Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.451/2007
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1C_451/2007

Urteil vom 17. März 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Reeb, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Haag.

1. Niklaus Scherr,
2.Bastien Girod,
3.Richard Rabelbauer,
4.Robert Schönbächler,
5.Markus Zimmermann,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Niklaus Scherr,

gegen

Stadt Zürich, vertreten durch den Stadtrat von Zürich, Stadthausquai 17,
Postfach, 8022 Zürich,
Bezirksrat Zürich, Selnaustrasse 32, Postfach,
8090 Zürich.

Instandsetzung Hardbrücke,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 7. November 2007 des Regierungsrats des
Kantons Zürich.
Sachverhalt:

A.
Der Gemeinderat Zürich genehmigte am 16. Dezember 2006 den Entwurf zum Budget
der laufenden Rechnung und der Investitionsrechnung für das Jahr 2007 und
lehnte dabei einen in der Budgetdebatte gestellten Antrag, die Ausgaben für
die Sanierung der Hardbrücke nicht zu genehmigen, ab. Mit Beschlüssen vom 20.
Dezember 2006 setzte der Stadtrat von Zürich das Instandsetzungsprojekt
Hardbrücke fest und bewilligte als neue Ausgabe einen Objektkredit von 1.85
Mio. Franken für den Bau eines kombinierten Rad-/Gehwegs zwischen Hardplatz
und Bahnhof Hardbrücke sowie gebundene Ausgaben von insgesamt 88.5 Mio.
Franken für die Instandsetzung der Hardbrücke. Diese Finanzbeschlüsse wurden
keinem Referendum unterstellt.

B.
Niklaus Scherr, Bastien Giroud, Richard Rabelbauer, Robert Schönbächler und
Markus Zimmermann gelangten gegen die Beschlüsse des Stadtrats mit
Stimmrechtsrekurs an den Bezirksrat Zürich, der das Rechtsmittel am 5. Juli
2007 abwies und den für die Instandsetzung der Hardbrücke bewilligten Betrag
als gebundene Ausgaben bezeichnete. Einen gegen den Entscheid des Bezirksrats
erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Beschluss vom
7. November 2007 ab, soweit er darauf eintreten konnte.

C.
Mit als Stimmrechtsbeschwerde bezeichneter Eingabe vom 14. Dezember 2007
beantragen die im kantonalen Verfahren unterlegenen Rekurrenten im
Hauptantrag, der Entscheid des Regierungsrats vom 7. November 2007 sei
aufzuheben und die Sache sei zur Fortsetzung des Verfahrens an die
Vorinstanzen zurückzuweisen. In einem ersten Eventualantrag verlangen sie im
Wesentlichen, der Objektkredit und die Bewilligung gebundener Ausgaben gemäss
dem Beschluss des Stadtrats sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass der
gesamte Kreditbetrag von 90.35 Mio. Franken nach Art. 10 lit. d der
Gemeindeordnung der Stadt Zürich vom 26. April 1970 (GO) dem obligatorischen
Referendum unterliege. In einem zweiten Eventualantrag ersuchen sie um die
Feststellung, ein Anteil des gesamten Kreditbetrags von über 2 Mio. Franken
stelle keine gebundene Ausgabe dar und unterliege deshalb dem fakultativen,
allenfalls dem obligatorischen Referendum. Der Stadtrat sei anzuweisen, dem
Gemeinderat entsprechend Antrag zu stellen.

Die Beschwerdeführer berufen sich auf die Abgrenzung der gebundenen von den
neuen Ausgaben gemäss Art. 10 ff. GO. Sie rügen die Verletzung ihres
Stimmrechts sowie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und
Begründung des Entscheids (Art. 29 Abs. 2 BV).

D.
Der Stadtrat Zürich und der Regierungsrat des Kantons Zürich schliessen auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

E.
Mit Präsidialverfügung vom 18. Januar 2007 wurde ein Gesuch der
Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82
lit. c BGG kann die Verletzung politischer Rechte geltend gemacht werden.
Dazu zählt die Rüge, ein Finanzbeschluss sei zu Unrecht nicht dem Referendum
unterstellt worden. Zur Beschwerde ist gemäss Art. 89 Abs. 3 BGG legitimiert,
wer in der betreffenden Angelegenheit stimmberechtigt ist. Dieses Erfordernis
erfüllen die Beschwerdeführer. Die Beschwerdefrist von Art. 100 Abs. 1 BGG
ist eingehalten.

1.2 Beschwerden betreffend Volksabstimmungen in kantonalen Angelegenheiten
sind gegen Akte letzter kantonaler Instanzen zulässig (Art. 88 Abs. 1 lit. a
BGG). Die Kantone sehen gegen behördliche Akte, welche die politischen Rechte
verletzen können, ein Rechtsmittel vor (Art. 88 Abs. 2 Satz 1 BGG). Diese
Pflicht erstreckt sich nicht auf Akte des Parlaments oder der Regierung (Art.
88 Abs. 2 Satz 2 BGG).

Vor dem Hintergrund von Art. 29a BV und der Zielsetzungen des
Bundesgerichtsgesetzes hat das Bundesgericht entschieden, dass die Kantone
als Rechtsmittelinstanz im Sinne von Art. 88 Abs. 2 Satz 1 BGG eine
gerichtliche Behörde einsetzen müssen. Diese Pflicht besteht sowohl in
kantonalen als auch in kommunalen Stimmrechtsangelegenheiten (Urteile des
Bundesgerichts 1P.338/2006 und 1P.582/2006 vom 12. Februar 2007, E. 3.10, ZBl
108/2007 S. 313; 1C_185/2007 vom 6. November 2007 E. 1.2 mit Hinweisen).

1.2.1 Die Kantone sind gemäss Art. 130 Abs. 3 BGG verpflichtet, innert zwei
Jahren seit Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes die erforderlichen
Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das
Verfahren der bundesgerichtlichen Vorinstanzen zu erlassen. § 43 Abs. 1 lit.
a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959
(VRG) schliesst die Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht auf dem
Gebiet von Wahlen und Abstimmungen grundsätzlich aus (vgl. Alfred Kölz/Jürg
Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons
Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 43 N. 5). § 43 Abs. 2 VRG sieht jedoch
vor, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht auch in den Fällen von
Abs. 1 zulässig ist, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht offensteht oder wenn es sich um eine Angelegenheit gemäss Art.
6 Ziff. 1 EMRK handelt. Nach § 5 der Verordnung des Regierungsrats des
Kantons Zürich vom 29. November 2006 über die Anpassung des kantonalen Rechts
an das Bundesgerichtsgesetz (VO BGG, OS 61,480) ist unter
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht die ordentliche Beschwerde
an das Bundesgericht zu verstehen. Diese genannte Verordnung des
Regierungsrats trat gleichzeitig wie das Bundesgerichtsgesetz am 1. Januar
2007 in Kraft. Damit hat der Regierungsrat von der ihm in Art. 130 Abs. 4 BGG
in Verbindung mit Art. 67 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar
2005 (KV/ZH) eingeräumten Kompetenz Gebrauch gemacht, die
Ausführungsbestimmungen in die Form nicht referendumspflichtiger Erlasse zu
kleiden, sofern dies zur Einhaltung der Fristen nach den Absätzen 1-3 von
Art. 130 BGG notwendig ist. Der Regierungsrat hat in § 5 VO BGG keine
Vorbehalte in Bezug auf die früher nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an
das Bundesgericht unterlegenen kantonalen Rechtsmittelentscheide und
Stimmrechtsangelegenheiten angebracht (Art. 82 lit. a und c BGG). Dass er die
zweijährige Übergangsfrist gemäss Art. 130 Abs. 3 BGG nicht ausgeschöpft hat,
ist nicht zu beanstanden.

1.2.2 In der vorliegenden Angelegenheit sind kommunale Kreditbeschlüsse
umstritten, welche wie erwähnt nach den Vorschriften des
Bundesgerichtsgesetzes der ordentlichen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht unterliegen, nachdem ein kantonal
letztinstanzlicher Rechtsmittelentscheid vorliegt. Gemäss § 43 Abs. 1 lit. a
und Abs. 2 VRG in Verbindung mit § 5 VO BGG ist in solchen Fällen deshalb die
Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht zulässig. Das
Verwaltungsgericht ist als einzige richterliche Behörde zur freien
Sachverhaltsprüfung und zur Rechtsanwendung von Amtes wegen sowie zur Wahrung
der Einheit des Verfahrens verpflichtet (Art. 110 f. BGG). Es ergibt sich,
dass mit dem angefochtenen Entscheid des Regierungsrats kein kantonal
letztinstanzlicher Entscheid im Sinne von Art. 88 Abs. 1 lit. a BGG vorliegt.

1.3 Das Bundesgericht verzichtet in konstanter Praxis auf das Erfordernis der
Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges, wenn an der Zulässigkeit eines
Rechtsmittels ernsthafte Zweifel bestehen (BGE 132 I 92 E. 1.5 S. 94 mit
Hinweisen). Solche Zweifel bestehen nach den vorstehenden Erwägungen nicht.

1.3.1 Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) ist zu
beachten, dass der angefochtene Entscheid eine Rechtsmittelbelehrung enthält,
nach welcher gegen den Regierungsratsentscheid beim Bundesgericht Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden könne. Aus einer
unrichtigen Rechtsmittelbelehrung dürfen den Parteien keine Nachteile
erwachsen (Art. 49 BGG; Art. 18 Abs. 2 KV/ZH; BGE 132 I 92 E. 1.6 S. 96).
Wird aufgrund einer unrichtigen Belehrung ein falsches Rechtsmittel
ergriffen, kann die Sache daher von Amtes wegen an die zuständige Instanz
überwiesen werden (BGE 123 II 231 E. 8b S. 239 f. mit Hinweisen). Allerdings
geniesst nur Vertrauensschutz, wer die Unrichtigkeit der
Rechtsmittelbelehrung nicht kennt und sie auch bei gebührender Aufmerksamkeit
nicht hätte erkennen können. Rechtsuchende geniessen keinen Vertrauensschutz,
wenn der Mangel für sie bzw. ihren Rechtsvertreter allein schon durch
Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmung ersichtlich ist. Dagegen
wird nicht verlangt, dass neben den Gesetzestexten auch noch die einschlägige
Rechtsprechung oder Literatur nachgeschlagen wird (vgl. BGE 124 I 255 E.
1a/aa S. 258; 117 Ia 119 E. 3a S. 125, 421 E. 2a, je mit weiteren Hinweisen;
Urteil des Bundesgerichts 1P.653/1997 vom 13. Februar 1998, publ. in
ZBl 100/1999 S. 80 ff.).
1.3.2 Der angefochtene Beschluss enthält eine unrichtige
Rechtsmittelbelehrung. Es war für die nicht anwaltlich vertretenen
Beschwerdeführer nicht ohne Weiteres erkennbar, dass das Verwaltungsgericht
als letzte kantonale Instanz zur Beurteilung der vorliegenden
Stimmrechtsangelegenheit zuständig ist, da dies nicht dem Wortlaut von § 5 VO
BGG und § 43 Abs. 2 VRG entnommen werden kann, sondern nur im Zusammenhang
mit den Neuerungen, die sich aus der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ergeben, ersichtlich ist. Unter diesen Umständen ist die
Beschwerde dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur Behandlung zu
überweisen (vgl. BGE 132 I 92 E. 1.6 S. 96; 125 I 313 E. 5 S. 320 mit
Hinweis).

2.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die vorliegende Beschwerde mangels
Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs ausgeschlossen ist. Die Beschwerde
wird dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur Behandlung überwiesen. Es
werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Eingabe der Beschwerdeführer vom 14. Dezember 2007 wird dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur Behandlung überwiesen.

2.
Das bundesgerichtliche Verfahren 1C_451/2007 wird als gegenstandslos geworden
vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Stadt Zürich und dem Bezirksrat
Zürich sowie dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. März 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Haag