenker nicht nur geboten,
sondern auch praktisch durchführbar war. Die in der Beschwerde genannten
"Erfahrungswerte" beziehen sich teilweise auf niedrigere Geschwindigkeiten,
auch die Berufung auf Sicherheitselemente an Fahrzeugen oder eine
Harmlosigkeitsgrenze bei 10 km/h stehen der Annahme einer konkreten Gefahr im
Geschwindigkeitsbereich von 10 bis 20 km/h nicht entgegen.

Bei einer gesamthaften Betrachtung der gegebenen Umstände durfte das
Obergericht annehmen, die Schwelle von der leichten zur mittelschweren
Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften sei überschritten. Steht
aber eine mittelschwere Widerhandlung fest, darf die Entzugsdauer von einem
Monat als gesetzliche Mindestentzugsdauer (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG) nicht
unterschritten werden (Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG; BGE 132 II 234 E. 3.2). Die
Rüge der Verletzung von Bundesrecht ist unbegründet.

4.
Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Verletzung des Willkürverbots und eine
Ermessensüberschreitung. Inwiefern die Vorbringen über  das bereits
Behandelte hinausgehen, ist nicht ersichtlich. Insoweit ist auf die
Beschwerde nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG).

5.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Verkehrsstrafamt, dem
Regierungsrat und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen sowie dem
Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 13. September 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: