Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.442/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_442/2007

Urteil vom 21. April 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Haag.

Parteien
- X.________,
- Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Sunrise Communications AG, Beschwerdegegnerin,
Einwohnergemeinde Wahlern, Hochbaukommission, Bernstrasse 1, Postfach 68, 3150
Schwarzenburg,
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse
11, 3011 Bern.

Gegenstand
Baugesuch für Mobilfunkantenne,

Beschwerde gegen das Urteil vom 15. November 2007 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.

Sachverhalt:

A.
Die TDC Switzerland AG (heute Sunrise Communications AG) stellte am 5. Januar
2006 bei der Einwohnergemeinde Wahlern ein Gesuch für den Neubau einer
Mobilfunkanlage auf Parzelle Nr. 3865 an der Thunstrasse 6 in Schwarzenburg.
Gegen das Bauvorhaben erhoben unter anderem X.________ und Y.________
Einsprache. Das kantonale Amt für Berner Wirtschaft (beco) kam in einem
Fachbericht betreffend Immissionsschutz zum Schluss, das Vorhaben stehe mit der
Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender
Strahlung (NISV; SR 814.710) im Einklang. Mit Entscheid vom 9. Mai 2007 wies
die Hochbaukommission der Einwohnergemeinde Wahlern das Baugesuch ab. Sie erwog
unter anderem, dass sich der Antennenstandort in unmittelbarer Nähe der
Schulanlagen befinde und das gesamte Schulareal als Ort mit empfindlicher
Nutzung (OMEN) gelten müsse.

Gegen die ablehnende Verfügung der Gemeinde erhob die Baugesuchstellerin
Beschwerde bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE).
Am 7. Juni 2007 stellte die BVE den Einsprechern eine Kopie der Beschwerde zu
und setzte ihnen Frist zur allfälligen Beteiligung am Beschwerdeverfahren;
gleichzeitig wies sie darauf hin, dass Stillschweigen als Verzicht auf die
Beteiligung am weiteren Verfahren gelte. Die Einsprecher reagierten nicht auf
dieses Schreiben. Am 20. Juli 2007 stellte die BVE fest, dass die Einsprecher
stillschweigend auf eine Beteiligung am Beschwerdeverfahren verzichtet hätten.
Mit Entscheid vom 29. August 2007 hiess die BVE die Beschwerde gut, hob den
Entscheid der Hochbaukommission der Gemeinde auf und erteilte der TDC
Switzerland AG die Gesamtbaubewilligung. Aus dem Situationsplan zum
Standortdatenblatt ergebe sich, dass das ganze Schulhausareal ausserhalb des
Anlageperimeters liege. Das Projekt entspreche den Anforderungen der NISV. Die
kommunale Hochbaukommission stellte den Entscheid der BVE den Einsprechern am
19. Oktober 2007 zu.

X.________ und Y.________ gelangten gegen den Entscheid der BVE vom 29. August
2007 an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Sie beantragten unter anderem
die Aufhebung der Baubewilligung und die Wiederherstellung der Rechte der
Einsprecher. Das Verwaltungsgericht trat auf die Beschwerde mit Urteil vom 15.
November 2007 nicht ein. Es führte aus, die Beschwerdeführer hätten sich
bewusst, aus freien Stücken und in Kenntnis des Rechtsbegehrens der
Bauherrschaft, welche die Erteilung der Baubewilligung beantragt habe, aus dem
Verfahren zurückgezogen. Damit hätten sie auch in Kauf genommen, dass sie einen
allfälligen missliebigen Entscheid der Direktion nicht mehr anfechten könnten.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen X.________
und Y.________ im Wesentlichen, das Urteil des Verwaltungsgerichts und der
Entscheid der BVE seien aufzuheben und die Rechte der Einsprecher seien
wiederherzustellen. Sie rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches
Gehör und halten den angefochtenen Entscheid für überspitzt formalistisch.

Die Sunrise Communications AG stellt den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen,
soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht beantragt unter Hinweis
auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Die Bau-,
Verkehrs- und Energiedirektion verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Gemeinde
Wahlern schliesst sich im Ergebnis den Argumenten der Beschwerdeführer an.

C.
Mit Verfügung vom 21. Januar 2008 wies der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung ein Gesuch der Beschwerdeführer um
aufschiebende Wirkung ab.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit welchem auf
eine Beschwerde von Einsprechern gegen die Baubewilligung für eine
Mobilfunkantenne nicht eingetreten wird, weil sie sich nicht am vorangehenden
Beschwerdeverfahren vor der zuständigen Direktion beteiligt hätten. Die
umstrittene Baubewilligung stützt sich unter anderem auf die NISV und damit auf
Bundesverwaltungsrecht, dessen Anwendung im Rahmen der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu beurteilen ist (Art. 82 ff. BGG).
Tritt eine kantonale Rechtsmittelinstanz in einer bundesrechtlichen Materie
gestützt auf kantonales Verfahrensrecht auf eine Beschwerde nicht ein, ist ihr
Nichteintretensentscheid geeignet, die richtige Anwendung des Bundesrechts zu
vereiteln. Die Rüge, das kantonale Verfahrensrecht sei in bundesverfassungs-
oder bundesrechtswidriger Weise angewendet worden, kann mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vorgebracht werden (Art. 95 lit. a BGG;
BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251).

1.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, das Verwaltungsgericht sei auf ihre
Beschwerde zu Unrecht nicht eingetreten und habe somit ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt. Zu dieser Rüge sind sie nach Art. 89 BGG befugt,
ungeachtet ihrer Legitimation in der Sache. Auf die rechtzeitig erhobene
Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten.

1.3 Nicht einzutreten ist allerdings auf die Anträge, die sich auf den
Entscheid in der Sache selbst beziehen. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
war auf die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde beschränkt. Nur dies ist
somit auch Streitgegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens.

2.
Die Beschwerdeführer erklären, sie hätten sich nicht am Beschwerdeverfahren vor
der BVE beteiligt, da die Gemeinde die Baubewilligung aus zonenplanerischen
Gründen verweigert habe, während sie sich in ihren Einsprachen auf andere
Gründe gestützt hätten, zu welchen sich die Sunrise in ihrer Beschwerde an die
BVE nicht geäussert habe. Da die Baubewilligung durch die Gemeinde bereits aus
zonenplanerischen Überlegungen verweigert worden sei und nur diese Begründung
im Verfahren vor der BVE umstritten gewesen sei, hätten sie keinen Anlass
gehabt, sich an diesem Verfahren zu beteiligen. Sie hätten nach Treu und
Glauben davon ausgehen dürfen, dass die Angelegenheit bei einer Gutheissung der
Beschwerde durch die BVE praxisgemäss an die Gemeinde zur Prüfung der
Einsprachegründe zurückgewiesen würde. Der Nichteintretensentscheid des
Verwaltungsgerichts verhindere, dass die Einsprachen überhaupt geprüft würden,
was eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör darstelle. Überdies
bezeichnen sie die Auffassung des Verwaltungsgerichts, sie hätten mit dem
Verzicht, im Verfahren vor der BVE eine Vernehmlassung einzureichen, die
Parteistellung und die Beschwerdeberechtigung im weiteren Rechtsmittelverfahren
verloren, als überspitzt formalistisch.

2.1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen
Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung, auf Beurteilung innert
angemessener Frist sowie auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV). Nach
der Praxis des Bundesgerichts begeht eine Behörde eine Gehörsverletzung im
Sinne einer formellen Rechtsverweigerung, wenn sie auf eine ihr frist- und
formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber entscheiden
müsste (BGE 117 Ia 116 E. 3a S. 117 f.). Ob eine solche Rechtsverweigerung
vorliegt, prüft das Bundesgericht frei (BGE 128 II 139 E. 2a S. 142 mit
Hinweisen). Die Auslegung und Anwendung des einschlägigen kantonalen Rechts
untersucht es indessen nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 131 I 217
E. 2.1 S. 219, 467 E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen).

Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt vor,
wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass
die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle
Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften
überspannte Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in
unzulässiger Weise versperrt (BGE 130 V 177 E. 5.4.1 S. 183 mit Hinweisen). Das
Verbot des überspitzten Formalismus weist einen engen Bezug zum Grundsatz von
Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) auf. Nach der bundesgerichtlichen Praxis
erscheint es überspitzt formalistisch, eine Prozesserklärung buchstabengetreu
auszulegen, ohne zu fragen, welcher Sinn ihr vernünftigerweise beizumessen sei
(BGE 113 Ia 94 E. 2 S. 96 f. mit Hinweisen; vgl. auch unveröffentlichte
Entscheide 1P.723/1991 vom 20. Mai 1992, E. 2c und 1P.192/2001 vom 14. Mai
2001, E. 2c). Parteierklärungen, die im Rahmen eines Prozesses abgegeben
werden, sind unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auszulegen (BGE 105 II
149 E. 2a S. 152 mit Hinweisen), d.h. sie müssen so ausgelegt werden, wie sie
der Empfänger nach den gesamten Umständen in guten Treuen verstehen durfte und
verstehen musste (BGE 116 Ia 56 E. 3b S. 58 mit Hinweisen). Dies gilt umso
mehr, wenn es sich bei den Verfahrensbeteiligten - wie hier - um juristische
Laien handelt (Urteil des Bundesgerichts 1A.80/2002 vom 18. Juni 2002 E. 4.3).

2.2 Das Verwaltungsgericht legt im angefochtenen Entscheid dar, dass zur
kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt ist, wer ein schutzwürdiges
Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids hat (Art. 79 lit. a des
Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern
[VRPG]). Ein Rechtsmittel einlegen und damit Parteirechte im
Beschwerdeverfahren könne beanspruchen, wer im Verfahren vor der Vorinstanz mit
seinen Anträgen nicht durchgedrungen und somit durch den angefochtenen
Entscheid formell beschwert sei. Im Beschwerdeverfahren könne daher
grundsätzlich nur Partei sein, wer bereits vor der Vorinstanz Parteirechte
ausgeübt habe und dies weiterhin tun wolle (Art. 12 Abs. 2 lit. a VRPG; Thomas
Merkli/Arthur Aeschlimann/Ruth Herzog, Kommentar zum Gesetz über die
Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 12 N. 15 f., Art. 79 N.
10). Einsprecher in einem Baubewilligungsverfahren seien befugt, im
Beschwerdeverfahren Parteirechte auszuüben. Eine Verpflichtung zur
Stellungnahme bestehe nicht. Am vorinstanzlichen Verfahren beteiligte Personen,
die trotz Gelegenheit keine Stellungnahme mit Anträgen und Begründung abgäben,
verzichteten auf die Ausübung von Parteirechten und hätten auch kein
Kostenrisiko. Sie könnten sich jedoch später nach dem Grundsatz der Einheit des
Verfahrens nicht wieder am Beschwerdeverfahren beteiligen. Auf einen Verzicht
könne die Partei später nur zurückkommen, wenn sie neu, in nicht vorhersehbarem
Mass berührt werde. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn die Beschwerdeinstanz
den Beschwerdebegehren entgegen den Erwartungen der sich nicht mehr
Beteiligenden stattgebe und ein von diesen bekämpftes Vorhaben bewillige
(Merkli/Aeschlimann/ Herzog, a.a.O., Art. 12 N. 22, Art. 69 N. 5).

2.3 Beim Grundsatz der Einheit des Verfahrens handelt es sich um einen
allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz, der für die Rechtsmittel an das
Bundesgericht in Art. 111 BGG näher umschrieben wird. Wer zur Beschwerde an das
Bundesgericht berechtigt ist, muss sich am Verfahren vor allen kantonalen
Vorinstanzen beteiligen können (Art. 111 Abs. 1 BGG). Dem entsprechend setzt
die Beschwerdeberechtigung nach Art. 89 BGG voraus, dass ein Beschwerdeführer
vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur
Teilnahme erhalten hat (Art. 89 lit. a BGG). Insoweit ergibt sich für die
Beschwerdeführer aus dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens grundsätzlich die
Obliegenheit, sich am kantonalen Verfahren als Partei zu beteiligen. Eine
Ausnahme gilt, wenn jemand keine Möglichkeit zur Teilnahme am vorinstanzlichen
Verfahren erhalten hat.

Die vom Verwaltungsgericht angewendeten kantonalen Bestimmungen sollen
grundsätzlich den im Bundesrecht verankerten Grundsatz der Einheit des
Verfahrens auf kantonaler Ebene sicherstellen. Der Verzicht auf eine
Verfahrensbeteiligung vor einer unteren Instanz hat zur Folge, dass einer
Partei der Zugang zu den höheren Instanzen verschlossen bleibt. Angesichts
dieser weitreichenden Folgen, sind an das Verfahren, welches die Annahme eines
Verzichts auf Verfahrensbeteiligung durch Stillschweigen rechtfertigt, hohe
Anforderungen zu stellen. Im vorliegenden Verfahren beanstanden die
Beschwerdeführer und die Gemeinde, dass die BVE die Baubewilligung im
Beschwerdeverfahren direkt erteilte, ohne auf die Einsprachen einzugehen. Die
Beschwerdeführer behaupten nicht, die Erteilung der Baubewilligung durch die
BVE sei grundsätzlich unzulässig. Sie halten dies aber im vorliegenden Fall für
unrechtmässig, weil ihre Einsprachegründe bei der Bewilligungserteilung
unberücksichtigt geblieben seien. Die Gemeinde habe die Baubewilligung nicht
gestützt auf ihre Einsprachen verweigert, sondern habe sich auf andere Gründe,
insbesondere auf solche der Nutzungsplanung und möglicher Alternativstandorte
berufen. Diese Bewilligungsverweigerung mit der von der Gemeinde abgegebenen
Begründung sei Gegenstand der Beschwerde der Baugesuchstellerin an die BVE
gewesen. Da die Einsprachegründe (Gesundheitsschädigung, problematischer
Standort, unklare Bauherrschaft, ungenügendes Qualitätssicherungssystem,
fehlende Messbarkeit der UMTS-Strahlung usw.) weder im Bauabschlag der Gemeinde
noch in der Beschwerde der Sunrise an die BVE behandelt worden seien, hätten
sie keinen Anlass gehabt, sich am Beschwerdeverfahren zu beteiligen.

2.4 Mit ihren Vorbringen bestreiten die Beschwerdeführer nicht, dass die BVE
ihnen Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren eingeräumt hat. Sie machen jedoch
geltend, sie hätten nach der Verweigerung der Baubewilligung durch die Gemeinde
keinen Anlass gehabt, ihre Einsprachegründe im Beschwerdeverfahren erneut
vorzubringen.
2.4.1 Wie in E. 2.1 hiervor erwähnt, hat jede Person gestützt auf Art. 29 Abs.
1 und 2 BV in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf
gleiche und gerechte Behandlung, auf Beurteilung innert angemessener Frist
sowie auf rechtliches Gehör. In Bezug auf die Beschwerdeführer bedeutet dies,
dass sie als Einsprecher Anspruch auf grundsätzlich kostenlose Behandlung ihrer
Einsprachen haben (vgl. Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des
Kantons Bern vom 9. Juni 1985, 3. Auflage, Bern 2007, Art. 35/35a N. 15, Art.
38/39 N. 18 und 19). Kommt die zuständige Behörde zum Schluss, dass ein
Baugesuch ohnehin abzuweisen ist, ist es im Lichte von Art. 29 Abs. 1 und 2 BV
nicht erforderlich, dass sie sich zu den Einsprachen äussert, wenn den Anliegen
der Einsprecher im Ergebnis entsprochen wird. Ein solcher Entscheid begründet
denn auch keine Beschwer für die Einsprecher. Dementsprechend verlieren im
vorinstanzlichen Verfahren Obsiegende grundsätzlich ihre Parteistellung nicht,
selbst wenn sie sich nicht mehr mit eigenen Anträgen am weiteren Verfahren
beteiligen (Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum
Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 21
N. 104).

Nach der Praxis zum bernischen VRPG soll hingegen ein Verzicht auf die
Teilnahme der obsiegenden Partei am nachfolgenden Beschwerdeverfahren zum
Verlust ihrer Parteistellung führen. Der Verzicht auf eine Beteiligung am
Beschwerdeverfahren wird als grundsätzlich endgültig und unwiderruflich
bezeichnet (Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Art. 12 N. 20). Diese Praxis
erscheint vor dem Hintergrund von Art. 29 Abs. 1 und 2 BV als grundsätzlich
problematisch, doch kann ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit im
vorliegenden Fall aufgrund des Ergebnisses der nachfolgenden Prüfung offen
bleiben.
2.4.2 Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) bestimmt Art. 38
Abs. 2 Satz 2 des kantonalen Baugesetzes vom 9. Juni 1985 (BauG), dass sich der
Bauentscheid mit den unerledigten Einsprachen auseinandersetzen muss. Der
Nichteinbezug von Gesichtspunkten, die für den Entscheid wesentlich sind,
verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. Aldo Zaugg/Peter Ludwig,
a.a.O., Art. 38/39 N. 19).

Im vorliegenden Verfahren hat die BVE in ihrem Bauentscheid die Baubewilligung
erteilt, ohne sich mit den Einsprachen auseinanderzusetzen. Es ist nicht
ersichtlich, dass die Beschwerdeführer keine Einsprachebefugnis hätten, und es
liegt weder eine Einigung im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens noch ein
ausdrücklicher Rückzug der Einsprachen vor. Mit der Verweigerung der
Baubewilligung durch die Gemeinde im erstinstanzlichen Verfahren sind die
Einsprecher als obsiegende Parteien zu betrachten, die durch den kommunalen
Entscheid nicht beschwert wurden, da sie mit ihren Anträgen nicht unterlegen
sind. Die in E. 2.3 hiervor genannte Obliegenheit, an einem Beschwerdeverfahren
gegen die Verweigerung einer Baubewilligung teilzunehmen, setzt jedoch
grundsätzlich voraus, dass die Verfahrenspartei durch das Anfechtungsobjekt
beschwert ist, was hier wie erwähnt auf die Beschwerdeführer nicht zutrifft.
Erst die Erteilung der Baubewilligung durch die BVE im Bauentscheid vom 29.
August 2007 beschwerte die Einsprecher.

Aus den Verfahrensakten ergibt sich, dass die Gemeinde Wahlern in ihrem
Bauabschlag vom 9. Mai 2007 die Baubewilligung wegen der Nähe zu den
Schulanlagen (Gesundheitsvorsorge), gewisser Veränderungen in Bezug auf OMEN in
der näheren Umgebung (mögliche Nutzungsänderungen und Nutzungsreserven) sowie
verschiedener netzplanerischer Mängel und der erforderlichen Suche nach
Alternativstandorten verweigerte. Diese Punkte hat die Sunrise in ihrer
Beschwerde an die BVE denn auch kritisiert. Nicht geäussert haben sich die
Gemeinde und die BVE im Rahmen ihrer Entscheide zu den von den Einsprechern
vorgebrachten Einwänden, zu welchen die Sunrise im kommunalen
Baubewilligungsverfahren Stellung genommen hatte. Der Bauentscheid muss sich
mit den unerledigten Einsprachen auseinandersetzen. Die Gemeinde hatte im
Rahmen des Bauabschlags keine Pflicht, auf die Argumente der Einsprecher weiter
einzugehen, da sie die Baubewilligung bereits aus anderen Gründen verweigerte.
Hingegen hätte sich die BVE vor dem Erlass ihres Bauentscheids vom 29. August
2007, in welchem sie die Baubewilligung erteilte, mit den Argumenten der
Einsprecher auseinandersetzen müssen, da es sich dabei um unerledigte
Einsprachen handelte. Daran ändert nichts, dass die BVE den Einsprechern mit
Verfügung vom 7. Juni 2007 mitteilte, dass Stillschweigen im
Beschwerdeverfahren als Verzicht auf die Beteiligung am weiteren Verfahren
ausgelegt werde. Das Beschwerdeverfahren betraf für die Einsprecher erkennbar
zunächst die Begründung, mit welcher die Gemeinde die Baubewilligung verweigert
hatte. Dass die BVE im Beschwerdeverfahren selbst die Baubewilligung erteilen
würde und das Stillschweigen der Einsprecher im Ergebnis als Rückzug der
Einsprachen interpretieren würde, ergab sich aus der Verfügung der BVE vom 7.
Juni 2007 nicht. Vielmehr war die BVE unter den gegebenen Umständen nach Art.
29 BV verpflichtet, die in den unerledigten Einsprachen erhobenen Einwände im
Rahmen der Erteilung der Baubewilligung zu behandeln. Dass die Beschwerdeführer
ihre Einsprachegründe im Beschwerdeverfahren nicht wiederholten, ändert daran
nichts. Der Verfügung der BVE vom 7. Juni 2007 war nicht zu entnehmen, dass der
dort erwähnte "Verzicht auf die Beteiligung am weiteren Verfahren" auch zu
einem Verlust der Parteistellung als Einsprecher im Baubewilligungsverfahren
führen würde.
2.4.3 Die BVE hat die Einsprachen der Beschwerdeführer entgegen Art. 29 BV und
Art. 38 Abs. 2 BauG nicht behandelt, obwohl diese mit dem Bauabschlag der
Gemeinde noch nicht erledigt waren und das Stillschweigen der Einsprecher nach
Erhalt der Verfügung der BVE vom 7. Juni 2007 nach Treu und Glauben nicht als
Verzicht auf die Einsprachen, sondern nur als Verzicht auf eine Stellungnahme
zur Beschwerde der Sunrise verstanden werden durfte. Der angefochtene
Entscheid, mit welchem das Verwaltungsgericht auf die kantonale
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten ist, weil die Beschwerdeführer
stillschweigend auf eine Beteiligung am weiteren Verfahren verzichtet hätten,
erscheint unter diesen Umständen als überspitzt formalistisch im Sinne der
vorne (E. 2.1) wiedergegebenen Rechtsprechung und stellt damit eine formelle
Rechtsverweigerung dar. Er ist somit aufzuheben und das Verwaltungsgericht wird
dafür zu sorgen haben, dass der Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches
Gehör gewahrt wird und die zuständige Instanz sich mit den unerledigten
Einsprachen auseinandersetzt (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 38 Abs. 2 BauG).

3.
Es ergibt sich, dass die vorliegende Beschwerde gutzuheissen ist. Der
angefochtene Entscheid wird aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur
weiteren Behandlung zurückgewiesen (Art. 107 Abs. 2 BGG).

Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens werden keine
Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Den anwaltlich nicht vertretenen
Beschwerdeführern ist praxisgemäss keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art.
68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 15. November 2007 aufgehoben. Die Angelegenheit wird zur
weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Wahlern, der Bau-,
Verkehrs- und Energiedirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. April 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Haag