Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.464/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_464/2007 /fun

Urteil vom 22. Mai 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Härri.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090
Zürich.

Gegenstand
Anordnung einer neuen Führerprüfung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 7. November 2007 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Am 2. November 1988 verweigerte die Direktion der Polizei des Kantons Zürich
(heute: Sicherheitsdirektion) X.________ die Erteilung des Lernfahrausweises
der Kategorie C. Die Weiterbelassung des Führerausweises der Kategorie B
verband sie mit der Auflage einer amtlich überwachten Drogenabstinenz während
mindestens eines Jahres.

Mit Verfügung vom 2. Mai 1994 entzog die Direktion der Polizei X.________ wegen
Nichtbefolgens dreier Aufgebote zur verkehrsmedizinischen Untersuchung den
Führerausweis vorsorglich bis zur Abklärung von Ausschlussgründen im Rahmen
einer amtsärztlichen Untersuchung und untersagte ihm das Führen von
Motorfahrzeugen aller Kategorien.

Gestützt auf einen Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität
Zürich, der die Fahreignung von X.________ unter bestimmten Auflagen zum
Nachweis der Drogenabstinenz bejahte, hob die Direktion für Soziales und
Sicherheit des Kantons Zürich (heute: Sicherheitsdirektion) am 1. Dezember 2005
die Verfügungen vom 2. November 1988 und 2. Mai 1994 auf. Sie ordnete an, vor
Wiedererteilung des Führerausweises habe X.________ eine neue Führerprüfung der
Kategorie B (Theorie, inklusive Verkehrskunde und Praxis) zu absolvieren; bis
zum Bestehen der neuen Führerprüfung bleibe ihm das Führen von Motorfahrzeugen
aller Kategorien verboten. Ausserdem verfügte die Direktion für Soziales und
Sicherheit verkehrsmedizinische Auflagen zur Einhaltung der Drogenabstinenz.

Den von X.________ dagegen erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons
Zürich am 9. Mai 2007 ab.

Hiergegen reichte X.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich ein. Am 7. November 2007 wies dieses die Beschwerde ab.

B.
X.________ führt beim Bundesgericht Beschwerde mit dem sinngemässen Antrag, den
Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben.

C.
Das Verwaltungsgericht und die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich
beantragen unter Verzicht auf Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesamt für Strassen beantragt unter Hinweis auf die seines Erachtens
zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid ebenfalls die Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen
Rechts. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82
lit. a BGG ist damit gegeben.

1.2 Um ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde gemäss Art. 83 BGG unzulässig
ist, geht es hier nicht.

1.3 Die Vorinstanz hat kantonal letztinstanzlich als oberes Gericht
entschieden. Die Beschwerde ist somit gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. d in
Verbindung mit Abs. 2 BGG zulässig.

1.4 Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Mit
dem angefochtenen Entscheid wird er verpflichtet, eine neue Führerprüfung der
Kategorie B abzulegen. Dies ist mit einem finanziellen und zeitlichen Aufwand
verbunden. Der Beschwerdeführer ist damit durch den angefochtenen Entscheid
besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung.
Seine Beschwerdelegitimation nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist gegeben.

1.5 Der angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren ab. Es handelt sich um
einen Endentscheid nach Art. 90 BGG. Die Beschwerde ist auch insoweit zulässig.

1.6 Gemäss Art. 95 lit. a BGG kann der Beschwerdeführer insbesondere die
Verletzung von Bundesrecht rügen.

Nach Art. 98 BGG kann mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche
Massnahmen nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Nach
der Rechtsprechung handelt es sich beim vorsorglichen Führerausweisentzug um
eine vorsorgliche Massnahme im Sinne dieser Bestimmung (Urteile 1C_233/2007 vom
14. Februar 2008 E. 1.2; 1C_420/2007 vom 18. März 2008 E. 2). Um den
vorsorglichen Führerausweisentzug geht es hier nicht mehr. Die Direktion für
Soziales und Sicherheit hat dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 1. Dezember
2005 den Führerausweis wieder erteilt unter der Bedingung, dass er vorher
erfolgreich eine neue Führerprüfung der Kategorie B absolviert. Die Anordnung
der neuen Führerprüfung steht nur noch in mittelbarem Zusammenhang mit dem
vorsorglichen Führerausweisentzug. Die kantonalen Behörden sind der Auffassung,
der Beschwerdeführer habe eine neue Führerprüfung abzulegen, weil er wegen des
vorsorglichen Entzugs viele Jahre kein Motorfahrzeug mehr gelenkt hat und damit
über eine mangelnde Fahrpraxis verfügt. Die Anordnung der neuen Führerprüfung
stellt keine einstweilige Verfügung dar, die eine rechtliche Frage so lange
regelt, bis darüber in einem späteren Hauptentscheid endgültig entschieden wird
(vgl. Botschaft, a.a.O., S. 4336). Die Kognitionsbeschränkung von Art. 98 BGG
greift hier somit nicht.

2.
Vor Vorinstanz ging es einzig noch um die Frage, ob die Anordnung der neuen
Führerprüfung rechtmässig sei. Den Streitgegenstand kann der Beschwerdeführer
im bundesgerichtlichen Verfahren nicht erweiteren (Art. 99 Abs. 2 BGG;
Botschaft, a.a.O., S. 4340). Auf sämtliche Vorbringen, die ausserhalb des
Streitgegenstandes liegen, kann nicht eingetreten werden.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Anordnung der neuen Führerprüfung
sei bundesrechtswidrig.

3.2 Gemäss Art. 109 BGG entscheiden die Abteilungen in Dreierbesetzung bei
Einstimmigkeit über die Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden
(Abs. 2 lit. a). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder
teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).

3.3 Bestehen Bedenken über die Eignung eines Führers, so ist er gemäss Art. 14
Abs. 3 SVG einer neuen Prüfung zu unterwerfen.

Nach der Rechtsprechung können Bedenken über die Eignung gerechtfertigt sein,
wenn ein Führer längere Zeit kein Fahrzeug mehr gelenkt hat. Dabei darf nicht
schematisiert werden. Zu würdigen sind die konkreten Umstände des Einzelfalles.
Die kantonale Behörde entscheidet dabei nach pflichtgemässem Ermessen (BGE 108
Ib 62 E. 3b, mit Hinweis).

In BGE 108 Ib 62 erachtete das Bundesgericht die Anordnung einer neuen
Führerprüfung nach Art. 14 Abs. 3 SVG als gerechtfertigt in einem Fall, in dem
der Inhaber eines Führerausweises während rund fünf Jahren wegen eines
Sicherungsentzuges kein Motorfahrzeug geführt hatte und vorher nur drei Jahre
im Besitz des Führerausweises gewesen war. Das Bundesgericht erwog, der
Betroffene könnte die herangebildeten Automatismen beim Lenken eines Fahrzeuges
während der langen Entzugsdauer verloren haben. Zudem hätten sich die
Verkehrsvorschriften inzwischen teilweise geändert und habe die Verkehrsdichte
zugenommen. Unter den gegebenen Umständen bestünden ernsthafte Bedenken
bezüglich der Verkehrsregelkenntnisse des Betroffenen und seiner Fähigkeit, ein
Motorfahrzeug sicher zu führen (E. 3b S. 64).

Im Urteil 2A.151/1995 vom 3. Oktober 1995 erachtete es das Bundesgericht im
Lichte seiner Rechtsprechung als fraglich, ob die damalige schematische
Aargauer Praxis, wonach eine neue Prüfung schon anzuordnen war, wenn der
Inhaber eines Führerausweises während mehr als zwei Jahren keine Motorfahrzeug
mehr gelenkt hatte, vor Bundesrecht standhielte. Es liess die Frage offen (E.
2d).

Im Urteil 2A.146/1993 vom 31. August 1994 befand das Bundesgericht, eine neue
Führerprüfung rechtfertige sich bei einem Lenker mit einem Alkoholproblem, der
während rund 5 Jahren kein Motorfahrzeug geführt hatte; dies, obgleich der
Lenker den Führerausweis bereits 1965 erworben hatte und damit über eine lange
Erfahrung im Strassenverkehr verfügte (E. 5).

3.4 Am 2. Mai 1994 entzog die Direktion der Polizei dem Beschwerdeführer den
Führerausweis mit Wirkung ab 21. Juli 1994 und untersagte ihm das Lenken von
Motorfahrzeugen aller Kategorien. Im Zeitpunkt der Verfügung der Direktion für
Soziales und Sicherheit vom 1. Dezember 2005 war er damit über 11 Jahre ohne
Fahrpraxis. Dabei handelt es sich um eine ausserordentlich lange Zeitspanne.
Sie beträgt mehr als das Doppelte von derjenigen im dargelegten Urteil 2A.146/
1993 vom 31. August 1994. Beim Beschwerdeführer bestand - wie sich aus dem
Bericht des Instituts für Rechtsmedizin vom 20. Oktober 2005 ergibt - zudem
eine Drogenproblematik. Unter diesen Umständen hat die Vorinstanz im Lichte der
Rechtsprechung ihr Ermessen offensichtlich nicht überschritten, wenn sie die
Anordnung einer neuen Führerprüfung als gerechtfertigt beurteilt hat; dies
ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer den Führerausweis der
Kategorie B im Jahre 1985 erworben hat und damit im Zeitpunkt dessen Entzugs im
Jahre 1994 ein erfahrener Lenker war. Erfahrung im Strassenverkehr - eine
längere noch als der Beschwerdeführer - hatte auch der Lenker, um den es im
Urteil vom 31. August 1994 ging.
Der angefochtene Entscheid verletzt demnach kein Bundesrecht.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Da sie aussichtslos war, kann das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nach
Art. 64 BGG nicht bewilligt werden. Der Beschwerdeführer trägt daher die Kosten
(Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Sicherheitsdirektion und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, sowie dem
Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Mai 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri